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Erklärungen des Auswärtigen Amts in der Regierungspressekonferenz vom 07.11.2022
- Seenotrettung von Geflüchteten vor Italien
- Russischer Angriffskrieg gegen die Ukraine
- Medienberichte über den Einsatz von russischen Streubomben in der Provinz Idlib
- Mögliche Auswirkungen der US-Midterms auf die Ukrainepolitik der USA
- Gespräche auf EU-Ebene über mögliche neue Sanktionen gegen Iran
- Verhältnis zwischen Serbien und Kosovo
Seenotrettung von Geflüchteten vor Italien
FRAGE: Ich habe eine Frage zum Seenotrettungsschiff vor Sizilien. Die Italiener ‑ ich sage es einmal so ‑ haben nicht alle Flüchtlinge aussteigen lassen. Italien sagt, dass Deutschland sich selbst um solche Schiffe kümmern soll, wenn sie unter deutscher Flagge fahren. Teilt die Bundesregierung diese Ansicht?
Nimmt Deutschland diese Flüchtlinge auf, oder wie verfährt man jetzt? Was halten Sie von diesem italienischen Vorschlag? Eine Antwort von Auswärtigem Amt und Bundesinnenministerin wäre toll.
SASSE (AA): Es geht im Moment im Wesentlichen um zwei Schiffe, nämlich die „Humanity 1“ und die „Geo Barents“. Beide Schiffe haben am Wochenende von den italienischen Behörden die Erlaubnis zur sogenannten Teilausschiffung erhalten. Das heißt, ein Teil der Passagiere durfte an Land gehen. Sie haben auch in den Medien verfolgt, dass das nicht alle Passagiere betrifft. Wir stehen als Bundesregierung zu diesen Ereignissen vom Wochenende sowohl mit den zivilgesellschaftlichen Organisationen als auch mit den italienischen Behörden in einem engen Austausch.
Ganz grundsätzlich gilt ‑ das kennen Sie aus dem Koalitionsvertrag ‑, dass zivile Seenotrettung nicht behindert werden darf. Es ist unsere moralische und rechtliche Verpflichtung, Menschen in Seenot nicht ertrinken zu lassen. Das muss natürlich auch das Ziel unseres Handelns sein. Die zivile Seenotrettung im Mittelmeer leistet dazu einen wichtigen Beitrag.
Aus unserer Sicht ist es natürlich richtig und wichtig, dass hunderte Menschen am Wochenende von der „Humanity 1“ und der „Geo Barents“ an Land gehen konnten, denn so können sie jetzt an Land versorgt werden. Es ist natürlich aber auch wichtig, dass alle geretteten Menschen von den Schiffen an Land gehen können und tatsächlich auch alle angemessen versorgt werden können. Dafür setzen wir uns als Bundesregierung weiter ein. Wir stehen, wie gesagt, mit den italienischen Behörden im engen Austausch zu diesen zwei Schiffen und auch zu den anderen Schiffen, um die es bei diesem Thema geht, und setzen uns ganz konkret für eine angemessene Versorgung der Geflüchteten, der Migrantinnen und Migranten, ein.
Ich kann Ihnen, was die Gespräche am Rande des G7-Außenministertreffens in Münster angeht, sagen, dass Außenministerin Baerbock auch mit dem italienischen Außenminister ein bilaterales Gespräch geführt hat. Das haben Sie vielleicht verfolgen können. Ohne zu sehr auf das Gespräch einzugehen, kann ich sagen, dass es in diesem Gespräch unter anderem auch um das Thema Migration und Seenotrettung ging.
KALL (BMI): Sie hatten auch uns gefragt. Ich kann all das, was Frau Sasse für das Auswärtige Amt gesagt hat, für das Bundesinnenministerium nur unterstreichen. Es ist in der Bundesregierung die gemeinsame Haltung, dass es eine humanitäre und rechtliche Pflicht ist, Menschen aus Seenot zu retten, dass zivile Seenotrettung ‑ das hat Frau Sasse schon gesagt ‑ nicht behindert werden darf. Die Bundesregierung hat sich gerade mit Italien und den anderen Mittelmeeranrainerstaaten immer solidarisch bei der Aufnahme von Geflüchteten gezeigt. Sie hat die besondere Belastung der Mittelmeeranrainer immer unterstützt und wird das natürlich auch weiter tun. Das ist Gegenstand der laufenden Gespräche.
Sie wissen, dass im Juni im Innenrat, also zwischen den Innenministerinnen und Innenministern der EU, ein sehr wichtiger Schritt gemacht wurde, um das gemeinsame Asylsystem voranzubringen. Dort ist der gemeinsame Solidaritätsmechanismus von einem Großteil der EU-Staaten beschlossen und unterstützt worden. In diesem Rahmen nimmt Deutschland 3500 Menschen auf, die über das Mittelmeer gekommen sind und sich in den Mittelmeeranrainerstaaten befinden. Ein erster Transfer aus Italien hat schon Mitte Oktober mit 74 Asylsuchenden stattgefunden. Im Rahmen dieses freiwilligen Solidaritätsmechanismus erfolgt auch die weitere Unterstützung der Mittelmeerstaaten.
FRAGE: Herr Kall, die neue italienische Regierung hat Deutschland aufgefordert, mehr Flüchtlinge aufzunehmen. Sie haben jetzt auf Vereinbarungen rekurriert, die es schon vorher gegeben hat. Ist die Bundesregierung bereit, über diese 3500 Menschen hinaus mehr Flüchtlinge aus Italien, die über das Mittelmeer kommen, aufzunehmen?
KALL: Es war immer klar, dass diese 3500, die Deutschland zugesagt hat – das ist mit Abstand die höchste Zahl innerhalb der EU ‑, ein erster Schritt sind und dieser freiwillige Solidaritätsmechanismus ein Prozess ist. Deswegen kann ich jetzt nicht sagen, wie das im nächsten und übernächsten Jahr weitergeht. Aber von den 3500 hat jetzt ein erster Transfer aus Italien nach Deutschland stattgefunden. Das setzen wir erst einmal um. Wir haben, wie gesagt, 74 Asylsuchende aufgenommen. 3500 ist die deutsche Zusage.
ZUSATZFRAGE: Das heißt, es gibt jetzt von deutscher Seite kein neues Angebot an die italienische Regierung?
KALL: Keines, von dem ich Ihnen aktuell berichten kann. Aber natürlich gilt auch für uns ‑ genauso wie für das AA ‑, dass wir im intensiven Kontakt sind. Die Koordination dieses Verfahrens liegt bei der Europäischen Kommission. Insofern würde ich Sie bitten, vielleicht auch dort nachzufragen.
FRAGE: Frage an das Auswärtige Amt und BMI: Gehört zur Seenotrettung nur, dass Menschen aus Seenot auf Schiffe gerettet werden, oder gehört zur Seenotrettung auch, dass diese Menschen dann in einem sicheren Hafen das Schiff verlassen können müssen?
SASSE: Noch einmal: Ich verweise auf den Koalitionsvertrag, in dem ganz klar festgehalten ist, dass zivile Seenotrettung nicht behindert werden darf und dass es unsere moralische und rechtliche Verpflichtung ist, Menschen in Seenot nicht ertrinken zu lassen. Da das die Prämisse unseres Handelns ist, gehört dazu natürlich ebenso die Rettung wie die weitere Versorgung der Flüchtlinge.
ZUSATZFRAGE: Genau das ist der Hintergrund der Frage, denn das würde ja bedeuten: Wenn die italienische Regierung, die sozusagen die Hoheit über die Häfen, wo die Schiffe anlegen, hat, verhindert, dass diese Menschen von Bord gelassen werden bzw. nur teilweise, dann ist das nach Ihrer Definition eine Behinderung der Seenotrettung. Richtig?
SASSE: Ich glaube, ich habe dargestellt, dass wir mit den italienischen Behörden zu dem Thema Seenotrettung und wie mit den Migrantinnen und Migranten und den Geflüchteten umgegangen werden muss, im Gespräch sind und dass wir uns auch mit den Italienern abstimmen, wie man ganz konkret weiter mit diesen Geflüchteten und Migrantinnen und Migranten umgeht, dass man sie nicht nur rettet, sondern dass sie eben auch weiter versorgt werden müssen. Dass wir uns dafür einsetzen, habe ich, glaube ich, auch deutlich gemacht. Mehr als darauf kann ich im Moment nicht Bezug nehmen, auch wenn das Ihre Frage vielleicht nicht so beantwortet, wie Sie sich das wünschen. Das ist das, was wir im Moment tun und was unser Handeln leitet.
FRAGE: Herr Kall, wie erklärt sich, dass Deutschland erst 74 Asylsuchende aufgenommen hat? Das ist ja noch eine große Lücke zu 3500.
KALL: Dieser Mechanismus hat im Sommer begonnen. Gemeinsam mit der Internationalen Organisation für Migration und anderen Partnern müssen natürlich diejenigen, die wir in Deutschland aufnehmen, ausgewählt werden und muss es vor Ort Verfahren geben. Insofern ist das jetzt der erste Transfer. Weitere werden aber sehr bald folgen.
FRAGE: Frau Sasse, sind denn die Gespräche mit der neuen italienischen Regierung schwieriger als mit der Vorgängerregierung?
SASSE: Da muss ich Sie um Verständnis bitten, dass das natürlich eine Bewertung des Handelns der italienischen Regierung beinhalten würde. Deswegen muss ich Sie an dieser Stelle tatsächlich darauf verweisen, dass wir Gespräche mit den Vertretern der italienischen Regierung und den italienischen Behörden führen. Diese Gespräche sind natürlich vertraulich, und deswegen kann ich auf Details nicht eingehen. Aber ich kann Ihnen noch einmal sagen, dass auch die Außenministerin in ihrem Gespräch mit dem neuen italienischen Außenminister dieses Thema in aller Deutlichkeit angesprochen hat.
FRAGE: Wird dieser jüngste Vorfall für die deutsche Regierung eine Gelegenheit für eine neue Abstimmung in Sachen Dubliner Abkommen sein?
KALL: Ich kann für das Bundesinnenministerium sagen, dass wir uns natürlich zu allen Fragen mit der neuen italienischen Regierung austauschen werden. Die erste Gelegenheit ist in der nächsten Woche, wenn sich hier die G7-Innenministerinnen und Innenminister auf Einladung Deutschlands treffen werden. Da wird es sicherlich auch bilaterale Gespräche geben. Insofern gibt es dafür verschiedene Möglichkeiten. Die Reform des gemeinsamen europäischen Asylsystems wird auf der EU-Ebene auch weiter verhandelt.
FRAGE: Frau Sasse, Herr Kall, ich weiß nicht, wer von Ihnen meine Frage beantworten kann. Die Rechtsauffassung der italienischen Regierung ist ja, dass die Flaggenstaaten der Schiffe die Flüchtlinge aufnehmen müssten. Teilen Sie diese Rechtsauffassung, oder halten Sie die für falsch?
SASSE: Ich würde zur Frage des Flaggenstaats an die Kollegen der zuständigen Ressorts abgeben.
SZENT-IVÁNYI (BReg): Das wäre?
KALL: Das wäre aus unserer Sicht das BMDV als das für das Seerecht zuständige Ressort. Vielleicht kann man die Antwort auch nachreichen. Ich kann von hier aus keine seevölkerrechtliche Bewertung abgeben.
SASSE: Ich würde vorschlagen, wir reichen die Antwort gesammelt nach.
Russischer Angriffskrieg gegen die Ukraine
FRAGE JESSEN: Frau Hoffmann, Frau Sasse, hat die Bundesregierung Kenntnis davon, dass die ukrainische Regierung Terrorlisten führt, auf der auch Vertreter deutscher Regierungsparteien gelistet sind?
HOFFMANN (BReg): Wir haben keine Kenntnis von Terrorlisten.
ZUSATZ: Frau Sasse?
SASSE (AA): Ich habe dem nichts hinzuzufügen.
ZUSATZFRAGE: Wenn also der Fraktionsvorsitzende der größten deutschen Regierungspartei sagt – das hat er dokumentiert ‑, er werde von der ukrainischen Regierung auf einer Terrorliste geführt, dann entsprechen diese Terminologie und der Vorwurf nicht dem Kenntnisstand der Bundesregierung?
HOFFMANN: Es ist so, dass es offenbar eine Liste gegeben hat, bei der es um Desinformation gegangen ist. Aber diese Liste ist im Internet mittlerweile nicht mehr verfügbar.
ZUSATZFRAGE: Aber sie wurde geführt. Es geht ja darum, wie diese Liste auch in der internationalen Kommunikation und dem Diskurs bezeichnet wird. Es gab aber – das sagten Sie – keine Liste, die den Begriff, die Bezeichnung „Terrorliste“ auch in Zeiten ihrer öffentlichen Existenz gerechtfertigt hätte. Sehe ich das richtig?
HOFFMANN: Wie gesagt, es hat eine Liste gegeben, in der angebliche Desinformation aufgelistet wurde. Die Bundesregierung ist sehr zufrieden damit, dass es diese Liste jetzt nicht mehr verfügbar im Internet gibt.
Medienberichte über den Einsatz von russischen Streubomben in der Provinz Idlib
FRAGE: Vor zwei Tagen haben russische Flugzeuge Flüchtlingslager in der Stadt Idlib bombardiert. Verurteilt die Bundesregierung diese Verbrechen von Wladimir Putin und Baschar al-Assad?
SASSE (AA): Da müsste ich nachforschen. Dazu liegen mir im Moment keine genauen Informationen vor. Ich melde mich dazu zurück.
ZUSATZ: Gestern und vorgestern wurden Streubomben eingesetzt.
[…]
SASSE: Ich habe noch eine Nachlieferung. Sie hatten nach dem Angriff in Idlib gefragt. Dazu kann ich Ihnen sagen, dass wir die Berichte über Angriffe des syrischen Regimes und auch russischer Einheiten in der Region gesehen haben. Diesen Berichten zufolge hat es zehn zivile Opfer gegeben, darunter auch Kinder. Ganz grundsätzlich gilt natürlich: Wir verurteilen gerade den Einsatz von Streumunition, die international geächtet ist, und wir verurteilen auch Angriffe auf zivile und humanitäre Infrastruktur, insbesondere natürlich auf Flüchtlingslager.
Mögliche Auswirkungen der US-Midterms auf die Ukrainepolitik der USA
FRAGE: An das Auswärtige Amt und auch an Frau Hoffmann: In den USA stehen die Midterms unmittelbar vor der Tür, mit möglichen Folgen auch für die Außenpolitik, konkret für die Ukrainepolitik der USA. Ich weiß, dass wir uns da im Bereich des Möglichen bewegen, aber es ist ja quasi angekündigt worden, was die Partei, die künftig möglicherweise die Mehrheit im Kongress hat, da möchte. Was befürchten Sie denn oder was erwarten Sie im Hinblick auf die Ukrainepolitik der USA nach diesen Midterms?
HOFFMANN (BReg): Das ist natürlich eine sehr berechtigte Frage, und vieles davon interessiert uns natürlich auch sehr, aber wir können jetzt nicht gut darüber spekulieren, was passieren wird. Wir warten jetzt zunächst einmal die Wahlen ab. Sie haben ja gesehen, dass der Bundeskanzler ‑ dazu haben wir eine Pressemitteilung herausgegeben ‑ mit dem US-Präsidenten telefoniert hat und sich noch einmal eng ausgetauscht hat, gerade was die Politik gegenüber der Ukraine und dem russischen Angriffskrieg angeht. Ich kann hier jetzt aber schlecht über den Wahlausgang oder die möglichen Folgen spekulieren.
SASSE (AA): Ich natürlich dementsprechend auch nicht.
HOFFMANN: Würdest du aber bestimmt gerne!
SASSE: Ich werde das aber natürlich auch, genau wie Frau Hoffmann, nicht tun. Ich kann auch nur noch einmal ergänzend darauf hinweisen, dass auch die Außenministerin sich mit ihrem Amtskollegen aus den USA in der letzten Woche ausgetauscht hat und sowie in engem Kontakt mit Außenminister Blinken steht. Da ging es auch um Fragen, die die Ukraine betreffen.
ZUSATZFRAGE: Wie wichtig ist denn ein substanzieller Beitrag der USA sowohl außenpolitisch als auch verteidigungspolitisch für eine Lösung des Kriegs gegen die Ukraine?
HOFFMANN: Sehr wichtig.
FRAGE: Ich versuche es auch noch einmal, obwohl wir im Bereich der Spekulationen sind, und möchte zumindest zu den Vorbereitungen der Bundesregierung nachfragen. Es gibt die Aufforderung, dass die Bundesregierung sich für sehr schnelle Handelsgespräche mit der US-Administration nach den Midterms vorbereitet. Das sei, sagt der Transatlantik-Koordinator Link, im Wahlkampf nicht möglich gewesen, weil dieses Thema in den USA wenige Leute an die Wahlurnen treibt; man müsse nach den Midterms aber sehr schnell reagieren. Deswegen wüsste ich gerne: Gibt es Vorbereitungen dafür, dass man sehr schnell über ein neues transatlantisches Wirtschaftsabkommen spricht?
HOFFMANN: Das ist ‑ das kann ich sagen ‑ ein Thema, das der Bundesregierung wichtig ist, und es gibt den Wunsch, da schnell voranzukommen und diese Gespräche zu führen. Über konkrete Vorbereitungen zum Beispiel terminlicher Art kann ich hier nichts sagen.
ZUSATZFRAGE: Nach der Tonlage, die es im US-Wahlkampf sowohl von Demokraten als auch Republikanern gab: Haben Sie überhaupt noch die Hoffnung, dass es zu so einem Abkommen kommen kann?
HOFFMANN: Wir gehen davon aus, dass wir da in Gespräche eintreten können, ja.
Gespräche auf EU-Ebene über mögliche neue Sanktionen gegen Iran
FRAGE: Ich habe eine Frage an Frau Sasse zum Thema Iran. Der „SPIEGEL“ berichtet über ein neues EU-Sanktionspaket, das die Bundesregierung gegen den Iran vorbereite. Können Sie den Bericht bestätigen? Wenn ja, was ist konkret das Ziel dieser neuen Sanktionen?
SASSE (AA): Ich kann bestätigen, dass es tatsächlich auf EU-Ebene Gespräche über ein solches Sanktionspaket gibt. Sie wissen, wie das ist, und ich habe es an dieser Stelle auch schon einmal ausgeführt: Es ist an der EU, dieses Sanktionspaket zu verabschieden. Die Gespräche laufen durchaus konstruktiv, kann ich Ihnen berichten, aber genauere Details zum Zeitplan kann ich Ihnen zumindest heute noch nicht bekannt geben.
FRAGE: Frau Sasse, in dem Bericht wird jetzt ein Aspekt nicht mehr erwähnt, der der Bundesregierung oder dem Auswärtigen Amt ja vorher wichtig war, nämlich die Sanktionierung der Revolutionsgarden. Ist es Zufall, dass das nicht auftaucht, oder ist diese Forderung quasi verschwunden, weil das juristisch nicht durchsetzbar ist?
SASSE: Was Details eines möglichen weiteren Sanktionspakets angeht, ist es so, wie ich gerade beschrieben habe: Da kann ich leider heute an dieser Stelle noch nicht auf Details eingehen, schlicht und einfach deswegen, weil die Gespräche darüber mit den EU-Partnern und in den zuständigen EU-Gremien noch laufen. Das betrifft insbesondere die Frage, welche Maßnahmen konkret unter dieses Sanktionspaket fallen sollen. Sie wissen, dass wir uns sehr stark für weitere Maßnahmen ausgesprochen haben. Außenministerin Baerbock hat ein Maßnahmenpaket angekündigt. Die Äußerungen dazu kennen Sie. Wir arbeiten weiterhin an der Umsetzung dieses Maßnahmenpakets.
ZUSATZ: Jetzt haben Sie das eine Stichwort aber nicht erwähnt. Ich wollte wissen, ob dieses Ziel, dass man auch die Revolutionsgarden irgendwie verantwortlich machen kann, noch weiterverfolgt wird oder nicht.
SASSE: Das habe ich deswegen nicht erwähnt, weil ich nicht auf Details der Gespräche auf EU-Ebene eingegangen bin. Ich hatte an dieser Stelle schon bei einer der vergangenen Regierungspressekonferenzen darauf verwiesen, dass eine Listung der Revolutionsgarden als Terrororganisation eine Entscheidung ist, die eben nicht eine nationale Maßnahme darstellt, sondern die auf EU-Ebene getroffen werden muss. Dementsprechend laufen die Gespräche zu diesem Thema auch auf EU-Ebene. Wie gerade schon dargestellt, kann ich Ihnen nicht über Details aus den laufenden Gesprächen berichten, werde aber gerne noch einmal auf diese Frage zurückkommen.
FRAGE: Frau Sasse, ich gehe davon aus, dass die Bundesregierung eine Einschätzung hat, wie viele Kampfdrohnen Iran an Russland geliefert hat. Von welcher Zahlen-„range“ gehen Sie da aus?
SASSE: Sie wissen, wie es in diesen Fällen ist: Dabei handelt es sich um Informationen, die auch den Bereich der Nachrichtendienste betreffen, und dazu kann ich Ihnen an dieser Stelle keine Informationen geben.
Verhältnis zwischen Serbien und Kosovo
FRAGE: Ich habe noch eine Frage an das Auswärtige Amt, und zwar zum Kosovo. In der letzten Woche gab es ja zwei Entwicklungen, die ein bisschen widersprüchlich sind, einerseits eine positive Stimmung bei der Westbalkankonferenz im Rahmen des Berliner Prozesses, dann aber am Wochenende Berichte darüber, dass sich zwischen Serbien und Kosovo die Spannungen wieder erhöhen und das serbische Beamte jetzt aufhören, in dieser Selbstverwaltung im Kosovo mitzuarbeiten. Deshalb hätte ich ganz gerne gewusst, wie das Auswärtige Amt diese Entwicklung einschätzt.
SASSE (AA): Was die Ergebnisse des Westbalkangipfels angeht, kann die Regierungssprecherin vielleicht noch einmal ein paar Details beitragen. Ich kann Ihnen sagen, dass wir die Eskalation im Verhältnis zwischen Kosovo und Serbien, und eine solche stellt das dar, mit sehr großer Sorge sehen. Sie haben vielleicht verfolgt, dass sich der Hohe Vertreter für Außenpolitik der EU, Herr Borrell, am Wochenende im Namen der EU-27 in einer Erklärung ganz klar dazu geäußert hat. Wir unterstützen diese Bemühungen, die Herr Borrell zum Ausdruck gebracht hat, was eine Deeskalation im Verhältnis zwischen Serbien und Kosovo angeht. Auch die Bemühungen des EU-Sonderbeauftragten Lajčák unterstützen wir natürlich mit aller Kraft.
Wir haben schon öfter an dieser Stelle gesagt, dass wir mit Blick auf den Westbalkan, aber insbesondere im Verhältnis von Kosovo und Serbien davon wegkommen müssen, sozusagen regelmäßig in den Abgrund ablaufender Fristen zu schauen. Um so eine Frist handelt es sich hierbei. Es geht darum, dass man jetzt Kompromisse beschließen muss. Unser dringender Appell geht insofern an beide Konfliktparteien, Kosovo und Serbien, von weiteren Eskalationen abzusehen und tatsächlich im direkten Gespräch miteinander diesen Konflikt zu lösen.
HOFFMANN (BReg): Ich kann dem im Grunde gar nicht viel hinzufügen. Frau Sasse hat das ja sehr, sehr umfangreich beantwortet. Es ist ja auch bei der Konferenz klar geworden ‑ das hat der Bundeskanzler am Schluss noch einmal gesagt ‑, dass es eben wichtig ist, dass diese Verständigung gelingt, und dass daran, wie seine Worte waren, mit Geduld und großer Kraft gearbeitet werden muss. Wir werden also weiter gemeinsam mit Frankreich und mit anderen europäischen Partnern schauen, dass Gespräche stattfinden und dass man in dieser Frage vorankommt.
FRAGE: Es gab ja auch Appelle seitens der Bundesregierung, genau diese Entscheidung bezüglich der Kennzeichen erst einmal nicht zu implementieren. Gibt es neben den kontinuierlich geführten Gesprächen mit der kosovarischen Seite weitere Mittel, um sie da zum Einlenken zu bewegen? Gibt es da Dinge, die vorstellbar sind, wie die, bestimmte Prozesse auf Eis zu legen oder in irgendeiner Form Sanktionen zu ergreifen?
HOFFMANN: Wir setzen da im Moment auf Gespräche.