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Erklärungen des Auswärtigen Amts in der Regierungs­­­pressekonferenz vom 27.04.2022

27.04.2022 - Artikel

Jahresabrüstungsbericht 2021

HEBESTREIT (BReg): […] Des Weiteren hat heute im Kabinett die Bundesministerin des Auswärtigen den Jahresabrüstungsbericht 2021 vorgelegt. Er wurde im Anschluss daran beschlossen.

Der russische Angriffskrieg gegen die Ukraine stellt eine sicherheitspolitische Zäsur dar, die auch gravierende Folgen für den Bereich der Abrüstung, Rüstungskontrolle und Nichtverbreitung nach sich ziehen wird. Insbesondere die Bemühungen um eine Stärkung und Erneuerung der bereits seit Jahren erodierenden Sicherheits- und Rüstungskontrollarchitektur in Europa haben schweren Schaden erlitten. Neuansätze rücken vorerst in die Ferne. Im Berichtsjahr 2021 waren diese einschneidenden Entwicklungen in Ihrem Ausmaß noch nicht absehbar. Dennoch war das internationale Umfeld für rüstungskontrollpolitische Fortschritte bereits schwierig. Trotzdem hat Deutschland gemeinsam mit seinen gleichgesinnten Partnern in Europa und weit darüber hinaus sein Engagement für Abrüstung, Rüstungskontrolle und nukleare Nichtweiterverbreitung fortgesetzt und sich vehement für den Erhalt und die Weiterentwicklung multilateraler Regime, für neue rüstungskontrollpolitische Regeln und Instrumente sowie für die friedliche Lösung von Konflikten eingesetzt. Der Jahresabrüstungsbericht stellt diesen Ansatz und die Schwerpunkte der deutschen Abrüstungs- und Rüstungskontrollpolitik in diesem schwierigen sicherheitspolitischen Umfeld umfassend dar. Er wird wie üblich auf der Internetseite des Auswärtigen Amts eingestellt.

Urteil gegen Osman Kavala durch ein Gericht in Istanbul

HEBESTREIT (BReg): Die Bundesregierung und der Bundeskanzler haben das Urteil gegen Osman Kavala mit Bestürzung zur Kenntnis genommen. Es ist ein verheerendes Signal für die türkische Zivilgesellschaft insgesamt und die Lage der Rechtstaatlichkeit in der Türkei. Die Bundesregierung hat die verschiedenen Verfahren gegen Osman Kavala von Anfang an eng verfolgt und gegenüber der Türkei mit Nachdruck und beständig die Umsetzung des Urteils des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte zu seiner Freilassung eingefordert. Daran hält die Bundesregierung weiterhin fest.

[…]

VORS. BUSCHOW: Online ist eine Frage zum Thema des Urteils gegen Osman Kavala eingegangen: Wird die Bundesregierung den Botschafter der Türkei einbestellen? Wenn nicht, auf welchem Weg plant die Bundesregierung der Türkei ihre Haltung zum Thema mitzuteilen?

BURGER (AA): Über mögliche Einbestellungen werden wir Sie beizeiten informieren. Die Haltung der Bundesregierung haben Sie gerade vom Regierungssprecher gehört. Wir haben sie gestern auch schon von der Außenministerin gehört, die sich dazu in sehr deutlichen Worten geäußert hat. Ich gehe davon aus, dass das auch in Ankara wahrgenommen wird.

Im Übrigen bedeutet dieses schockierende Urteil auch eine fortgesetzte Missachtung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte und damit auch von grundlegenden Verpflichtungen aus der Europäischen Menschenrechtskonvention, die für alle Europaratsmitglieder bindend ist. Insofern haben auch Spitzenvertreter des Europarats dieses Urteil scharf kritisiert.

Sie wissen möglicherweise, dass im Europarat bereits ein Vertragsverletzungsverfahren gegen die Türkei läuft, das maßgeblich von Deutschland vorangetrieben wurde. Die Türkei hat mit diesem Urteil eine große Chance verpasst, dieses Vertragsverletzungsverfahren positiv zu beeinflussen. Es liegt nun beim Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte, zu entscheiden, ob die Türkei ihre Verpflichtung zur Urteilsumsetzung anhaltend verletzt hat. Wenn der EGMR zu diesem Schluss kommen sollte, dann ist es auch am Ministerkomitee des Europarats, dort über weitere Maßnahmen gegen die Türkei zu entscheiden.

Deutsch-indische Regierungskonsultationen

HEBESTREIT (BReg): Auf Einladung des Bundeskanzlers finden am kommenden Montag, den 2. Mai, die sechsten deutsch-indischen Regierungskonsultationen statt. Als Auftakt wird der Bundeskanzler den Premierminister der Republik Indien, Herrn Modi, mit militärischen Ehren im Bundeskanzleramt empfangen. Dem schließt sich ein bilaterales Gespräch der beiden Regierungschefs an. Dann beginnt die Plenarsitzung unter Teilnahme der Ressortvertreterinnen und Ressortvertreter beider Länder. Direkt im Anschluss daran findet eine gemeinsame Begegnung mit der Presse statt. Darauf folgt ein Treffen der Regierungschefs mit Wirtschaftsvertreterinnen und Wirtschaftsvertretern im Rahmen einer Roundtablediskussion im Commerzbank-Gebäude am Pariser Platz. Am Abend wird dann das bilaterale Gespräch zwischen dem Bundeskanzler und dem Premierminister Indiens bei einem Abendessen im Bundeskanzleramt fortgesetzt.

Es handelt sich um die ersten Regierungskonsultationen, die seit Amtsantritt der neuen Bundesregierung durchgeführt werden. Zugleich sind sie ein zentraler Bestandteil der ersten Auslandsreise von Premierminister Modi seit Ausbruch der Coronapandemie. Die Vertiefung unserer strategischen Partnerschaft mit Indien ist zudem eine explizite Zielvorgabe des Koalitionsvertrages.

[…]

FRAGE: Herr Hebestreit, eine Frage zum Treffen mit Herrn Modi: Wird der Bundeskanzler die indische Haltung zum russischen Angriff auf die Ukraine zum Thema machen?

Was genau wird das Ziel der deutschen Bemühungen sein?

HEBESTREIT: Es ist gute Tradition, dass wir solchen Gesprächen nicht vorgreifen, damit sie eben umfänglich sein können. Aber klar ist, dass natürlich alle Fragen des deutsch-indischen Verhältnisses, aber natürlich auch die aktuellen internationalen Fragen, die uns alle gerade sehr bewegen, auch in einem solchen Gespräch und auch in diesen Gesprächen angesprochen werden. Insoweit gehe ich fest davon aus, dass man auch die aktuelle Situation in der Ukraine und den russischen Angriffskrieg besprechen wird. Was genau in den Gesprächen herauskommen wird, welche Haltungen ausgetauscht werden, wohin man gemeinsam gehen wird, das kann in der anschließenden Pressebegegnung sehr gut nachgefragt werden.

ZUSATZFRAGE: Gehört Indien zu den Ländern, die Deutschland als G7-Präsidentschaft als Partnerland einladen wird?

HEBESTREIT: Als hätte ich diese Frage erwartet, habe ich im Bundeskanzleramt noch einmal nachgefragt. Der zuständige Sherpa sagte mir, dass die Einladungen immer noch nicht von allen empfangen worden seien. Das sind letzte Absprachen. Insofern machen wir es so, wie hier mehrfach angekündigt: In dem Moment, in dem es soweit sein wird, werde ich es hier aktiv verkünden.

FRAGE: Sind Abschlüsse zwischen deutscher und indischer Wirtschaft zu erwarten?

Wird auch das Freihandelsabkommen zwischen der EU und Indien, das schon seit Jahren vor sich hindümpelt, Thema sein, oder spielt die Musik erst einmal in Brüssel, wo man, meine ich, im Juni die Verhandlungen darüber wiederaufnehmen will?

HEBESTREIT: Mir liegen bisher keine konkreten Abkommen vor. Es ist aber auch nicht völlig überraschend. Das kann sich auch noch in den nächsten Tagen ändern. Aber davon weiß ich nichts.

Die andere Frage haben Sie im Prinzip selbst halb beantwortet. Über ein Abkommen zwischen der EU und Indien wird in Brüssel und nicht in Berlin verhandelt.

FRAGE: Herr Hebestreit, die indische Haltung zur Ukraine ist ja, wie sie ist. Kann denn, basierend auf diesem Status quo, aus Sicht der Bundesregierung überhaupt eine strategische Partnerschaft existieren? Kann man Partner von jemandem sein, der in diesem Angriffskrieg nicht an der Seite der Ukraine steht?

HEBESTREIT: Diese zugespitzte Fragestellung würde ich nicht beantworten wollen. Es geht jetzt darum, dass man auch mit den Ländern, mit denen man international zu Rande kommt ‑ Indien ist ein großes, wichtiges Land, eine große Demokratie ‑, enge Kontakte pflegen kann, dass wir partnerschaftlich zusammenarbeiten können und dass man sich eben auch über die Fragen, in denen man, wie beim Thema der Ukraine, das Sie angesprochen haben, unterschiedliche Haltungen einnimmt, austauscht und auch die eigenen Positionen deutlich macht.

Ob das einer tatsächlichen strategischen Partnerschaft im Wege steht oder so, das muss man wahrscheinlich im Laufe der Zeit beurteilen. Aber ich glaube nicht, dass es im Augenblick eine Conditio sine qua non sein kann.

ZUSATZFRAGE: Indien bezieht einen Großteil seiner Rüstung und seiner Waffen aus Russland. Möchte die Bundesregierung das ändern und erreichen, dass Indien auf europäische, auf deutsche Rüstung umsteigt?

HEBESTREIT: Auch was das anbelangt, möchte ich den Gesprächen nicht vorgreifen. Ich weiß aus der Vergangenheit, dass Deutschland immer wieder auch in Indien für europäische Rüstungsprojekte geworben hat. Sie haben zu Recht gesagt, dass sich die indische Regierung vielfach für andere Produkte entschieden hat. Aber das ist auch ihr gutes Recht.

Reise des Bundeskanzlers nach Japan

FRAGE: Herr Hebestreit, welche Themen stehen auf der Reise des Bundeskanzlers nach Japan im Vordergrund?

Wie wird in dem Fall verfahren, dass der Bundeskanzler wie der Finanzminister vor Ort einen positiven Coronatest hat? Ist vorgesehen, dass der Bundeskanzler dann quasi allein mit der Regierungsmaschine nach Hause fliegt, oder würde er dann in Japan ähnlich wie der Finanzminister in Washington in Tokio bleiben?

HEBESTREIT (BReg): Ich könnte es mir jetzt leicht machen und auf das übliche Verfahren, auf hypothetische Fragen nicht zu antworten, verweisen, sage aber ehrlicherweise: Darum kümmern wir uns, wenn es so weit ist. Wir sind frisch PCR-getestet und doch relativ zuversichtlich, dass der Bundeskanzler heil nach Japan und gesund auch wieder zurückkommt. Sollte sich eine Coronaansteckung, die ja nicht wenige von uns im Augenblick im engeren und weiteren Bekannten-, Freundes- und Arbeitskollegeninnen- und ‑kollegenkreis auch immer wieder erleben, einstellen, dann wird man auch das gut regeln können. Ich habe heute den Bundesminister der Finanzen im Kabinett getroffen. Er hat erzählt, dass man es durchaus auch aushalten könne, seine Coronakrankheit fünf Tage in einem Hotelzimmer in Washington auszukurieren. Aber das klären wir, wenn es so weit ist.

Insofern kann ich auch Ihren Kollegen, der mitreisen wird, erst einmal beruhigen.

FRAGE: Herr Hebestreit, ich habe zwei Fragen:

Warum gibt es kein Briefing für die Reise?

Hat der Kanzler die Kritik an seiner Zeitplanung wahrgenommen? Es gibt die Kritik, dass er jetzt, in der Sitzungswoche, fliegt. Wie reagiert er darauf?

HEBESTREIT: Die Reise des Bundeskanzlers nach Japan haben wir, meine ich, spätestens vergangenen Freitag in diesen Räumen angekündigt. Über die Tagesordnung für die Bundestagssitzung in dieser Woche ist, meine ich, am Montag entschieden worden. Insoweit war die Reise des Bundeskanzlers und die Terminierung etwaiger Abstimmungen oder Diskussionen bekannt. Klar ist: Es ist nicht immer zu vermeiden, dass der Bundeskanzler nicht in jeder Sitzungswoche an jedem Sitzungstag anwesend sein kann.

Fakt ist auch, dass die G7-Präsidentschaft Deutschlands es erfordert, in engem Kontakt mit den G7-Partnern zu stehen. Es ist gute Tradition, dass man sie besucht, in diesem Fall sogar noch einmal besonders, weil Japan die G7-Präsidentschaft für das nächste Jahr übernimmt. Man hat immer enge Kontakte zu den Vorgängern und den Nachfolgern. Der Zeitplan sieht auch vor, dass man sich vor dem Gipfel, der vom 26. bis zum 28. Juni in Deutschland in Elmau stattfinden wird, mit allen getroffen haben wird. Solch ein internationaler Kalender ist, wie Sie wissen, sehr dicht. Deswegen ist es seit Längerem in Planung, das in dieser Zeit zu machen. Die Abreise ist insoweit nach hinten geschoben worden, dass der Bundeskanzler heute noch dabei sein kann, wenn es um das Sondervermögen und die Einbringung der ersten Lesung im Zusammenhang mit dem Sondervermögen in Höhe von 100 Milliarden Euro für die Bundeswehr geht. Aber dann ist der Abflug, damit es überhaupt geht. Es ist ein sehr kurzer Trip. Ich glaube, die Flugzeit beträgt 28 Stunden bei einer Reisezeit von 48 Stunden. Wir sind also vielleicht 20 Stunden in Japan. Kürzer ging es nun wirklich nicht. Das wäre am Donnerstag leider nicht zu machen. Es ist auch dem parlamentarischen Geschäftsführer der Unionsfraktion mitgeteilt worden, der das gestern in einem Schreiben an den Kanzleramtschef bedauert oder der kritisiert hat, dass der Bundeskanzler am Donnerstag bei dieser Debatte nicht dabei sein kann.

Warum es kein Briefing gibt, das muss ich noch einmal nachhören. Ich glaube, dafür gibt es keine tiefgreifenderen Gründe.

FRAGE: Eines der Ziele der deutschen G7-Präsidentschaft ist es, den Ausstieg aus der Kohle auch international zu beschleunigen. Wird der Bundeskanzler auch mit Japan über einen möglichen Ausstieg aus der Kohle insbesondere auch in Japan sprechen?

HEBESTREIT: Sie sprechen einen wichtigen Punkt an, weil wir die Ziele dieser G7-Präsidentschaft natürlich in einer außenpolitischen Phase gewählt haben, die sich jetzt durch den Angriffskrieg Russlands auf die Ukraine und auch die Frage der Energielieferungen noch einmal deutlich verändert hat. Insofern stellt sich die Frage, inwieweit man auf dieses Thema in der akuten Phase, in der es ja unter anderem darum geht, sich auch von russischen Kohle-, Öl- und Gaslieferungen mehr und mehr unabhängig zu machen, direkt zu sprechen kommen wird, auch etwas anders. Ich kann den Gesprächen nicht vorgreifen und tue das auch nicht. Aber ich wollte das zu bedenken geben.

Russischer Angriff auf die Ukraine

FRAGE: Eine Frage an Herrn Säverin. Es geht um die Ankündigung von Gazprom, dass Polen und Bulgarien kein Gas mehr bekommen sollen. Ich hätte ganz gerne gewusst, ob Sie die Gründe dafür kennen und wie die Bundesregierung diese Ankündigung von Gazprom beurteilt.

SÄVERIN (BMWK): Vielen Dank. ‑ Wir werden in Kürze ‑ in wenigen Minuten ‑ eine Pressemitteilung herausgeben, in der sicher viele Ihrer Fragen auch beantwortet werden.

Was Ihre Frage angeht, ist es so, dass in der Pressemitteilung stehen wird, dass die Einstellung dieser Gaslieferung gegenüber Polen und Bulgarien keine negativen Auswirkungen auf die Versorgungssicherheit in Deutschland und auch nicht in Bulgarien und Polen haben wird. Was die Hintergründe angeht, können wir nur auf Presseberichte verweisen, dass die Zahlungsmodalitäten, die ja schon seit einigen Wochen in der Diskussion sind, der Hintergrund für diese Maßnahme sind.

ZUSATZFRAGE: Ich kenne logischerweise die Pressemitteilung noch nicht. Können Sie noch ein bisschen ausführen, was es mit den Zahlungsmodalitäten auf sich hat? Akzeptieren Sie diese Zwei-Konten-Lösung bei der Gazprombank nicht oder was sind die Hintergründe?

SÄVERIN: Ich kann es einmal vorlesen:

„Hintergrund der Liefereinstellungen Russlands gegenüber Polen und Bulgarien sind nach den vorliegenden Informationen die Modalitäten für die Gaszahlung. Russland hatte angeordnet, dass nur noch in Rubel gezahlt werden dürfe.“

Das sind Fakten, die wir alle kennen. Genaueres können wir dazu leider nicht sagen.

VORS. BUSCHOW: Es gibt dazu online eine Frage: Sieht das BMWK einen Zusammenhang zwischen dem möglichen deutsch-polnischen Deal zur Raffinerie in Schwedt und dem Stopp russischer Gaslieferungen an Polen?

SÄVERIN: Nein, einen solchen Zusammenhang sehen wir nicht.

FRAGE: Herr Hebestreit, wie bewertet der Bundeskanzler diesen Schritt Russlands? Inwiefern würde er auch, wie Kommissionspräsidentin von der Leyen, von einem „Erpressungsversuch“ Russlands sprechen?

HEBESTREIT (BReg): Erst einmal nehmen wir zur Kenntnis, dass es gegenüber Polen und Bulgarien jetzt der Fall ist, dass ein Gaslieferstopp verhängt worden ist. Das zeigt einmal mehr, dass man sich auf Russland als Energielieferant auf Dauer nicht verlassen kann. Deswegen sind die Bemühungen der Bundesregierung, sich von russischen Energielieferungen mehr und mehr unabhängig zu machen, auch weiterhin das Gebot der Stunde. Wir arbeiten mit Hochdruck daran.

Wir stimmen in diesem Verfahren auch eng in der Europäischen Union Verfahren ab. Sie wissen, Kohleimporte aus Russland sollen bis in den Spätsommer aufgegeben werden können. Erdölexporte aus Russland würden wir dann hoffentlich bis Ende des Jahres aufgeben können. Beim Gas dauert es etwas länger. Aber auch da reduzieren wir nach Kräften, um eine Unabhängigkeit hinzukriegen.

VORS. BUSCHOW: Eine Frage online eines Kollegen. Er verweist auch auf die Begründung, dass die beiden Länder Polen und Bulgarien weiterhin in Euro oder Dollar bezahlt haben und anscheinend nicht die vom Kreml angebotene Zweitkontenlösung genutzt haben. Er fragt das BMWK: Wie handhaben deutsche Unternehmen das? Nutzen sie diese Zweitkonten oder überweisen sie das Geld, wie in den ursprünglichen Verträgen vereinbart?

Empfiehlt das BMWK, diese Zweitkonten zu nutzen?

SÄVERIN: Die Kommission hat sich intensiv mit diesen neuen Zahlungsmodalitäten befasst, die aus Russland vorgeschrieben wurden, und hat in einem Dokument veröffentlicht, welche Umsetzung sanktionskonform möglich ist. Die deutschen Unternehmen werden dieser Leitlinie der Kommission bei ihren Zahlungen folgen.

FRAGE: Ich habe eine Verständnisfrage. Es gibt offensichtlich eine Empfehlung, Zahlungen auf sogenannte K-Kontenbanken bei der Gazprombank zu leisten. Es sind ja dann nicht Euro-Konten, sondern das sind tatsächlich die Konten, mit denen dann letztendlich die Gelder in Rubel transferiert werden, oder?

Herr Hebestreit, eine grundsätzliche Frage an Sie: Wie schätzen Sie, nachdem Polen und Bulgarien der Gasfluss gesperrt wurde, das Risiko ein, dass Deutschland das Gleiche passiert?

HEBESTREIT: Im Augenblick – natürlich kann man nicht in die Zukunft gucken – sagen wir klar, dass die Energieversorgung und auch die Gasversorgung in Deutschland gewährleistet sind. Wir gehen auch davon aus, dass, wie Herr Säverin ja schon beschrieben hat, sowohl eine sanktionskonforme Umsetzung der Zahlungsmodalitäten als auch weiterhin Euro-Zahlungen möglich sind. Jetzt müssen wir sehen, ob das, was miteinander vereinbart worden ist, auch trägt. Sollte das anders sein, kümmern wir uns um diese Frage. Im Augenblick sind wir aber nicht nervös.

SÄVERIN: Zu Ihrer ersten Frage: Für uns ist entscheidend, dass die deutschen Importeure Euro auf dieses Gazpromkonto bezahlen und dass die Gazprombank dafür verantwortlich ist, das in Rubel umzutauschen. Das heißt, unsere Unternehmen zahlen in Euro. Das ist für uns der wesentliche Punkt. Damit sehen wir unsere Vertragsverpflichtungen als eingehalten.

FRAGE: Heute haben die russischen Staatsmedien berichtet, dass Österreich und Deutschland die Zahlungen in Rubel akzeptiert haben. Bundeskanzler Nehammer hat schon dementiert. Gibt es auch ein Dementi aus Berlin?

HEBESTREIT: Ich glaube, das haben wir gerade gemacht. Die deutschen Energieimporteure zahlen in Euro an die Gazprombank. Das ist das Verfahren, das wir anwenden.

SÄVERIN: Was Österreich angeht, weiß ich nichts Konkretes.

FRAGE: Herr Säverin, können Sie mir sagen, ob Deutschland in der Lage ist, wie das, glaube ich, vor einigen Jahren bei der Ukraine der Fall war, Gas, das aus Russland kommt, theoretisch wieder zurück nach Polen und Bulgarien zu pumpen, falls es Bedarf gibt?

War das gestern in Warschau Teil der Diskussion?

SÄVERIN: Den zweiten Teil der Frage ziehe ich vor: Herr Habeck ist in Warschau gewesen und hat dort mit seiner Amtskollegin gesprochen. Dabei ging es im Wesentlichen um Öl, um ein Ölembargo, Ölversorgung und Möglichkeiten, sich von den Ölimporten zu lösen.

Was die Gasflüsse betrifft, erinnere ich daran, dass wir im Herbst oder Winter die Diskussion hatten, dass über die Jamal-Leitung Gas aus Deutschland nach Polen und weiter transportiert wurde. Das lässt darauf schließen, dass es technisch möglich ist, in beiden Richtungen Gas fließen zu lassen und auch zu zählen.

HEBESTREIT: Was Bulgarien angeht, kann ich ergänzen, dass es dort eine sogenannte Reverse-Flow-Pipeline nach Deutschland nicht gibt. Es gibt dieses Verfahren aber in anderen europäischen Ländern. Insofern heißt das auch, dass es von da eine Versorgung geben kann.

ZUSATZFRAGE: Ist es denn Teil der Diskussion mit europäischen Partnern, dass Deutschland gegebenenfalls seinen Reverse Flow erhöhen könnte, wenn die Länder Bedarf haben, beispielsweise im kommenden Winter?

SÄVERIN: Sie sprechen vom kommenden Winter. Dazu können wir natürlich gegenwärtig noch nichts sagen. Polen selber hat erklärt, dass es durch diesen Lieferstopp nicht in Schwierigkeiten kommt. Das heißt, dass die Gasversorgungssicherheit auch in Polen gewährleistet ist. Was im kommenden Winter ist, können wir jetzt noch nicht antizipieren.

FRAGE: Noch eine Rückfrage zu den Zahlungsmodalitäten: Sie haben uns erklärt, wie es jetzt läuft. Wenn es jetzt Schwierigkeiten geben würde, würden Sie dann diese Zahlungsmodalitäten ändern?

SÄVERIN: Sie haben die Frage schon in den Konjunktiv gesetzt. Das ist ein hypothetischer Sachverhalt, den ich nicht kommentieren kann. Wir haben es zurzeit mit so vielen Wenns und Konjunktiven zu tun. Wenn wir zu jeder Frage einen Strauß von Antworten geben könnten, wären wir auch froh. Wir halten uns an die Sachverhalte. Wir reagieren auf die Situation und versuchen, so weit nach vorne zu blicken, wie das möglich ist, und präventive Maßnahmen zu treffen.

HEBESTREIT: Vielleicht kann ich einen Indikativ beitragen. Es geht ja um Zahlungen, die für Lieferungen nach dem 1. April getroffen worden sind. Darauf bezogen sich unsere Aussagen.

FRAGE: Herr Hebestreit, ich glaube, eine Antwort auf eine konkrete Frage ist noch offen. Teilt die Bundesregierung die Einschätzung von Kommissionspräsidentin von der Leyen, dass es sich bei dem Vorgehen Russlands um eine „Erpressung“ durch Gas handelt? Ist das auch die Einschätzung der Bundesregierung?

HEBESTREIT: Diese Einschätzung mache ich mir nicht zu eigen. Das heißt nicht, dass ich sie ablehne. Aber die Bundesregierung hat sich darüber nicht verständigt. Das will ich auch von dieser Stelle aus nicht tun.

Klar ist, dass wir mit Sorge sehen, dass Gaslieferungen eingestellt werden. Alles Weitere habe ich, glaube ich, schon gesagt.

FRAGE: Herr Hebestreit, zum Thema Öl. Herr Habeck war ja gestern in Polen und hat gesagt, dass sich man innerhalb weniger Tage von russischem Öl lösen könnte. Sie haben eben in Ihren Ausführungen gesagt, dass man ein EU-Embargo für russisches Öl Ende des Jahres ins Auge fassen könnte. Die beiden Zeiten bekomme ich noch nicht so ganz zusammen. Vielleicht können Sie sagen, ob es die Möglichkeit gibt, dass man, zumindest national als Deutschland, möglicherweise aus dem Import von russischem Öl auch sehr viel früher aussteigt.

HEBESTREIT: Weil Herr Rinke mir so galant untergeschoben hat, ich hätte einem EU-Öl-Embargo bis Ende des Jahres das Wort geredet: Ich habe mich dezidiert darauf bezogen, dass die Bundesrepublik Deutschland alles unternimmt, um sich weiter von russischen Energielieferungen unabhängig zu machen, unter anderem auch von Öl. Ich habe gesagt: bis Jahresende. Wir bemühen uns darum, das so schnell wie möglich hinzukriegen.

Die Äußerung des Wirtschaftsministers, der hier, glaube ich, auch demnächst sitzen wird, möchte ich nicht interpretieren müssen. Das müssen Sie ihn selber fragen. Mein Stand ist, dass es nicht ganz so schnell geht. Aber er hat die Gespräche geführt. Er hat die Äußerung gemacht und kann sie sicherlich einordnen.

Wir gehen ja nicht von einem Zielpunkt aus. Wir bemühen uns jeden Tag, so schnell wie möglich Alternativen zu finden und unabhängig zu werden. Je schneller das geht, desto besser.

ZUSATZFRAGE: Darf ich die Frage auch an das Wirtschaftsministerium stellen?

SÄVERIN: Es ist zu einer Fehlinterpretation gekommen, die wir dann auch richtiggestellt haben. Es hat gesagt, dass wir vor Kriegsbeginn eine Abhängigkeit von russischem Öl von 35 Prozent hatten und diese innerhalb der letzten acht Wochen auf 12 Prozent gesenkt wurde. Das ist seine Aussage gewesen. Er hat auch gesagt, dass wir natürlich weiter daran arbeiten, die noch weiter zu senken. Dass innerhalb weniger Tage auf Öl verzichtet werden kann, ist ein Missverständnis.

FRAGE: Herr Säverin, eine Frage zu diesen Take-or-Pay-Verträgen mit Russland. Es gibt bis 2030 Langzeitabnahmeverträge. Wie gedenkt die Bundesregierung, diese Verträge zu beenden? Egal, ob man das Gas importiert oder nicht, es muss gezahlt werden.

SÄVERIN: Das sind Verträge, die die deutschen Gasimporteure mit den russischen Gasexporteuren geschlossen haben. Die Vertragsstruktur ist sehr vielfältig. Das sind Langfristverträge, die aber oftmals keine echten Verträge sind, sondern darin sind Optionen, Terminabsprachen enthalten. Was dieses ganze Vertragskonstrukt zwischen den Importeuren und den Exporteuren angeht, sind die Unternehmen dabei, die Abhängigkeit von diesen Importen zu lösen.

Über Einzelheiten dieser Verträge, wie sie strukturiert sind, kann ich hier nichts sagen. Das sind, wie gesagt, Verträge zwischen Privatunternehmen.

BURGER (AA): Ich möchte dazu eine Sache kurz ergänzen: Ich kann natürlich auch überhaupt nichts zu den Einzelheiten dieser Vertragskonstruktionen sagen. Ich glaube, man sollte eine grundsätzliche Verständnisfrage im Kopf haben, wenn man sich über diese Frage Gedanken macht. Wenn die Europäische Union Sanktionen gegen einen bestimmten Sektor, gegen ein bestimmtes Unternehmen erlässt, ist damit in der Regel ein sogenanntes Bereitstellungsverbot verbunden. Das bedeutet: Unternehmen, egal, ob sie vertragliche Verpflichtungen haben oder nicht, dürfen qua Gesetz beispielsweise keine Zahlungen, keine Leistungen mehr an die entsprechend sanktionierten Stellen leisten. Das hat dann natürlich Vorrang vor irgendwelchen vertraglichen Verpflichtungen, weil es Gesetzeskraft hat. Das ist die Regel im europäischen Sanktionsrecht.

Wie gesagt, ich kann jetzt nicht dem vorgreifen, was in den kommenden Runden an Sanktionen im Energiesektor beschlossen werden wird. Deutschland setzt sich mit dafür ein, dass in kommenden Sanktionsrunden auch im Energiebereich weitere Schritte folgen. Wie das konkret ausgestaltet wird, wird man sehen müssen. Nur scheint mir das grundsätzliche Verständnis „Egal, was die EU, egal, welche Sanktionen wir verhängen, es werden bis nach 2030 Zahlungen geleistet werden“ ein Missverständnis zu sein.

ZUSATZFRAGE: Sind denn Sanktionen so etwas wie höhere Gewalt?

BURGER: Sanktionen sind in der Regel in der Art und Weise, wie sie ausgestaltet werden, so etwas wie Gesetze.

VORS. BUSCHOW: Frage an das Wirtschaftsministerium: Laut EU-SoS-Verordnung müssen die EU-Staaten im Notfall auch Nachbarstaaten mit Gas versorgen. Dafür sind die EU-Staaten angehalten, untereinander völkerrechtliche Verträge abzuschließen. Hat Deutschland bereits mit allen Nachbarstaaten solche Verträge abgeschlossen? Wenn nein, warum nicht?

Wäre Deutschland infrastrukturell in der Lage, die Nachbarländer im Osten mit zu versorgen?

SÄVERIN: Über konkrete Vertragsabschlüsse kann ich hier noch nichts berichten. Es ist so, dass die Abhängigkeit von russischen Energielieferungen ein kollektives Problem der europäischen Staaten ist, natürlich in verschiedenem Maße. Wie innerhalb der Staatengemeinschaft darauf reagiert wird, kann auf Grundlage der SoS-Verordnung passieren, aber auch auf Grundlage anderer Verpflichtungen, anderer Abmachungen. Darüber kann ich aber noch nichts Konkretes berichten.

FRAGE: Herr Burger, eine Frage zu den Berichten, dass es Gaslieferungen bis 2030 gibt. Wenn Sie sagen, dass die dann nicht gelten, wenn EU-Sanktionen verhängt werden, hätte ich trotzdem gerne gewusst, ob Schadensersatzzahlungen im Raum stehen.

BURGER: Wie gesagt, ich kann zu der vertraglichen Gestaltung nichts sagen. Ich kann jetzt auch nicht sagen, wie konkret EU-Sanktionen, wenn sie denn verhängt werden, ausgestaltet sind. Ich wollte nur einmal klargemacht haben, dass ich glaube, dass die Annahme, dass Verträge und Zahlungen in jedem Fall geleistet werden, egal, was bis dahin auf gesetzlicher Ebene an Regelungen getroffen wird, so hinterfragt werden muss.

VORS. BUSCHOW: Eine Frage an das BMWK zum Stichwort Nord Stream 2. Das Ministerium habe am 22. April offiziell mitgeteilt, dass die Pipeline Nord Stream 2 nicht verwendet wird. Was passiert nun mit den bereits verlegten Rohren in der Ostsee? Wird es eine Aufforderung an die Betreibergesellschaft geben, diese zu entfernen?

SÄVERIN: Diese Rohre sind Eigentum von privaten Unternehmen. Zuständig für den Teil, der in unserer ausschließlichen Wirtschaftszone liegt, ist das Bundesamt für Seeschifffahrt und Hydrographie. Nach Aussagen, die wir dort erhalten haben, besteht keine Verpflichtung, die zurückzubauen oder anderweitig etwas damit zu machen. Das ist Beton und Stahl, davon gehen also keine unmittelbaren Naturgefahren aus. Deswegen lässt sich dazu erst einmal noch nichts sagen.

FRAGE: Meine Frage geht an das Verteidigungsministerium: Herr Collatz, hat die Bundeswehr noch Fähigkeiten, am Gepard-Panzer auszubilden?

COLLATZ (BMVg): Ministerin Lambrecht hat ja gestern die Entscheidung der Bundesregierung deutlich gemacht, eine Ausfuhr von Geparden seitens der Industrie in Richtung Ukraine zu ermöglichen. Das Paket, das dahintersteht, wird durch die Industrie ausgehandelt und ist angeboten worden. Das umfasst natürlich auch andere Aspekte als rein das Waffensystem oder den Panzer, der dahintersteht, und zwar eben auch logistische und auch Ausbildungsaspekte. Sicherlich werden wir, wenn wir gefragt werden, alles Mögliche tun, um die Industrie in der Gewährleistung ihrer Leistungsangebote zu unterstützen. Inwieweit dort Ausbildung abgefragt wird, ist noch nicht entschieden. Andere Aspekte werden sicherlich schon besprochen.

ZUSATZFRAGE: Sie können das aber noch? Der Gepard ist ja vor zehn, zwölf Jahren ausgemustert worden, aber Sie haben noch Leute, die auf diesem System ausbilden könnten?

COLLATZ: Dazu müsste erst einmal klar werden, was für Ausbildung notwendig ist. Das muss die Industrie besprechen, und dann kann man schauen, ob die Fähigkeiten, die in der Bundeswehr noch vorhanden sind, irgendwie zur Geltung gebracht werden können. Ich kann als letzter Regimentskommandeur für die Geparden aus eigenem Erleben sagen, dass diese Geräte vor fast zwölf Jahren aus der Nutzung genommen wurden und die letzten auch vor ziemlich genau zehn Jahren die Bundeswehr Richtung Industrie verlassen haben. Es gibt sicherlich nur noch wenige Restfähigkeiten bei den Menschen, die damit vor zehn Jahren noch befasst waren, die man dann als Ausbildungsangebot umsetzen könnte. Das hängt aber, wie gesagt, davon ab, was die Industrie mit den Ukrainern dort aushandelt. Dann schauen wir, was wir eventuell zur Unterstützung beisteuern können.

FRAGE: Ich habe auch eine Frage dazu: Lloyd Austin hat ja deutlich gemacht, dass es monatliche Treffen der Contact Group geben sollte. Da ist meine Frage an Herrn Hebestreit: Wie wird Deutschland da weiter verfahren? Wenn es womöglich weitere Waffenlieferungen gibt, werden wir das dann im monatlichen Rhythmus erfahren?

An Herrn Collatz: Ergibt sich aus den Äußerungen Ihrer Ministerin gestern auch ein Auftrag an die Bundeswehr, noch einmal einen anderen Blick auf die Möglichkeiten zu werfen, die Deutschland bzw. die deutsche Bundeswehr hätte, weitere schwere Waffen zu liefern?

HEBESTREIT: Ich glaube, ganz grundsätzlich kann ich sagen ‑ ohne da spezifischer werden zu wollen ‑, dass, wie hier mehrfach dargelegt wurde, die Position der Bundesregierung ist, dass es weiterhin die Priorität gibt, die Ukraine zu unterstützen und gleichzeitig die NATO und Deutschland aus diesem Krieg herauszuhalten. Es gilt außerdem noch die klare Haltung, dass Deutschland mit nichts voranpreschen wird. Das ist der Korridor, in dem wir uns bewegen. Das heißt, wir sind nicht diejenigen, die etwas zum ersten Mal liefern. Vielmehr ist es so, dass, wenn andere Partnerinnen und Partner dazukommen und sagen, dass sie ein Gerät liefern, wir uns anschauen, was wir haben und ob wir das unterstützen können.

Ich habe das hier, ich glaube, in der vergangenen Woche oder Anfang dieser Woche auch noch einmal deutlich gemacht: Im Wesentlichen ist das, was in der Bundeswehr vorhanden war, geliefert worden. Man kann immer noch einmal genauer gucken, aber da reden wir eher über kleinere Geschichten.

Es gibt den Deal mit der Industrie, dass wir das vermitteln wollen und auch die Ukrainer finanziell dabei unterstützen, wenn sie deutsches Gerät kaufen wollen. Das bezahlt Deutschland dann. Da gibt es die Unterstützung durch den sogenannten Ringtausch, bei dem es um Material aus sowjetischer oder russischer Produktion geht, das in Ländern vor allem Mittel- und Osteuropas vorhanden ist und das man schnell in die Ukraine liefern kann. Das ist da also bereits vorhanden und an diesem Material wurde auch geübt; die können damit also sofort umgehen und da braucht es keine Schulung und keine Einweisung. Deutschland würde sich dann auch mit anderen Partnern verpflichtet sehen, die Lücken, die dadurch bei den Partnern entstehen, sukzessive aufzufüllen.

Der vierte Punkt ist, dass wir andere Partner dabei unterstützen ‑ etwa mit Ausbildung oder mit Munition ‑, wenn sie Kriegsgerät schicken oder Waffen liefern.

Zu glauben, dass wir jetzt irgendwie in einem monatlichen Turnus, weil es ein solches Treffen gibt, immer noch einmal gucken „Was wäre denn noch möglich, was haben wir denn noch und was wollen wir?“, wäre aber absurd. Wichtiger ist, dass wir jeden Tag und jede Woche genau gucken, wie sich der Kriegsverlauf in der Ukraine entwickelt, wie sich die Nachfragen der Ukraine entwickeln, aber auch, wie sich die Positionen unser Partnerinnen und Partner, mit denen wir uns ständig eng besprechen, darstellen. Im Augenblick ist klar, dass wir uns sehr im Geleitzug derer bewegen, die die Ukraine unterstützen.

ZUSATZFRAGE: Es wird ja als Änderung der Politik gewertet, dass gestern zum ersten Mal die Lieferung schwerer Waffen durch die Bundesregierung angekündigt wurde. Wie würden Sie es selbst beschreiben?

HEBESTREIT: Ich würde es selbst so beschreiben, dass wir doch relativ konsistent sagen, was wir tun. In diesem Fall ist es so, dass wir noch einige Zeit, einige Wochen brauchen werden, bis diese Geräte tatsächlich geliefert werden können. Gleichzeitig gibt es ein sehr hohes öffentliches Interesse in dieser Frage, auch politisch, und deshalb haben wir uns an dieser Stelle entschieden bzw. hat sich die Verteidigungsministerin in Absprache mit dem Bundeskanzler und auch den Ministerinnen und Ministern im Kabinett, die da involviert sind, entschieden, das öffentlich zu machen. Ich bin mir nicht sicher, ob uns das so leichtgefallen ist. Wir haben ja an anderer Stelle auch deutlich gemacht, warum wir bei der Information über Waffenlieferungen so zurückhaltend sind: Das sind strategische Ziele, die Ukraine befindet sich in einem Krieg, es geht um Waffenlieferungen und die sind noch nicht in der Ukraine.

COLLATZ: Ich kann nicht viel ergänzen ‑ vielleicht ein weiteres Detail: Herr Hebestreit hat ja sehr deutlich gemacht, dass es im Wesentlichen darauf ankommt, das zu liefern, was die Ukraine kurzfristig gebrauchen kann. Da ist ‑ das haben wir auch deutlich gemacht ‑ aus dem Bestand der Bundeswehr besonders was Großgerät angeht nichts möglich, das ist einfach nicht sinnvoll. Das haben wir ja auch hier an dieser Stelle sehr oft besprochen.

Mittelfristig schauen wir auf das Ringtauschverfahren, bei dem wir Großgerät aus anderen, osteuropäischen Nationen frei machen und dann durch eigene Mittel mit einem kleinen Zeitverzug hinterlegen. Das hilft der Ukraine dann auch mittelbar und langfristig. Da gucken wir eben, was im partnerschaftlichen Verbund möglich ist.

Ich kann vielleicht ein Beispiel nennen: Gestern wurde ja auch deutlich, dass die Niederländer darüber nachdenken ‑ ich glaube, dazu haben sie auch schon etwas presseöffentlich gemacht ‑, ihre Panzerhaubitze 2000 langfristig an die Ukraine abzugeben. Dahinter steht eben genau der Gedanken, den wir hier auch schon oft besprochen haben, dass es dabei nicht einfach nur um diese Panzerhaubitze geht, sondern auch um ein logistisches und Ausbildungssystem. Hier kommen wir dann vielleicht auch ins Geschäft, ohne dass wir direkt aus dem Bestand der Bundeswehr schweres Gerät bzw. Hauptwaffensysteme abgeben müssen. Da aber zum Beispiel die Niederländer ihre eigene Ausbildung an dieser Panzerhaubitze in Deutschland betreiben, kommen wir hier natürlich gerne ins Spiel und unterstützen bei der Abgabe, indem wir die Ausbildung der Ukrainer dann auch hier in Deutschland betreiben werden. Das ist derzeit die Absicht.

FRAGE: Herr Collatz, ein anderer Aspekt der Hilfe ist ja die Munition. Diese Debatte gab es jetzt ja auch beim Gepard. Ist das Problem mittlerweile gelöst? Können Sie sagen, woher die Ukraine dann die Munition für den Einsatz des Geparden bekommen könnte?

COLLATZ: Da greife ich gerne zurück auf das, was ich vorhin schon gesagt habe: Das Paket wird durch die Industrie angeboten und mit der Ukraine verhandelt. Wenn es dort Lücken gäbe oder gibt, dann kann es sein, dass wir unterstützen werden. Gerade was den Bereich der Munition betrifft, kann ich Ihnen sagen, dass wir dazu mit der Industrie im Austausch stehen und die Informationen, die wir darüber haben, wo zum Beispiel noch Gepard-Munition verfügbar ist ‑ entweder in Deutschland, aber auch in den Nationen, die über den Gepard verfügen ‑, gerne bereitstellen. Es ist dann an der Industrie, daraus ein Gesamtpaket zu stricken.

ZUSATZFRAGE: Nur um es richtig zu verstehen: Sie gehen jetzt als Bundesregierung nicht auf andere Staaten zu und fragen dort nach Munition, sondern das muss das Unternehmen machen?

COLLATZ: Wir stehen im Austausch mit dem Unternehmen. Nur zum Verfahren: Sowohl national als auch, wenn es erforderlich ist, international ist es Sache der Industrie, die notwendigen Genehmigungen zu beantragen. Bei dem Beispiel, das Sie anführen, betrifft das die Schweiz; auch dort muss also nachgefragt werden ‑ oder eben über den Bundessicherheitsrat hier in Deutschland. Das macht die Industrie.

FRAGE: Herr Collatz, steht die Contact Group, die Lloyd Austin gestern angekündigt hat, unter US-Führung, oder wie organisiert sie sich?

COLLATZ: Dazu kann ich Ihnen keine Details nennen. Wenn wir dazu inzwischen nähere Informationen vorliegen haben, dann müsste ich ihnen die nachliefern. Ansonsten bin ich auf dem gleichen Stand wie Sie.

FRAGE: Um wie viele Panzer handelt es sich ‑ dazu sind unterschiedliche Zahlen auf dem Markt ‑, was kosten diese Panzer und aus welchem Topf werden sie bezahlt?

COLLATZ: Noch einmal: Das ist kein Bestandgerät der Bundeswehr. Das sind Verhandlungen zwischen der Industrie und der Ukraine. Die Möglichkeiten, wie die Panzer dann bezahlt werden, haben wir hier mehrfach und oft besprochen.

FRAGE: Herr Hebestreit, noch einmal zu dem Kursschwenk zurück: Im Ausland wird ja vielfach kritisiert, dass Deutschland nur auf Druck reagiert und sich bereiterklärt, die Art von Unterstützung zu liefern, die andere schon bereitstellen. Wie groß ist denn die Sorge im Kanzleramt, dass Deutschlands Image durch dieses zögerliche Vorgehen international Schaden nimmt?

HEBESTREIT: Auch da bin ich wieder bei der Prämisse, dass ich sagen will: Diese Kritik mag es vereinzelt in einzelnen Ländern geben, aber international ‑ vielleicht haben Sie gestern gehört, was der Verteidigungsminister der Vereinigten Staaten dazu gesagt hat ‑ ist der Eindruck, glaube ich, ein etwas anderer. Grundsätzlich ist es so, dass die Bundesregierung und der Bundeskanzler mit großer Ernsthaftigkeit diese schwierige Situation, in der sich die Ukraine befindet, in der sich Europa befindet, in der sich die ganze Welt befindet, betrachtet und eine sehr abgewogene Entscheidung trifft.

Ich sehe auch keinen Schwenk in der Position der Bundesregierung, sondern sehe das in der Kontinuität. Ich habe die drei Prämissen beschrieben und habe auch gesagt, dass man sich immer wieder die Veränderung der Situation vor Ort bzw. des Kriegsgeschehens anblickt und auch schaut, was die Verbündeten jeweils für richtig halten. Die Amerikaner haben vor wenigen Wochen entschieden, beispielsweise schwere Artillerie zu schicken. Auch das war wenige Wochen davor noch undenkbar. Insofern müssen wir uns immer wieder eng miteinander absprechen und sehen, was wir für richtig und für möglich halten.

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