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Erklärungen des Auswärtigen Amts in der Regierungspressekonferenz vom 19.12.2022

19.12.2022 - Artikel

Visumsvergabe an Mitarbeiter von sanktionierten russischen Unternehmen

FRAGE: An das Auswärtige Amt: Ich hätte gerne etwas näher diese Visumsproblematik für russische Mitarbeiter von sanktionierten Unternehmen verstanden. Das würde nach Ihrer Antwort ja bedeuten, dass eigentlich viele, viele Tausend russische Staatsbürger praktisch auf einer Sanktionsliste sind, ohne namentlich genannt zu werden, dies nur auf der Grundlage, dass sie selbst, ihre Freundin, ihr Freund oder die Ehefrau bei einer Bank arbeiten, die sanktioniert ist. Die dürfen jetzt nicht nach Deutschland einreisen, weder als Tourist noch mit einem D-Visum, soweit ich das verstanden habe. Vielleicht können Sie das erläutern.

Können Sie gleichzeitig auch sagen, ob das Menschen aus Belarus betrifft?

OBERMEYER (AA): Die Nachlieferung, die Sie ja erhalten haben, bezog sich darauf, dass das nicht heißt, dass Personen, die irgendwann in ihrer Karriere einmal für einen russischen Staatskonzern bzw. ein sanktioniertes Unternehmen gearbeitet haben, in keinem Fall mehr ein Visum erhalten können, sondern es geht vielmehr ganz konkret um die Frage, ob man davon ausgehen muss, dass aufgrund der Staatsnähe der Person eine Gefährdung erheblicher Interessen der Bundesrepublik Deutschland besteht.

Ich nenne zwei Beispiele: Es wäre ja nachvollziehbar, dass wir genau hinschauen, wenn zum Beispiel eine Wissenschaftlerin bei Rosatom in der Kernforschung gearbeitet hat und jetzt zum gleichen Zweig nach Deutschland kommen will, oder auch, wenn ein IT-Experte für Cyberabwehr, der bis zum Tag vor seiner Visumsbeantragung dort gearbeitet hatte, jetzt in gleicher Funktion bei der Deutschen Bank arbeiten wollen würde.

Aber um es noch einmal ganz deutlich zu sagen: Unsere Visumsstellen erteilen weiterhin auch Visa, auch zum Zwecke der Arbeitsaufnahme in Deutschland. Visa zur Erwerbstätigkeit wurden im Oktober und November beispielsweise mehr als 600 Male ausgestellt.

ZUSATZ: Dann ist mir immer noch nicht klar, wieso ein Bankfachmann oder eine Bankfachfrau bzw. ein IT-Experte jetzt zum Beispiel nach einer Alfa Bank nicht bei der Bundesbank arbeiten darf. Er hat ja nichts Kritisches gemacht. Er bedient einen Computer.

OBERMEYER: Es geht hier wirklich um den Einzelfall. Es ist eben, wie ich gesagt habe, nicht so, dass man, nur weil man einmal für einen russischen Staatskonzern bzw. für ein sanktioniertes Unternehmen gearbeitet hat, in keinem Fall mehr ein Visum erhalten kann. Den Einzelfall kann ich jetzt darüber hinaus nicht beurteilen.

ZUSATZFRAGE: Ist es wirklich so, dass man in einem Visumsantrag gar nicht angeben muss, bei wem man gearbeitet hat?

Die zweite Frage war unbeantwortet: Ob das Bürger aus Belarus betrifft?

OBERMEYER: Zu beidem würde ich Ihnen die Details gerne nachliefern wollen, weil mir zu den Details des Antrags und auch zu Belarus jetzt gerade nichts vorliegt.

Iranisches Atomprogramm

FRAGE: An Frau Obermeyer zum Iran-Nuklear-Dossier: Gestern ist eine Delegation der Internationalen Atomenergie-Organisation nach Teheran gereist. Erwarten Sie da einen Durchbruch?

Eine zweite Frage: Der Chef der iranischen Atombehörde hat gesagt, dass der Iran jetzt eine Rekordhöhe an Urananreicherungskapazitäten erreicht habe. Dazu hätte ich gerne eine Stellungnahme.

OBERMEYER (AA): In der Tat ist es so, dass gestern ein Inspektionsteam der IAEO nach Teheran gereist ist. Die Berichterstattung dazu geht ein klein wenig durcheinander und wird mit möglichen Verhandlungen zum JCPOA durcheinandergeworfen. Ich möchte deshalb gern die Gelegenheit ergreifen, einmal zu sagen, dass das zwei unterschiedliche Themen sind und dass es derzeit nach wie vor keine Verhandlungen zum JCPOA gibt.

Hier geht es um etwas anderes, hier geht es um die noch offenen Prüfvorgänge der IAEO, also die Frage der sogenannten „safeguards“, und darum, dass Iran seiner Verpflichtung nachkommen muss, den Verbleib von nicht deklariertem Uranmaterial aufzuklären. Es war jetzt auch höchste Zeit, dass die IAEO und Iran ihren Dialog zu diesen Fragen fortsetzen. Das haben wir gemeinsam mit unseren Partnern schon häufiger gefordert, zuletzt auch im Gouverneursrat der IAEO, und das wurde in zwei Resolutionen festgehalten. Der Iran muss hier jetzt technisch plausible Antworten liefern. Dazu ist politischer Wille des Irans erforderlich. Ob sich aus diesen Gesprächen etwas ergibt, ob es hier Fortschritte oder Bewegung geben wird, das können wir jetzt noch nicht absehen. Die Gespräche der IAEO mit Iran sind vertraulich.

Zur Frage nach dem angereicherten Uranmaterial: Das JCPOA sieht vor, dass von iranischer Seite vier Prozent angereichert werden dürfen. Dass es uns sehr besorgt, dass Iran sich immer weiter von seinen Verpflichtungen aus dem JCPOA wegbewegt hat und diese Verpflichtungen gebrochen hat, haben wir, glaube ich, schon mehrfach deutlich gemacht.

ZUSATZFRAGE: Das heißt, sollte es einen Durchbruch in den Gesprächen zwischen der Atombehörde und dem Iran geben, dann ist das unabhängig von den JCPOA-Gesprächen, das heißt, es wird momentan keine Gespräche zwischen den 5+1 geben?

OBERMEYER: Das ist, wie Sie sagen, in der Tat unabhängig, und es gibt derzeit keine Ansatzpunkte für eine Wiederaufnahme dieser sogenannten Wiener Gespräche.

Parlamentswahl in Tunesien

FRAGE: Ich habe eine Frage an das AA zum Thema Tunesien. Dort gab es am Wochenende eine sogenannte Wahl, bei der nur neun Prozent der Wahlbeteiligten überhaupt mitgemacht haben. Wie bewertet das die Bundesregierung?

Diese Wahl basiert auf der neuen Verfassung von Präsident Saied, der sie selbst geschrieben hat. Ist die Bundesregierung an der Seite des tunesischen Präsidenten oder steht sie auf der Seite der Opposition, die den Rücktritt des Präsidenten fordert?

OBERMEYER (AA): Bei der Parlamentswahl am vergangenen Wochenende handelt es sich um die erste Runde der Wahlen; die zweite findet erst in ein paar Wochen statt. Das bedeutet also, dass wir noch mitten im Wahlprozess sind. Daher bitte ich Sie um Verständnis, dass wir die Parlamentswahl zum jetzigen Zeitpunkt nicht abschließend bewerten.

Auf jeden Fall haben wir natürlich die sehr niedrige Wahlbeteiligung von 8,8 Prozent, wie es zuletzt hieß, deutlich zur Kenntnis genommen. Es ist natürlich schwer, dies nicht als Zurückweisung der Tunesierinnen und Tunesier des aktuellen politischen Kurses zu interpretieren.

Die Verfassungsreform, die Sie angesprochen haben, fand, soweit ich weiß, im Juli des vergangenen Sommers statt. Die Bundesregierung bzw. das Auswärtige Amt hatte da schon einmal deutlich gemacht, dass dort den demokratischen Minimalanforderungen an Transparenz und Beteiligungsbreite nicht entsprochen wurde. Dabei würde ich es hier belassen.

Verurteilung des Bürgermeisters von Istanbul

FRAGE: Ich probiere es einmal beim AA, gegebenenfalls bei Herrn Hebestreit zum Thema Türkei und Erdoğan. Es gab letzte Woche ein Urteil gegen den Bürgermeister von Istanbul und prominentesten Vertreter der Oppositionspartei CHP, Herr Ekrem İmamoğlu. Er wurde wegen Beamtenbeleidigung mit einem Politikverbot belegt und zu einer Haft von zwei Jahren und sieben Monaten verurteilt. Wie bewertet die Bundesregierung dieses nach Aussagen vieler politische Urteil? Es gibt ja auch keine unabhängige türkische Justiz mehr. Die Kritik ist, dass Erdoğan seinen größten Konkurrenten in den Knast steckt.

OBERMEYER (AA): Genau zu diesem Fall haben wir uns bereits am Mittwoch der vergangenen Woche geäußert, und zwar mit einem Tweet, den ich gerne noch einmal vorlesen kann:

„Das heutige Urteil gegen Ekrem İmamoğlu ist ein herber Rückschlag für die Demokratie. Diese lebt vom politischen Schlagabtausch. Gerade in Wahlkampfzeiten ist die Freiheit des Wortes die wichtigste Richtschnur für einen fairen Wettbewerb.“

Dieser Einschätzung der vergangenen Woche habe ich jetzt nichts hinzuzufügen.

ZUSATZFRAGE: Ist die Bundesregierung der Meinung, dass es noch eine unabhängige türkische Justiz gibt? Hört sich ja nicht so an.

OBERMEYER: Über das hinaus, was ich gesagt habe, würde ich mich jetzt nicht weiter äußern wollen.

ZUSATZ: Sie wurden ja gefragt.

OBERMEYER: Dennoch.

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