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Erklärungen des Auswärtigen Amts in der Regierungspressekonferenz vom 26.10.2022

26.10.2022 - Artikel

Teiluntersagung des Erwerbs von Stimmrechtsanteilen am Hamburger Hafen durch Tochterfirmen der chinesischen Staatsreederei Cosco

[…]

FRAGE: Ich habe noch eine Frage an Frau Hoffmann zur Arbeitsweise in der Ampelkoalition. Es ist ja ein relativ ungewöhnlicher Vorgang, dass zwar einerseits das Kabinett etwas beschlossen hat, es aber andererseits eine Protokollnotiz gibt, hinter die sich fast die Hälfte des Kabinetts stellt und die genau das kritisiert, was beschlossen wurde. Ist das jetzt der neue Stil in der Ampel, dass so etwas passiert, oder wie würden Sie das einschätzen?

HOFFMANN (BReg): Sie haben ja wahrgenommen, dass es unterschiedliche Positionen in dieser Frage im Kabinett gegeben hat und dass in den vergangenen Tagen auch eine sehr intensive Diskussion darüber geführt worden ist. Das drückt sich in der Form aus, wie sie jetzt geführt worden ist. Ob das stilbildend ist, darüber möchte ich jetzt nicht spekulieren.

Dass in einer Regierung in Zeiten, in denen so schwerwiegende Entscheidungen anstehen und in denen sich das strategische Umfeld in einer Weise verändert und radikal wandelt, wie das im Moment der Fall ist, dann auch debattiert werden und man von ganz unterschiedlichen Standpunkten zu einer Lösung finden muss, das halte ich für selbstverständlich und nötig. Das haben wir jetzt in diesem Fall gesehen. Aber entscheidend ist das, was Frau Baron gesagt hat: Am Ende steht ein Kabinettsbeschluss.

ZUSATZFRAGE: Das klingt ein bisschen so, als ob die Ministerien langsam schizophren werden. Sie stimmen einem Beschluss zu, bei dem sie dann schriftlich festhalten, dass sie ihn nicht richtig finden.

HOFFMANN: Das mit der Schizophrenie möchte ich deutlich in Abrede stellen und verneinen. So sehe ich das nicht.

ZUSATZFRAGE: Aber den Widerspruch würden Sie schon gelten lassen, also dass man gleichzeitig zwei Positionen haben kann?

HOFFMANN: Vielleicht gebe ich in diesem Fall an die Kollegin ab. Ich habe dazu das gesagt, was ich dazu sagen kann. Ich kann es höchstens wiederholen, nämlich dass klar ist, dass es hierzu unterschiedliche Auffassungen gab. Am Ende stand ein einvernehmlicher Kabinettsbeschluss.

SASSE (AA): Ich kann die unterschiedlichen Auffassungen, die Frau Hoffmann erwähnt hat, nur bekräftigen. Sie alle wissen das und haben es der Berichterstattung entnommen. Dazu gehörten auch Bedenken, die wir als Auswärtiges Amt geltend gemacht haben und die die Außenministerin auch gegenüber den Medien bei verschiedenen Anlässen sehr klar zum Ausdruck gebracht hat. Wir haben diese Bedenken, wie auch verschiedene andere Ressorts, in den Diskussionen, die wir geführt haben, klar zum Ausdruck gebracht. Wir haben auch alle formalen Möglichkeiten genutzt, um diesen Bedenken Ausdruck zu verleihen. Dazu gehört unter anderem das Mittel der Protokollnotiz, das Sie erwähnt haben.

[…]

FRAGE: Frau Hoffmann, vor der Reise des Kanzler nach Saudi-Arabien wurde bekannt, dass Rüstungsgeschäfte genehmigt wurden. Jetzt, vor der Reise nach China, wird bekannt, dass er etwas für die chinesische Seite tut. Ist das ein Muster, ist das ein neuer Stil des Kanzlers? Können wir in zukünftigen Fällen, also vor irgendwelchen Auslandsreisen, auch damit rechnen?

Frau Sasse, können Sie erläutern, welche geopolitischen Gefahren das Auswärtige Amt bei diesem Geschäft sieht, wie Sie ja zu Protokoll gegeben haben?

HOFFMANN: Es ist kein Muster, es gibt keinerlei Zusammenhang zwischen diesen Reisen. Wie ich gerade eben ausführlich erklärt habe, gibt es auch keinerlei Zusammenhang zwischen der Cosco-Entscheidung und der Reise des Kanzlers nach China. Cosco ist ein Prüfverfahren, das seit Monaten läuft, einmal verlängert worden ist und jetzt zufällig mit dem Enddatum 31. Oktober versehen ist. Insofern gibt es da wirklich keinerlei Zusammenhang.

SASSE: Zu der Frage, die an mich gestellt wurde, möchte ich zum einen ganz kurz auf ein Interview hinweisen, das die Außenministerin vor Kurzem in einer großen Tageszeitung geführt hat, in dem sie diese Bedenken im Wesentlichen ausgeführt hat. Zum anderen möchte ich darauf hinweisen, dass es verschiedene Punkte gibt, die eben unter anderem schon Ihr Kollege erwähnt hat. Da geht es um die Frage der Reziprozität und andere Erwägungsgründe, die in den internen Diskussionen natürlich umfassend besprochen und auch diskutiert wurden.

ZUSATZFRAGE: Diese Gründe wollen Sie jetzt nicht noch einmal vortragen?

SASSE: Ich denke, das ist an dieser Stelle nicht nötig.

ZUSATZFRAGE: Aber ich habe danach ja gefragt.

SASSE: Innerhalb der Regierung hat es in letzten Tagen ‑ das haben wir jetzt, glaube ich, ausführlich dargelegt ‑ interne Diskussionen gegeben, und in diesen Diskussionen wurden Bedenken von verschiedener Seite, unter anderem von uns, dargelegt. Diese Bedenken wurden diskutiert und man ist heute zu dem Kabinettsbeschluss gelangt, wie Frau Hoffmann ihn vorgetragen hat.

[...]

Fall Attila Hildmann

FRAGE: Ich weiß gar nicht, an welches Ministerium ich mich jetzt wirklich wenden soll. Es geht um die Causa Attila Hildmann. Er ist jetzt ja in der Türkei aufgefunden oder aufgestöbert worden, und er wird in Deutschland unter anderem wegen Volksverhetzung und öffentlicher Aufforderung zu Straftaten gesucht. Wie geht das jetzt weiter? Wird er ausgeliefert? Wird ein Antrag gestellt?

BÖNNIGHAUSEN (BMJ): Im Zweifel wäre ich die richtige Ansprechpartnerin. Ich kann Ihnen in der Sache aber, wie in solchen Fällen üblich, leider nichts Konkretes sagen, da wir uns in konkreten Auslieferungsverfahren etc. nicht dazu äußern.

ZUSATZFRAGE: Es besteht ja ein internationaler Haftbefehl. Werden Sie jetzt einen Auslieferungsantrag an die Türkei stellen?

BÖNNIGHAUSEN: Wie gesagt, zu der Frage, ob und in welcher Form wir tätig werden, können wir in einem konkreten Fall leider keine Auskunft geben.

FRAGE: Ergänzend an das Auswärtige Amt: Laut Medienberichten wurde das deutsche Generalkonsulat in Istanbul unverzüglich über den Aufenthaltsort von Herrn Hildmann informiert. Können Sie das bestätigen?

SASSE (AA): Wir haben die Medienberichte zur Kenntnis genommen. Ich kann Ihnen an dieser Stelle nicht sagen, ob das so ist oder nicht. Wir gehen dem aber nach, und ich reiche gerne eine Antwort nach, wenn das möglich ist.

FRAGE: Der „Stern“ hat herausgefunden, dass Attila Hildmann in einer exklusiven Chatgruppe namens „Wolfsschanze“ Anhänger aufhetzt. Wie positioniert sich das BMJ da? Für wie gefährlich hält das BMJ Attila Hildmann?

BÖNNIGHAUSEN: Das sind ja tatsächlich alles Fragen, mit denen die ermittelnde Staatsanwaltschaft befasst ist. Auch da muss ich deshalb leider wieder sagen: Das betrifft einen konkreten Fall, und da ist es üblich ‑ und so werde ich das auch diesmal halten ‑, dass wir keine Kommentare dazu abgeben und keine Bewertung vornehmen.

ZUSATZFRAGE: Sie können auch nichts dazu sagen, ob das BMJ sich dazu im Austausch mit der Generalsstaatsanwaltschaft Berlin befindet?

BÖNNIGHAUSEN: Nein.

Inhaftierte deutsche Staatsangehörige in Iran

FRAGE: An das Auswärtige Amt: Frau Sasse, das Büro der Abgeordneten Martina Renner hat die Bundesregierung gefragt, wie viele deutsche Staatsbürger zurzeit im Iran in Haft sitzen. Die Antwort aus dem Ministerium war: sieben Menschen. Meine Frage dazu: Stehen diese Inhaftierungen in Zusammenhang mit den Protesten im Iran?

SASSE (AA): Ich kann bestätigen, dass sich im Moment eine mittlere einstellige Zahl deutscher Staatsangehöriger im Iran in Haft befindet. Ich muss an dieser Stelle auch hinzufügen, dass es sich oftmals um Doppelstaatler handelt. Wie da momentan genau das Verhältnis ist, müsste ich noch in Erfahrung bringen. Man muss vor diesem Hintergrund auch erwähnen, dass das Regime im Iran die doppelte Staatsangehörigkeit nicht anerkennt. Das heißt, die Iraner behandeln diese Personen nicht als deutsche Staatsangehörige, also nicht als ausländische Staatsangehörige, sondern als rein iranische Staatsangehörige, was unter anderem natürlich den Zugang in Sachen konsularischer Betreuung für uns erschwert.

ZUSATZFRAGE: Gibt es einen Zusammenhang mit den Protesten?

SASSE: Da wir nur sehr begrenzten Zugang haben, ist es für uns im Moment schwierig, das im Detail aufzuklären. Unsere Botschaft in Teheran ist aber in allen Fällen, von denen wir wissen, eingebunden und bemüht sich selbstverständlich um diesen konsularischen Zugang, um den Betroffenen dann auch zu helfen. Inwieweit da aber in den verschiedenen Einzelfällen ein Zusammenhang mit den Protesten besteht, kann ich an dieser Stelle nicht sagen.

ZUSATZFRAGE: Haben Sie Informationen darüber, wie es den Inhaftierten geht?

SASSE: Sofern wir Zugang hatten oder haben ‑ wie gesagt, das ist nur in einer sehr begrenzten Zahl der Fälle überhaupt möglich, weil die Iraner die doppelte Staatsangehörigkeit nicht anerkennen ‑, bemühen wir uns natürlich darum, auch Erkenntnisse über den Gesundheitszustand der Betroffenen zu erhalten. Aber noch einmal: Zugang ist aus den genannten Gründen meistens nicht möglich.

FRAGE: Sind all diese sieben Doppelstaatler, oder sind darunter auch welche mit allein deutscher Staatszugehörigkeit?

SASSE: Ich glaube, das hatte ich in meiner Antwort eben erwähnt. Zum genauen Verhältnis müsste ich noch nachforschen, und die Antwort würde ich Ihnen noch nachreichen.

ZUSATZFRAGE: Können Sie uns auch sagen ‑ eventuell auch als Nachreichung ‑, wie viele deutsche Staatsbürger seit Beginn der neuerlichen Unruhen/Proteste im Iran inhaftiert worden sind?

SASSE: Zum einen möchte ich an dieser Stelle noch einmal darauf hinweisen, dass die Lage im Iran, wie Sie wissen, schon seit einiger Zeit sehr unübersichtlich ist. Unsere Botschaft in Teheran ist selbstverständlich rund um die Uhr mit der Lage befasst und bemüht sich da auch um Aufklärung, was die Anwesenheit deutscher Staatsangehöriger vor Ort angeht. Es besteht allerdings ‑ das kann ich an dieser Stelle einmal sagen ‑ keine Anmeldepflicht für Deutsche im Ausland. Das heißt, es ist schon schwierig, eine genaue Zahl zu nennen, was deutsche Staatsangehörige in Iran angeht. Ich habe gerade auch versucht darzustellen, dass die iranischen Behörden Doppelstaatler nur als iranische Staatsangehörige behandeln und wir dementsprechend meist überhaupt erst über Umwege Meldungen über Einzelfälle bekommen. Deswegen kann ich an dieser Stelle nicht auf alle Fälle eingehen. Aber selbstverständlich ist es so, dass unsere Botschaft allen Hinweisen nachgeht, sobald wir Anzeichen dafür haben, dass deutsche Staatsangehörige betroffen sind.

Nahostkonflikt

FRAGE: An das AA zum Thema Israel und Palästina. Es gab letzte Woche einen Bericht der UN-Ermittlungskommission bzw. des UN-Menschenrechtsrats zu den besetzten palästinensischen Gebieten. Darin wurde festgestellt, dass die israelische Besatzung der Gebiete illegal ist, weil sie seit 1967 permanent ist und das gegen das Völkerrecht verstößt. Die Israelis halten die Besatzung ja für legal, weil sie behaupten, die Besatzung sei temporär. Wie ist die rechtliche Haltung der Bundesregierung zur Besatzung an sich?

SASSE (AA): Unsere Haltung ist unverändert.

ZUSATZFRAGE: Und die wäre?

SASSE: Die haben wir an dieser Stelle schon oft wiederholt und die kennen Sie.

ZUSATZ: Nee.

SASSE: Die haben wir oft zu Protokoll gegeben. Unsere Haltung ist, dass die Parteien des Konfliktes in einer verhandelten Lösung einen Ausgleich darüber finden müssen, wie der Nahostkonflikt gelöst werden kann, und wir stehen voll hinter dieser Verhandlungslösung.

ZUSATZFRAGE: Die politische Haltung ist bekannt, es geht jetzt um die juristische Einschätzung. Da widerspricht sich ja das Völkerrecht mit der Haltung Israels. Ist die Besatzung für Sie temporär oder permanent, also illegal oder legal?

SASSE: Unsere Haltung habe ich hier an dieser Stelle deutlich gemacht.

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