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Erklärungen des Auswärtigen Amts in der Regierungspressekonferenz vom 01.02.2023

01.02.2023 - Artikel

Position verschiedener außereuropäischer Staaten zum Angriff Russlands auf die Ukraine

FRAGE: Herr Hebestreit, Frau Sasse, der brasilianische Präsident hat eine neue Friedensinitiative vorgeschlagen. Es wirkte, als sei das etwas überraschend für den Kanzler gewesen. Das weiß ich aber nicht genau. Das können Sie vielleicht gleich ausführen.

Begrüßt Deutschland einen solchen Vorstoß? Wird man sich daran gegebenenfalls beteiligen?

HEBESTREIT (BReg): Ich weiß nicht, ob das richtig interpretiert ist. Ich meine, es war in einer Pressekonferenz, in der es eigentlich um andere Fragen ging. Da hat er neben Reaktionen auf den Klimaclub gesagt, es sei doch vielleicht auch Zeit, einen Friedensclub zu gründen und den Frieden in der Ukraine zwischen der Ukraine und Russland zu vermitteln.

Mein Eindruck ist im Augenblick, dass es nicht an möglichen Vermittlern mangelt, sondern dass es daran liegt, dass die russische Seite insbesondere keinerlei Anzeichen erkennen lässt, ihren Angriffskrieg gegen die Ukraine abzubrechen, Truppen zurückzuziehen und zu ehrlichen, offenen Friedensgesprächen einzuladen bzw. darauf einzugehen. Wir erleben tagtäglich Angriffe auf die zivile Infrastruktur in der Ukraine. Wir sehen Zeichen dafür, dass auf der russischen Seite weiterhin Material und auch Personal an die Grenze herangeführt wird. Da ist also keinerlei Anzeichen dafür, dass irgendeine Anstrengung zu einem Zurückweichen oder einer friedvolleren Zukunft in diesem Konflikt unternommen wird.

Verschiedene Staats- und Regierungschefs bieten sich immer wieder als mögliche Vermittler an. Ich erinnere an den türkischen Präsidenten. Ich glaube, auch der neue israelische Ministerpräsident hat das gestern Abend getan. Auch Lula da Silva hat das getan. Jetzt muss man sehen, ob daraus irgendetwas entstehen kann. Aber noch einmal: Es mangelt im Augenblick weniger an Vermittlern als daran, dass die russische Seite dazu bereit ist, auf Vermittlungsanstrengungen überhaupt einzugehen. ‑ Das ist Fakt, und da sollte man sich auch nicht blenden lassen.

ZUSATZFRAGE: War es denn abgesprochen, und wird sich Deutschland an solch einer Initiative beteiligen, oder wurde Herr Scholz davon überrascht?

HEBESTREIT: Das war nicht Thema der Gespräche, die man vorher miteinander geführt hat. Aber natürlich sind die jeweiligen Standpunkte, die man mit Blick auf diesen Konflikt hat, auch Thema der bilateralen und der Vieraugengespräche zwischen den beiden Staats- und Regierungschefs gewesen. Wir sollten uns da auch nichts vormachen. Der Bundeskanzler unternimmt diese Reisen ins Ausland, um immer wieder auch für den Standpunkt, den wir haben, zu werben und auch noch einmal deutlich zu machen, dass das keine europäische Sichtweise und kein europäischer Krieg ist, sondern dass es darum geht, dass gegen die internationale Ordnung verstoßen wird, weil nämlich ein Land versucht, mit Gewalt Grenzen zu verschieben und sich Territorium eines anderen Landes anzueignen. Das widerspricht nun einmal der Grundlage, der Charta der Vereinten Nationen, die zumindest alle die Länder, die wir jetzt besucht haben, uneingeschränkt teilen. Auch in all den Gesprächen und sogar in den öffentlichen Verlautbarungen, im Übrigen auch in Brasilien, ist das verurteilt worden, auch als russischer Angriff auf die Ukraine.

Trotzdem gibt es natürlich unterschiedliche Sichtweisen darauf, wie es jetzt weitergehen kann und soll. Allenthalben ist allen klar, dass dieser Krieg enden muss ‑ je schneller das geht, desto besser ist es ‑ und dass man je nach unterschiedlicher Betroffenheit eigene Sichtweisen haben kann. Diese hat der brasilianische Präsident in der Pressekonferenz zum Ausdruck gebracht.

FRAGE: Auch wenn es, wie Sie es geschildert haben, eher nur eine Randbemerkung war, gibt es ja einen Kontext. Zu diesem Kontext gehört, dass Brasilien keine Munition zur Unterstützung der Ukraine liefern würde. Das wurde explizit ausgeschlossen. Vor einem Jahr hat Lula gesagt, Selensky habe mindestens so sehr Schuld an diesem Krieg wie Putin. Das ist eine eindeutige Positionierung.

Welche Rolle spielt in diesem Kontext die Aussage Chinas, die gestern oder vorgestern getroffen wurde und der zufolge nach Auffassung Chinas die USA durch die Waffenlieferungen Hauptkriegstreiber seien? Sehen Sie irgendeine Perspektive, dass China so etwas wie eine friedensstiftende Rolle spielen kann?

HEBESTREIT: Zunächst einmal: Weil Sie das so intensiv verfolgen und auch die Pressekonferenz von Lula da Silva ‑ ‑ ‑ Vorgestern war es, glaube ich. Ich bin noch ein bisschen im Jetlag. Er hat da sehr dezidiert gesagt, das sei eine Äußerung gewesen, die er im vergangenen Mai getroffen habe und die er heute so nicht mehr treffen würde. Da müsse er sich korrigieren. Insofern müssen Sie ihm dann auch das zugutehalten. Er hat das im Mai anders ausgedrückt, als er es jetzt sieht. Er sieht sehr klar, wo die Urheberschaft dieses Konfliktes und auch dieses Krieges liegt.

Zu den Äußerungen der chinesischen Seite möchte ich mich von dieser Stelle aus nicht äußern. Sie kennen unsere Haltung. Sie kennen unsere enge Zusammenarbeit und Koordinierung mit den USA und mit unseren anderen internationalen Partnern. Es gibt keine veränderte Haltung dazu.

Über Spekulationen, wer jetzt wie vermitteln könnte oder nicht, haben wir eben auch schon gesprochen. Im Augenblick ist es, denke ich, mehr als höchste Zeit, dass der russische Präsident seinen sinnlosen Überfall auf die Ukraine abbricht, seine Truppen zurückzieht und zu einem friedvollen Miteinander zurückfindet.

ZUSATZFRAGE: Ist vor dem Hintergrund der jetzigen sehr scharfen chinesischen Äußerung das, was der Bundeskanzler bei seinem Chinabesuch als Erfolg gefeiert hatte, dass sich China nämlich mindestens in einer kritischen Formulierung auch gegenüber Russland geäußert hat, nicht obsolet geworden? Das ist ja Lichtjahre von dem entfernt, was China jetzt sagt.

HEBESTREIT: Nein.

FRAGE: Herr Hebestreit, der Kanzler hat auf den drei Stationen der Reise jeweils gehört, dass keine Waffen an die Ukraine geliefert werden sollen. Wie enttäuscht ist der Bundeskanzler darüber, dass zwar der russische Angriff verurteilt wurde, es aber keine konkreten Hilfen für die Ukraine gab?

HEBESTREIT: Ich denke, die Formulierung „konkrete Hilfen“ beziehen Sie auf militärische Güter und nicht auf sonstige Hilfen, die womöglich geleistet werden. Grundsätzlich entscheidet jedes Land selbst darüber, wie es unterstützt. Genauso wenig wie die deutsche Seite oder andere Länder es gernhätten, wenn aus dem Ausland Hinweise gegeben werden, wie sie sich bei Hilfsleistungen zu verhalten haben, tun wir das mit den anderen Ländern.

Der Bundeskanzler hat die Position deutlich gemacht. Er hat auch noch einmal deutlich gemacht, wie wir auf diesen Konflikt blicken, wie unsere Unterstützungsleistungen sind und was uns in unseren Entscheidungen trägt. Argentinien, Chile und auch Brasilien haben ihr jeweiligen Positionen bezogen. Das gehört zum internationalen Austausch. Dass man Hoffnungen hat, Veränderungen herbeizuführen, ist klar. Gleichzeitig muss man akzeptieren, dass andere Länder Dinge anders sehen. Das enthebt einen nicht der Aufgabe, immer wieder für die eigene Position zu werben und die eigenen Argumente vorzubringen in der Hoffnung, dass durch ein Gespräch das gegenseitige Verständnis wächst.

Der Schritt, Waffen in ein Kriegsgebiet zu liefern, ist nicht klein. Das haben wir hier über viele, viele Jahrzehnte kategorisch ausgeschlossen und haben es erst im Angesicht dessen, was der Bundeskanzler eine Zeitenwende genannt hat, verändert, für diesen konkreten Konflikt im Augenblick. Jedes andere Land muss das für sich entscheiden. Der brasilianische Präsident hat deutlich gemacht, dass Brasilien seit mehr als hundert Jahren keinen Krieg mehr geführt habe und sich in solchen Konflikten neutral verhalte. Auch das muss man akzeptieren.

ZUSATZFRAGE: War die Bitte um Lieferungen gerade bei Brasilien mit Gepard-Munition Teil der Gespräche, die der Bundeskanzler geführt hat?

HEBESTREIT: Ich überlege, ob wir in solchen Fällen nicht den anderen Teil aus dem BPA-Bullshitbingo nehmen und sagen, dass wir zu internen Gesprächen grundsätzlich nichts sagen. Aber es würde mich wundern ‑ Sie ja auch ‑, wenn er ein solch wichtiges Thema in Brasilien nicht angesprochen hätte.

FRAGE: Über die mögliche Rolle Chinas und Indiens wird auch in der deutschen Politik diskutiert. Frau Sasse, was unternimmt das Auswärtige Amt, um die chinesischen und die indischen Kollegen dazu zu bewegen, in dieser Hinsicht mehr Druck auf Russland auszuüben?

SASSE (AA): Ich denke, Herr Hebestreit hat als Regierungssprecher gerade sehr deutlich ausgeführt, dass wir mit diesen Ländern, unter anderem auch mit Indien und China, zu allen Fragen, die den Angriffskrieg betreffen, und natürlich auch weit darüber hinaus im Gespräch sind. Sie haben sicherlich verfolgt, dass die Außenministerin vor kurzer Zeit Indien besucht und dort Gespräche geführt hat. Der Angriffskrieg ist dabei ‑ das muss man ganz klar sagen ‑ immer eines der wichtigsten und bestimmendsten Themen.

Wie Herr Hebestreit ausgeführt hat, nehmen wir die unterschiedlichen Positionen der Länder zur Kenntnis. Wir diskutieren mit den Gesprächspartnern auf allen möglichen Ebenen, auf Ebene der Außenministerin, auf Ebene der Regierungschefs, auf Ebenen unterhalb dieser beiden Stufen, und versuchen, die Ziele zu erreichen, die Herr Hebestreit ganz klar als unsere definiert hat.

FRAGE: Frau Sasse, ich zitiere ihren chinesischen Counterpart. Frau Mao Ning hat gesagt ‑ Zitat ‑: Die USA sind diejenigen, die die Ukrainekrise ausgelöst haben. Die USA sind der größte Faktor, der diese Krise anfacht. ‑ Herr Hebestreit wollte jetzt nichts dazu sagen. Die Außenministerin auch nicht? Wollen Sie es einfach so stehenlassen?

SASSE: Wir kennen diese Äußerung und haben sie zur Kenntnis genommen. Sie kennen unsere Position. Wir sind mit den Amerikanern in sehr vertrauensvollem Austausch und in enger Abstimmung, was unsere Position mit Blick auf den russischen Angriffskrieg in der Ukraine angeht. Hier hat Herr Hebestreit ausgeführt, und ich habe dem nichts hinzuzufügen.

ZUSATZFRAGE: Wenn die Russen dasselbe behaupten, dann sind Sie diejenigen, die sagen, das sei Propaganda und Unsinn. Wenn die Chinesen das behaupten, dann tun Sie das nicht. Warum?

HEBESTREIT: Ich denke, dass wir bis auf das Wort, das Ihnen jetzt fehlt und das dann eine gewisse Aufregung nach sich ziehen und Ihnen womöglich Klicks bescheren könnte, genau das ausgedrückt haben. Wir haben nämlich gesagt, wie wir die Situation sehen. Sie haben vorher geschildert, wie die chinesische Seite die Situation sieht. Sie haben sogar den Schluss gezogen, dass das, was die chinesische Seite sagt, sehr ähnlich klinge wie das, was die russische Seite sage. Sie wissen, wie wir zur russischen Seite stehen. Also ist eigentlich alles genau gesagt. Ihnen fehlt nur der eine Satz, den Sie jetzt brauchen. Den müssen Sie sich aus dem, was wir hier gesagt haben, zusammenschneiden.

ZUSATZ: Es kann ja sein, dass sich die Regierung nicht traut, die Chinesen für so etwas zu kritisieren.

HEBESTREIT: Da habe ich keine Sorge.

Einsätze der Bundeswehr in Mali

FRAGE: Ich habe eine Frage zu Mali an das Verteidigungs- und das Außenministerium. Gestern gab es eine Aufforderung von UN-Menschenrechtsexperten verschiedenster Gruppen, Kriegsverbrechen der malischen Militärregierung und der russischen Söldner, die dort in Mali sind, zu untersuchen und aufzuklären. Hält die Bundesregierung angesichts dieser Aufforderungen an ihren Plänen für die weitere Präsenz der Bundeswehr fest?

SASSE (AA): Noch einmal grundsätzlich zur Lage ‑ das wissen Sie aber, weil wir das hier an dieser Stelle in den vergangenen Wochen und Monaten immer wieder deutlichgemacht haben ‑: Die Lage in Mali ist angespannt. Wir beobachten das sehr intensiv. Wir stimmen uns innerhalb der Bundesregierung engsten darüber ab, wie mit Blick auf den Einsatz weiter verfahren werden soll. Darüber gab es im vergangenen Jahr Gespräche. Darüber gibt es weiterhin Gespräche, die laufen und in die alle aktuellen Entwicklungen einfließen. Für das Auswärtige Amt kann ich auch sagen, dass wir auch gegenüber der malischen Regierung weiterhin unsere Sorge mit Blick auf diese Entwicklungen sehr deutlich zum Ausdruck bringen.

ROUTSI (BMVg): Mit Blick auf Ihre Fragestellung habe ich nichts zu ergänzen. Das ist umfänglich beantwortet worden.

ZUSATZFRAGE: Es hat sich nicht nur, weil es diesen Aufruf gibt, etwas geändert, sondern auch deshalb, weil der neue Verteidigungsminister selbst Zweifel daran geäußert hat, ob die Entscheidung aus dem November, noch bis 2024 dort vor Ort zu sein, wirklich die richtige ist. Deswegen möchte ich nachfragen, was diese Debatten innerhalb der Bundesregierung ergeben haben oder ergeben können. Können Sie auch einen früheren Abzug ergeben?

ROUTSI: Weil Sie Minister Pistorius ansprechen, würde ich dazu gern ein, zwei Worte verlieren. Aus der aktuellen Situation ‑ ‑ ‑ Ich bin hier, um ein bisschen über das Ganze, was die Truppe für Mali angeht, was vor Ort los ist, zu informieren. Ich kann Ihnen sagen, dass just heute die MedEvac-Flüge ‑ darüber haben wir hier mehrfach gesprochen ‑ innerhalb Malis untersagt worden sind. Hinzu kommt, dass auch die Rotationsflüge für das Personal derzeit ausgesetzt sind. Wie Sie sich vorstellen können, macht es das für das Einsatzkontingent vor Ort natürlich kompliziert. Wir vernehmen auch keine Verbesserung der Lage, wie es ja auch Frau Sasse gerade eingeordnet hat.

Ich kann Ihnen gern noch mitteilen, dass Minister Pistorius das Einsatzführungskommando besucht und mit dem Kontingentführer vor Ort gesprochen hat. Er wird aber auch noch nach Mali selbst reisen, mit den Soldatinnen und Soldaten vor Ort sprechen und die Erfahrungen der Truppe vor Ort in den Mandatierungsprozess mit einbringen.

ZUSATZFRAGE: Frau Sasse, führt das, was Frau Routsi gerade vorgetragen hat, nicht zu einem Umdenken im Auswärtigen Amt? Wenn ich es richtig verstanden habe, dann hat die Ministerin eher dafür plädiert, dass man noch bis zur möglichen Abhaltung von Wahlen dort präsent sein möge.

SASSE: Ich kann noch einmal darauf verweisen, dass es eine enge Abstimmung innerhalb der Bundesregierung darüber gab und gibt, wie wir die Lage in Mali einschätzen und wie wir mit dem Einsatz in Mali weiter umgehen. Alle aktuellen Entwicklungen fließen ein.

Die Position der Außenministerin dazu kennen Sie. Sie ist auch in der Vergangenheit in die Beratungen eingeflossen und hat ihren Niederschlag gefunden. Das, was wir damals beschlossen haben, ist Ihnen bekannt. Darauf haben Sie selbst verwiesen. Wir beraten weiterhin, wie wir mit der aktuellen Lage und den sich verändernden Rahmenbedingungen umgehen.

ROUTSI: Wenn ich dazu ergänzen darf ‑ ‑ ‑ Dem Verteidigungsminister geht es darum, die operativen Belange mit einzubringen. Das ist wichtig und auch Ausdruck der Inhalte, die Sie aus dem Interview mit der „Süddeutschen Zeitung“ kennen. Das ist kein Widerspruch. Das sind einfach die Erfahrungen, die die Truppe vor Ort macht. Sie fließen mit ein.

HEBESTREIT (BReg): Ich kann noch ergänzen, dass die Einigung innerhalb der Bundesregierung zum Thema Malis immer auch einbezogen hat, dass man auch immer wieder die Lage beurteilen muss, weil sie sich ja verändert und ein Einsatz Sinn machen muss. Das ist klar.

Der zweite Punkt, den ich sofort anfügen muss, ist, dass ein Abzug aus Mali nach Einschätzung der Bundeswehr, wenn ich es richtig im Kopf habe, etwa zwölf Monate dauern wird.

FRAGE: Frau Sasse, hat Ihr Ministerium Kenntnisse über einen Wahltermin in Mali?

SASSE: Natürlich sind uns aktuelle Planungen bekannt. Aber Sie wissen aus der Vergangenheit selbst, dass die malische Regierung den Wahltermin immer wieder verschoben hat. Auch das ist Gegenstand der Kritik, die wir gegenüber der malischen Regierung äußern. Es steht ein Termin im Raum. Wir haben gegenüber der malischen Regierung sehr deutlich zum Ausdruck gebracht, dass wir erwarten, dass diese Wahlen durchgeführt werden, auch um für stabile politische Rahmenbedingungen zu sorgen. Sie wissen, dass es sich um eine Übergangsregierung handelt, die dort im Moment an der Macht ist.

ZUSATZFRAGE: Wir haben ja gerade vom Kollegen gehört, dass es das AA gern hätte, dass man bis zu den Wahlen wartet. Wenn die Wahlen aber unendlich nach hinten verschoben werden, dann möchte das AA, dass die Bundeswehr ‑ ‑ ‑

SASSE: Ich muss da nochmal eindrücklich ‑ ‑ ‑

HEBESTREIT: Da kann ich auch ergänzen. Die Bundesregierung hat sich im vergangenen November entschieden und gesagt: Maximal bis Mai 2024 bleibt sie. ‑ Im Augenblick wird damit gerechnet, dass diese Wahlen im Frühjahr 2024 ‑ nach dieser Regierungspressekonferenz müsste ich sagen: im Winter 2023/2024 ‑ abgehalten werden. Dass man nicht mitten in dieser Wahl den Abzug komplett drin hat, das war die Überlegung, die es getragen hat, dass man gesagt hat: Man strebt eine Verlängerung des Mandates, das jetzt im Übrigen im Mai ausläuft, um ein weiteres Jahr an. ‑ Aber auch da gilt: Das muss man immer wieder mit der jeweiligen Situation vor Ort und auch mit der Frage, ob denn dieser Wahltermin, von dem die malische Regierung immer wieder ausgeht, tatsächlich eingehalten werden kann, überprüfen. Aber auch dann nochmal zur Erinnerung: Ein organisierter Abzug dauert „más o menos“ zwölf Monate.

Medienberichte über die Höhe der deutschen Unterstützungsleistungen für Afghanistan im Bereich der Ernährungssicherung

FRAGE: Nachdem die Taliban afghanischen Frauen verboten haben, für internationale Hilfsorganisationen zu arbeiten, gab es Berichte, dass das Auswärtige Amt Unterstützungsleistungen für Afghanistan vor allem im Bereich der Ernährungssicherung einstelle oder zurückfahre. Trifft das zu? Wenn ja, in welchem Umfang?

SASSE (AA): Ich kann, glaube ich, einmal anfangen, und der Kollege vom BMZ kann sicherlich etwas ergänzen. Es geht ja insgesamt um die Lage in Afghanistan. Sie haben selbst angesprochen, dass es unter anderem darum geht, wie die Taliban mit Frauen umgehen. Konkret gibt es ja Regelungen, die Frauen die Arbeit verbieten sollen oder ganz konkret verbieten. Das alles sind Maßnahmen, und das haben wir in der Vergangenheit deutlich gemacht, die Außenministerin zuletzt anlässlich des Außenministertreffens in Brüssel in der vergangenen Woche, die natürlich absolut in die falsche Richtung gehen und die nicht nur in die falsche Richtung gehen, sondern die für uns inakzeptabel sind. Es ist so, dass wir uns, was internationale Hilfe angeht, nicht zum Handlanger der Taliban machen können, indem wir uns auf Dinge einlassen, die einfach ganz grundlegenden humanitären Prinzipien widersprechen, wie beispielsweise die Tatsache, dass Frauen an der Umsetzung von internationaler Hilfe und insbesondere der humanitären Hilfe, für die das Auswärtige Amt ja zuständig ist, nicht mehr teilnehmen können. Das bedeutet nämlich in der Praxis, dass diese Hilfe dann einfach bei den Menschen, die sie brauchen, nicht mehr ankommt. Gerade deswegen und vor dem Hintergrund dieser Maßnahmen und Entwicklungen in Afghanistan befindet sich die Bundesregierung seit längerer Zeit schon in einer sehr engen Abstimmung darüber, wie man weiter verfahren will. Nicht nur innerhalb dieser Bundesregierung gibt es diese Abstimmungen, sondern natürlich auch mit internationalen Partnern und mit den Hilfsorganisationen, die diese Hilfe nach Afghanistan bringen. Unser Ziel ist dabei ganz klar, eine einheitliche Position zu finden, mit der wir uns, wie gesagt, nicht zum Handlanger der Taliban machen und mit der wir ganz klarmachen: Wir lassen weder die Menschen noch ganz konkret die Frauen in Afghanistan allein. - Diese Abstimmung läuft, die läuft regierungsintern, die läuft mit internationalen Partnern, wie ich eben dargelegt habe, und wir werden Sie da weiter auf dem Laufenden halten.

ROCK (BMZ): Ich habe dazu keine Ergänzung zu machen.

ZUSATZFRAGE: Gleichwohl kann ich jetzt noch nicht erkennen, wie die Antwort inhaltlich aussieht. Plant das Auswärtige Amt Hilfslieferungen, die der Ernährungssicherung in Afghanistan dienen? Ich glaube, drei Viertel der Bevölkerung sind von solchen Hilfslieferungen abhängig oder auf sie angewiesen. Plant das Auswärtige Amt, die zu kürzen? Wenn ja, in welchem Umfang?

SASSE: Ich muss Sie dafür um Verständnis bitten, dass ich Sie da auf laufende Abstimmungsprozesse innerhalb der Bundesregierung und mit Partnern verweisen muss. Es ist für uns klar, dass, wenn Frauen nicht weiterarbeiten können und nicht an der Umsetzung der humanitären Hilfe ‑ noch einmal: es geht bei uns um die humanitäre Hilfe ‑ mitwirken können, dann gegen sehr grundlegende humanitäre Prinzipien verstoßen wird, die ja so bei der Vergabe von humanitärer Hilfe auch eingehalten werden müssen. Das sind zum Beispiel die Prinzipien der Menschlichkeit, der Unparteilichkeit, der Unabhängigkeit, der Neutralität, des Diskriminierungsverbots. Gegen all das verstoßen dieser Maßnahmen der Taliban. Wir beraten als Bundesregierung darüber, wie wir auf dieses Verhalten der Taliban reagieren.

ZUSATZFRAGE: Sie weisen darauf hin, dass die Maßnahmen der Taliban gegen so viele Gebote der Menschlichkeit und humanitäre Regeln verstoßen. Verstößt denn nicht die Einstellung humanitärer Hilfe, auf die drei Viertel der Bevölkerung angewiesen sind, dann auch gegen solche grundlegenden humanitären Regeln?

SASSE: Jetzt drehen Sie den Spieß aber ein bisschen um; denn die Lage, mit der wir uns aktuell auseinandersetzen, ist das, was ich beschrieben habe, nämlich dass die Taliban Frauen das Arbeiten verboten haben und Frauen verboten haben, an der Umsetzung von humanitärer Hilfe mitzuwirken. Hinsichtlich dieser Situation überlegen wir als Bundesregierung gerade, wie wir reagieren, und die Abstimmungen dazu laufen.

FRAGE: Wird es denn afghanischen Frauen nach Ihrer Logik helfen, wenn man die Ernährungshilfe kappt?

SASSE: Das ist eine spekulative Frage. Ich habe, glaube ich, gerade sehr deutlich gemacht, dass wir uns in einem laufenden Abstimmungsprozess mit allen Ressorts der Bundesregierung und natürlich mit dem Bundeskanzleramt befinden und dass wir als Auswärtiges Amt, als das wir für humanitäre Hilfe zuständig sind, natürlich auch darauf achten, dass als einer der Faktoren humanitäre Prinzipien eingehalten werden. Wir stimmen uns mit den anderen Ressorts darüber ab, wie unsere grundlegende Linie gegenüber den Taliban dann sein wird.

ZUSATZ: Aber Sie haben jetzt nicht dementiert, dass es auch um die Streichung oder Aussetzung von humanitärer Hilfe insbesondere bei der Ernährungssicherung geht.

SASSE: Es geht um humanitäre Hilfe in den Bereichen, in denen Frauen einem Arbeitsverbot unterliegen, das die Taliban verhängt haben.

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