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Erklärungen des Auswärtigen Amts in der Regierungs­­­pressekonferenz vom 11.04.2022

11.04.2022 - Artikel

Reise der Außenministerin nach Mali und Niger

BURGER (AA): Außenministerin Baerbock reist heute Abend nach Mali und von dort weiter nach Niger. Die Außenministerin wird in Mali und Niger politische Gespräche mit Regierungsvertretern führen und mit Vertreterinnen und Vertretern der EU-Ausbildungsmission EUTM und der UN-Stabilisierungsmission MINUSMA sprechen. Zudem wird sie sich mit Vertreterinnen und Vertretern der Zivilgesellschaften beider Staaten austauschen und Projekte der Entwicklungs- und Stabilisierungspolitik besuchen.

Zum einen verfolgt sie mit der Reise das Ziel, sich vor Ort ein genaues Bild der politischen Lage und der Sicherheitslage zu machen. Dies ist mit Blick auf die Debatte um das Bundestagsmandat für die Einsätze im Rahmen von EUTM und MINUSMA zu sehen. Zum anderen sind in beiden Staaten die Fragen der Sicherheit auch sehr eng mit den Folgen der Klimakrise verbunden, von der der Sahel in besonderem Maße betroffen ist. Auch davon wird sich die Ministerin ein genaues Bild machen. Ganz akut ist die Region durch massiv steigende Nahrungsmittelpreise herausgefordert, die eine Folge des russischen Angriffs auf die Ukraine sind. Sie wissen, dass die Ukraine einer der größten Weizen- und Lebensmittelproduzenten der Welt ist. Die Ministerin hat das in Brüssel gerade als die Kornkammer der Welt bezeichnet. Auch Russland ist ein wichtiger Produzent insbesondere von Weizen und hat Exporte verschiedener Grundnahrungsmittel derzeit beschränkt. Auch die Folgen dieser massiven Verwerfungen auf den Weltmärkten für Nahrungsmittel werden Thema dieser Reise sein.

Die Außenministerin kehrt am Freitag wieder nach Berlin zurück.

FRAGE: Herr Burger, können Sie sagen, mit wem vom malischen Militärregime sich die Ministerin treffen wird?

BURGER: In Mali sind Gespräche mit dem malischen Übergangspräsidenten Goïta und mit Außenminister Diop geplant. Der Vollständigkeit halber: In Niger sind politische Gespräche mit dem nigrischen Staatspräsidenten Bazoum und mit Außenminister Massoudou geplant.

FRAGE: Herr Burger, Sie haben die beiden Missionen erwähnt, die Ausbildungsmission und MINUSMA. Geht die Außenministerin ergebnisoffen in diese Gespräche, oder hat sie schon eine klare Meinung darüber, ob eine dieser Missionen für die Bundeswehr möglicherweise beendet werden sollte?

BURGER: Ich denke, wir haben uns dazu in der Vergangenheit auch hier schon geäußert, gerade was das Vorgehen der malischen Sicherheitskräfte in den vergangenen Wochen angeht, was die Zusammenarbeit der malischen Seite mit russischen Kräften, mit Söldnereinheiten angeht und natürlich auch die Frage, welche Auswirkungen die Tatsache, dass es in Mali derzeit überhaupt keine Fortschritte auf dem Weg zurück zur Demokratie gibt, auf die Zusammenarbeit insbesondere mit der malischen Regierung und auf die Ausbildung von malischen Armeeeinheiten haben kann. Das ist auch ein Thema laufender Abstimmungen in Brüssel. Dabei geht es jetzt vor allem um die Frage, wie wir den Einsatz der EU-Ausbildungsmission EUTM anpassen. Wir haben unsere diesbezügliche Kritik und unsere Erwartung gegenüber der malischen Seite schon sehr deutlich gemacht.

ZUSATZFRAGE: Sie haben eben die russischen Söldner erwähnt. Es gab Berichte über ein Massaker, das in Mali stattgefunden hat. Darin wurde teilweise auch eine Verbindung zur Ukraine gezogen, dass also russische Söldnertruppen mehr oder weniger Order haben, mit besonderer Brutalität vorzugehen.

Liegen der Bundesregierung Erkenntnisse darüber vor, ob diese Wagner-Söldner an dem Massaker in Mali beteiligt waren?

BURGER: Wir haben uns zu diesem Vorfall hier schon geäußert. Derzeit habe ich keine eigenen Erkenntnisse, die ich hier vortragen könnte und die darüber hinausgingen.

FRAGE: Die Mandate für die Bundeswehreinsätze in Mali laufen, glaube ich, Ende Mai aus. Inwiefern ist absehbar, wann das Bundeskabinett eine Entscheidung darüber treffen wird, da der Bundestag noch beteiligt werden müsste? Ist das jetzt eine Art von Vorbereitungsreise, und ist die Entscheidung zeitnah zu erwarten?

Vielleicht können Sie, Herr Burger, oder das Verteidigungsministerium sagen, wie viele Bundeswehrsoldaten im Moment in Mali eingesetzt sind.

BURGER: Zu Ihrer ersten Frage: Ich glaube, ich hatte in meinem Statement, der Ankündigung der Reise, auch in dieser Form angedeutet, dass diese Reise natürlich auch mit Blick auf die anstehende Debatte im Bundestag, die Gespräche innerhalb der Regierung und die dann folgenden Gespräche mit dem Bundestag über die Zukunft der beiden Einsätze zu sehen ist.

Zu der zweiten Frage kann vielleicht der Kollege aus dem Verteidigungsministerium den aktuellen Stand liefern.

COLLATZ (BMVg): Auch die Verteidigungsministerin war in den vergangenen Tagen in der Region unterwegs. Auch das diente natürlich der Informationsgewinnung für die bevorstehende Mandatierung.

Die Stärken können Sie auch online einsehen. Was MINUSMA angeht, sind wir bei etwa tausend Soldatinnen und Soldaten, was EUTM angeht, bei etwa 300 Soldatinnen und Soldaten.

FRAGE: Herr Burger, bleibt es dabei, dass die Bundesregierung sagt: „Eine Verlängerung des Mandats käme überhaupt nur dann in Frage, wenn in absehbarer Zeit demokratische Wahlen durchgeführt werden“? In welcher Weise wird diese Forderung vorgebracht, und in welchen Zeiträumen denken Sie da?

BURGER: Wie Sie es gerade paraphrasiert haben, ist es, glaube ich, nicht im Wortlaut das, was wir hier bisher gesagt haben. Aber ich denke, es ist noch einmal wichtig zu sagen, dass man die beiden Einsätze EUTM und MINUSMA jeweils für sich genau betrachtet, und zwar auf die Frage hin, ob die Ziele dieser Missionen unter den derzeitigen Bedingungen noch sinnvoll erfüllbar sind, ob wir also eine Chance sehen, diese Missionen zum Erfolg zu bringen. Diesbezüglich stellen sich für die beiden Missionen jeweils sehr unterschiedliche Fragen.

Bei der vom UN-Sicherheitsrat mandatierten Mission MINUSMA geht es vor allem darum, im Norden Malis zu einem Mindestmaß an Sicherheit beizutragen. Diese Mission unterstützt bei der Umsetzung des innermalischen Friedensabkommens, und sie arbeitet für den Schutz der Zivilbevölkerung. Diese Ziele sind weiterhin wichtig und auch in unserem Interesse.

Bei EUTM Mali ging es bisher darum, durch Ausbildung der Streitkräfte Grundlagen dafür zu schaffen, dass Mali perspektivisch in die Lage versetzt wird, selbstständig für Sicherheit sorgen zu können. Welche Fragen sich diesbezüglich durch die derzeitige politische Situation in Mali stellen und welche zusätzlichen Schwierigkeiten sich durch die deutlich verstärkte Zusammenarbeit mit russischen Kräften, mit Söldnern, dort vor Ort für diese Mission stellen, habe ich gerade schon angedeutet.

ZUSATZ: Ich habe nicht heraushören können, für welche der beiden Missionen die Forderung nach zeitnah oder in einem akzeptablen Zeitraum abzuhaltenden demokratischen Wahlen Voraussetzung ist.

BURGER: Diese Forderung gilt natürlich völlig unabhängig von den Missionen. Darin sind wir als Europäische Union uns auch vollständig einig, genauso auch mit der Regionalorganisation ECOWAS, die dort aus unserer Sicht eine ganz entscheidende Rolle spielt.

Ich habe hier keine Bedingungen und Ultimaten formuliert. Ich habe gesagt, dass die politische Situation, wie sie derzeit ist, in der keine Fortschritte auf dem Weg zur Demokratie zu verzeichnen sind, natürlich die Voraussetzungen für den Erfolg insbesondere der Ausbildungsmission EUTM, bei der es ja darum geht, Kräfte der malischen Regierung in den Stand zu versetzen, die verfassungsmäßige Ordnung durchzusetzen und für Sicherheit zu sorgen, ganz massiv beeinflusst.

FRAGE: Herr Collatz, es kann ja sehr wohl sein, dass beide Mandate nicht verlängert werden. Bereitet sich die Bundeswehr vor Ort denn schon auf einen eventuellen Abzug vor?

COLLATZ: An Spekulationen beteilige ich mich natürlich wie immer nicht. Klar ist aber auch, dass eine Eventualfallplanung in jede Richtung Teil der militärischen Genetik ist. Seien Sie sich sicher, dass wir auf alles vorbereitet sind, was uns das Parlament als Auftrag gibt oder eben nicht gibt.

ZUSATZFRAGE: Herr Burger, Sie haben die Zivilgesellschaft angesprochen. Können Sie uns sagen, mit wem sich die Ministerin dort trifft?

BURGER: Das kann ich hier und heute nicht sagen. Ich werde fragen, ob wir das nachreichen können. Möglicherweise können wir das nach dem Treffen nachreichen. Das bringe ich gern in Erfahrung.

FRAGE: Herr Burger, die Verteidigungsministerin hätte auch gern mit Herrn Goïta, dem Juntachef, sprechen wollen. Das hat er abgelehnt. Jetzt findet ein solches Treffen offenbar mit der Außenministerin statt. Was hat sich sozusagen verändert? Wieso wurde das eine Treffen mit einem deutschen Regierungsmitglied abgelehnt und wieso kommt das andere zustande?

BURGER: Ich weiß nicht, ob es so ist, wie Sie es darstellen. Es tut mir leid, ich kann dazu nichts sagen; ich weiß es schlichtweg nicht.

ZURUF: Weiß es Herr Collatz?

COLLATZ: Nein. Ich schließe mich dem an.

Russischer Angriff auf die Ukraine

DETJEN (Vorsitz): Dann wechseln wir zum Thema Ukraine. Frage von einer Kollegin an Frau Hoffmann: Hat sich Bundeskanzler Scholz im Vorfeld des Besuchs des österreichischen Bundeskanzlers in Moskau mit diesem abgesprochen?

Wie beurteilt die Bundesregierung das Treffen von Putin und Nehammer?

Wann fährt Bundeskanzler Scholz nach Moskau?

HOFFMANN (BReg): Das waren jetzt mehrere Fragen. Zu der ersten Frage, ob es eine Absprache zwischen dem österreichischen Bundeskanzler und Bundeskanzler Scholz gab, kann ich bestätigen: Ja, Bundeskanzler Nehammer hat Bundeskanzler Scholz im Vorfeld über den Plan informiert, nach Moskau zu reisen.

Ich kann darüber hinaus sagen, dass wir die Initiative des österreichischen Bundeskanzlers begrüßen, dass er heute das direkte Gespräch mit Putin in Moskau sucht. Denn wir sind der Auffassung, dass jegliche diplomatischen Bemühungen, die darauf abzielen, ein Ende der Kampfhandlungen in der Ukraine zu erreichen, Grundvoraussetzung für Verhandlungen zwischen der Ukraine und Russland sind. Wir befürworten das.

DETJEN: Die weitere Frage war: Wann fährt Bundeskanzler Scholz nach Moskau?

HOFFMANN: Dazu kann ich das sagen, was wir an dieser Stelle immer sagen: Wenn es eine Reise anzukündigen gibt, würden wir diese ankündigen. In dieser Richtung sehe ich im Moment keinerlei Pläne.

FRAGE: Das war auch meine Frage. Frau Hoffmann, vielleicht können Sie kurz erläutern, welche Erwartungen der Bundeskanzler hat, was den Besuch des österreichischen Kollegen im Moskau angeht. Was ist das maximale und das minimale Ergebnis, das der österreichische Bundeskanzler aus deutscher Sicht in Moskau erreichen könnte?

HOFFMANN: Der österreichische Bundeskanzler hatte ja zuvor auch mit dem ukrainischen Präsidenten Selensky gesprochen. Insofern steht dieser Besuch im Rahmen aller diplomatischen Bemühungen, ein möglichst rasches Ende der Kampfhandlungen und einen Waffenstillstand zu erreichen. Das ist das Ziel. Minimal, maximal ist hier schwer zu sagen. Natürlich ist das Ziel all dieser Bemühungen, Putin dazu zu bewegen, sofort die Kampfhandlungen einzustellen.

ZUSATZFRAGE: Ist denn der Bundeskanzler bereit, auch selbst eine Art Vermittlerrolle bei der Vermittlung zwischen Kiew und Moskau zu übernehmen, vielleicht mit dem österreichischen Bundeskanzler zusammen?

HOFFMANN: Der Bundeskanzler ist sowohl mit dem russischen Präsidenten als auch vor allen Dingen mit dem ukrainischen Präsidenten im Gespräch. Mit Selensky hat er zuletzt wieder am Wochenende telefoniert. Insofern engagiert er sich für Gespräche und ist mit beiden Präsidenten und mit den europäischen und den NATO-Partnern im ständigen Austausch.

FRAGE: Frau Hoffmann, der Bundeskanzler hat mit dem ukrainischen Präsidenten telefoniert. Inwiefern hat er weitere konkrete Waffenlieferungen zugesagt?

HOFFMANN: Über konkrete Inhalte des Gesprächs kann ich hier nichts sagen.

ZUSATZFRAGE: Die Außenministerin hat sich heute in Luxemburg für die Lieferungen schwerer Waffen an die Ukraine ausgesprochen. Ist es die Position der Bundesregierung, des Bundeskanzlers, der Ukraine schwere Waffen zu liefern?

HOFFMANN: Die Position ist der Bundesregierung ist, dass jegliches Ansinnen der Ukraine für weitere Waffenlieferungen geprüft wird, und zwar nach drei Kriterien: Was ist verfügbar? Was nützt und kann auch schnell einsatzfähig gemacht werden? Was ist sinnvoll, auch in Absprache mit unseren europäischen und unseren NATO-Partnern?

DETJEN: Ein Kollege fragt: Zu welchem Zeitpunkt und in welcher Form war Bundeskanzler Scholz in die Vorbereitungen des österreichischen Bundeskanzlers eingebunden?

Wie wurde entschieden, dass Nehammer zu Putin fährt und nicht Scholz?

HOFFMANN: Diese ganz genauen zeitlichen Details habe ich jetzt nicht parat. Ich könnte schauen, ob wir noch irgendetwas nachliefern können, wann etwa ein Gespräch stattgefunden hat oder wie die Information stattgefunden hat. Das habe ich jetzt nicht genau parat.

FRAGE: Frau Hoffmann, Sie sind jetzt gefragt worden, ob der Kanzler auch nach Moskau fährt und haben das beantwortet. Gibt es denn Pläne, dass er nach Kiew fährt? Auch dort sind am Wochenende Spitzenpolitiker gewesen. Es hatte vorher hier in Berlin eine Debatte gegeben, ob das quasi eher Schaufensterpolitik ist oder ob es sinnvoll ist, seine Präsenz in Kiew zu zeigen. Vielleicht können Sie bitte darauf eingehen und sagen, ob es Pläne gibt, nach Kiew zu fahren und ob er generell die Anwesenheit von Spitzenpolitikern in Kiew im Moment als sinnvoll ansieht.

HOFFMANN: Dafür gilt im Grunde das Gleiche, das ich eben zu dem Besuch in Moskau gesagt habe, vielleicht mit einer gewissen Abstufung. In jedem Fall würde ich ankündigen, wenn es einen konkreten Plan gäbe.

ZUSATZFRAGE: Können Sie, selbst wenn er nicht reist oder Sie das nicht ankündigen wollen, bitte trotzdem beurteilen, ob Besuche in Kiew im Moment in der jetzigen Lage sinnvoll oder eher Schaufensterpolitik sind.

HOFFMANN: Das würde ich jetzt hier nicht beurteilen wollen.

FRAGE: Frau Hoffmann, wie geht denn der Bundeskanzler damit um, dass er zum Beispiel vom ukrainischen Botschafter kritisiert wird, dass er sich sehr zurückhält, was Reisen nach Kiew angeht und auch die Waffenlieferungen ein bisschen auf der Bremse stehen?

HOFFMANN: Diese Kritik nimmt er natürlich zur Kenntnis.

Um das ein bisschen zu erläutern: Es ist ja so, dass die Bundesregierung oder die Bundesrepublik umfangreich Waffen an die Ukraine liefert und dass wir die Praxis haben, darüber nicht in allen Details öffentlich zu berichten.

Ich kann sagen, dass im Telefonat mit Selensky der ukrainische Präsident ausdrücklich für die Unterstützung gedankt hat, die die Bundesregierung und Deutschland der Ukraine leisten. Dass es noch weitergehende Wünsche gibt, was Waffenlieferungen angeht, ist ja kein Geheimnis. Es ist aber auch kein Geheimnis, dass es weitergehende Gespräche darüber gibt, was von deutscher Seite in Zukunft noch geliefert werden kann.

BURGER (AA): Ich will das kurz ergänzen. Weil das ja keine Diskussion ist, die wir nur bilateral führen, ist das heute natürlich auch Thema beim Treffen der EU-Außenministerinnen und EU-Außenminister in Luxemburg, wo sich die Außenministerin heute Morgen schon geäußert hat.

Ein Element ist, dass wir als EU bereits über die europäische Friedensfazilität eine Milliarde Euro zur Verfügung gestellt haben. Diese Mittel werden jetzt noch einmal deutlich aufgestockt. Wir sind uns mit unseren Partnern nicht nur im Kreis der EU, sondern auch im Rahmen der G7 und der NATO total einig und ziehen an einem Strang, weil wir uns alle einig sind, dass die Ukraine jetzt und zu diesem Zeitpunkt des Krieges dringend weitere Ausrüstung braucht, um sich gegen eine neue russische Offensive, die von allen Seiten erwartet wird, wehren zu können. Deswegen betrachten wir natürlich nicht nur national und bilateral die Frage „Was sind die Dinge, die wir tun können?“, sondern sprechen darüber auch ganz intensiv mit den Partnern, um gemeinsam zu erreichen, dass die Ukraine bestmöglich in die Lage versetzt wird, in diesem Konflikt militärisch bestehen zu können. Vor diesem Hintergrund bitte ich, die Äußerungen zu verstehen, die die Ministerin heute Morgen beim Rat gemacht hat.

DETJEN: Ein Kollege fragt von außen: Nach Einschätzung von Bundeswehrkreisen brauchen neue Waffensysteme ‑ Marder, Panzerhaubitzen etc. ‑ mindestens sechs bis zwölf Monate Einführungszeit, bis die ukrainische Armee sie einsetzen kann. Er verweist auf Forderungen von Außenministerin Baerbock nach schweren Waffen und fragt: Was ist Ihre Strategie für die Zwischenzeit, bis schwere Waffen einsetzbar sind?

BURGER: Es gibt ja jetzt schon von verschiedenen europäischen Staaten entsprechende Signale, die passendes Material schnell verfügbar haben. Deswegen weise ich ja gerade daraufhin, dass das eine Gemeinschaftsaufgabe ist. Wir alle haben gemeinsam ein Interesse daran, dass die Ukraine in diesem Krieg besteht und sich verteidigen kann. Der Krieg ist noch lange nicht vorbei. Im Gegenteil. Wir sehen gerade, dass Russland seine Strategie ändert. Es gibt von vielen Seiten die Erwartung, dass es jetzt zu einer großen neuen Offensive im Osten der Ukraine kommt, die andere militärische Anforderungen mit sich bringt. Wir schauen alle, was wir jetzt tun können ‑ und wir tun das ohne Tabus ‑, um dort, jeder nach seinen Möglichkeiten, die bestmögliche Unterstützung leisten zu können.

FRAGE: Mit Bezug auf das Außenministertreffen in Luxemburg: Frau Hoffmann, die Außenministerin hat dort ‑ ich glaube, das war erstmals der Fall ‑ für die Bundesregierung die Notwendigkeit der Lieferung schwerer Waffen bekräftigt. Das hatte man so vorher, glaube ich, noch nicht gehört. Ist es auch die Position des Kanzlers, der gesamten Bundesregierung, die Notwendigkeit der Lieferung schwerer Waffen zu bekräftigen?

HOFFMANN: Der Bundeskanzler hat, wenn ich mich recht erinnere, in der Regierungsbefragung in der vergangenen Woche sehr klar gesagt, dass Russland diesen Krieg nicht gewinnen darf. Deshalb unterstützt Deutschland die Ukraine mit einer Reihe von Ausrüstung und Waffen und ist ständig dabei, neu zu prüfen, welche Waffen darüber hinaus geliefert werden können. Ich habe ja schon gesagt, dass dies nach drei Kriterien erfolgt: Was können wir liefern? Was ist verfügbar? Was macht Sinn, auch im Hinblick darauf, wie lange eine Ausbildungszeit dauert, was tatsächlich eingesetzt werden kann? Wie passt das in das Gesamtprogramm der Lieferungen mit unseren Partnern?

ZUSATZFRAGE: Schwere Waffen sind ja definiert. Das ist Artillerie; das sind Kampfpanzer; das sind Kriegsschiffe. Herr Collatz, welche schweren Waffen, über die Deutschland verfügt oder Entscheidungsberechtigung hat, sind innerhalb eines absehbaren Zeitraums durch Schulung des militärischen Personals der Ukraine einsetzbar?

COLLATZ (BMVg): Ich will das gerne aufgreifen, zunächst das, was Frau Hoffmann und auch Herr Burger sagten. Wir müssen das systemisch sehen. Ich will ein Beispiel nennen, bei dem die Lieferung schwerer Waffen auch in letzter Zeit funktioniert hat, nämlich im Fall der S-300-Systeme der Slowakei. Die Slowakei hat der Ukraine diese Waffensysteme zur Verfügung gestellt, weil die ukrainischen Streitkräfte daran ausgebildet sind. Voraussetzung war, dass wir uns im Bündnis darüber unterhalten haben, wie wir der Slowakei den nötigen Schutz des eigenen Luftraums gewährleisten können. Wir sind übereingekommen, dass die USA, wir und die Niederländer zusammen mit unseren Patriot-Systemen dann den Schutz der Slowakei übernehmen und die Slowakei im Gegenzug den Ukrainern ihre Luftverteidigungsmittel zur Verfügung stellen kann. So, glaube ich, kann man das verstehen.

Das ist innerhalb der Zeit, die die Ukraine zur Verfügung hat, ein probates Mittel. Es ist hinsichtlich des logistischen Systems und des Ausbildungssystems, das hinter diesen Hauptwaffensystemen steht, durchaus intelligent, diese Lösung anzudenken. Wenn wir die Alternative bedenken, dass wir der Ukraine direkt zum Beispiel Patriot-Systeme liefern würden, was wir aus eigenen Beständen nicht können, hieße das immer noch, dass die Ukraine zunächst an diesen hochkomplexen Systemen ausgebildet werden müsste, trainiert werden müsste, die Logistik eingerichtet werden müsste und auch die Feldverwendungsfähigkeit an der Front nachhaltig unterstützt werden müsste. Dahinter steht auch wieder Industriekapazität. All das wäre nicht sinnvoll lösbar gewesen. In diesem Verbund zu denken, ist, glaube ich, also genau der richtige Ansatz.

FRAGE: Herr Collatz, es gab ja am Wochenende noch einmal verstärkt Forderungen an die Bundeswehr, der Bitte der Ukraine nachzukommen und die in den Beständen der Bundeswehr befindlichen Marder-Panzer zur Verfügung zu stellen, um dann im zweiten Schritt vonseiten der deutschen Industrie nachzurüsten. Gab es da noch einmal ein Nachdenken, auch mit Blick auf Frau Baerbock, die heute Morgen noch einmal nicht nur um mehr Pragmatismus und mehr Kreativität gebeten hat, sondern auch alle Beteiligten dazu aufgefordert hat? Gibt es da einen neuen Stand?

COLLATZ: Das folgt derselben Logik, die ich eben erläutert habe. Die Bundeswehr ist durch das Parlament mit einem Auftrag versehen, aus dem unsere Fähigkeiten resultieren. Alle Hauptwaffensysteme, die wir haben, einschließlich des Marders, sind dazu da und werden benötigt, um unseren Auftrag wahrzunehmen und unsere Fähigkeiten darzustellen - innerhalb des Bündnisses, in dem wir Verpflichtungen eingehen, und natürlich auch zur Landes- und Bündnisverteidigung insgesamt. So müssen Sie das bewerten.

ZUSATZFRAGE: Heißt das, dass Deutschland bzw. die Bundesregierung dieser Bitte nicht nachkommen werden? Bleiben die 100 Marder-Panzer in Deutschland?

COLLATZ: Die Antwort auf diese Frage ist immer eine Entscheidung zwischen Landes- und Bündnisverteidigung, Bündnisverpflichtungen und anderen Bedarfen.

FRAGE: Ein etwas anderer Aspekt: Serbien hat jetzt gerade ein chinesisches Luftabwehrsystem gekauft. Frau Hoffmann, ich hätte ganz gerne gewusst, weil der Kanzler ja jetzt mehrfach unterstrichen hat, wie wichtig die Hilfe für die Westbalkanstaaten und die EU-Annäherung der Westbalkanstaaten sind, ob die Bundesregierung das eigentlich als unfreundlichen, falschen Schritt der serbischen Regierung ansieht oder damit keine Probleme hat.

HOFFMANN: Dazu habe ich jetzt, ehrlich gesagt, keine Rücksprache gehalten. Das reiche ich aber gerne nach.

FRAGE: Herr Collatz, zu Ihren Ausführungen mit den Patriots und der Slowakei: Habe ich Sie richtig verstanden, dass die Bundeswehr mit den Patriots in der Slowakei quasi diese Aufgabe übernimmt, also dass quasi die deutschen Offiziere diese Systeme bedienen?

COLLATZ: Wir haben ja auch berichtet, dass wir Patriot-Kräfte dorthin schicken ‑ das ist also nichts Neues, und vor diesem Hintergrund ist das einzuordnen ‑, übrigens zusammen mit anderen Partnern.

ZUSATZFRAGE: Meine eigentliche Frage wäre: Gab es von der ukrainischen Seite Anfragen oder Bitten, dass man ukrainische Militärangehörige in Deutschland schult? Gibt es solche Pläne, dass die ukrainischen Militärs in Deutschland für den Marder oder für was auch immer ausgebildet werden?

COLLATZ: Wir führen laufend Gespräche mit unseren ukrainischen Partnern. Zu den Inhalten kann ich Ihnen hier nichts sagen.

DETJEN: Dann habe ich von einem Kollegen noch eine Frage an das BMVg und das Auswärtige Amt: Ist es realistisch, dass baltische Staaten Waffen abgeben, die sie absehbar für die eigene Verteidigung und Bündnisverpflichtungen ebenso brauchen wie Deutschland seine Marder-Panzer?

COLLATZ: Ich kann dazu nichts sagen. Dann müsste man die baltischen Staaten fragen.

BURGER: Ich kann dazu auch nichts sagen.

DETJEN: Dann haben wir abschließend zu diesem Gesamtkomplex eine Frage von einem Kollegen. Er verweist auf das Phänomen der Russenfeindlichkeit, das deutlich sichtbar geworden sei. Was unternimmt die Bundesregierung, um dem ein Ende zu bereiten?

HOFFMANN: Die Bundesregierung und auch der Bundeskanzler haben immer wieder sehr deutlich gemacht, dass dies nicht der Krieg des russischen Volkes gegen die Ukraine, nicht der Krieg der Russinnen und Russen gegen die Ukraine und auch nicht der Krieg der Russinnen und Russen in Deutschland ist, sondern in erster Linie einmal Putins Krieg. Insofern verurteilt die Bundesregierung jeder Art von Russenfeindlichkeit.

FRAGE: Ich hätte in diesem Zusammenhang eine Frage an das Bundesinnenministerium, zum Beispiel zu den gestrigen Ereignissen in Frankfurt am Main und in Hannover. Es gibt jetzt zum Beispiel vom ukrainischen Botschafter die Forderung, auch die russische Flagge zu verbieten. Wie bewerten Sie diese ganzen Auftritte oder Aufmärsche von russischstämmigen Einwohnern in Deutschland? Planen Sie irgendwelche Maßnahmen, um das zu begrenzen oder zu verbieten oder zumindest zum Beispiel die Fahnen zu verbieten, die jetzt in Frankfurt zu sehen waren, nicht die russischen, aber die aus Donezk, die ja von Separatisten genutzt werden?

KALL (BMI): Die Bundesinnenministerin hat sich ja auch gestern klar dazu geäußert. Sie hat gesagt: Was wir gestern in Hannover und in Frankfurt gesehen haben, zeigt, wie wichtig es ist, gegen russische Desinformation vorzugehen, gegen Lügen und Propaganda, mit denen eben unter anderem dieses Narrativ, es gebe eine besondere Russenfeindlichkeit in Deutschland, verbreitet wird. Das ist aus unserer Sicht falsch. Das ist überhaupt nicht durch eine hohe Anzahl etwa von Straftaten gegenüber russischstämmigen Menschen in Deutschland belegt. Es gibt solche Straftaten, aber keine Anhaltspunkte dafür, dass es eine irgendwie grassierende oder stark ansteigende Russenfeindlichkeit gäbe. Insofern geht es darum, gegen russische Desinformation, gegen Lügen und Propaganda vorzugehen.

Es geht ‑ das hat die Bundesinnenministerin auch gesagt ‑ auch darum, gegen jegliche Verherrlichung von Kriegsverbrechen und dieses russischen Angriffskriegs vorzugehen. Das bedeutet ja etwa, dass das Symbol Z, das für eine Verherrlichung dieses Angriffskriegs und der Kriegsverbrechen steht, als Billigung von Straftaten, nämlich eine Billigung dieser Verbrechen, in Deutschland wiederum eine Strafbarkeit begründen kann und strafrechtlich verfolgt werden kann. Deswegen hat es ja gestern auch Auflagen gegeben, die von vornherein die Verwendung dieses Symbols untersagt haben. Auch da gilt: Deutschland hat auch einen Schutzauftrag gegenüber ukrainischen Geflüchteten, die natürlich auch besonders auf solche Ereignisse reagieren. Deswegen gilt es, wann immer die Schwelle zur Strafbarkeit überschritten ist und damit die Versammlungsfreiheit und auch die Meinungsfreiheit in Deutschland ihre Grenzen finden, eben auch konsequent einzuschreiten. Gestern ist die Polizei ja an verschiedenen Stellen auch eingeschritten.

Das genaue Vorgehen vor Ort möchte ich hier nicht für die Bundesregierung oder das Bundesinnenministerium bewerten. Das ist Sache der Polizei und der Versammlungsbehörden vor Ort, die eben entsprechende Auflagen treffen und dann gegebenenfalls auch einschreiten.

ZUSATZFRAGE: Gilt das auch für die Fahnen, die ich erwähnt habe, also die russische Fahne oder die Donezker Fahne?

KALL: Die russische Fahne ist sicherlich kein in Deutschland verbotenes Symbol. Das gilt für Fahnen anderer Nationen natürlich genauso. Konkret habe ich mich zu dem Symbol Z ja schon geäußert und gesagt, dass das als Billigung des russischen Angriffskriegs und der russischen Verbrechen durchaus eine Strafbarkeit begründen kann. Für andere etwaige Symbole wäre es wie immer im Strafrecht eine Frage des Einzelfalls, ob man durch die Verwendung eines solchen Symbols im strafrechtlichen Sinne sagen kann, dass da jemand einen völkerrechtswidrigen, verbrecherischen Angriffskrieg billigt und dass damit eine Billigung von Straftaten im Sinne des § 140 des deutschen Strafgesetzbuchs vorliegt.

ZUSATZ: Aber das würde ja bedeuten, dass im Falle einer ganz klaren Bejahung des Krieges mit einer russischen Fahne auch diese Fahne dann eingezogen werden müsste.

KALL: Strafrechtliche Beurteilungen sind immer eine Frage des Einzelfalls und aller Umstände des Einzelfalls sowie auch dessen, welche Parolen dabei möglicherweise kundgetan werden und welche anderen Symbole gezeigt werden. Deswegen sind abstrakte Beurteilungen da nie möglich. Konkret konnte ich mich jetzt zu dem Symbol Z äußern, und alles andere sind tatsächlich Fragen des Einzelfalls, die dann jeweils vor Ort und auch von den Polizeibehörden und gegebenenfalls von Staatsanwaltschaften beurteilt werden müssen.

[…]

HOFFMANN: […] Ich hätte noch eine kleine Nachreichung zu der Frage, wann der Bundeskanzler und Herr Nehammer zuletzt Kontakt hatten: Sie haben am vergangenen Freitag miteinander telefoniert, das kann ich mit Sicherheit bestätigen. Möglicherweise gab es danach auch noch etwas informellere Kontakte zwischen den beiden, aber auf jeden Fall gab am Freitag zwischen beiden eine Abstimmung.

Iranisches Atomprogramm

FRAGE: An Herrn Burger: Aus dem Iran kamen zuletzt Äußerungen, dass es bei den Nukleargesprächen nicht weitergehe. Da hieß es „the talks are still alive, but in an emergency room“. Wie schätzt die Bundesregierung den Stand der Gespräche dort ein? Ist ein Scheitern noch abzuwenden? Wo hakt es genau?

BURGER (AA): Ich habe diese Äußerungen ehrlich gesagt nicht gesehen und müsste dazu den letzten Stand und die letzte Einschätzung nachfragen.

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