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Erklärungen des Auswärtigen Amts in der Regierungspressekonferenz vom 02.02.2022
Bericht von Amnesty International
VORS. WELTY: Ein Kollege hat eine Frage an das Auswärtige Amt oder an das Bundespresseamt. Es geht um den Amnesty-International-Bericht. Was ist konkret falsch an dem Befund? Geht die Bundesregierung von einer rechtlichen Gleichstellung und Behandlung der Israelis und der Palästinenser in der besetzten Westbank aus?
BURGER (AA): Vielen Dank. ‑ Vorwürfe zu Menschenrechtsverletzungen sollte jedes Land ernst nehmen. Deutschland tut das selbstverständlich auch. Diesen Bericht werden wir sorgfältig prüfen.
Für die Bundesregierung haben Menschenrechte auch im Zusammenhang mit dem Nahostkonflikt große Priorität. Wir setzen uns beispielsweise intensiv und auf allen Ebenen gegen eine Ausweitung des Siedlungsbaus oder sogenannte „demolitions“ ein. Wir stehen dazu auch mit unseren israelischen Partnern in engem Austausch. Auch Einzelfälle greifen wir immer wieder kritisch auf.
Bei dem derzeitigen besorgniserregenden Anstieg von Antisemitismus in Europa trägt jedoch auch jeder, der sich für Menschenrechte einsetzt, die Verantwortung, diesem nicht unfreiwillig Vorschub zu leisten. Begriffe wie „Apartheid“, ebenso wie eine einseitige Fokussierung der Kritik auf Israel lehnen wir ab. Für eine Lösung des Nahostkonflikts ist das nicht hilfreich.
FRAGE: Herr Burger, Israel hat nach Ansicht von Amnesty International ein System der Unterdrückung und der Herrschaft über die Palästinenser geschaffen. Deswegen meine Frage: Sehen Sie so ein System in den besetzten Gebieten?
BURGER: Der Vorwurf, das Verbrechen der Apartheid begangen zu haben, ist eine sehr gravierende und weitreichende Anschuldigung. Im Römischen Statut des Internationalen Strafgerichtshofs ist nachzulesen, was das alles beinhaltet. Wir machen uns diesen Vorwurf ausdrücklich nicht zu eigen. Auch halten wir die Verwendung dieses Begriffs für kontraproduktiv.
Wir beobachten die Situation der Menschenrechte gerade in den C-Gebieten und in Ostjerusalem sehr aufmerksam. Kritische Vorfälle thematisieren wir nicht nur direkt mit unseren israelischen Partnern, sondern wir nehmen dazu auch öffentlich Stellung.
FRAGE: Herr Burger, bei dem Apartheidsvorwurf geht es ja darum, dass ein Regime verschiedener Rechtsordnungen für Israelis und Palästinenser beschrieben wird. Kennt die Bundesregierung ein anderes Regime, oder sehen auch Sie das so, dass es zwei verschiedene Rechtsverordnungen für Palästinenser und Israelis gibt, zum Beispiel in der besetzten Westbank, wo Palästinenser vor einem Militärgericht landen und Israelis nicht?
BURGER: Wie gesagt: Wir machen uns den Vorwurf eines solchen Völkerrechtsverbrechens, wie es der Begriff „Apartheid“ beinhaltet, ausdrücklich nicht zu eigen.
Wir haben hier immer wieder über verschiedene Rechtsfragen im Zusammenhang mit der Lage in den besetzten Gebieten gesprochen. Unsere Erwartung an Israel ist, dass es seine völkerrechtlichen Verpflichtungen, insbesondere aus dem vierten Genfer Abkommen zum Schutz von Zivilpersonen, in den besetzten Gebieten beachtet. Auch haben wir hier immer wieder darüber gesprochen, dass wir gewisse Praktiken wie beispielsweise Abrisse und Räumungen teilweise als völkerrechtswidrig ansehen. Wir haben auch immer wieder darauf hingewiesen, dass wir den israelischen Siedlungsbau für nicht vereinbar mit dem Völkerrecht halten.
Wir setzen uns für eine verhandelte Zweistaatenlösung ein und lehnen alle einseitigen Schritte ab, die einer solchen Lösung im Wege stehen. Trotzdem halten wir aus den erwähnten Gründen die Verwendung der Begriffe, wie in dem Bericht von Amnesty International verwendet, für falsch und für kontraproduktiv.
ZUSATZFRAGE: Ich habe verstanden, dass Sie den Begriff „Apartheid“ ablehnen. Aber erkennt die Bundesregierung an, dass es zwei verschiedene Rechtsordnungen für Israelis und Palästinenser, zum Beispiel in der Westbank, gibt?
BURGER: Ich habe Ihnen ja gerade zu bestimmten rechtlichen Fragen in diesem Zusammenhang eine Wertung gegeben. Wie gesagt: Wir sind noch dabei, diesen Bericht aufmerksam zu prüfen. Aber wir machen uns die Verwendung dieses Begriffs ausdrücklich nicht zu eigen. Wir machen uns im Übrigen auch Wertungen dieses Berichts nicht ausdrücklich zu eigen.
FRAGE: Da Sie vorhin sagten, wer gegenüber Israel den Begriff „Apartheid“ verwende, befeuere Antisemitismus, ist die logische Konsequenz, dass Sie Amnesty International die Unterstützung oder Befeuerung des Antisemitismus vorwerfen.
BURGER: Da haben Sie mich gerade wirklich völlig falsch zitiert. Ich darf noch einmal vorlesen, was ich gerade gesagt habe: Bei dem derzeitigen besorgniserregenden Anstieg von Antisemitismus in Europa trägt jedoch auch jeder, der sich für Menschenrechte einsetzt, die Verantwortung, diesem nicht unfreiwillig Vorschub zu leisten. Begriffe wie „Apartheid“, ebenso wie eine einseitige Fokussierung der Kritik auf Israel lehnen wir ab. Für eine Lösung des Nahostkonflikts ist das nicht hilfreich. ‑ Ich bitte, meine Äußerung auch so wiederzugeben und aufzunehmen, wie ich sie gemacht habe.
ZUSATZFRAGE: Wenn die Verwendung des Begriffs „Apartheid“ gegenüber Israel, wenn auch unfreiwillig, dem Antisemitismus Vorschub leistet ‑ das waren Ihre Worte ‑, dann trifft das auf Amnesty International zu. Daher wiederhole ich meine Frage: In der Konsequenz Ihrer Ausführungen würde Amnesty International nach Auffassung der Bundesregierung Antisemitismus, wenn auch nolens volens, befördern.
BURGER: Wenn das Ihre Zusammenfassung ist. Ich habe das gesagt, was ich gesagt habe.
Ukraine-Konflikt
FRAGE: Zum Thema Ukraine: Herr Hebestreit, der russische Präsident hat gestern ziemlich deutlich seine Sorge zum Ausdruck gebracht, dass die Ukraine NATO-Mitglied wird. Vielleicht könnten Sie die Position der Bundesregierung zur NATO respektive zur Ukraine wiederholen und in diesem Zusammenhang auch eine Stellungnahme zu Folgendem abgeben: Was halten Sie von dem Vorschlag der Ukraine, das französische Modell anzubieten, nämlich die politische Mitgliedschaft in der NATO und keine Mitgliedschaft in der Militärstruktur?
HEBESTREIT (BReg): Grundsätzlich ist es so, dass jeder Staat die Möglichkeit hat, sich bei einem Verteidigungsbündnis „zu bewerben“, um die Mitgliedschaft, um die Aufnahme zu bitten. Das steht jedem offen. Dann steht es dem jeweiligen Verteidigungsbündnis offen, sich dazu zu verhalten.
Der Bundeskanzler hat auf eine ähnliche Frage vor ziemlich genau einer Woche, vor zehn Tagen geantwortet, dass im Augenblick eine Aufnahme der Ukraine nicht auf der Tagesordnung stehe.
ZUSATZFRAGE: Wäre denn das französische Beispiel, über 50 Jahre Mitgliedschaft in der NATO ohne Militärstruktur, als diplomatische Initiative, als Kompromissvorschlag denkbar?
HEBESTREIT: Das würde ja voraussetzen, dass es eine Aufnahme gibt, wenn auch nur in Teilen. Ich habe ja gerade zitiert, dass eine Aufnahme der Ukraine in die NATO im Augenblick nicht auf der Tagesordnung steht.
VORS. WELTY: Zu diesem Komplex gibt es zwei Terminnachfragen.
Die erste: Können Sie die gemeinsame Reise der Außenministerin mit ihrem französischen Kollegen in die Ukraine am 7. und 8. Februar bestätigen?
BURGER (AA): Ja, diese Reise kann ich bestätigen, dazu hat sich der französische Außenminister ja am vergangenen Wochenende schon per Twitter geäußert, und die Außenministerin hat das dementsprechend auch schon auf Twitter bestätigt. Weitere Details zu dieser Reise werden wir Ihnen wie üblich vorher mitteilen, wenn die entsprechenden Programmpunkte feststehen.
Ich würde zu der vorangegangenen Frage gerne noch ganz kurz ergänzen ‑ weil sich die Außenministerin dazu bei ihrem Besuch in Kiew auch geäußert hat ‑, dass natürlich ein wichtiger Teil der europäischen Friedensordnung der letzten Jahrzehnte das Prinzip der freien Bündniswahl ist. Wenn es also ein Einvernehmen gibt, dass ein souveräner Staat sich einem Verteidigungsbündnis anschließen möchte, dann hat ein anderer Staat dagegen kein Vetorecht. Das ist natürlich ein Prinzip, an dem wir festhalten. Das war ja auch bei den Gesprächen, die die Außenministerin in Moskau geführt hat, intensives Gesprächsthema mit dem russischen Außenminister, und auch auf die Äußerungen in der dortigen Pressekonferenz möchte ich Sie gerne hinweisen. Auch der Themenkomplex, auf den sich die russische Seite zuletzt wieder beruft, nämlich die Frage nach dem Prinzip der ungeteilten Sicherheit und die Frage nach dem Prinzip, dass man seine Sicherheit nicht auf Kosten Dritter stärkt, war dort intensiv Teil der Gespräche.
Die Außenministerin hat auch in ihrer Rede im Deutschen Bundestag noch einmal sehr klargestellt: Wir sind bereit zu einem ernsthaften Dialog über Vereinbarungen, die die Sicherheit in Europa und auch die Sicherheit Russlands stärken ‑ auf der Basis des Völkerrechts und auf der Basis der Regeln, die wir uns gemeinsam in Europa in den letzten Jahrzehnten gegeben haben.
VORS. WELTY: Die zweite Nachfrage: Gibt es schon einen Termin für das nächste Treffen auf Beraterebene im Normandie-Format nächste Woche?
HEBESTREIT: Diesen Termin würde ich in dem Moment mitteilen, in dem ich ihn fix habe. Er wird in der nächsten Woche aber stattfinden.
VORS. WELTY: Gibt es derzeit Pläne des Bundeskanzlers, mit dem russischen bzw. mit dem ukrainischen Präsidenten zu sprechen?
HEBESTREIT: Über Reisen des Bundeskanzlers informiere ich immer rechtzeitig, wenn sie anstehen.
[…]
VORS. WELTY: Ein Kollege fragt nach der Äußerung des verteidigungspolitischen Sprechers der FDP, der vorgeschlagen hat, die Ausbildung ukrainischer Offiziere in Deutschland zu intensivieren. Ist das praktikabel, und wenn ja, wie viele könnte man ausbilden? Hätte das nicht vor allem symbolischen Wert?
COLLATZ (BMVg): Äußerungen aus den Fraktionen heraus kann ich hier natürlich nicht kommentieren. Ich kann nur erneut darauf hinweisen, dass die Zusammenarbeit und Kooperation mit der Ukraine auf militärfachlicher Ebene schon seit Langem intensiv besteht. Seit 2014 sind wir hier in bilateralen Kooperationsprogrammen. Wir haben erprobte Ausbildungsprogramme, die natürlich auch die Ausbildung und die gegenseitige Schulung unseres Führungspersonals betrifft. Hier ist zu nennen, dass wir auch eine militärische Ausbildungshilfe und Beratung eingerichtet haben. Wir haben insgesamt bisher 551 Angehörige der ukrainischen Streitkräfte in Deutschland erfolgreich ausgebildet. Derzeit sind auch fünf Angehörige der ukrainischen Streitkräfte hier in Deutschland ‑ zwei davon sehr hohe Offiziere, die unsere Generalstabsausbildung mitmachen, und drei weitere in einer höheren sanitätsfachlichen Ausbildung.
Wir sind beständig also daran, und im Vorgriff auf die Initiativen der Koalition und des Parlaments haben wir natürlich jeden Tag einen engen Austausch, um die Ukraine bestmöglich in der Zusammenarbeit zu unterstützen.
FRAGE: Noch einmal eine Frage zu den ursprünglich deutschen Haubitzen, die von Estland in die Ukraine geliefert werden sollen: Die Prüfung ist ja noch nicht abgeschlossen. Wie ist der Stand der Prüfung, und was genau wird dabei geprüft?
Herr Hebestreit, eine ganz kurze technische Frage: Wie oft hat der Kanzler mit dem russischen Präsidenten telefoniert?
COLLATZ: Ich steige gern mit den Haubitzen ein: Da gibt es keinen neuen Sachstand.
ZUSATZFRAGE: Mich interessiert: Was wird geprüft?
COLLATZ: Es wird geprüft, inwiefern die Lieferungen den geteilten Maßstäben der Bundesregierung entsprechen.
HEBESTREIT: Also die Rüstungsexportrichtlinie.
Zu den Telefonaten des Bundeskanzlers verweise ich immer auf das, was wir in der Regel nach solchen Telefonaten offiziell mitteilen. Darüber hinaus gibt es natürlich intensivste Kontakte auf den verschiedensten Ebenen. Wenn wir das Gefühl haben, Sie darüber informieren zu müssen, dann tun wir das, und wenn wir das Gefühl haben, dass wir das nicht tun müssen, dann lassen wir es.
ZUSATZFRAGE: Es geht nur um die Zahl. Gab es mehr als ein Telefonat?
HEBESTREIT: Ich bleibe bei dem, was ich gerade gesagt habe.
Bundeswehreinsatz in Mali
VORS. WELTY: Eine Frage zur Bundeswehr in Mali: Die jüngsten Entscheidungen der Militärjunta in Mali stellen den internationalen Militäreinsatz dort infrage. Trifft die Bundeswehr bereits Vorkehrungen für einen schnelleren und sicheren Abzug ihrer Truppe aus Mali, falls der Einsatz dort früher als erwartet beendet werden muss?
BURGER (AA): Ich würde vielleicht anfangen und Sie auf eine Äußerung der Außenministerin von heute gegenüber einer großen deutschen Zeitung hinweisen. Da hat sie gesagt:
„Angesichts der jüngsten Schritte der malischen Regierung müssen wir uns ehrlich fragen, ob die Voraussetzungen für den Erfolg unseres gemeinsamen Engagements weiter gegeben sind. Unser Einsatz ist kein Selbstzweck.
Unser umfassendes partnerschaftliches Engagement mit Mali als Teil der internationalen Gemeinschaft ist von langfristigen Zielen geleitet: Sicherheit für die Menschen und Stabilität sowie Entwicklung für die Land. Diese kann es nur durch Reformen und die Rückkehr zu Demokratie geben, wie es das Land auch mit ECOWAS vereinbart hat.
Mit unseren internationalen Partnern und der Europäischen Union, insbesondere Frankreich, stehen wir in enger Abstimmung dazu, wie wir unser Engagement vor Ort weiter gestalten. Wir werden unsere Fragen in den nächsten Tagen auch hochrangig mit der malischen Regierung aufnehmen.“
Sie haben gesehen, dass wir uns zu den jüngsten Entwicklungen in Mali wie der ungerechtfertigten Ausweisung des französischen Botschafters bereits geäußert haben. Nach unserer Meinung geht Mali mit diesem Schritt in die falsche Richtung. Das haben wir gestern auch der malischen Botschafterin in Berlin mitgeteilt.
Wir rufen die malische Übergangsregierung auf, mehr auf Dialog insbesondere mit Frankreich zu setzen. In diesem Sinne befinden wir uns auch in enger Abstimmung innerhalb der Europäischen Union und beraten in diesem Kreis mit unseren Partnern über die nächsten Schritte. Ich kann Ihnen dazu für den Bereich des Auswärtigen Amtes mitteilen, dass die Staatsministerin im Auswärtigen Amt Katja Keul morgen zu einer Reise nach Mali aufbrechen wird. Sie wird dort mit deutschen Soldatinnen und Soldaten, mit Vertreterinnen und Vertretern der Regierung von Mali und mit Vertreterinnen und Vertretern der Zivilgesellschaft zusammenkommen.
VORS. WELTY: Dann kann ich noch die Frage nachschieben, bis wann die Prüfung abgeschlossen sein soll.
BURGER: Ich habe Ihnen dazu gesagt, dass wir uns dazu in den nächsten Tagen hochrangig mit der malischen Regierung ins Benehmen setzen. Wie gesagt, Staatsministerin Keul reist dazu morgen nach Mali. Es gibt in den nächsten Tagen auch intensive Gespräche mit den Partnerinnen und Partnern in der Europäischen Union, und auch mit Frankreich gibt es bereits in den nächsten Tagen erste weitere Beratungen.
Sie wissen, dass natürlich der Deutsche Bundestag in letzter Instanz darüber zu entscheiden hat, wie es mit Einsätzen der Bundeswehr weitergeht. Das entsprechende Mandat läuft ja noch bis Mai. Deswegen werden wir dazu natürlich auch mit den Fraktionen des Deutschen Bundestages intensiv im Gespräch bleiben.
COLLATZ (BMVg): Ich würde gerne ergänzen, dass das Lagebild und die Lagebewertung des Auswärtigen Amtes und des Verteidigungsministeriums identisch sind. Wir gehen da von denselben Faktoren und auch Bewertungen und Maßstäben aus.
Hinsichtlich unserer Einsätze würden wir uns Antwort freuen, wenn wir in Mali weiterhin unsere Ziele erreichen könnten, aber unter den gegenwärtigen Bedingungen wird es zunehmend schwierig. Wir haben zwar ‑ darüber haben wir hier auch schon gesprochen ‑ einige Erleichterungen seitens der malischen Regierung erlebt, insbesondere was Flugbewegungen angeht, aber insgesamt ist das in keinem befriedigenden Zustand, und unsere Ziele sind nur sehr begrenzt erreichbar. Wir begrüßen, dass die Vereinten Nationen sich hier für die Gesamtheit der Nationen, die sich für Mali einsetzen, darum bemühen, dass seitens der malischen Regierung bzw. Interimsregierung wieder der ursprünglichen Zustand herbeigeführt wird. Wenn das nicht gelingt, müssen wir natürlich neu bewerten. Bis dahin bleiben wir aber im Standby. Es gibt derzeit ‑ um diese konkrete Frage dann auch zu beantworten ‑ keine konkreten Abzugsplanungen.
FRAGE: Herr Collatz, das heißt also, eine Option wäre tatsächlich auch, den Einsatz noch vor dem Ablauf des Mandats im Mai zu beenden?
COLLATZ: Ich habe hier gemeinsam mit dem Auswärtigen Amt immer auch betont, dass wir in Mali mit unseren Partnernationen unterwegs sind. Wir haben ein Mandat; wir sind dort nie alleine verantwortlich für das, was passiert, und müssen uns mit den Partnern abstimmen. Diese Abstimmung bestimmt das gesamte Geschehen ‑ zum einen ressortübergreifend und zum anderen international mit unseren Partnern.
BURGER: Das kann ich nur noch einmal nachdrücklich unterstreichen. Das entspricht ja auch dem, was die Außenministerin gesagt hat.
FRAGE: Herr Burger, können Sie die Rolle des Botschafters Pohl erläutern? Ist der noch im Land, wurde der noch nicht ausgewiesen, und wie arbeitet er aktuell?
Herr Collatz, weil Sie haben gesagt, Sie würden sich freuen, weiter unsere Ziele erreichen zu können: Welche Ziele haben Sie denn überhaupt schon erreicht?
BURGER: Wo genau Botschafter Pohl sich gerade aufhält, kann ich Ihnen nicht sagen; das habe ich nicht gecheckt, bevor ich in die Pressekonferenz gekommen bin. Von einer Ausweisung oder ähnlichen Schritten ist mir allerdings nichts bekannt.
Zu Ihrer zweiten Frage möchte ich vielleicht auch noch einmal sagen: Wir sind ja in Mali seit vielen Jahren engagiert, und zwar nicht nur auf militärischer Ebene, sondern auch mit dem gesamten Instrumentarium der Entwicklungszusammenarbeit, der Stabilisierung und auch der humanitären Hilfe. Das ist, wie die Ministerin gesagt hat, kein Selbstzweck, sondern wir glauben, dass es dort wichtige Ziele gibt, an denen wir arbeiten, nämlich an konkreten Verbesserungen im Leben der Menschen und daran, für die Menschen, die dort von Terrorismus und marodierenden Banden bedroht sind, mehr Sicherheit zu schaffen. Das ist in Teilen des Landes in den vergangenen Jahren durchaus gelungen. Es ist auch durchaus gelungen, die Lebensqualität der Menschen im wirtschaftlichen Bereich in einigen Bereichen zu verbessern. Trotzdem stehen wir jetzt vor einer Situation, in der wir uns, wie die Ministerin gesagt hat, ehrlich fragen müssen, ob die Voraussetzungen für ein erfolgreiches Engagement weiter gegeben sind und ob es weiterhin die Voraussetzungen dafür gibt, die Ziele, die wir uns gesetzt haben, dort mit unserem Engagement zu erfüllen.
COLLATZ: Das kann ich nur so aufnehmen. Herr Burger hat es gesagt: Das ist in Teilen in der Vergangenheit gelungen. Militärisch wurde ein Beitrag dazu geleistet, die Voraussetzungen für Stabilisierung zu schaffen, und das wird jeden Tag neu bewertet.
BURGER: Weil eine kluge Kollegin mir das zuruft, kann ich noch nachtragen, dass Botschafter Pohl sich in Mali aufhält.
Aufnahme ehemaliger Ortskräfte und gefährdeter Personen aus Afghanistan
VORS. WELTY: Dann machen wir weiter mit einer Frage, die sich vor allem an das Verteidigungsministerium richtet: Wie entwickeln sich die Aufnahmezahlen bei den Ortskräften und wie ist das aktuelle Visa-Antragsaufkommen in den Ländern rund um Afghanistan?
BURGER (AA): Da würde ich vielleicht anfangen, weil es ja zunächst einmal um Zahlen zum Ortskräfteverfahren geht. Ich kann Ihnen dazu mitteilen, dass wir in den letzten Wochen unsere Anstrengungen noch einmal sehr intensiviert haben, die Ausreise von Ortskräften und besonders gefährdeten Menschen aus Afghanistan zu beschleunigen.
Mit Stand heute sind seit Machtübernahme der Taliban insgesamt rund 10 100 Visa für diesen Personenkreis ausgestellt worden. Sie haben mitbekommen, dass die Außenministerin Ende Dezember noch einmal einen Aktionsplan für Afghanistan verkündet hat, in dem sie verschiedene Maßnahmen dargestellt hat, mit denen wir diesen Prozess beschleunigen. Ich kann dazu sagen, dass fast die Hälfte dieser etwas über 10 000 Visa, nämlich rund 4500 Visa, seit Ende Dezember ausgestellt wurden ‑ ein Großteil davon durch unsere Botschaft in Islamabad. Wir haben dort in den vergangenen Wochen noch einmal erhebliche Personalverstärkungen vorgenommen.
Man muss dazusagen: Es geht da vor Ort ja nicht nur um die Ausstellung von Visa, sondern es ist dort eine ganze Reihe von zusätzlichen Aufgaben zu erfüllen, etwa die Organisierung von Charterflügen zur Weiterreise nach Deutschland und die Unterstützung bei der Ausreise von Afghanistan in die Nachbarländer.
Ich möchte mich an dieser Stelle auch im Namen der Ministerin noch einmal ausdrücklich bei allen bedanken, die an diesem Erfolg teilhaben, die daran mitarbeiten und auch noch einmal das beeindruckende und anhaltende Engagement der Zivilgesellschaft unterstreichen, wo sich viele sehr engagierte Menschen jeden Tag unbezahlt oder für sehr wenig Geld für die Ausreise dieser Menschen einsetzen und unterstützen, dass sie in Sicherheit kommen.
COLLATZ (BMVg): Zu den Zahlen der Bundeswehr: Wir gehen davon aus, dass insgesamt bisher etwa 1160 ehemalige Ortskräfte der Bundeswehr in Deutschland aufgenommen wurden und erwarten noch etwa 600, 640 weitere, die eventuell hier für eine Einreise infrage kommen. Wir rechnen ergänzend auch mit einem Faktor von vier bis fünf, was die Familienangehörigen angeht, sodass wir insgesamt von noch etwa 3500 Menschen ausgehen, die seitens der Bundeswehr für eine Einreise in Betracht kommen.
Syrien
VORS. WELTY: Ein Kollege fragt nach der deutschen Außenpolitik in Bezug auf Syrien und hebt ab auf einen Jahrestag: 1982 hat die Armee von Hafis Assad, Vater des derzeitigen Machthabers, die Stadt Hama angegriffen und mehr als 35 000 Menschen getötet. Baschar Assad hat mehr als zwölf Millionen Menschen vertrieben und mehr als eine Million Menschen getötet. Die Schweiz hat Unterschriften von mehr als 50 Staaten, darunter auch Deutschland, gesammelt, um Baschar als Kriegsverbrecher vor den Internationalen Strafgerichtshof zu bringen. Wohin gehen die Bemühungen, die Tragödie in Syrien und im Nahen Osten zu beenden?
BURGER (AA): Vielen Dank. ‑ Eine so umfassende historische Bewertung bis in das Jahr 1982 zurück werde ich jetzt von dieser Stelle nicht vornehmen können.
Ich kann Ihnen sagen, dass sich die Bundesregierung immer dafür eingesetzt hat, dass der Internationale Strafgerichtshof mit der Lage in Syrien befasst wird und dass die dort begangenen entsetzlichsten Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit nicht straflos bleiben dürfen. Sie wissen, dass auch Deutschland bzw. deutsche Gerichte auf Basis des Weltrechtsprinzips einen Beitrag dazu leisten, dass Menschen, die in Syrien schwerste Völkerstraftaten begangen haben, einer gerechten Strafe zugeführt werden. Das ist aus Sicht der Bundesregierung auch ein wichtiger Bestandteil dafür, hier Straflosigkeit zu verhindern.
Im Übrigen ist Deutschland einer der größten humanitären Geber für Syrien, der zweitgrößte weltweit. Bereits im laufenden Jahr 2022 haben wir hier mehr als 35 Millionen Euro für Maßnahmen der humanitären Hilfe allein in Nordwestsyrien bereitgestellt. Für Syrien insgesamt ist die Zahl sicherlich noch viel höher. Diese werde ich Ihnen sehr gerne nachliefern.
Natürlich unterstützen wir nach wie vor die Bemühungen der Vereinten Nationen für einen politischen Prozess zu einer Lösung des Konflikts in Syrien.
Medienberichte über den Erfrierungstod von Flüchtlingen an der griechisch-türkischen Grenze
FRAGE: Herr Burger, es kam an der griechisch-türkischen Grenze zu einem Zwischenfall. Zwölf Flüchtlinge sind erfroren, nachdem sie gewaltsam von den griechischen Grenztruppen zurückgedrängt und (akustisch unverständlich) worden sind. Ich hätte gerne von Ihnen eine Reaktion dazu.
BURGER (AA): Ich muss Ihnen dazu eine Antwort nachreichen. Mir liegen dazu keine Informationen vor.