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Erklärungen des Auswärtigen Amts in der Regierungs­­­pressekonferenz vom 17.06.2022

17.06.2022 - Artikel

Termine des Bundeskanzlers (EU-Westbalkan-Gipfel, Europäischer Rat)

HOFFMANN (BReg): […] Somit kommen wir zu Donnerstag und Freitag. Dann nämlich wird Bundeskanzler Olaf Scholz am Europäischen Rat in Brüssel teilnehmen. Unmittelbar vor dem Juni-ER wird der Bundeskanzler am Morgen des 23. Junis am EU-Westbalkan-Gipfel teilnehmen. Die Staats- und Regierungschefs der EU werden am Donnerstagnachmittag wie üblich zu Beginn des Treffens mit der Präsidentin des Europäischen Parlaments, Roberta Metsola, zusammenkommen.

Inhaltlich wird im Mittelpunkt des Europäischen Rates der russische Angriffskrieg gegen die Ukraine stehen. Die Staats- und Regierungschefs werden sich über alle Dimensionen des russischen Angriffskrieges und seiner Auswirkungen beraten. Insbesondere wird es um die vielfältige Unterstützung der EU für die Ukraine gehen. Im Zentrum der Diskussionen werden zudem die EU-Beitrittsanträge der Ukraine, Moldaus und Georgiens stehen. Die Kommission wird dazu heute noch eine Stellungnahme veröffentlichen. Unter dem Tagesordnungspunkt „Wider Europe“ steht ein erster Austausch der Staats- und Regierungschefs über die Konsequenzen der russischen Aggression für die europäische Friedensordnung an. Dabei sollen die verschiedenen Initiativen und Vorschläge zur Vertiefung der Beziehungen der EU mit ihren Partnern in Europa beraten werden.

Anschließend werden sich die Staats- und Regierungschefs mit verschiedenen Wirtschaftsthemen beschäftigen. Auf der Tagesordnung steht eine Aussprache zur wirtschaftlichen Situation. Die Staats- und Regierungschefs sind aufgefordert die länderspezifischen Empfehlungen im Rahmen des Europäischen Semesters zu billigen.

Ein weiteres Thema wird der geplante Euroraumbeitritt Kroatiens zum 1. Januar 2023 sein. Zudem werden sich die Staats- und Regierungschef zur Konferenz zur Zukunft Europas austauschen. In diesem Rahmen werden sie das weitere Vorgehen der Konferenz festlegen, um Europa im Interesse seiner Bürgerinnen und Bürger weiterzuentwickeln. […]

FRAGE: Frau Hoffmann, Sie haben erwähnt, dass auf dem EU-Gipfel über den Status der Ukraine, Moldaus und Georgiens gesprochen werden wird. Heute wird es eine Empfehlung der EU-Kommission geben. Der Kanzler hat sich dazu gestern geäußert.

Warum nimmt der Kanzler eine Unterscheidung zwischen der Ukraine und Moldau auf der einen Seite und Georgien auf der anderen Seite vor und ist nicht für einen Kandidatenstatus Georgiens?

HOFFMANN (BReg): Ich kann dem, was der Kanzler da gestern gesagt hat, nichts hinzufügen. Er hat angekündigt, dass sich Deutschland für eine positive Entscheidung zugunsten der Ukraine einsetzen werde und dass das gleichermaßen auch für die Republik Moldau gelte. Er hat auch noch einmal darauf hingewiesen, wie sehr er den Weg der Staaten des westlichen Balkans in die EU schon in den vergangenen Monaten unterstützt hat und auch in Zukunft unterstützen wird und dass es eine Frage der Glaubwürdigkeit ist, dass die EU da ihre Versprechen einlösen muss und sollte. Zu Georgien kann ich im Moment nichts sagen.

ZUSATZFRAGE: Kann das Auswärtige Amt etwas dazu sagen, warum man eine solche Unterscheidung trifft?

WAGNER: Ich kann nur ergänzen ‑ das wissen Sie, Herr Kollege ‑, dass die Kommission heute einen Avis zu der Frage vorlegen wird, und zwar bezüglich aller drei Länder. Wir werden ihn uns natürlich genau anschauen.

WOLF (Vorsitz): Ein Kollege fragt – die Frage richtet sich vermutlich an Sie, Frau Hoffmann – zum Beitrittsstatus der Ukraine: Warum hat Bundeskanzler Olaf Scholz seine Position zur EU-Mitgliedschaft der Ukraine geändert und darum gebeten, ihr diesen Beitrittsstatus zu geben?

HOFFMANN: Ich würde zurückweisen, dass der Bundeskanzler seine Ansichten dazu geändert hat. Er hat sich ja gestern sehr deutlich geäußert, dass die Ukraine zur europäischen Familie gehört und hat darauf hingewiesen, dass es jetzt darauf ankommen wird, Einstimmigkeit im Europäischen Rat unter den 27 EU-Ländern herzustellen. Das ist das, worum es in der nächsten Woche vor allen Dingen gehen wird. Deutschland wird sich dafür einsetzen, dass hier ein Konsens erreicht und eine Einstimmigkeit hergestellt wird. Aber ich sehe da ‑ das möchte ich noch einmal deutlich sagen ‑ keine Änderung der Position.

[…]

FRAGE: Eine Frage zum Thema Ukraine/EU. Es wird gerade gemeldet, dass sich die EU-Kommission für eine Aufnahme der Ukraine und auch von Georgien und Moldau ausgesprochen hat. Jetzt ist die Frage, in welchem Zeitrahmen das Verfahren umgesetzt werden kann. Von welchem Zeitrahmen geht die Bundesregierung dabei aus?

HOFFMANN: Es ist im Moment nicht möglich, einen konkreten Zeitrahmen zu benennen. Das ist ja ein Prozess, in dem sehr viele Bedingungen und Voraussetzungen erfüllt werden müssen. Es wäre unseriös, jetzt einen Zeitrahmen zu benennen. Worum es jetzt zunächst einmal geht, ist, Einigkeit unter den Staats- und Regierungschefs herzustellen, um dann dabei voranschreiten zu können.

ZUSATZFRAGE: Hat die Bundesregierung Anhaltspunkte, dass sich irgendeines der 27 EU-Mitglieder den Aufnahmewünschen widersetzen würde?

HOFFMANN: Dazu kann ich jetzt hier nichts sagen.

FRAGE: Es gibt Meldungen, dass Portugal große Bedenken hat. Kennen Sie diese Bedenken?

HOFFMANN: Wie gesagt, für uns wird es jetzt darum gehen, einen Konsens herzustellen, damit eine einstimmige Entscheidung zustande kommt. Natürlich werden alle Bedenken, die bestehen, sehr ernst genommen und mit in diese Gespräche einbezogen. Der Bundeskanzler hat ja persönlich gesagt, dass sich die Bundesregierung, dass sich Deutschland dafür einsetzen wird, einen Konsens zustandezubringen.

Auslieferungsanweisung der britischen Regierung im Fall Julian Assange

FRAGE: Frau Hoffmann und/oder Herr Wagner, eine Frage zum Thema Julian Assange. Die britische Regierung hat heute der Auslieferung zugestimmt. Das bedeutet, Julian Assange kann an die USA ausgeliefert werden. Was bedeutet das aus Sicht der Bundesregierung für die Pressefreiheit? Ist es aus ihrer Sicht zulässig, dass die Aufklärung von Kriegsverbrechen – das ist ja das Ergebnis der Arbeit von Julian Assange – als krimineller Akt bezeichnet wird?

HOFFMANN (BReg): Ich fange vielleicht einmal an. Grundsätzlich würde ich sagen, dass uns diese Nachricht relativ unmittelbar vor dieser Regierungspressekonferenz erreicht hat und wir uns natürlich diese Entscheidung zunächst einmal anschauen werden, bevor wir sie im Detail bewerten.

Allgemein ist es so, dass in dem Fall und dem Auslieferungsverfahren gegen Julian Assange unterschiedliche Schutzgüter gegeneinander abgewogen werden müssen und wir hier wirklich grundsätzliche Fragen des Schutzes von Meinungs- und Pressefreiheit im Spannungsfeld mit Fragen des staatlichen Geheimschutzes sehen. Die Bundesregierung hat immer wieder ‑ auch von dieser Stelle aus ‑ betont, dass diese Meinungs- und Pressefreiheit ein hohes Gut und Voraussetzung für das Funktionieren von Demokratie ist.

Nach meiner Kenntnis ‑ und auch nach Kenntnis der Bundesregierung ‑ ist dieses jetzt heute ergangene Auslieferungsurteil noch nicht unanfechtbar, also noch nicht letztinstanzlich. Nach jetzigem Kenntnisstand ist wohl noch ein weiterer Rechtsweg möglich, den wir natürlich weiterhin sehr genau beobachten würden, wenn er beschritten würde. Wie gesagt, wir müssen uns das erst noch einmal in Ruhe anschauen.

WAGNER (AA): Ich kann gerne ergänzen. Frau Hoffmann hat auf die unterschiedlichen rechtsstaatlichen Grundsätze und Prinzipien abgestellt, die bei dem Verfahren eine Rolle spielen. Weil es so eine grundsätzliche Bedeutung hat, hat die Außenministerin den Fall wiederholt mit der britischen Außenministerin thematisiert.

ZUSATZFRAGE: Es handelt sich um eine Frist von 14 Tagen, in der Assange Einspruch erheben könnte. Die Aussichten dafür werden von allen Beobachtern als minimalst angesehen. Wird die Bundesregierung vor diesem Hintergrund auf die US-Regierung dergestalt hinwirken, dass diese auf eine Umsetzung der Auslieferung verzichtet? Auch das war in der Vergangenheit als eine mögliche Option diskutiert worden.

HOFFMANN: Wie gesagt, wir werden uns das jetzt erst einmal genau anschauen und das dann ganz sicher weiter engmaschig beobachten. Mehr kann ich dazu im Moment nicht sagen.

FRAGE: Das ist ein schwarzer Tag für die Pressefreiheit. Können Sie uns einmal erklären, warum sich die Bundesregierung nie für die Freilassung von Herrn Assange eingesetzt hat?

Zweitens. Haben Sie es gerade ernst gemeint, Frau Hoffmann, dass man zwischen Meinungs- und Pressefreiheit und dem staatlichen Schutz von Geheimnissen wie Kriegsverbrechen abwägen muss? Das meinen Sie ernst?

HOFFMANN: Es gibt in diesem Fall grundsätzliche Fragen hinsichtlich des Schutzes der Meinungs- und Pressefreiheit und berechtigten Sicherheitsinteressen von Staaten. Die müssen gegeneinander abgewogen werden.

ZUSATZFRAGE: Kriegsverbrechen sind also berechtigte Sicherheitsinteressen von Staaten. Das ist die Haltung der Bundesregierung?

HOFFMANN: Das ist nicht die Haltung der Bundesregierung.

ZURUF: Das haben Sie gerade gesagt!

HOFFMANN: Ich habe gesagt, was in diesem Fall abgewogen werden muss.

ZUSATZ: Das haben Sie gerade gesagt.

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