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Erklärungen des Auswärtigen Amts in der Regierungspressekonferenz vom 21.09.2022

21.09.2022 - Artikel

Russischer Angriffskrieg auf die Ukraine

[…]

FRAGE: Mich würde seitens des Kanzleramtes oder des Auswärtigen Amtes auch noch eine politische Bewertung der Mobilmachung interessieren, die heute verkündet worden ist.

BÜCHNER (BReg): Ich konnte den Bundeskanzler dazu sprechen. Er hat die Äußerungen Putins zur Kenntnis genommen und gesagt: Das alles kann man sich nur vor dem Hintergrund der Tatsache erklären, dass der russische Angriff auf die Ukraine nicht erfolgreich verlaufen ist. Putin musste seine Truppen umgruppieren. Er musste sich von Kiew zurückziehen. Er hat auch im Osten der Ukraine nicht den gewünschten Erfolg erzielt. Das ist ein sichtbares Zeichen dafür, dass die Ukraine sehr wirksam bei der Verteidigung der eigenen Integrität und Souveränität ist, nicht zuletzt auch wegen der massiven und großen Unterstützung aus vielen Ländern der Welt, ganz besonders auch aus Deutschland.

ZUSATZFRAGE: Ich habe eine Frage an das Auswärtige Amt. Bei der Mobilmachung geht es jetzt um etwa 300 000 Menschen, vielleicht sogar deutlich mehr. Denkt das Auswärtige Amt vielleicht daran, die Visa-Geschichte umzudenken und Menschen aus Russland hereinzulassen, die einfach nicht dienen und nicht als Kanonenfutter verbraucht werden wollen?

SASSE (AA): Ich habe natürlich Verständnis für Ihre Frage, muss aber darauf verweisen, wie auch Herr Büchner es gerade getan hat, dass wir die Rede von heute Morgen, die ja erst wenige Stunden her ist, zur Kenntnis genommen haben. Was diese Rede genau in der Umsetzung bedeutet, insbesondere auch wer da eingezogen werden soll und in welcher Zahl ‑ das alles sind Umsetzungsschritte, die es abzuwarten gilt. Was da genau geplant ist, weiß natürlich nur das russische Regime. Wir werden ‑ da können Sie sich sicher sein ‑ selbstverständlich die Situation weiter beobachten, unsere Schlüsse daraus ziehen und prüfen, wie unser Handeln aussieht. Aber ich kann Ihnen in der jetzigen Situation noch nicht über derartige Schritte berichten.

FRAGE: Herr Büchner, ich habe noch eine Nachfrage, um es noch etwas konkreter zu machen. Andere Regierungen reden davon, dass es ein Zeichen der Schwäche Russlands sei, dass die Mobilmachung jetzt erfolgt ist. Teilt der Kanzler diese Einschätzung?

BÜCHNER: Ich habe Ihnen das ja gerade gesagt. Ich glaube, das ergibt sich ein bisschen aus den Worten des Kanzlers, wenn er sagt, man kann sich diese Äußerung Putins nur so erklären, dass der Angriff nicht erfolgreich verlaufen ist und auch im Osten nicht die gewünschten Erfolge erzielt wurden. Das spricht ja diese Sprache.

ZUSATZFRAGE: Der zweite Aspekt ist, ob man über eine mögliche Eskalation besorgt ist. Putin hat ja davon gesprochen, dass das kein Bluff sei und auf nukleare Waffen hingewiesen. Ist die Bundesregierung, ist der Kanzler besorgt, dass das wirklich eine weitere Eskalation bedeutet?

BÜCHNER: Wir nehmen diese Äußerungen jetzt erst einmal zur Kenntnis.

FRAGE: Ich habe eine Frage zu den Scheinreferenden. Die Bundesregierung hat, wie auch andere, die Ankündigung der Referenden in der Ostukraine als Scheinreferenden bezeichnet. Hat das Auswärtige Amt vielleicht Kenntnisse darüber, wie die gegenwärtige Einwohnerstruktur in der Ostukraine ist? Es gab ja Berichte darüber, dass in den vergangenen Monaten oder sogar Jahren Menschen, die nicht prorussisch eingestellt waren, in großer Zahl die Ostukraine verlassen hätten, sodass dort eigentlich nur noch eine reduzierte Bevölkerung mit politisch eindeutiger Ausrichtung lebe. Können Sie das verifizieren? Haben Sie Zahlen über die Entwicklung der real in der Ostukraine lebenden Bevölkerung?

SASSE: Ich verstehe, dass Sie vor dem Hintergrund der Entwicklungen Interesse daran haben, auch diese Frage zu beleuchten. Aber angesichts der Kampfhandlungen, die vor Ort passieren, und vor dem Hintergrund der Tatsache, dass wir im Moment nicht mehr mit einer Auslandsvertretung in der Region vertreten sein können, kann ich dazu leider nicht mit aktuellen Zahlen dienen. Wir gehen dem aber nach. Wenn ich bei anderer Gelegenheit etwas dazu nachliefern kann, werde ich das gerne tun. Ich habe allerdings Zweifel, weil, wie gesagt, die Kampfhandlungen andauern und wir vor Ort nicht vertreten sind.

ZUSATZFRAGE: Die Frage bezieht sich auch darauf, dass diese Migration, wenn man so will, die Abstimmung mit den Füßen, schon seit 2014 anhält. Vielleicht gibt es dann doch Zahlen oder Einschätzungen auch aus zurückliegenden, vor Beginn der aktuellen Invasion ‑ ‑ ‑

SASSE: Aber ich habe Sie richtig verstanden, dass Sie nach den aktuellen Zahlen vor dem Hintergrund der angekündigten Scheinreferenden fragen, richtig?

ZUSATZ: Wenn es aktuelle Zahlen gibt, ja. Wenn Sie liefern könnten, dass zum Beispiel in den ersten zwei oder drei Jahren nach der Invasion in die Ostukraine größere Bevölkerungsabwanderungen stattgefunden hätten, würde das immerhin einen Trend verdeutlichen.

SASSE: Wenn wir dazu etwas nachliefern können, dann tun wir das. Aber ich kann Ihnen da leider nichts versprechen.

Proteste im Iran nach dem Tod einer Frau in Polizeigewahrsam

FRAGE: An Frau Sasse zum Iran und den Protesten ‑ ich nenne sie jetzt einmal Kopftuchproteste ‑, die es da gibt: Können Sie uns eine Einschätzung geben, wie viele Städte davon berührt sind und ob das aus Sicht des Auswärtigen Amtes jetzt zu einer Art Massenbewegung gegen das iranische Regime wird?

SASSE (AA): Wir kennen natürlich wie Sie auch die Bilder aus Iran, die insbesondere auch über die sozialen Medien sehr weite Kreise ziehen. Der genaue Umfang der Proteste lässt sich im Moment nur sehr schwer unabhängig überprüfen. Einen groben Überblick können Sie aber unseren Reise- und Sicherheitshinweisen entnehmen, die wir heute noch einmal aktualisiert haben und in denen wir auch bestimmte Städte nennen, in denen Proteste verifizierbar vorkommen oder vorgekommen sind.

Was unsere Erwartung angeht, kann ich nur sagen: Die ist natürlich klar und Außenministerin Baerbock hat sie gestern Abend auch in New York noch einmal sehr deutlich gemacht. Wir erwarten, dass die iranischen Behörden friedliche Demonstrationen zulassen und vor allem auch keine weitere Gewalt anwenden. Die Außenministerin hat gestern Abend sehr deutlich gemacht, dass die Menschen, die dort protestieren, schlicht und einfach ihre unumstößlichen Rechte einfordern ‑ und das natürlich auch tun sollen dürfen.

Rede des Bundeskanzlers vor der VN-Generalversammlung

FRAGE: Herr Büchner, das gibt mir die Chance, nach einem anderen Aspekt der Rede des Bundeskanzlers in der VN-Generalversammlung nachzufragen, und zwar dem relativ offensiv vorgetragenen Wunsch von Herrn Scholz, dass Deutschland ständiges Mitglied im UN-Sicherheitsrat wird. Wie ist denn das Meinungsbild in der Welt nach Ansicht der Bundesregierung? Gibt es dafür ausreichende Unterstützung? ‑ Vielleicht weiß Frau Sasse das?

BÜCHNER (BReg): Das Meinungsbild in der Welt kann ich von hier aus nicht einschätzen, aber ‑ ‑ ‑

ZUSATZ: Es könnte ja sein, dass man das vorgetragen hat, weil man weiß, dass es große Unterstützung gibt.

BÜCHNER: Es ist ja eine bekannte Position der Bundesrepublik Deutschland, dass wir uns auf diese Art engagieren wollen und dort angeboten haben, in dieser Art mitzuarbeiten. ‑ Frau Sasse, wollen Sie das noch ergänzen?

SASSE (AA): Zum Meinungsbild kann ich von hier aus im Moment leider auch nicht beitragen. Die Einschätzung, inwieweit sich das in New York gerade anders darstellt, bleibt den Kollegen vor Ort überlassen. Es ist aber so, wie Herr Büchner gerade auch deutlich gemacht hat: Die Reform des Sicherheitsrates ist ein Thema, für das wir uns seit Jahren einsetzen. Es gibt natürlich viele Diskussionen darüber, wie eine solche Reform ausgestaltet sein könnte, um die Interessen verschiedenster Länder und Ländergruppen auch zu berücksichtigen. Dazu werden die Diskussionen geführt ‑ die werden auch einmal in die eine und die andere Richtung geführt. Ich kann Ihnen da im Moment nicht über einen Gesamteindruck berichten.

Allerdings ist klar, dass wir weiterhin mit voller Kraft ‑ das hat der Kanzler in New York ja deutlich gemacht ‑ hinter diesem Ziel einer Reform des Sicherheitsrates stehen ‑ nicht zuletzt natürlich deswegen, weil sich in den vergangenen Monaten auch immer wieder anhand konkreter Beispiele gezeigt hat, dass der Sicherheitsrat doch sehr oft blockiert ist und man deswegen nicht zu einer klaren Position der Weltgemeinschaft gelangen kann.

ZUSATZFRAGE: Deutschland hat das ‑ Sie haben darauf hingewiesen ‑ früher ja schon einmal gefordert, und zwar zusammen mit drei anderen Ländern, nämlich Japan, Indien und Brasilien. Gibt es diese G4 eigentlich noch ‑ das ist in der Rede zumindest nicht erwähnt worden ‑ oder versucht man das jetzt über andere Wege zu erreichen?

SASSE: Wir tauschen uns mit diesen Ländern selbstverständlich weiterhin über die Idee einer Reform des Sicherheitsrates aus. Gleiches gilt allerdings auch für andere Länder. Wie gesagt müssen da die Interessen verschiedenster Länder berücksichtigt werden, und deswegen führen wir diese Gespräche mit einer Vielzahl von Staaten. Diejenigen, die Sie genannt haben, zählen dazu.

FRAGE: Herr Büchner, da Sie eben den Kanzler zitiert haben, dass es einen Frieden nur dann geben könne, wenn Russland die Einsicht habe, dass es den Krieg militärisch nicht gewinnen könne: Wenn zur Herstellung dieser Einsicht eben doch die Ausstattung der ukrainischen Armee mit modernen westlichen Kampfpanzern gehört, dann hat der Kanzler damit ja im Grunde gesagt: Wenn das nötig ist, werden wir es liefern. Oder wie ist der Satz sonst zu verstehen?

BÜCHNER: Der Satz ist so zu verstehen, wie er gesagt wurde. Ich schließe mich da Ihrer Interpretation nicht an.

ZUSATZFRAGE: Das heißt, die Einsicht bei Russland bzw. bei Putin, dass Russland diesen Krieg nicht gewinnen kann, ist nach Ansicht des Kanzlers auch möglich, ohne dass schweres, modernes westliches Gerät geliefert wird, speziell Kampfpanzer?

BÜCHNER: Der Satz des Kanzlers steht für sich.

SASSE: Auf die Frage von Ihnen kann ich noch ganz kurz ergänzen ‑ das haben die Kollegen mir gerade zugeliefert, und ich glaube, das hatte ich in meiner Aufzählung der Termine in New York Anfang der Woche nicht erwähnt ‑: Es wird morgen um 16.30 Uhr Ortszeit New York auch ein Treffen der Außenministerin mit ihren Counterparts aus dieser Gruppe der vier genannten Staaten geben.

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