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Erklärungen des Auswärtigen Amts in der Regierungs­­­pressekonferenz vom 22.06.2022

22.06.2022 - Artikel

Erdbeben in Afghanistan

HEBESTREIT (BReg): Bevor wir zum Bericht aus dem Kabinett kommen, den Sie wie gewöhnlich für den Mittwoch erwarten dürfen, habe ich zunächst eine Kondolenz auszurichten.

In Afghanistan hat ein schweres Erdbeben viele hundert Menschen in den Tod gerissen und viele weitere schwer verletzt. Die Bundesregierung spricht dem afghanischen Volk ihr tiefes Mitgefühl aus. Unsere Gedanken sind bei den Angehörigen der Opfer und bei den vielen Verletzten. Die Auswirkungen dieser Naturkatastrophe waren auch im Nachbarland Pakistan deutlich zu spüren. Die Auswirkungen dort sind noch nicht vollständig bekannt, und wir hoffen, dass möglichst wenige Menschen zu Schaden gekommen sind.

Es geht nun darum, den Afghaninnen und Afghanen schnell Hilfe zu leisten. Die Bundesregierung wird im Rahmen der humanitären Unterstützung für Afghanistan, die Deutschland auch nach der Machtübernahme der Taliban leistet, dazu beitragen.

[…]

FRAGE: Ich habe noch eine Frage zu der Afghanistan-Kondolenz von Herrn Hebestreit: Haben Sie auch einen Brief an die Taliban-Regierung geschrieben, so wie Sie das bei anderen Regierungen machen, wenn Sie Trauer mitteilen?

HEBESTREIT: Berechtigte Frage ‑ Antwort: nein, da wir die Taliban als Regime nicht anerkennen und es dadurch quasi auch kein Gegenüber, keinen Gesprächspartner dafür gibt. Insofern müssen die Taliban das über die Bundespressekonferenz wahrnehmen. Aber es bleibt ja dabei ‑ das haben wir auch gesagt ‑, dass wir uns im Rahmen unserer humanitären Hilfe, die wir in Afghanistan weiterhin leisten, auch dort engagieren werden.

[…]

Russischer Angriffskrieg gegen die Ukraine

FRAGE: Wie schätzt die Bundesregierung die aktuellen Spannungen zwischen Russland und Litauen ein?

HEBESTREIT (BReg): Sie sprechen es an: Litauen hat den Transit von bestimmten sanktionierten Gütern über sein Territorium nach Kaliningrad gestern verboten. Der Transport von Personen und nicht sanktionierten Gütern ist von den litauischen Transitregelungen ausdrücklich nicht betroffen. Kaliningrad kann also weiter über den Landweg, aber auch über den Luft- und den Seeweg erreicht und versorgt werden. Die von Russland angekündigten Gegenmaßnahmen weisen wir deswegen klar zurück und rufen Russland auf, keine Maßnahmen zu ergreifen, die gegen das Völkerrecht verstoßen würden.

FRAGE: Noch einmal zu der Waffenliste, und zwar zum einen zum Zeitpunkt der Veröffentlichung: Können Sie über die Worte der gestrigen Pressemitteilung hinaus etwas dazu sagen? Das Argument, das die Amerikaner es anders machen, gilt ja schon ein bisschen länger.

Waren Sie selber überrascht, dass die Panzerhaubitzen jetzt doch schon da sind? Die entsprechende Meldung kam ja 40 Minuten nach der Mitteilung.

HEBESTREIT: Ich fange mit der ersten Frage an, weil sie einfacher zu beantworten ist: Es hat eine längere Diskussion innerhalb der Bundesregierung gegeben, was den richtigen Zeitpunkt ausmacht, zu dem diese Waffenliste veröffentlicht wird. Ich glaube, wir haben einen guten Zeitpunkt gewählt, indem wir das gestern öffentlich gemacht haben. Man sieht, wie umfangreich die Liste der Gegenstände, die wir geliefert haben, ist. Wenn man eine solche Praxis, die man aus guten Gründen vor einigen Monaten beschlossen hat, ändert, gilt es gleichwohl, auch Diskussionen vorauszudenken, wie wir sie jetzt gerade führen ‑ ist das der richtige Zeitpunkt, warum jetzt, hätte man es nicht früher oder später machen können? Die Bundesregierung ist dann zu dem Schluss gekommen, dass der Zeitpunkt gestern goldrichtig war.

Zu Ihrer zweiten Frage: Ich habe hier, glaube ich, vor zehn Tagen ausgeführt, wie zurückhaltend wir gerne sind, wenn es darum geht, über konkrete Lieferzeitunkte zu berichten, weil sich daraus Rückschlüsse auch für Lieferwege und künftige Lieferungen ergeben könnten. Nachdem die ukrainische Seite das allerdings gestern publik gemacht hatte, haben wir ‑ das haben Sie sicherlich auch gemerkt ‑ die Liste am frühen Abend insoweit angepasst, als die Panzerhaubitzen von „wird geliefert“ zu „sind geliefert“ gewechselt sind. So werden wir es auch in Zukunft halten. Ich kann Ihnen nicht versprechen, dass das in der Regel am gleichen Tag oder wenige Stunden später passiert, aber wir wollen das so aktuell wie möglich halten. Es bleibt aber bei dem, was ich vor zehn Tagen gesagt habe: Da sind wichtige Sicherheitsfragen mit zu eruieren, und deswegen können wir an gewissen Stellen nicht immer das sagen, was wir wissen.

ZUSATZFRAGE: Dann ist es aber auch künftig so, dass es, wenn wir uns die Liste angucken, sein kann, dass Sachen, die da noch unter „in Vorbereitung“ stehen, doch schon geliefert sind?

HEBESTREIT: Das stimmt. Allerdings will ich auch da wieder einschränkend sagen: Das wird laufend aktualisiert. Es wird also nicht Monate dauern, bis wir das bekanntgeben, aber es kann schon einige Tage Verzug einberechnet werden.

FRAGE: Ich möchte noch einmal zurückkommen auf Kaliningrad. Der Bundeskanzler hatte Litauen ja gerade verstärkte militärische Unterstützung angeboten. Nachdem das gerade beschlossen wurde und der Kanzler gestern noch einmal betont hat, dass die Brigade, die zur Verfügung steht, im Konfliktfall sofort einsetzbar ist, möchte ich fragen: Gibt es in der Bundesregierung Befürchtungen, dass die Bundeswehr in diesen Streit zwischen Litauen und Russland einbezogen werden könnte?

HEBESTREIT: Die Brigade, die Sie angesprochen haben, ist Teil der Bemühungen des NATO-Bündnisses, die Ostflanke zu stärken und insbesondere den Sicherheitsbedürfnissen der baltischen Länder, aber auch anderer Länder in Osteuropa Rechnung zu tragen. Da ich anfangs schon gesagt habe, dass Litauen im Rahmen der europäischen Möglichkeiten agiert und es aus unserer Sicht keinen Grund dafür gibt, dass Russland darauf in irgendeiner Weise aggressiv reagieren sollte, sehen wir diese Gefahr im Augenblick nicht. Klar ist, dass die Bundeswehr zu ihren Zusagen steht und auch in Litauen ihre Präsenz halten wird.

ZUSATZFRAGE: Weil es da Unklarheit: Die Brigade ist ja noch im Aufbau, oder ist die ab sofort verfügbar? Wenn nicht: Ab welchem Zeitpunkt wäre sie verfügbar?

HEBESTREIT: Sie ist im Aufbau, aber noch nicht komplett vorhanden. Wir haben im Augenblick, ich glaube, etwa 1300 oder 1400 in Litauen. Insgesamt soll diese Kampfbrigade dann 3000 bis 4000 Soldaten ‑ eine Brigadestärke ‑ umfassen, die aber nicht alle zeitgleich in Litauen sein sollen. Es wird vielmehr ein rotierendes Verfahren angestrebt, in dem immer wieder die gleichen Soldatinnen und Soldaten für einige Zeit nach Litauen gehen und danach wieder zurück in Deutschland sind. Es sind aber die gleichen Truppenteile, sodass da sowohl die Kenntnisse des Geländes als auch der Partner vor Ort erhalten bleiben, also nicht immer wieder neue Soldaten dorthin geschickt werden, und auch das Gerät soll dorthin verlagert werden. Ein kleiner Teil der Brigadeführung wird dauerhaft dort stationiert sein; das sind aber wenige Dutzend Soldatinnen und Soldaten.

ZUSATZFRAGE: Einen Zeitpunkt können Sie nicht nennen?

HEBESTREIT: Nein. In einer Woche ist ja der NATO-Gipfel in Madrid und da wird es ja auch noch um die Forward Presence für andere Länder gehen, die dem deutschen Beispiel womöglich folgen werden und sich auch an der Ostflanke engagieren werden. Auch da muss man, was die Koordination angeht, nach vorne schauen.

FRAGE: Russland hat nun aber ‑ in abstrakter Form ‑ schwerwiegende Reaktionen bzw. Schritte angekündigt. Hat die Bundesregierung Hinweise, worum es sich dabei handeln könnte, was möglicherweise in Vorbereitung ist und inwiefern das dann auch Auswirkungen auf die von Deutschland geführten Truppen hätte?

HEBESTREIT: Kurze Antwort: nein.

ZUSATZFRAGE: Dann noch eine Frage zur Waffenliste: Ein geeigneter Zeitpunkt war es ja vielleicht auch deswegen, weil jetzt just der Tag ist, an dem zum ersten Mal nachweislich und tatsächlich schwere Waffen in der Ukraine angelangt sind. Auf dieser Liste ist aber nicht das Gerät enthalten, was im Ringtausch an andere Staaten geht, die dafür ja die Ukraine mit schweren Waffen versorgen. Würde das nicht eigentlich mit auf diese Liste gehören, weil es indirekt ja militärische Unterstützung für die Ukraine bewirkt?

HEBESTREIT: Wir haben das innerhalb der Bundesregierung miteinander diskutiert und wollten uns nicht dem Vorwurf aussetzen, dass wir Dinge da reinschreiben, die dann gar nicht direkt der Ukraine zugutekommen, sondern anderen Ländern, die dann wieder anderes liefern. Insofern haben wir uns dagegen entschieden, um diesem Vorwurf zu entgehen. Jetzt nehme ich Ihre Frage als unterschwelligen Vorwurf wahr. Wir haben uns, wie gesagt, aber so entschieden ‑ so ist, glaube ich, die Liste auch überschrieben ‑, dass das, was von Deutschland direkt an die Ukraine geliefert wird, auf der Liste enthalten sein wird. Wie Sie wissen, erzählen wir hier auch immer wieder einmal über den Ringtausch. Das käme natürlich indirekt dazu, aber man kann auch argumentieren, dass das streng genommen nicht auf die Liste gehört.

ZUSATZFRAGE: Wäre es denn möglich, eine zweite Liste ‑ nennen wir sie einmal Ringtausch ‑ zu erstellen, auch da für Transparenz zu sorgen, Herr Hebestreit?

HEBESTREIT: Ich habe das Gefühl, dass wir da immer relativ transparent kommuniziert haben, wenn etwas fest vereinbart wird, und auch, wenn es geliefert wird. Ich nehme aber gerne als Anregung in die Diskussionen mit, ob wir das noch als eine weitere Liste machen. Wie gesagt, wir hatten diesen Punkt besprochen ‑ ich hätte fast gesagt: auf der Liste ‑ und haben uns dann nach einigem Hin und Her entschieden, ihn nicht aufzuführen, um eben diesem einen Vorwurf zu entgehen. Wenn ich hier gesteigertes Interesse wahrnehme, nehme ich das gerne noch einmal mit und lasse es noch einmal diskutieren.

ZUSATZFRAGE: Danke dafür. ‑ Warum war der Zeitpunkt gestern goldrichtig, um die bisherige Geheimhaltungspraxis aufzugeben?

HEBESTREIT: Weil wir es ja sonst nicht gemacht hätten.

FRAGE: Nicht zur Liste und auch nicht zu Kaliningrad, sondern zu den Vermittlungsbemühungen Indonesiens: Wie werden diese ‑ wo auch immer, im Kanzleramt oder im AA ‑ bewertet oder gewichtet, gerade angesichts der relativ neutralen Haltung Indonesiens bzw. der indonesischen Regierung gegenüber beiden, also Russland wie der Ukraine? Oder sagen Sie pragmatisch: Es ist gut, wenn überhaupt einmal wieder außer über Waffen auch über Verhandlungsmöglichkeiten, Einigungsmöglichkeiten, Konsensideen geredet wird?

HEBESTREIT: Grundsätzlich begrüßt die Bundesregierung alle Bestrebungen, die ernsthaft eine Lösung dieses Konfliktes anstreben. Indonesien als G20-Vorsitzland hat da natürlich eine herausgehobene Rolle. Ansonsten muss man sehen: Es fehlt im Augenblick nicht unbedingt an Gesprächskanälen, allerdings fehlt es im Augenblick auf alle Fälle an Einigungswünschen seitens Russlands.

FRAGE: Herr Hebestreit, würde die Bundesregierung sagen, dass die transparente Waffenliste dem Geist des Bundestagsbeschlusses entspricht?

HEBESTREIT: Es steht mir nicht an, das zu bewerten; das müsste der Deutsche Bundestag für sich entscheiden.

ZUSATZFRAGE: Das war ja quasi ein Beschluss, der auf das Handeln der Bundesregierung zielte. Dementsprechend müssen Sie ja sagen können, ob Sie glauben, dass Sie diesem Beschluss jetzt nachkommen?

HEBESTREIT: Da müsste ich mich jetzt schlau machen, weil ich den Beschluss des Bundestages nicht so genau parat habe, dass ich wüsste, ob es darum ging, Transparenz über das, was wirklich geliefert wurde, herzustellen. Wenn das da enthalten sein sollte ‑ hypothetisch ‑, dann ist da, glaube ich, seit gestern Klarheit geschaffen.

FRAGE: Auf der Liste stehen auch Ersatzteile für MiG-29-Flugzeuge. Könnten Sie vielleicht ein bisschen mehr darüber erzählen, was das für Teile sind, wie viele es sind usw.?

HEBESTREIT: Nein. Ich hätte fast gesagt: Ich habe mir immer geschworen, dass ich nie sage „Vielen Dank für die Frage“, sage jetzt aber: Vielen Dank für die Frage, weil Sie mir die Gelegenheit gibt, klar zu machen, dass wir über das hinaus, was auf dieser Liste steht, keine Angaben machen müssen. Auch die Transparenz hat also ihre Grenzen.

Konferenz für Ernährungssicherheit im Auswärtigen Amt

VORS. WEFERS: Vielleicht kann ich noch eine Frage an das Außenministerium loswerden. Es geht um die Konferenz für Ernährungssicherheit. Eine Kollegin fragt, ob Sie etwas zu den Teilnehmern sagen können.

SASSE (AA): Ja. Ich kann zum einen noch einmal darauf verweisen, dass wir diese Konferenz ja gemeinsam mit zwei weiteren Ressorts ausrichten und am Montag schon darüber berichtet hatten. Was die Teilnehmer angeht, kann ich sagen, dass zur Konferenz Ministerinnen und Minister der G7-Länder und der wichtigsten Geberstaaten eingeladen sind. Hinzu kommen Vertreter und Vertreterinnen der am stärksten betroffenen Länder und natürlich Vertreterinnen und Vertreter der Vereinten Nationen und der Zivilgesellschaft.

In Polen inhaftierter russisch-spanischer Journalist Pablo González

VORS. WEFERS: Ich habe noch eine Frage an das Auswärtige Amt. Es geht um den Fall des russisch-spanischen Journalisten Pablo González, der in Polen seit 100 Tagen in Untersuchungshaft sitze. Die polnischen Behörden werfen ihm Spionage für Russland vor, haben aber bisher keine Beweise vorgelegt. Gefragt wird, ob der Bundesregierung dieser Fall bekannt ist und, wenn ja, welche Position Sie dazu haben.

SASSE (AA): Soweit ich weiß, haben wir dazu in der vergangenen Woche schon etwas nachgeliefert.

VORS. WEFERS: Er hatte vorher geschrieben ‑ das habe ich jetzt einmal weggelassen ‑, dass er danach gefragt hat, aber dass es keine Antwort gab.

SASSE: Dann forsche ich noch einmal nach.

Einsatz der Bundeswehr in Mali

FRAGE: Ich habe eine Frage an das Verteidigungsministerium oder vielleicht auch an Frau Sasse. Es geht noch einmal um Mali und die Hubschrauber. Ich wüsste gerne: Gibt es jetzt, nachdem die Niederländer offenbar abgesagt haben, weitere Bemühungen, oder haben Sie die Bemühungen eingestellt? Ich habe auch gehört, dass Deutschland das eventuell selbst in die Hand nehmen oder eben ganz darauf verzichte will.

KRÜGER (BMVg): Vielen Dank für die Frage! – Wir befinden uns natürlich in den Abstimmungen mit der NATO. Vor allen Dingen dorthin müssten Sie die Frage natürlich richten. - Habe ich Sie jetzt falsch verstanden?

ZUSATZ: Nein, das ist ja kein NATO-Einsatz. Es geht um das Mandat für Mali. Ich glaube, das heißt luftnahe Unterstützung.

HEBESTREIT: Vielleicht kann ich das für das Kanzleramt, aber auch für das Auswärtige Amt und das Verteidigungsministerium beantworten. Sie haben das Mandat genau gelesen. Darin geht es um die Luftunterstützung, um Kampfhubschrauber. Die Niederlande haben jetzt beschlossen, dass sie dabei nicht helfen können. Der UN-Generalsekretär ist aufgefordert, eine Kampfhubschrauberkomponente zu finden, wenn ich das so fußgängerisch sagen darf, und das ist die Voraussetzung dafür, dass der Einsatz Deutschlands verlängert werden kann. Das steht klar im Mandat. Diese Gespräche laufen. Dafür müssten Sie sich dann nicht an die NATO, aber an die Vereinten Nationen wenden.

Hinsichtlich dessen, was Sie zum Thema der deutschen Beteiligung gefragt haben, hat Deutschland klargemacht, dass es diese Kampfhubschrauberkomponente mangels Gerät nicht stellen kann.

ZUSATZFRAGE: Geht es auch auf keinen Fall ohne irgendwelche Kampfhubschrauber?

HEBESTREIT: So ist es. So sagen uns das die Fachleute, und so steht es auch eindeutig im Mandatstext der Bundesregierung.

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