Willkommen auf den Seiten des Auswärtigen Amts

Erklärungen des Auswärtigen Amts in der Regierungspressekonferenz vom 19.10.2022

19.10.2022 - Artikel

Treffen der Bundesaußenministerin mit Außenministerinnen und ‑ministern im Rahmen des Berliner Prozesses in Berlin

BURGER (AA): Ich kann mir ersparen, sehr viel erneut vorzutragen; denn ich kann Ihnen ankündigen, dass die Außenministerin am Freitag Gastgeberin beim Treffen der Außenministerinnen und Außenminister im selben Format ist, also des Berliner Prozesses zum Westbalkan. Daran sind dieselben Staaten beteiligt, die Herr Kall gerade für das Treffen der Innenministerinnen und ‑minister genannt hat. Auf Ebene der Außenministerinnen und Außenminister sind die sechs Westbalkanstaaten vertreten, außerdem die Außenministerinnen und Außenminister aus Bulgarien, Griechenland, Österreich, Kroatien, Slowenien und der Tschechischen Republik. Die anderen von Herrn Kall genannten Staaten sind auch dabei, aber nicht auf Ebene der Außenministerinnen und Außenminister.

Grundsätzlich ist der Berliner Prozess dazu gedacht, die EU-Annäherung der Staaten voranzubringen, damit auch zur Verbesserung der ökonomischen Lage beizutragen und gutnachbarschaftliche Beziehungen zwischen den Staaten des westlichen Balkans zu fördern.

Bei dem Treffen der Außenministerinnen und Außenminister geht es insbesondere darum, konkrete Schritte zur Verbesserung der regionalen Kooperationen im Westbalkan zu erreichen, vor allem mit Blick auf die Schaffung eines gemeinsamen regionalen Marktes. Weitere Themen sind die Energiesicherheit und die gemeinsame grüne Agenda.

Bei der Eröffnungssitzung wird es ein presseöffentliches Eröffnungsstatement von Außenministerin Baerbock geben. Das ist für ca. 13 Uhr geplant. Die Außenministerin wird um ca. 16 Uhr, im Anschluss, in einem Pressestatement über die Ergebnisse informieren. Vor Beginn der Veranstaltung, ab 11.30 Uhr, gibt es für die teilnehmenden Delegationen ebenfalls die Gelegenheit zu Pressestatements im Auswärtigen Amt.

Erteilung von Visa an russische Staatsbürger

FRAGE: Es geht um die Visavergabe an russische Staatsbürger. Deutschland hat ja die Anforderungen verschärft, vor allem was die Finanzierung der Reisen, die Krankenversicherung, die Unfallversicherung usw. angeht, auch dass die Einreise unbedingt mit einem Flugzeug erfolgen muss. Welchen Zweck verfolgen diese Maßnahmen?

BURGER (AA): Ich würde die Antwort im Detail gerne nachreichen, weil es dabei um sehr technische Einzelheiten geht.

Grundsätzlich ist nicht zutreffend, dass die Bundesregierung irgendetwas verschärft hat, sondern die EU-Kommission hat veränderte einheitliche Leitlinien zur Anwendung des Schengener Visakodex für russische Staatsangehörige verteilt. Es geht beispielsweise darum, dass, wenn die Finanzierung eines Aufenthalts in Europa oder in Deutschland über ein Konto bei einer russischen Bank gewährleistet werden soll, das möglicherweise durch die Sanktionierung russischer Banken in der jetzigen Lage gar nicht mehr möglich ist. Deswegen muss darauf abgestellt werden, dass zum Beispiel ein Bankguthaben bei einer Bank verfügbar ist, auf die man aus Europa auch zugreifen kann. Das ist ein Beispiel dafür. Eine detailliertere Antwort würde ich Ihnen gerne nachreichen.

ZUSATZFRAGE: Merken die diplomatischen Vertretungen in Deutschland seit vier Wochen eine Zunahme der Zahl von Antragstellern aus der Russischen Föderation in Sachen Schengenvisa für Deutschland? Ich meine Länder wie Kasachstan, Armenien, Georgien oder auch die Türkei.

BURGER: Wir haben in den Nachbarländern Russlands in den letzten Wochen seit Beginn der Mobilmachung in Russland ein sprunghaft erhöhtes Aufkommen an Anfragen. Was die konkreten Zahlen von Antragstellungen angeht, wenn also aus einem Telefonanruf dann auch ein konkreter Visaantrag wird, kann ich Ihnen aktuell nichts dazu sagen, weil wir das statistisch gar nicht erfassen.

Ob es bei der Erteilung von Visa schon einen spürbaren Effekt gibt, müsste ich Ihnen auch nachreichen.

[…]

FRAGE: Noch einmal zurück zu den Visa. Ich habe noch zwei Fragen dazu. Die russischen Banken wurden schon vor Monaten sanktioniert. Warum kommt die Verschärfung der Bestimmungen für die russischen Visaantragsteller erst jetzt?

Die zweite Frage gleich dazu: Einige osteuropäische Staaten haben bereits die Visavergabe an russischen Staatsbürger komplett gestrichen, bzw. sie erkennen die Schengenvisa gar nicht mehr an. Wie bewerten Sie diesen Schritt? Plant auch die Bundesregierung, eine ähnliche Maßnahme einzuführen?

BURGER: Ich kann Ihnen jetzt für Deutschland keine Veränderungen der Visapraxis ankündigen. Sie haben mitbekommen, dass es bereits vor ein, zwei Monaten eine Diskussion auf europäischer Ebene über die Frage gab, wie beispielsweise mit der Vergabe von Touristenvisa für russische Staatsangehörige umzugehen ist. In einigen osteuropäischen Staaten gibt es aus unserer Sicht sehr ernst zu nehmende Befürchtungen und Sorgen vor massenhafter Einreise von russischen Staatsangehörigen, gerade vor dem Hintergrund, dass Russland auch Mittel der hybriden Kriegsführung einsetzt und dass in vielen Staaten beispielsweise auch Angriffe auf zivile kritische Infrastrukturen befürchtet werden. Das ist eine Diskussion, die wir in der EU geführt haben.

Für Deutschland hat sich daraus unter anderem ergeben, dass wir in der aktuellen Situation bei der Vergabe von Visaterminen in unseren Auslandsvertretungen in Russland Reisen zu touristischen Zwecken im Moment keine Priorität einräumen. Es ist auch insgesamt dazu zu sagen, dass durch die massenhafte Ausweisung von Personal unserer Botschaften die Visabearbeitungskapazität dort ohnehin im Moment sehr eingeschränkt ist. Das heißt, es werden de facto einfach weniger Visa vergeben, und wie gesagt: Unter den ohnehin knappen Terminen sind touristische Reisen aus unserer Sicht derzeit keine Priorität.

Zu den weiteren Einzelheiten ‑ was nun genau der Gegenstand der jüngsten Anpassungen ist, die, wie gesagt, auf neue einheitliche Vorgaben der EU-Kommission zurückgehen ‑ muss ich noch eine Nachlieferung machen.

FRAGE: Die Forderung nach einem Flugticket nach Deutschland ‑ hin und zurück ‑ ist auch eine Vorgabe der EU. Hinsichtlich des Transportwegs nach Deutschland werden an den deutschen Visastellen ausschließlich Flugtickets akzeptiert; man kann nicht mehr auf dem Landweg einreisen. Ist das auch eine Vorgabe der EU?

BURGER: Das wird Teil der Nachreichung sein.

FRAGE: Im weiteren Kontext zum Thema Visa: In Norwegen wurden russische Staatsbürger festgesetzt, die Fotos von kritischer Infrastruktur etc. machen. Hat das BMI Ähnliches in Deutschland bemerkt bzw. spielt das in diese Gemengelage hinein? Könnte das zu weiteren Veränderungen in der Visapolitik in Bezug auf Russland führen?

KALL (BMI): Sie haben jetzt in Ihrer Frage einige Zusammenhänge dargestellt, die ich jetzt nicht unmittelbar übereinbringen kann. Zu dem Sachverhalt in Norwegen kann ich Ihnen natürlich nichts sagen.

Wir in Deutschland sind sehr, sehr wachsam, was den Schutz kritischer Infrastrukturen und die aktuellen Bedrohungslagen angeht. Die Bundesinnenminister war ja am Montag mit der Bundespolizei unterwegs und hat sich die Sicherheit von Bahnanlagen angeschaut, auch mit einem Bahnüberwachungsflug mit Hubschraubern ‑ auf diese Weise überwacht die Bundespolizei regelmäßig die Bahnanlagen aus der Luft. Auch die Überwachung an neuralgischen Netzknotenpunkten ist intensiviert worden. Die Deutsche Bahn trifft da Maßnahmen, und auch die Bundespolizei trifft Maßnahmen für den Bereich Bahn. Auch was den Bereich See betrifft, gibt es verstärkte Patrouillen der Bundespolizei auf See, um auch maritime Infrastruktur und auch Energieinfrastruktur in den Blick zu nehmen und den Schutz da, wo das erforderlich ist, zu erhöhen. Das sind ganz konkrete Maßnahmen, die wir hier zum Schutz kritischer Infrastrukturen angesichts verschiedener Bedrohungslagen ergriffen haben. Das hat jetzt aber keinen Zusammenhang mit dem, was Sie aus Norwegen geschildert haben.

ZUSATZFRAGE: An das AA: Wenn weiter derartige Vorfälle vorkommen, könnte das dann dazu führen, dass die Visapolitik gegenüber russischen Staatsbürgerinnen und Staatsbürgern restriktiver wird?

BURGER: Ich hatte gerade ja gesagt, dass ich heute keine Veränderungen unserer Visapolitik ankündigen kann. Im Übrigen ist mir die Frage etwas zu spekulativ, um das für die Zukunft zu beantworten.

[…]

BURGER: Der Kollege ist nicht mehr hier. Ich war nach der Visapraxis für russische Staatsangehörige gefragt worden. All die Veränderungen, die wir an den Umsetzungsregeln für die Beantragung von Touristenvisa – und nur darum geht es – für russische Staatsangehörige vorgenommen haben, gehen auf entsprechende Leitlinien der EU-Kommission zurück.

Waffenlieferungen aus den USA an die Ukraine

FRAGE: Es gibt Presseberichte, dass die Ukraine einen erheblichen Finanzierungsbedarf habe, weil Waffenlieferungen aus den USA ‑ so ist zu lesen ‑ samt und sonders bezahlt werden oder aber die Waffen zurückgegeben werden müssten. Entspricht das dem Kenntnisstand der Bundesregierung, dass es sich eigentlich mehr um ein Leih- und Pacht- bzw. um ein reines Verkaufsgeschäft handelt? Wenn das so ist, gilt das auch für deutsche Waffenlieferungen? Müssen auch die von der Ukraine bezahlt werden, oder werden die als solidarische Hilfe geliefert?

BURGER (AA): Über die genauen Modalitäten bei den amerikanischen Hilfen müssten Sie bei den amerikanischen Stellen nachfragen.

Ich würde jetzt einmal ganz allgemein sagen: Wenn ich mir die Erklärungen von amerikanischer Seite dazu ansehe, kommt es mir schon so vor, dass zumindest ein erheblicher Teil der Lieferungen Geschenke sind. Genauso ist es auch bei der deutschen Überlassung von Waffen. Wir haben schon in der Vergangenheit beispielsweise darüber berichtet, dass es auch über die Europäische Union die Möglichkeit gibt, die Lieferungen von Mitgliedstaaten, die Waffen und andere Rüstungsgüter an die Ukraine liefern, zu kompensieren. Das ist eine Möglichkeit, die auch die Bundesregierung nutzt. Natürlich hat die Ukraine neben den Dingen, die wir ihr von uns aus überlassen, die wir auf unsere Kosten zur Verfügung stellen, auch die Möglichkeit, auf dem Markt selbst mit eigenen Mitteln Dinge zu kaufen. Aber ich kann Ihnen das nicht ins Verhältnis zueinander setzen.

ZUSATZFRAGE: Hintergrund der Frage ist: Diese Waffenlieferungen laufen ja im englischen Sprachgebrauch unter „lend and lease“. Das wiederum bezieht sich auf Lieferungen, mit denen seinerzeit die USA die Rote Armee auch mit Militärgerät versorgt hatten, damit sie die deutsche Wehrmacht zurückschlagen konnte. „Lend and lease“ heißt aber ja doch verleihen, was dann die Rückgabe oder eine Zahlung bedeutet. Das sind aber nicht die Modalitäten, die Ihnen bekannt wären?

BURGER: Ich glaube, das kann Ihnen die amerikanische Regierung sehr gut beantworten.

Verschiebung des Deutsch-Französischen Ministerrats

FRAGE: Herr Hebestreit, es gibt Berichte, wonach der für nächste Woche geplante Deutsch-Französische Ministerrat auf der Kippe steht. Können Sie etwas dazu sagen, ob das Treffen stattfindet?

In dem Zusammenhang eine Frage an Sie, Herr Burger. Es heißt auch, dass die Bundesaußenministerin dieses Mal nicht beabsichtige, an dem Treffen teilzunehmen. Ist das korrekt?

HEBESTREIT (BReg): Wie Sie wissen, war eigentlich für kommende Woche der Deutsch-Französische Ministerrat in Paris angesetzt. Die französische Seite ist diesem Jahr der Gastgeber, im nächsten Jahr sind es wieder die Deutschen. Dieses Treffen wird es nun nicht zum vereinbarten Zeitpunkt geben können, sondern es wird in den Januar verlegt. Gemeinsam mit der französischen Seite haben wir heute entschieden, dass eine Verlegung um einige Wochen sinnvoll ist. Die Verschiebung liegt einerseits an schlichten logistischen Schwierigkeiten. Einige Ministerinnen und Minister, die in dem Format fest eingeplant waren, hätten aufgrund anderer Verpflichtungen nicht teilnehmen können.

Zweitens stecken wir im Augenblick auch in einigen bilateralen Fragen in enger Abstimmung mit der französischen Seite. Diese Abstimmungen bedürfen noch einiger Zeit. Deshalb hielten beide Seiten es für sinnvoll, diesen Termin zu verschieben.

Bundeskanzler Olaf Scholz steht bekanntlich in sehr engem Kontakt mit Staatspräsident Macron. Man trifft sich beinahe wöchentlich. Das nächste Gespräch der beiden ist im Vorfeld des morgen beginnenden Europäischen Rats in Brüssel fest vereinbart. Es gibt jetzt Überlegungen, die sich aber noch im Zuge der Abklärung befinden, dass der Bundeskanzler mit Herrn Macron kommenden Mittwoch in Paris zusammentreffen wird, allerdings dann ohne die Ministerinnen und Minister und nicht im Format des Deutsch-Französischen Ministerrats.

ZUSATZFRAGE: Wenn Sie sagen, dass es Abstimmungen gibt, heißt das ja eigentlich, dass es hakt. Können Sie sagen, wo es besonders hakt?

HEBESTREIT: Das kann ich nicht, da ich es nicht genau weiß. Es gibt aber eine ganze Reihe von unterschiedlichen Themen, die uns im Augenblick miteinander beschäftigen. (Ich weiß) gar nicht, ob es hakt, aber es ist noch nicht so weit, dass man zu einer einheitlichen Position gekommen ist.

FRAGE: Ich würde es gerne verstehen. Wenn Sie das jetzt so beschreiben, klingt das natürlich sehr danach, als ob es hakt. Es gibt ja auch ausreichend Berichte darüber, wo es momentan hakt. Wie zuversichtlich sind Sie denn dann, dass der nächste Termin gehalten werden kann?

HEBESTREIT: Da bin ich sehr, sehr zuversichtlich. Zwei „sehr“!

Schlagworte

nach oben