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Erklärungen des Auswärtigen Amts in der Regierungspressekonferenz vom 23.02.2022
Nord Stream 2
FRAGE: Meine Frage geht an das Bundeswirtschafts- und ‑klimaschutzministerium. Frau Dr. Baron, wie bewerten Sie das Risiko möglicher Regressforderungen des Betreiberkonsortiums von Nord Stream 2 für den Fall, dass eine Betriebsgenehmigung dauerhaft nicht erteilt werden kann?
BARON (BMWi): Ich möchte hier nicht über Hätte, Wenn und Aber spekulieren. Wir haben gestern einen Verfahrensschritt verkündet. Wir haben das Zertifizierungsverfahren vorläufig gestoppt, indem wir den Versorgungssicherheitsbericht der Vorgängerregierung von Oktober 2021 zurückgezogen haben und ihn einer Neubewertung unterziehen. Diese Neubewertung ist nach unserer Einschätzung juristisch zwingend erforderlich, weil sich die Sach- und Rechtslage immens verändert hat. Das bezieht sich auf die Wintermonate, die Veränderung von Preisen, von Lieferströmen, aber natürlich auch die Eskalation in der Ostukraine.
Das ist der Stand der Dinge. Wir werden jetzt eine Neubewertung vornehmen. Damit ist erst einmal nichts darüber gesagt, wie diese Neubewertung am Ende aussehen wird. Wir werden uns diese Fragen, ob die Versorgungssicherheit gefährdet ist, jetzt sehr genau anschauen und sie sehr genau analysieren.
ZUSATZFRAGE: Sind mögliche Regressforderungen Bestandteil dieses Prüfverfahrens, oder spielen sie keine Rolle?
BARON: Nein, das spielt keine Rolle. Der Prüfungsmaßstab ist durch das Energiewirtschaftsgesetz klar vorgegeben. Er ist so beschrieben, dass die Prüfung beinhalten muss, ob die Zertifizierung einer solchen Leitung und eines Betreiberkonsortiums eine Gefährdung für die Versorgungssicherheit in Deutschland und Europa ist. Das ist der Prüfungsmaßstab, und diese Frage werden wir uns sehr genau anschauen.
VORS. WOLF: Ich bleibe bei Nord Stream 2. Ein Kollege fragt digital: Wie lange wird es dauern, bis die Bundesregierung einen neuen Sicherheitsbericht vorbereitet hat? Wer entscheidet am Ende über die Zertifizierung? Ist das die Bundesnetzagentur, oder hat sich etwas im Verfahren verändert?
HEBESTREIT (BReg): Im Verfahren hat sich gar nichts geändert. Entscheidend ist das, was die Bundesnetzagentur dazu sagt. Die Erstellung der Analyse der Versorgungssicherheit wird ihre Zeit dauern. Das haben der Bundeskanzler und auch der Bundeswirtschaftsminister schon gestern und auch heute zu unterschiedlichen Gelegenheiten angekündigt. Dem kann man jetzt nicht vorgreifen. Das werde dauern, war, glaube ich, der Satz von Herrn Bundeskanzler Scholz.
[…]
FRAGE: Ich will auch noch eine Frage zum vorläufigen Stopp des Zertifizierungsverfahrens stellen. Unter welchen Bedingungen könnte es denn wieder aufgenommen werden?
BARON: Die Rechtslage ist diesbezüglich sehr eindeutig. Das hat die Bundesnetzagentur gestern noch einmal bestätigt. In dem Zertifizierungsverfahren der Bundesnetzagentur werden zwei Stränge geprüft. Die Bundesnetzagentur prüft sozusagen die gesellschaftsrechtliche Seite: Ist eine Entflechtung von Netz und Betrieb gegeben? ‑ Daneben ist Teil des Zertifizierungsverfahrens, dass die Bundesregierung einen Versorgungssicherheitsbericht bzw. eine Versorgungssicherheitsanalyse vornimmt, in der geprüft wird, ob eine Inbetriebnahme oder Zertifizierung dieser Leitung die Versorgungssicherheit in Deutschland und Europa gefährden würde. Dieser Bericht ist notwendiger Verfahrensbestandteil. Solange es diesen Bericht nicht gibt und solange er nicht abgeschlossen ist, kann es also keine positive Zertifizierungsentscheidung geben.
ZUSATZFRAGE: Aber den gab es ja bisher auch nicht, und darum wurde Nord Stream 2 ja bisher auch nicht gestoppt. Das ist ja jetzt nur wegen dem russischen Agieren passiert. Darum noch mal die Frage.
Herr Hebestreit, wenn ich darf, Sie hatten wie die Vorgängerregierung immer wieder betont, dass Nord Stream 2 ein wirtschaftliches Projekt sei. Herr Habeck hat heute gesagt, dass Energiepolitik und damit Nord Stream 2 aber auch immer Sicherheitspolitik und geopolitisch zu beurteilen sei.
Sieht der Kanzler das mittlerweile auch so?
HEBESTREIT: Ich glaube, ich habe hier und von dieser Stelle aus nie von einem rein wirtschaftlichen Projekt gesprochen. Aber natürlich sieht es der Bundeskanzler auch so, der diese Entscheidung ja gestern verkündet und gemeinsam mit Herrn Habeck getroffen hat.
Ich darf Sie korrigieren: Es gab diesen Versorgungssicherheitsbericht. Die vorangegangene Bundesregierung hat ihn im Herbst vorgelegt. Er ist allerdings unter anderen auch geopolitischen Kautelen getroffen worden. Deswegen gab es gestern hinreichend Gründe zu sagen: Man zieht ihn jetzt zurück, weil sich die Lage verändert hat. ‑ An eine veränderte Lage muss man sich anpassen.
Vielleicht in Ergänzung auf Ihre Frage, wann denn das Zertifizierungsverfahren fortgesetzt werden könnte: Eine solche Analyse kann am Ende auch dazu kommen, dass man sagt: Ein solches Projekt gefährdet die Versorgungssicherheit. ‑ Dann fehlt, obwohl der Bericht abgeschlossen ist, eine Grundlage für eine weitere Zertifizierung.
Das alles ist hypothetisch und Spekulation. Aber es geht jetzt nicht, einfach abzuwarten und zu sagen: Jetzt prüft man drei Monate, und dann kommt man zu dem gleichen Ergebnis.
BARON: Genau. Ich glaube, die Fragen sind damit beantwortet.
VORS. WOLF: Eine Kollegin fragt: Wieso wurde Nord Stream 2 nicht in das EU-Sanktionspaket mit einbezogen?
HEBESTREIT: Ich wüsste nicht, wieso es darin einbezogen werden sollte.
Russland / Ukraine
VORS. WOLF: Dann erweitere ich das Themenfeld einmal ein bisschen, bleibe aber bei diesem Konflikt. Ein Kollege fragt, vermutlich an das Innenministerium gerichtet: Sie haben angekündigt, Nachbarländer der Ukraine, vor allem Polen, massiv zu unterstützen, sollte es zu Fluchtbewegungen kommen. Welche konkrete Unterstützung plant die Innenministerin? Erwartet die Bundesregierung, dass auch Deutschland bei einer größeren Invasion zu einem wichtigen Fluchtziel wird?
KALL (BMI): Dazu kann ich erst einmal sagen, was die Bundesinnenministerin selbst gesagt hat: Wir verfolgen sehr aufmerksam, ob es Fluchtbewegungen in unsere Nachbarländer geben wird. Im Moment sehen wir noch keine großen Fluchtbewegungen außerhalb der Ukraine. Gemeinsam mit der Europäischen Kommission, gemeinsam mit dem UNHCR, der IOM und natürlich den anderen EU-Mitgliedstaaten beobachten wir die Lage aber sehr, sehr aufmerksam und bewerten sie auch laufend neu.
Wir werden unsere Nachbarländer, vor allem Polen ‑ das hat die Bundesinnenministerin gestern gesagt ‑, massiv unterstützen, sollte es zu starken Fluchtbewegungen nach Polen oder in andere Nachbarstaaten kommen. Das betrifft insbesondere die humanitäre Unterstützung. Im Bereich der humanitären Unterstützung gibt es das sogenannte EU-Katastrophenschutzverfahren, das von der Europäischen Kommission koordiniert wird, und in diesem Rahmen würde es dann um ganz konkrete Hilfsmaßnahmen gehen. Es ist heute aber noch zu früh sind, diese Maßnahmen zu benennen; denn die Lage ist ja, wie Sie alle wissen, sehr dynamisch.
BURGER (AA): Ich würde gerne kurz noch einen Satz ergänzen, nämlich dass es just in diesem europäischen Verfahren schon sehr konkrete Überlegungen und Abstimmungsprozesse gibt, um darauf vorbereitet zu sein.
VORS. WOLF: Der zweite Teil der Frage war: Rechnet die Bundesregierung damit, dass Deutschland bei einer größeren Invasion zu einem wichtigen Fluchtziel wird?
KALL: Auch das ist heute ‑ jedenfalls aus Sicht des Bundesinnenministeriums ‑ noch nicht seriös abschätzbar, aber natürlich sind wir auf denkbare Szenarien vorbereitet und natürlich sind wir darüber auch mit den Ländern im Kontakt, was Aufnahmekapazitäten angeht. Von unseren europäischen Nachbarn, den EU-Mitgliedstaaten einschließlich der baltischen Staaten, wissen wir, dass sie sich auf mögliche Migrationsbewegungen intensiv vorbereiten und dass sie auch ihrerseits Aufnahmebereitschaft signalisiert haben, insbesondere im Rahmen von Nachbarschaftshilfe, von gelebter Solidarität mit der Ukraine und von humanitärer Unterstützung. Wie Herr Burger gerade noch einmal gesagt hat: Mit all diesen Staaten und vor allen Dingen mit der Europäischen Kommission, was die Koordination angeht, sind wir in engem Kontakt.
VORS. WOLF: Ein Kollege fragt zu möglichen Beratern bzw. Vermittlern im Russland-Konflikt: Die Ehefrau von Altbundeskanzler Schröder, So‑yeon Kim-Schröder, hat gestern auf Instagram bekannt gegeben, dass Schröder mit Putin als Vermittler reden würde, wenn die Bundesregierung das ernsthaft wolle. Wird die Bundesregierung dieses Angebot annehmen und Schröder als Vermittler in dem Konflikt einsetzen?
Er fragt auch, inwiefern die Altbundeskanzlerin Merkel als Vermittlerin tätig werden könnte. 51 Prozent der Deutschen sprechen sich in einer INSA-Umfrage genau dafür aus.
HEBESTREIT (BReg): Ich glaube, darüber, welche Kanäle wir nach Moskau verfügen und welche Kanäle wir dafür nutzen wollen, gebe ich hier keine Auskunft ‑ auch nicht über Instagram.
FRAGE: An das Auswärtige Amt: Herr Burger, ist die Beobachtermission oder OSZE entlang der Demarkationslinie nach den Entscheidungen Putins obsolet geworden? Wird sie fortgesetzt oder macht das alles jetzt keinen Sinn mehr?
BURGER: Aus unserer Sicht erfüllt die Mission da nach wie vor eine sehr wichtige Funktion, nämlich Transparenz herzustellen, was auch ganz konkret für die Sicherheit der Menschen in der Nähe der Kontaktlinie lebenswichtig sein kann. Deswegen unterstützen wir diese Mission weiter.
ZUSATZ: Danke. ‑ Wenn ich an Herrn Hebestreit noch eine kleine Bemerkung machen darf: Sie sagten vorhin, sie hätten Nord Stream 2 nie als ein rein privatwirtschaftliches Projekt bezeichnet. Das mag für Sie als Person zutreffen. Ihr Kollege Herr Büchner hat hier aber am 20. Dezember erklärt, und zwar im Namen des Bundeskanzlers, es handele sich um eine privatwirtschaftliche Angelegenheit, die auch weitgehend abgeschlossen sei, ohne politische Implikationen.
HEBESTREIT: Sie haben da völlig recht, aber wenn Sie mich richtig zitiert hätten ‑ ‑ Ich habe gesagt: Ich habe an dieser Stelle nie davon gesprochen. Der Kollege hatte das auf mich bezogen, und da wollen wir doch irgendwie fair miteinander umgehen, oder? Ich hatte übrigens, glaube ich, in meinem Ansatz auch gesagt, dass der Bundeskanzler an einer Stelle sehr wohl von einem privatwirtschaftlichen Unternehmen gesprochen hatte. Da wollen wir doch nett zueinander bleiben.
FRAGE: Ich habe noch eine Nachfrage zu Herrn Schröder und zu Frau Merkel. Sie haben jetzt gesagt, Sie wollen keine Auskunft geben über die Kanäle, aber das hat ja nicht wirklich die Frage des Kollegen beantwortet, ob Sie diese beiden Personen fragen oder um Hilfe bitten bei den Kontakten nach Moskau. Deswegen würde ich diese Frage wiederholen wollen.
HEBESTREIT: Auch nach längerem Nachdenken würde ich bei meiner Antwort bleiben wollen.
ZUSATZFRAGE: Dann noch eine Nachfrage zur OSZE: Herr Burger, Sie haben eben gesagt, dass Sie die Mission weiterhin unterstützen. Können Sie vielleicht sagen, wie das praktisch ablaufen kann? Denn mit einer vermuteten russischen Präsenz oder einem anderen Status dieser Region wird es ja wahrscheinlich nicht möglich sein, dass OSZE-Beobachter die Demarkationslinie noch einmal überqueren. Können Sie beschreiben, wie das überhaupt vonstattengeht? Wird eine Beobachtung in der Zukunft nur von der ukrainischen Seite her stattfinden?
BURGER: Den tagesaktuellen Stand dazu kann ich Ihnen nicht mitteilen, da müssten Sie sich bitte an die OSZE selbst wenden. Ich kann hier ja nur für die Politik der Bundesregierung sprechen, und die besteht darin, diese Mission weiterhin zu unterstützen, weil wir diesen Auftrag nach wie vor für wichtig halten.
VORS. WOLF: Eine Kollegin fragt: Eine Vertreterin des russischen Außenministeriums habe gestern gesagt, dass Moskau den Vereinigten Staaten von Amerika und Deutschland eine Sammlung von Materialien über Massengräber und Gräueltaten im Donbass geschickt habe. Haben Sie diese Materialien bekommen und können Sie das kommentieren?
BURGER: Vielleicht noch einmal zu diesem ganzen Themenkomplex: Wir haben die russischen Äußerungen der vergangenen Tage mit Vorwürfen eines angeblichen Genozids mit Unverständnis zur Kenntnis genommen und wir weisen das auch in aller Deutlichkeit zurück. Aus Sicht der Bundesregierung weist nichts darauf hin, dass im Donbass ein Völkermord stattfindet oder stattgefunden hat. Das sehen auch sehr viele unabhängige Beobachter so. Die OSZE-Sonderbeobachtungsmission, die im Übrigen in der ganzen Ukraine tätig ist, hat dafür keinerlei Hinweise gemeldet. Auch internationale Menschenrechtsorganisationen sind in der Vergangenheit solchen Hinweisen nachgegangen, und niemand von ihnen ist zu dem Schluss gekommen, dass es Hinweise auf solchen Genozid gäbe.
Aus unserer Sicht ist der richtige Weg, wenn man solche Vorwürfe erhebt, umfassende Transparenz herzustellen. Das geschieht nicht dadurch, indem man angebliches Beweismaterial, Fotos, die nicht überprüfbar sind, im bilateralen Kontakt an eine andere Regierung schickt. Der richtige Weg dazu ist vielmehr, Transparenz herzustellen, unabhängige Beobachterinnen und Beobachter einzuladen, denen das Material, die Zeugen, den Zugang zu den Orten zu gewähren, sodass auf unabhängiger Basis über solche Fragen Einschätzungen abgegeben werden können.
VORS. WOLF: Eine Kollegin fragt, ob die Ukraine mittlerweile Hilfskredite beantragt habe und ob Sie konkretisieren können, an welche Investitionen diese Kredite geknüpft sind.
HEBESTREIT: Wir haben diese Frage hier schon am Montag, glaube ich, behandelt. Da habe ich gegenüber Montag keinen neuen Stand, und insofern, glaube ich, gibt es den auch nicht akut.
[…]
BURGER: Ich hätte noch einen Nachtrag zu der Frage nach angeblich von Russland übersandten Dokumenten, die mir davor gestellt wurde; da wurde ich daran erinnert, dass ich diese Frage in der Sache noch nicht beantwortet hatte. Nein, wir haben solche Dokumente von russischer Seite noch nicht erhalten.
FRAGE: An Herrn Hebestreit zum Normandie-Format: Ursprünglich waren ja für März neue Gespräche angesetzt. Gilt das noch, stehen diese Gespräche noch auf der Tagesordnung, oder sind sie inzwischen gecancelt?
Vielleicht noch eine Nachfrage zu Merkel/Schröder: Kann man das Nichtdementi denn so deuten, dass versucht wird, alle Gesprächskanäle ‑ formell oder informell ‑ nach Moskau offenzuhalten?
HEBESTREIT: Beim Normandie-Format ist das Treffen auf Ebene der Unterhändler ausgemacht worden. Da sollte es ein vorgeschaltetes Treffen geben, nämlich der Trilateralen Kontaktgruppe, die tagen sollte. Im Augenblick sehe ich nicht, dass das passiert; insofern ist das auch „in limbo“. Trotzdem ist, glaube ich, an dieser Stelle und auch angesichts der Entwicklungen der letzten Tage ganz wichtig ‑ das haben der Bundeskanzler, aber auch der amerikanische Präsident und auch der französische Präsident immer deutlich gemacht ‑: Wir müssen versuchen, die diplomatischen Initiativen weiter am Laufen zu halten. Es gilt ja noch, eine Verschlechterung der Situation zu verhindern und weiter Deeskalation zu betreiben, und dazu wäre das Normandie-Format ein mögliches Format. Das muss natürlich ernsthaft gemeint sein und es sollte auch nicht mit zu hohen Forderungen insbesondere seitens Russlands ‑ da hat es gestern, glaube ich, eine Äußerung des russischen Präsidenten gegeben ‑ behaftet sein. Das wäre aber ein Format, um auch darüber zu reden ‑ auch wenn natürlich durch die jüngsten Entwicklungen die Grundlagen des Minsker Abkommens einseitig seitens Russlands aufgekündigt worden sind. Es bleibt aber bestehen als ein wichtiges Format, in dem die Ukraine und Russland gemeinsam mit Deutschland und Frankreich auf Grundlage eines auch vom russischen Präsidenten unterzeichneten Abkommens sprechen könnten.
Zu Ihrer zweiten Frage: Ich habe diesbezüglich in anderer Hinsicht zu einem Kollegen einmal von Topfschlagen geredet. Die Tatsache, dass es kein Dementi gibt, so zu interpretieren, wäre falsch. Ich sage hier nicht, wen die Bundesregierung womöglich beauftragen würde. Aber nur, weil Sie mir nicht 83 Millionen Personen nennen könnten und ich bei einer dann Ja und bei 82 999 999 Nein sage ‑ ‑ Vielleicht so viel: Bei beiden Personen habe ich bislang keinerlei Erkenntnisse, dass sie zu einer solchen Rolle auserkoren worden sind.
BURGER: Ich will vielleicht noch einmal ergänzen: Wir verfügen über hinreichend Gesprächskanäle zur russischen Seite. Woran es im Moment mangelt, ist eine ernsthafte Bereitschaft der russischen Seite, in der Sache zu sprechen. Im Gegenteil, der russische Präsident hat gestern noch einmal weitere Maximalforderungen aufgestellt. Wenn es eine solche Gesprächsbereitschaft von russischer Seite gibt, dann haben wir alle Gesprächskanäle, die wir brauchen, um ernsthafte Gespräche in der Sache zu führen. Dass es die Bereitschaft dazu gibt, haben wir immer sehr deutlich gemacht. Genau dasselbe hat die Außenministerin gerade auch in ihrer Pressekonferenz mit dem französischen Außenminister noch einmal unterstrichen.
FRAGE: Vielleicht noch einmal ein kleiner Seitenaspekt: Herr Hebestreit und gegebenenfalls Herr Burger, haben der Kanzler und die Außenministerin diese Sicherheitsratsshow am Montag verfolgt? Das wurde von der russischen Seite ja so verkauft, dass die live im Fernsehen übertragen worden sei, aber das wurde offenbar schon vorher aufgezeichnet. Wie bewerten Sie diese russische Propagandashow?
HEBESTREIT: Der Bundeskanzler hat sie nicht komplett live verfolgt, aber er hat Teile davon, Ausschnitte davon gesehen, und er hat sich auch die Rede des russischen Präsidenten, die dann ja sehr umfänglich über Fernsehen ausgestrahlt wurde, in Teilen angeschaut. Aber beurteilen ‑ ‑ Ich glaube, das spricht für sich selbst.
ZUSATZFRAGE: Herr Burger?
BURGER: Die Außenministerin hat sich dazu gestern selbst in Paris geäußert und hat gesagt, was sie von dieser Rede hält. Sie hat von einer desaströsen Rede gesprochen, die schlimme Befürchtungen bestätigt hat, von Verachtung für das Völkerrecht und für die Souveränität der Ukraine.
ZUSATZ: Mir ging es nur um die Show davor, in der er jedes einzelne seiner Sicherheitsratsmitglieder vor die Kamera gezerrt hat.
BURGER: Die Außenministerin hat Kenntnis davon.
VORS. WOLF: Ein Kollege fragt an das Verteidigungsministerium gerichtet noch einmal nach einer noch nicht beantworteten Frage vom Freitag: Welches Produktionsunternehmen produzierte die letzten Instagram-Spots, die nach Angaben des Verteidigungsressorts versehentlich zeitversetzt statt zeitgleich gesendet wurden? Können Sie dazu an dieser Stelle etwas sagen? Das war Teil einer Bitte um Nachreichung.
COLLATZ (BMVg): Nach meiner Kenntnis ist die Nachreichung erfolgt. Zumindest hat der Kollege auch schriftlich nachgefragt und hat dann schriftlich etwas bekommen. Ich kann das aber gerne auch hier an dieser Stelle beantworten: Es handelt sich um eine Eigenproduktion.
VORS. WOLF: Er fragt weiter: Verteidigungsministerin Lambrecht hat angekündigt, Truppenverstärkungen durch die Bundeswehr in Litauen zu prüfen. Zeitgleich mahnt sie, es würden weitere Mittel benötigt. Sind im Kabinett kurzfristige Erhöhungen des Verteidigungsetats diskutiert worden?
COLLATZ: Diesen Zusammenhang würde ich so nicht bilden. Selbstverständlich prüfen wir, was im Rahmen des Bestandes möglich ist, um die gemeinsam beschlossene und im Bündnis auch angestrebte Verstärkung der Abschreckungsfähigkeit innerhalb des Bündnisses unter den Partnern zu verstärken. Das erfordert aber keine zusätzlichen Mittel, weil wir da natürlich aus dem jährlichen Etat arbeiten.
FRAGE: Noch eine Frage an Herrn Hebestreit zu dem Sicherheitskabinett, das heute vertraulich getagt hat: Wurden Entscheidungen getroffen, selbst wenn Sie die jetzt hier nicht nennen können, und ist zu erwarten, dass die dann im Laufe des Tages noch publik gemacht werden?
HEBESTREIT: Wie Sie zu Recht sagen, tagt dieses Sicherheitskabinett vertraulich. Es ging hier ja um eine Information, eine Verständigung über die aktuelle Lage. Es hat aber keinerlei Entscheidungen gegeben.
[…]
FRAGE: Eine Frage im Kontext von EU-Sanktionen gegen Russland. Russland unterhält aktive Bauprojekte für Atomkraftwerke sowie finanzielle Hilfen für EU-Mitgliedsländer. Wird sich die Bundesregierung auf EU-Ebene für Sanktionen beispielsweise gegen Rosatom einsetzen?
HEBESTREIT: Wir sind ja jetzt gerade dabei, den ersten Schritt der Sanktionen zu beschließen. Das passiert in diesen Stunden. Für den Fall, dass sich die Situation in der Ukraine anders als gehofft entwickelt und es zu einer weiteren Eskalation kommt, werden weitere Schritte folgen. Die sind auch vorbereitet. Wenn sie dann beschlossen sind, kommunizieren wir sie. Sie wissen das.
Wir haben das als „strategische Ambiguität“ bezeichnet. Diese Ambiguität müssen wir noch bisschen zusammen aushalten. Wenn es nach mir ginge, müsste dieses Sanktionspaket nie gezogen werden, weil es nicht eskaliert. Aber ich bin mir nicht sicher, ob es nach mir geht.