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Erklärungen des Auswärtigen Amts in der Regierungspressekonferenz vom 12.09.2022

12.09.2022 - Artikel

Kontrollierte Abgabe von Cannabis

FRAGE: Es geht um die Pläne der Bundesregierung zur Legalisierung von Cannabis in Deutschland. Es gibt jetzt insgesamt drei Schriftstücke des Wissenschaftlichen Dienstes des Bundestags, die im Auftrag eines Bundestagsabgeordneten erstellt worden sind. Darin kommt der Wissenschaftliche Dienst zu der Schlussfolgerung, dass die geplanten Regelungen mit Europarecht nicht vereinbar seien. Mich würde interessieren, wie Sie diese Hürden einschätzen und wie die möglicherweise umgangen werden. Soweit ich weiß, gab es ja zumindest schon bei den Grünen Überlegungen dazu, wie man mit diesen Problemen umgeht.

GÜLDE (BMG): Selbstverständlich prüfen wir diese Analyse des Wissenschaftlichen Dienstes und werden sie auch in unsere Überlegungen für die kontrollierte Abgabe von Cannabis zu Genusszwecken einbeziehen. Die neuen Cannabisregelungen müssen natürlich entsprechend auch rechtssicher sein, das ist keine Frage, und dafür suchen wir derzeit eine Lösung, die auch mit internationalem und mit EU-Recht vereinbar ist.

ZUSATZFRAGE: Könnten Sie kurz skizzieren, wie die aussehen kann?

GÜLDE: Nein, das kann ich noch nicht. Sie wissen, dass es im Juni dieses Jahres einen recht umfangreichen Konsultationsprozess gab, in dem die Einzelfragen zur kontrollierten Abgabe von Cannabis erörtert wurden. Das Ganze ist ein sehr komplexes Verfahren. Dazu haben sich ja in der Vergangenheit sowohl Bundesgesundheitsminister Lauterbach als auch der Drogenbeauftragte der Bundesregierung, Herr Blienert, geäußert. Es gibt viele Einzelfragen, die zu klären sind, angefangen mit der Frage, welche Läden Cannabis abgeben können, welche Höchstgrenzen es möglicherweise gibt, wie das verkehrsrechtlich geregelt wird oder wie Verstöße gegebenenfalls strafrechtlich geregelt werden. Es gibt natürlich auch Fragen, die sowohl das EU- als eben auch das Völkerrecht betreffen, und die sind zurzeit noch zu klären. Sie wissen ‑ das hat Herr Minister Lauterbach angekündigt ‑, dass wir Eckpunkte dazu erarbeiten werden, die wir im Herbst, wenn alles glatt geht, vorstellen wollen. Dann werden wir natürlich auch zu solchen Fragen Stellung nehmen.

FRAGE: Der Knackpunkt, also einer der schwierigen Punkte, was das EU-Recht und einen möglichen Konflikt angeht, scheint mir ja der legale Anbau zu sein. Da wüsste ich jetzt gerne, weil ja die Idee war, dass man nicht das niederländische Modell wählen will, nach dem der Anbau ja nicht erlaubt ist, ob, wenn sich der Anbau als nach EU-Recht illegal entpuppen sollte und sich daran auf EU-Ebene auch nichts ändern lässt, man dann auf das ganze Projekt verzichtet oder im Notfall doch den niederländischen Weg geht.

Das würde wahrscheinlich das Auswärtige Amt oder das Wirtschaftsministerium betreffen: Will man gegebenenfalls versuchen, sich auf EU-Ebene dafür einzusetzen, dass der Anbau EU-weit legal wird?

GÜLDE: Ich würde vielleicht einfach einmal starten. – Sie wissen, dass im Koalitionsvertrag vereinbart wurde, eine kontrollierte Abgabe von Cannabis an Erwachsene zu Genusszwecken zu ermöglichen. Wie auch schon eingangs skizziert, wirft dass einige juristische Fragen auf, die noch zu klären sind. Insofern kann ich jetzt zu Einzelfragen wie beispielsweise der, wie mit dem Anbau von Cannabis verfahren wird, noch keine Stellung nehmen. Aber das Ziel bleibt halt eben, eine solche kontrollierte Abgabe an Erwachsene zu ermöglichen, und daran arbeiten wir zurzeit mit Hochdruck.

BUSCHOW (BReg): Können das Auswärtige Amt oder das Wirtschaftsministerium etwas ergänzen? – Das Wirtschaftsministerium schüttelt den Kopf.

WAGNER (AA): Ich muss leider auch den Kopf schütteln. Ich habe dazu auch nichts zu sagen.

ZUSATZFRAGE: Wenn Sie den Kopf schütteln, dann hätte ich noch eine kurze Rückfrage: Heißt das, dass die Koalitionäre in ihrem Papier ein Wünsch-dir-was formuliert haben, bei dem sie diese Frage des EU-Rechts noch überhaupt gar nicht berücksichtigt haben?

GÜLDE: Zum Koalitionsvertrag selbst kann hier jetzt keine Stellung nehmen. Ich spreche hier für das Gesundheitsministerium. Grundsätzlich ist es aber tatsächlich so, dass das EU- wie auch völkerrechtliche Fragen aufwirft, zum Beispiel eben auch, dass das Suchtstoffübereinkommen der Vereinten Nationen in Betracht gezogen wird. Das haben wir in der Vergangenheit auch immer wieder deutlich gemacht. Ich meine, auch im letzten Interview des Ministers mit dem „SPIEGEL“ hat er eben auch noch einmal tatsächlich von EU- und Völkerrecht gesprochen. Dass das Fragen sind, die erörtert werden müssen, war uns also durchaus bewusst. Aber das sind halt eben auch noch Dinge, die derzeit noch zu klären sind, ja.

WAGNER: Mein Kopfschütteln bitte ich so zu interpretieren, dass ich einfach hier an dieser Stelle aus dem Stegreif nichts dazu sagen kann. Aber ich werde gerne etwas dazu nachreichen, wenn wir dazu etwas nachzureichen haben.

ZUSATZ: Das wäre nett, vor allem bezüglich der Frage, ob Sie sich dafür einsetzen, dass es EU-weit einen legalen Anbau geben soll.

FRAGE: Herr Gülde, wird sich die Bundesregierung denn für eine Änderung des UN-Abkommens, dieses Suchtabkommens, einsetzen? Das ist ja 50 Jahre alt. Das wird ja auch als archaisch angesehen. Auch andere Staaten wie Kanada und Uruguay haben eine Legalisierung, bekommen einfach jedes Jahr eine Rüge von dem Council, und das war es dann. Man könnte ja entweder aus diesem Abkommen austreten, es ändern oder einfach die Rügen ignorieren.

GÜLDE: Ja, aber auch dazu hat sich Herr Minister Lauterbach ja in der Vergangenheit geäußert. Er hat gesagt: Wir möchten gerne eine rechtssichere Lösung haben, die auch mit EU- und Völkerrecht vereinbar ist. - Insofern kann ich diesem Diskussionsprozess, der da möglicherweise auch noch ansteht, was das Suchtstoffübereinkommen anbelangt, hier jetzt nicht vorgreifen. Ich kann Ihnen jetzt auch noch nicht skizzieren, wie so eine Lösung entweder ohne eine Änderung oder mit einer Änderung dieses Übereinkommens dann tatsächlich aussehen kann. Aber dass man an einer Lösung dafür arbeitet, kann ich Ihnen zusichern, ja.

Medienberichte über den Transport von Uran in die Brennelementfertigungsanlage in Lingen

FRAGE: Herr Kübler, hat das Ministerium Kenntnis über den russischen Frachter „Mikhail Dudin“, der sich mit dem möglichen Zielhafen Rotterdam im Ärmelkanal befindet? Umweltorganisationen gehen davon aus, dass sich an Bord des Schiffes Uran befindet, das zur Weiterverarbeitung in die Brennelementefabrik in Lingen im Emsland weitertransportiert werden soll. Haben Sie Kenntnis davon? Wäre unter den Bedingungen und Voraussetzungen des Ukrainekriegs überhaupt eine Lieferung und Bearbeitung russischen Urans in Deutschland zulässig?

KÜBLER (BMUV): Wir haben davon Kenntnis. Unsere Behörde, das Bundesamt für die Sicherheit der nuklearen Entsorgung, BASE, hat den Transportweg nach Lingen genehmigt. Wir haben keine rechtliche Handhabe, den Transport von Uran aus Russland zu unterbinden, weil die von der EU erlassenen Sanktionsvorschriften im Hinblick auf den russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine die Einfuhr von Kernbrennstoffen in die EU wie auch von russischem Gas von den Einfuhrverboten ausnimmt. Insofern haben wir nur die Handhabe, den Transportweg, die Sicherheit des Transportwegs und die Sicherheit der Behälter als Grundlage dafür zu nehmen, einen Transport zu untersagen. Diese grundlegenden Transportbestimmungen hat das BASE geprüft, hat befunden, dass diese Transportwege aufgrund der eingehaltenen Sicherheitsanforderungen eingehalten werden, und musste daher diesen Transport bewilligen.

Dass wir solche Urantransporte wegen des russischen Angriffskrieg, aber auch insgesamt, nämlich wegen des deutschen Atomausstiegs, sehr kritisch sehen, können Sie sich denken. Wir sind immer dafür eingetreten, dass auch die Uranfabriken in Lingen und Gronau geschlossen werden. Das hat aber weder beim letzten noch bei diesem Mal Einzug in den Koalitionsvertrag gefunden.

ZUSATZFRAGE: Ist es aus Sicht Ihres Hauses in der Rolle der Atomaufsicht eigentlich nicht nur wünschenswert, sondern dringend geboten, dass die Genehmigung, wie Sie eben gesagt haben, nicht mehr stattfinden kann, sondern dass man „Nein, in der Gesamtlage genehmigen wir solche Transporte und damit dann auch die Möglichkeit der Weiterverarbeitung zu Brennstäben mit Uran aus russischen Quellen nicht mehr“ sagt?

KÜBLER: Es wäre zu prüfen gewesen, ob auch die Uranimporte unter die Sanktionsbestimmungen der EU hätten fallen können. Dies ist anders entschieden worden. So hat auch Deutschland keine Handhabe, diese Importe zu untersagen. Es liegt dann wirklich auch an dem Unternehmen in Lingen, das Uran für die Aufbereitung zu bestellen. Dafür ist ja Russland nicht der einzige Lieferant. Zum Beispiel Kanada wäre dafür auch eine Alternativmöglichkeit.

Im Übrigen möchte ich noch einmal darauf hinweisen, dass das Uran, das in Lingen und in Gronau aufbereitet wird, nicht für die deutschen Atomkraftwerke aufbereitet wird. In Deutschland werden keine Brennstäbe mehr eingebaut. Die Brennstäbe, die jetzt dort sind, laufen zu Ende, maximal bis Mitte April. Diese Brennstäbe sind meines Erachtens für die französischen AKWs gedacht. Aber Genaueres dazu kann Ihnen das Unternehmen in Lingen sagen.

FRAGE: Frau Hoffmann, setzt sich die Bundesregierung für eine Sanktionierung von russischem Uran ein, also auf EU-Ebene?

HOFFMANN (BReg): Ich kann dem, was der Kollege gesagt hat, jetzt hier nichts Neues hinzufügen. Die EU hat das, wie Sie wissen, anders entschieden. Wir sind ständig dabei, die Sanktionen zu überdenken und über eine Ausweitung von Sanktionen nachzudenken. Aber etwas Konkretes kann ich Ihnen jetzt zu dieser Frage nicht sagen.

ZUSATZFRAGE: Wie sich die EU entschieden hat, ist ja klar. Aber Teil der EU ist die Bundesregierung, und Sie haben da einen gewichtigen Einfluss. Möchten Sie russisches Uran sanktionieren? Herr Wagner, wie steht die Außenministerin dazu?

WAGNER (AA): Ich habe dem, was die Regierungssprecherin hier gerade gesagt hat, nichts hinzuzufügen. Wir prüfen in der Tat immer wieder, welche Maßnahmen wir noch weiter ergreifen können, sozusagen auch mit Blick darauf, welche Auswirkungen und Konsequenzen diese Maßnahmen haben. Das tun wir natürlich fortwährend. Dazu laufen die Gespräche in Brüssel.

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