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Erklärungen des Auswärtigen Amts in der Regierungspressekonferenz vom 02.01.2023

02.01.2023 - Artikel

Lage in Afghanistan

HOFFMANN (BReg): Ich möchte die Gelegenheit ergreifen, in dieser ersten Regierungspressekonferenz des neuen Jahres noch einmal die Lage in Afghanistan in den Fokus zu nehmen.

Seit der Machtübernehme durch die Taliban hat sich die Lage insbesondere für Frauen in Afghanistan kontinuierlich verschlechtert. Die Taliban haben die Freiheiten von Frauen immer weiter eingeschränkt. Eine Teilnahme von Afghaninnen am gesellschaftlichen Leben wird immer schwieriger. Die Taliban gehen rigoros gegen die weibliche Bevölkerung des Landes vor. Das verurteilen wir auf das Schärfste. Wir fordern die Taliban auf, die Arbeitsverbote für Frauen in NGOs umgehend aufzuheben und Mädchen und Frauen wieder freien Zugang zu Universitäten und Schulen zu gewähren.

Auch der UN-Sicherheitsrat hat am 28. Dezember die immer weitreichenderen Einschränkungen von Frauenrechten in Afghanistan verurteilt und die Taliban aufgefordert, diese zurückzunehmen. Bundesaußenministerin Annalena Baerbock hat gemeinsam mit Amtskolleginnen und Amtskollegen unter anderem der USA, Australiens und von EU-Mitgliedsstaaten in einer gemeinsamen Erklärung ihre Besorgnis über das Vorgehen der Taliban ausgedrückt.

BMZ und AA prüfen, welche Auswirkungen die Entscheidung der Taliban auf die weitere Bereitstellung von humanitärer Unterstützung und Entwicklungszusammenarbeit hat. Wir sind dabei in enger Abstimmung mit unseren Partnern.

Soweit von mir.

FRAGE: Eine Frage an Frau Hoffmann, vielleicht auch das BMZ. In welche Richtung läuft diese Prüfung, was die Entwicklungszusammenarbeit angeht? Wenn man die Mittel zusammenkürzt, würde man ja die Bevölkerung noch wieder weiter treffen und den Taliban möglicherweise in die Hände spielen. Ist vielleicht eher daran gedacht, die Mittel noch aufzustocken? Was ist die Zielrichtung dieser Prüfung? ‑ Danke

HOFFMANN: Für diese Frage würde ich tatsächlich gerne an das BMZ verweisen.

ROCK (BMZ): Vielen Dank. ‑ Natürlich ist das ein Dilemma, vor dem wir hier stehen. Wir wollen die Menschen weiter unterstützen und nicht alleine lassen. Man muss noch einmal ganz klar sagen, dass die Verantwortung für die Situation, wie sie jetzt ist, also für das Anhalten der Maßnahmen, ganz klar bei den Taliban liegt, die sich nicht um das Wohlergehen der Menschen in Afghanistan scheren.

Es gibt alternative Umsetzungsmöglichkeiten, die wir auch zum Teil in der Zusammenarbeit mit den Vereinten Nationen nutzen. Es wäre natürlich perspektivisch eine Möglichkeit, das noch weiter auszubauen.

WAGNER (AA): Ich kann gerne für das Auswärtige Amt ergänzen. Mein Kollege Christofer Burger hatte sich letzte Woche hier relativ ausführlich eingelassen. Ich möchte noch einmal festhalten ‑ das hat Herr Burger auch gesagt ‑, dass es natürlich unterschiedliche Arten von Hilfe gibt. Das Auswärtige Amt arbeitet im Bereich der humanitären Hilfe, die unmittelbar lebensrettende Maßnahmen betrifft, und das BMZ darüber hinaus im Bereich der Basisdienstleistungen.

Ich schließe mich ganz den Ausführungen der stellvertretenden Regierungssprecherin an, dass wir jetzt in enger Abstimmung mit unseren Partnern und auch im Ressortkreis sind, um zu sehen, welche Auswirkungen diese Entscheidung der Taliban auf unsere Hilfen hat.

FRAGE: Herr Wagner, der stellvertretende UN-Sondergesandte Potzel hatte Ende des letzten Jahres gefordert, dass Deutschland erwägt, vielleicht wieder die Botschaft zu eröffnen, wie das, glaube ich, Japan getan hat. Gibt es in der Hinsicht irgendwelche Überlegungen, ohne das Taliban-Regime anzuerkennen, dass es zumindest irgendeine Art von Präsenz vor Ort gibt?

WAGNER: Da Herr Burger genau diese Frage letzte Woche auch schon beantwortet hat, würde ich Sie auf das Protokoll der letzten Woche verweisen.

Reise der Bundesaußenministerin nach Portugal

WAGNER (AA): Ich darf Ihnen ankündigen, dass Bundesaußenministerin Baerbock morgen, also am 3. Januar, zu ihrem ersten Besuch nach Portugal reisen wird. Sie wird dort ihren portugiesischen Amtskollegen treffen. Bei dem Besuch geht es um die Intensivierung der bilateralen Beziehungen in vielen unterschiedlichen Bereichen. Deutschland und Portugal wollen zudem ihre strategische Zusammenarbeit und Koordination in der Europäischen Union mit Blick auf die lusophone Welt und etwa auch China und Afrika stärken. Auf Einladung ihres portugiesischen Amtskollegen nimmt die Außenministerin am Mittwoch auch an der jährlichen Konferenz der Leiterinnen und Leiter der portugiesischen Auslandsvertretungen teil. Sie wird dort gegen 11.15 Uhr eine presseöffentliche Rede halten. Am Mittwoch ist dann eine gemeinsame Pressebegegnung von Außenministerin Baerbock mit dem portugiesischen Außenminister geplant. Diese soll um ca. 12.15 Uhr deutscher Zeit stattfinden.

Portugal ‑ lassen Sie mich das noch sagen ‑ ist einer der Vorreiter in Europa in Sachen Meeresschutz. Außenministerin Baerbock wird sich deswegen auch mit Vertreterinnen und Vertretern der Blue Ocean Foundation treffen und sich über die Arbeit austauschen. Sie wird im Übrigen auf der Reise vom Beauftragten der Bundesregierung für Meeresschutz, Sebastian Unger, der im BMUV angesiedelt ist, begleitet. Am Mittwochabend kehrt Bundesaußenministerin Baerbock dann nach Berlin zurück.

Lage in Venezuela

FRAGE: Ich habe eine Frage an das Auswärtige Amt. Es ist, glaube ich, fast genau vier Jahre her, dass einige Länder, darunter auch Deutschland, Juan Guaidó als Interimspräsidenten von Venezuela anerkannt haben. Jetzt hat ihm selbst die venezolanische Opposition die Unterstützung entzogen.

Wer ist mit jetzigem Stand aus Sicht der Bundesregierung Präsident von Venezuela?

WAGNER (AA): Wir haben die Entscheidung der Nationalversammlung zur Kenntnis genommen. Ich kann dazu allgemein sagen, dass für eine politische Lösung der Krise in Venezuela aus unserer Sicht eine geeinte Opposition ganz entscheidend ist. Wir unterstützen natürlich die demokratischen Kräfte in Venezuela mit dem Ziel, einen Ausweg aus der Krise durch freie, faire und glaubwürdige Präsidentschafts- und Parlamentswahlen zu befördern. Der demokratischen Opposition kommt hierfür eine zentrale Bedeutung zu. In dem Zusammenhang begrüßen wir aber auch, dass es eine Wiederaufnahme der Gespräche zwischen Präsident Maduro und der in der einheitlichen Plattform organisierten Opposition gibt. Das ist das, was ich zu diesem Zeitpunkt dazu sagen kann.

ZUSATZFRAGE: Wir müssen ja irgendjemanden anerkennen. Mit wem redet die Bundesregierung auf Ebene der Regierungschefs?

WAGNER: Wir erkennen keine Regierungen, sondern nur Staaten an. Insofern stellt sich die Frage in der Form nicht. Wir als Bundesregierung erkennen keine anderen Regierungen an, sondern andere Staaten.

Nahostkonflikt

FRAGE: Ich habe eine Frage an das Auswärtige Amt, aber auch an das Kanzleramt. Welche Konsequenzen zieht die Bundesregierung, und welche Konsequenzen gibt es für das deutsch-israelische Verhältnis angesichts der Tatsache, dass die neue israelische Regierung die Zweistaatenlösung praktisch beiseitegelegt hat?

HOFFMANN (BReg): Der Bundeskanzler hat dem frisch vereidigten Premierminister Netanjahu in der vergangenen Woche gratuliert und noch einmal deutlich gemacht, dass Israel und Deutschland ein sehr besonderes Verhältnis und eine sehr enge Freundschaft verbinden. Das ist die Grundlage der weiteren Zusammenarbeit.

ZUSATZFRAGE: Kann sich das Auswärtige Amt dazu äußern?

WAGNER (AA): Dem, was die stellvertretende Regierungssprecherin gesagt hat, habe ich nichts hinzuzufügen.

ZUSATZ: Also keine Proteste, keine diplomatischen Bemühungen. Man beobachtet das einfach weiter.

HOFFMANN: Gespräche und diplomatische Bemühungen gibt es natürlich immer. Deutschland hat sich wiederholt dafür ausgesprochen, dass die Zweistaatenlösung der richtige Weg ist, um in dem Nahostprozess voranzuschreiten. Aber zunächst einmal geht es jetzt darum, das Verhältnis zu der neuen Regierung wieder verstärkt aufzunehmen. Wir sehen dafür eine gute Grundlage.

FRAGE: Herr Wagner, der israelische Premierminister hat in einem Tweet am Wochenende noch einmal ganz klargemacht, dass der Ausbau der Siedlungen in den besetzten Gebieten, also den Golanhöhen und der Westbank, unvermindert weitergeht. Wie soll so noch eine Zweistaatenlösung möglich sein?

WAGNER: Ich kann Sie eigentlich auch nur noch einmal auf das verweisen, was mein Kollege Christofer Burger hier vergangene Woche sehr ausführlich mit Blick auf die damals designierte israelischen Regierung gesagt hat. Er hat sich auch dazu eingelassen. Ich kann gern wiederholen, dass für uns natürlich ganz zentral ist, dass eine verhandelte Zweistaatenlösung am besten geeignet ist, Israelis und Palästinensern gleichermaßen ein Leben in Freiheit, Sicherheit und Würde zu ermöglichen. Deshalb setzen wir uns weiterhin dafür ein. Das wird natürlich auch in unserem Umgang mit der neuen israelischen Regierung eine zentrale und wichtige Rolle spielen.

ZUSTZFRAGE: Noch einmal: Wie soll das möglich sein, wenn der Ausbau der Siedlungen weitergeht? Sie haben das über Jahre hinweg immer wieder betont. Dennoch sind die Siedlungen im Laufe der Jahre immer ausgebaut worden. Wie soll das jetzt überhaupt noch möglich sein?

WAGNER: Ich kann nicht spekulativ, auf die Zukunft gerichtet Stellung zu Dingen nehmen, die noch nicht geschehen sind. Ich denke, unsere Grundhaltung ist ganz klar. Wir haben sie hier mehrfach dargelegt. Auf der Grundlage werden wir agieren.

Angriff Russlands auf die Ukraine

FRAGE: Herr Wagner, der frühere Berliner Bürgermeister Michael Müller hat heute die Position des Auswärtigen Amtes ein bisschen kritisch bewertet und meint, es sollte mehr Gesprächsangebote an Russland geben. Wie geht die Ministerin mit dieser Kritik um? Was ist die Haltung Frau Baerbocks zu einem möglichen politischen Dialog mit Russland?

WAGNER (AA): Vielen Dank. Sie wissen, dass wir Äußerungen aus dem parlamentarischen Raum hier normalerweise nicht kommentieren. Ich kann für das Auswärtige Amt natürlich sagen, dass es keine Differenzen in der Wahrnehmung gibt. Denn von Russland gibt es keine glaubhaften Verhandlungsangebote. Ich glaube, das hat auch die ja ziemlich brutale Bombardierungskampagne der letzten Tage noch einmal gezeigt. Insofern sprechen diese Taten Russlands eine sehr deutliche Sprache.

ZUSATZFRAGE: Sie sagen, seitens Russlands gibt es keine Gesprächsangebote. Gibt es denn seitens des Auswärtigen Amtes ein Gesprächsangebot an Russland?

WAGNER: Wir haben uns ja hier zu dieser Frage schon mehrfach eingelassen und immer gesagt, dass es natürlich vor allen Dingen an der Ukraine ist zu definieren, unter welchen Bedingungen und wann und wie sie gegebenenfalls Gespräche führt. Insofern habe ich dem jetzt hier nichts weiter zuzufügen.

ZUSATZFRAGE: Das heißt also, Sie warten, bis die Ukraine ein Gesprächsangebot macht und seitens der Bundesregierung, seitens Deutschlands, kommt kein Gesprächsangebot, kein Vermittlungsangebot oder was auch immer?

WAGNER: Für uns ist ganz klar, dass wir an der Seite der Ukraine stehen, die nicht nur um ihr Überleben kämpft, sondern auch für unsere Freiheit und unsere Werteordnung in Europa. Das haben wir ja mehrfach deutlich gemacht. Die unterschiedlichen Kabinettsmitglieder haben deutlich gemacht, unter anderem die Außenministerin in einem Tweet am 31. Dezember, dass wir die Ukraine dahingehend unterstützen und dies auch weiter tun werden.

HOFFMANN (BReg): Ich kann vielleicht noch ergänzen, dass es ja jetzt auch nicht so ist, dass es keine Gespräche oder keine Kontakte mit Russland gäbe. Wie Sie wissen, hat der Kanzler, aber auch andere in der EU, immer wieder mit Präsident Putin direkt Kontakt. Auch auf anderen Ebenen gibt es selbstverständlich Kontakte. Es ist also nicht so, dass da irgendwie Funkstille wäre.

ZUSATZFRAGE: Das verleitet mich, Frau Hoffmann, zu einer weiteren Frage. Sie sagten, es gebe nicht nur auf Ebene des Präsidenten Kontakte, sondern auch auf anderen Ebenen. Auf welchen Ebenen wird denn noch gesprochen, außer auf der Präsidentenebene?

HOFFMANN: Ich würde das jetzt nicht genau spezifizieren wollen. Aber selbstverständlich gibt es auch auf anderer Ebene diplomatische Kontakte.

Lage im Nordkosovo

FRAGE: Ich hätte eine Frage zum Kosovo. Die Barrikaden sind abgebaut. Wie bewertet die Bundesregierung die Lage im Nordkosovo? Der kosovarische Ministerpräsident hat gefordert, dass mehr NATO-Soldaten nach Kosovo geschickt werden. Wie beurteilt die Bundesregierung die Aussage?

HOFFMANN (BReg): Ich kann vielleicht anfangen und allgemein sagen, dass wir natürlich erleichtert sind, dass sich die Lage in Serbien und Kosovo etwas entspannt hat. Es ist ein gutes Zeichen, dass die beiden Seiten aufeinander zugegangen sind und die serbische Minderheit in Nordkosovo die Straßenblockaden aufgehoben hat. Die kosovarische Regierung wiederum hat den größten Grenzübergang, um den es ja auch ging, zu Serbien wieder geöffnet. Jetzt ist es in erster Linie wichtig, dass der Dialog zwischen Serbien und Kosovo weiter unterstützt wird. Das tut die Bundesregierung sehr aktiv, und sie unterstützt auch die Vermittlungsbemühungen der EU. ‑ Soweit erst einmal von mir dazu.

ZUSATZFRAGE: Was sagen Sie zu der Forderung des kosovarischen Ministerpräsidenten, mehr NATO-Soldaten zu schicken?

WAGNER (AA): Ich habe dazu von hier jetzt keinen Kommentar.

HOFFMANN: Wir konzentrieren uns jetzt zunächst einmal darauf, den Dialog zu unterstützen.

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