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Erklärungen des Auswärtigen Amts in der Regierungspressekonferenz vom 30.01.2023

30.01.2023 - Artikel

Zusammenarbeit zwischen dem Kanzleramt und dem Auswärtigen Amt in der Außenpolitik

FRAGE: Frau Hoffmann, wer bestimmt die Außenpolitik der Bundesregierung, das Kanzleramt oder das Auswärtige Amt?

HOFFMANN (BReg): Wir arbeiten in der Bundesregierung eng und vertrauensvoll zusammen. Sie wissen ja, dass es eine Richtlinienkompetenz des Kanzlers gibt. Aber an die muss in diesem Zusammenhang im Grunde gar nicht erinnert werden, weil die Außenpolitik in enger Abstimmung von Kanzleramt, Auswärtigem Amt und möglicherweise auch noch anderen beteiligten Ministerien erfolgt.

ZUSATZFRAGE: Die Frage hat natürlich einen Hintergrund, nämlich die Schlagzeile der „Bild“-Zeitung, dass es zwischen dem Kanzleramt und dem Auswärtigen Amt brodelt. Sie sitzen hier ja einträchtig nebeneinander. Wie würden Sie derzeit das Verhältnis zwischen Kanzleramt und Auswärtigem Amt und Auswärtigem Amt und Kanzleramt jeweils beschreiben?

HOFFMANN: Ich kann eigentlich nur das wiederholen, was ich eben gesagt habe, oder das vielleicht noch etwas personalisieren: Der Bundeskanzler arbeitet mit allen seinen Ministerinnen und Ministern eng und vertrauensvoll zusammen. Eine Berichterstattung der Presse in diesem Zusammenhang kommentiere ich nicht.

ZUSATZ: Das hört sich ja nicht nach sehr viel Gefühl an.

HOFFMANN: Soll ich jetzt von Liebe sprechen?

SASSE (AA): Ich kann für die Außenministerin nur an das anknüpfen, was Frau Hoffmann gerade gesagt hat, und noch einmal betonen, dass sie die Zusammenarbeit mit dem Kanzler als gut und kollegial empfindet.

Nationale Sicherheitsstrategie

FRAGE: Es gab auch eine Berichterstattung über die Nationale Sicherheitsstrategie, auch in dem Umfeld von vermeintlichen oder tatsächlichen Spannungen. Können Sie uns bitte noch einen Zeitplan nennen, bis wann die Nationale Sicherheitsstrategie fertig sein soll? Es hieß, nicht mehr vor der Münchner Sicherheitskonferenz.

SASSE (AA): Ich verstehe Ihr Interesse daran. Herr Hebestreit hat sich ja in einer der vergangenen Regierungspressekonferenzen auch zu dem Zeitplan geäußert. Insofern verweise ich auf seine Äußerungen. Ich möchte allerdings nicht zu weiteren Spekulationen einladen, was den Zeitplan angeht. Sie wissen ‑ das haben wir an dieser Stelle schon öfter betont ‑, dass die Zusammenarbeit mit den Ressorts läuft, was die Erarbeitung der Nationalen Sicherheitsstrategie angeht. Diese Zusammenarbeit mit den Ressorts läuft noch aktuell und läuft weiter.

ZUSATZFRAGE: Wer hat die Federführung, mittlerweile das Kanzleramt oder das Auswärtige Amt?

SASSE: Im Koalitionsvertrag ist ganz klar geregelt, dass die Bundesregierung eine Nationale Sicherheitsstrategie erarbeitet. Die wird von allen Ressorts gemeinsam unter Federführung des Auswärtigen Amtes erarbeitet.

Berichte über einen israelischen Drohnenangriff auf eine Militäranlage in Iran

FRAGE: Meine Frage geht an das Auswärtige Amt. Nach US-Angabe gab es am Samstag einen israelischen Drohnenangriff auf eine Militäranlage im Iran. Was weiß die Bundesregierung darüber?

SASSE (AA): Herr Kollege, wir kennen natürlich die Berichterstattung zu diesen Vorfällen und haben sie zur Kenntnis genommen. Ich muss Ihnen allerdings sagen, dass wir keine eigenen Erkenntnisse darüber haben, was vor Ort passiert ist.

ZUSATZFRAGE: Wie informieren Sie sich dann? Fragen Sie bei den US-Kollegen nach? Sie reden ja recht eindeutig auch mit der amerikanischen Presse und sagen, dass das so gewesen sei.

SASSE: Wir sind darüber mit allen Partnern und Institutionen im Gespräch. Dazu zählen selbstverständlich die USA. Dazu zählen unsere europäischen Partner. Wir haben natürlich auch unsere Kollegen vor Ort an der Botschaft in Teheran, die sich mit der Situation beschäftigen und dort nachhören, was die iranische Regierung selbst zu diesen Vorfällen mitteilt. Alle diese Quellen ziehen wir zu Rate.

ZUSATZFRAGE: Fragen Sie die israelischen Partner?

SASSE: Wie gesagt stehen wir mit allen Partnern bezüglich dieser Ereignisse im Gespräch. Sie wissen auch, dass sich Israel als relevanten Partner mit Blick auf Iran ansieht.

FRAGE: Frau Sasse, begrüßen die Bundesregierung und das Auswärtige Amt diese Drohnenangriffe? Denn sie stehen möglicherweise auch in Zusammenhang mit Drohnenlieferungen an Russland im Krieg gegen die Ukraine.

SASSE: Dazu kann ich an dieser Stelle keine Stellungnahme für das Auswärtige Amt oder die Bundesregierung abgeben.

HOFFMANN (BReg): Nein, wir kommentieren das nicht.

Nahostkonflikt

FRAGE: Ich habe eine Frage an das Auswärtige Amt zum Thema Israels. Wie besorgt sind Sie über die Eskalation, die es dort gegeben hat? Stehen Sie mit der israelischen Regierung und den palästinensischen Autonomiebehörden über das weitere Vorgehen in Kontakt?

SASSE (AA): Herr Kollege, wir sind sehr besorgt über die Lage. Wir haben das am Samstag mit einer Sprechererklärung, die sich unter anderem auf den Anschlag von Freitagabend bezieht, aber auch grundsätzlich auf die Lage Bezug nimmt, auch sehr deutlich zum Ausdruck gebracht. Wir sehen die Lage wie gesagt mit sehr großer Sorge. Es geht nun wirklich darum, alles daranzusetzen, diese brenzlige, diese angespannte Lage zu entschärfen. Bereitschaft zum Dialog ist dafür auf beiden Seiten nötig. Wir werden natürlich in enger Abstimmung mit unseren Partnern alles daransetzen, das zu unterstützen. Das bezieht sich unter anderem auch auf die Tatsache, dass sich der US-Außenminister im Moment in der Region aufhält und Gespräche führt.

Ich kann Ihnen, Bezug nehmend auf Ihre Frage, auch sagen, dass die Außenministerin selbst auch in Kontakt mit den Partnern in der Region stand und steht.

ZUSATZFRAGE: Wenn Sie davor warnen, dass es keine weitere Eskalation geben soll, wie beurteilen Sie dann die Ankündigung der israelischen Regierung, dass man den Siedlungsbau in den besetzten Gebieten nun forcieren werde?

SASSE: Wir haben die Maßnahmen, die die israelische Regierung nach der Sitzung des Sicherheitskabinetts angekündigt hat, zur Kenntnis genommen. Was konkret den Siedlungsbau angeht, kennen Sie unsere Auffassung. Wir haben sie an dieser Stelle in der Vergangenheit immer wieder deutlich gemacht. Der Siedlungsbau in den besetzten Gebieten ist unserer Ansicht nach völkerrechtswidrig und gefährdet eine nachhaltige Friedenslösung.

FRAGE: Angekündigt wurde auch, dass Familien, aus denen Terrorismusunterstützter kämen, in Zukunft Ansprüche auf Sozialleistungen sowie weitere Leistungen verlieren sollen. Das bezeichnet man eigentlich als Sippenhaft. Ist das aus Sicht der Bundesregierung rechtlich zulässig?

SASSE: Herr Kollege, ich muss Sie um Verständnis dafür bitten, dass wir an dieser Stelle nicht auf einzelne Maßnahmen der israelischen Regierung, die über das Wochenende getroffen wurden, eingehen können, auch nicht rechtlich. Die rechtliche Frage, die Sie aufwerfen, betrifft in erster Linie israelisches Recht, das analysiert werden müsste. Ich bitte Sie um Verständnis dafür, dass ich für das Außenministerium keine Stellung dazu nehmen und auch nicht in eine detailliertere Analyse einsteigen kann.

ZUSATZ: Vielleicht wäre doch da eine Nachlieferung möglich. Zum Beispiel im Hinblick auf Siedlungsbau haben Sie sich ja geäußert und positioniert, und es geht hier im Zweifelsfall auch um Menschenrechte, die verletzt werden.

SASSE: Ich denke, ich habe in meinem Satz vorher deutlich gemacht, dass wir den Siedlungsbau aus völkerrechtlicher Sicht für rechtswidrig halten. Sie hatten etwas unspezifisch nach einer rechtlichen Einschätzung der anderen Maßnahmen gebeten. Dabei geht es eben nicht nur um Völkerrecht, sondern vor allem und in erster Linie um israelisches Recht.

FRAGE: Frau Sasse, alles wird durch den tödlichen Anschlag auf die Synagoge und die vielen Toten überlagert. Aber es gab auch Berichte darüber, dass auch christliche Einrichtungen in Jerusalem attackiert worden seien. Haben Sie dazu Erkenntnisse? Nach den Berichten seien sie von jüdischen Aktivisten angegriffen worden.

SASSE: Dazu habe ich nichts dabei, würde eine Antwort aber gegebenenfalls noch nachliefern.

Gedenkstätte für die Opfer der ehemaligen Siedlungs­gemeinschaft Colonia Dignidad

FRAGE: Eine Frage an das Auswärtige Amt und gegebenenfalls an Frau Hoffmann, weil der Kanzler gerade vor Ort ist. Es geht um das Thema Colonia Dignidad und die Absprache, dass es eine Gedenkstätte geben soll.

Frau Hoffmann, das ist die aktuelle Neuigkeit. Aber im Hintergrund passiert ja einiges.

Frau Sasse, können Sie uns aus Sicht des Auswärtigen Amtes erklären, warum deutsche und chilenische Wissenschaftler, die auf Beschluss des Bundestags die Errichtung einer Gedenkstätte voranbringen sollten, vor ein paar Wochen von ihren Aufgaben entbunden wurden?

SASSE (AA): Ich würde erst Frau Hoffmann das Wort geben, weil der Kanzler gerade in der Region ist und auch Chile bereist.

ZUSATZ: Dazu hatte ich ja keine Frage.

HOFFMANN (BReg): Ich kann aber gerne sagen ‑ ‑ ‑

ZURUF JUNG: Ne, ich ‑ ‑ ‑

HOFFMANN: Ich würde gerne sagen, da Sie das Thema angesprochen haben, dass das natürlich auch Thema bei den Gesprächen des Kanzlers in Chile war, er sich auch geäußert und gesagt hat, dass er diese Bestrebungen und Pläne der chilenischen Regierung sehr unterstützt und natürlich auch die Sensibilität und Schwierigkeit dieses ganzen Themas sehr wahrnimmt.

Was die konkrete Frage angeht, gebe ich an Frau Sasse ab.

SASSE: Ich kann dem nichts Konkretes hinzufügen. Ich bitte um Entschuldigung.

ZUSATZFRAGE: Aber warum nicht? Sie hatten sich quasi schon bestätigend geäußert, auch gegenüber dem Ministerpräsidenten aus Thüringen, der das ja auch voranbringt. Sie wissen davon nichts, oder wie soll ich das verstehen?

SASSE: Ich kann Ihnen gerne spätestens am Mittwoch ‑ wenn nicht noch heute im Laufe des Tages ‑ eine aktuellere Position dazu nachliefern.

ZUSATZFRAGE: Frau Hoffmann, ist denn klar, wo diese Gedenkstätte errichtet werden soll? Soll das auf diesem Sektengelände passieren? Da ist ja aktuell noch ein Hotel.

HOFFMANN: Ich weiß nicht, ob es dazu eine Entscheidung gibt. Aber wenn es diese Entscheidung gibt, liefern wir das nach.

FRAGE: Frau Sasse, vielleicht waren Sie auch bei der Veranstaltung dabei, als im Jahr 2016 der Film über Colonia Dignidad im Weltsaal des Auswärtigen Amtes mit Opfern gezeigt wurde, die das alles überlebt haben. Der damalige Außenminister Frank-Walter Steinmeier hat gesagt, es sei eine Verpflichtung für Deutschland, für die deutsche Außenpolitik dafür zu sorgen, dass das aufgearbeitet wird, dass man auch über Fehler der Vergangenheit Transparenz herstellt. Wenn jetzt Menschen, die diese Aufarbeitung machen wollen, auf Wunsch der chilenischen Regierung abgezogen werden, ist das dann nicht ein Widerspruch zu dem, was Herr Steinmeier damals sagte?

SASSE: Herr Kollege, ich kenne selbstverständlich die Veranstaltung, von der Sie sprechen. Ich kenne auch die Äußerungen des ehemaligen Außenministers. Ich kann Ihnen sagen, dass die Bundesregierung sich der Aufarbeitung weiterhin voll umfänglich verpflichtet fühlt.

Was den konkreten Vorfall angeht, habe ich soeben eine Nachlieferung zugesagt, die wir auch gerne einreichen werden.

FRAGE: Könnten Sie kurz etwas zum Erkenntnisstand im Auswärtigen Amt selbst sagen, seit wann das Außenamt über die Vorgänge in der Colonia informiert war?

SASSE: Ich würde das gerne in den Gesamtzusammenhang unserer Nachlieferung setzen.

ZUSATZFRAGE: Darf ich trotzdem eine konkrete Frage stellen?

SASSE: Zum Thema Colonia Dignidad insgesamt haben wir uns – das wissen Sie – in den vergangenen Jahren immer wieder geäußert. Sie wissen ‑ das habe ich gerade an dieser Stelle auch noch einmal deutlich gemacht ‑, dass wir uns als Bundesregierung dieser Aufarbeitung voll umfänglich verpflichtet fühlen.

ZUSATZFRAGE: Für die Nachreichung: Erkennt das Auswärtige Amt an, dass sie bereits 1967 über die Vorgänge in der Colonia Dignidad informiert waren?

VORS. FELDHOFF: Die Frage nimmt das Auswärtige Amt mit.

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