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Erklärungen des Auswärtigen Amts in der Regierungspressekonferenz vom 31.01.2022
Ukraine-Konflikt
FRAGE: Ich hätte gerne mit dem Thema Russland und Ukraine, einem größeren Komplex, begonnen, und zwar mit einem besonderen Fall, nämlich der Gasversorgung. Eine Frage ans BMWK: Frau Baron, können Sie sagen, ob es Vorbereitungen gibt, LNG aus Katar hier als Alternative zu russischem Gas einzusetzen? Wie ist der Stand bei dem Bau eines LNG-Terminals?
BARON (BMWK): Vorab möchte ich klarstellen: An Spekulationen im Kontext von irgendwelchen Sanktionsregimes beteilige ich mich hier nicht. Das möchte ich vorwegschicken, da das in den Medienberichten, die Sie zitieren, immer etwas mitschwang.
Im Übrigen gilt das, was ich auch am vergangenen Freitag gesagt habe: Wir beobachten die Lage sehr genau. Die Versorgungssicherheit ist aktuell weiter gewährleistet. Natürlich tut die Bundesregierung das Notwendige, damit die Versorgung gesichert ist.
Wir haben ja auch schon deutlich gemacht, dass wir mittelfristig unsere Vorsorge für den kommenden Winter noch mal stärken werden und dafür auch rechtliche und gesetzliche Änderungen vornehmen werden.
ZUSATZFRAGE: Das Wort „Katar“ fiel in der Antwort jetzt nicht. Ich möchte danach fragen, ob Sie Katar als möglichen Lieferanten sehen, unabhängig von irgendwelchen Presseberichten.
BARON: Das kann ich im Einzelfall nicht beurteilen. Der LNG-Markt ist ein Markt, der über die Marktakteure funktioniert. In den letzten Wochen haben wir gesehen, dass LNG verstärkt aus den USA in Europa angelandet ist. Wie sich das für andere Produzentenländer verhält, ist, wie gesagt, eine Sache, die der Markt berücksichtigt, wozu wir keine Stellung nehmen können.
VORS. WELTY: Wir bleiben beim Thema Russland/Ukraine. Eine Kollegin fragt: Unter welchen Bedingungen sollte der Westen neue Sanktionen gegen Russland verhängen?
HEBESTREIT (BReg): Dazu würde ich verweisen auf die Äußerungen der Ministerin in den vergangenen Wochen, auch die Äußerungen des Bundeskanzlers. Da ist, glaube ich, sehr deutlich geworden, unter welchen Bedingungen wir über solche Szenarien nachdenken müssen.
VORS. WELTY: Trotzdem noch einmal die Nachfrage: Sollen die Sanktionen im Zusammenhang mit der sogenannten Aggression gegen die Ukraine stehen oder präventiven Charakter haben? Wie steht die Bundesregierung dazu?
HEBESTREIT: Die Bundesregierung hat da eine ganz klare Haltung und sagt: Verletzungen der territorialen Integrität und der Souveränität der Ukraine werden harte und klare Maßnahmen nach sich ziehen. Sanktionen sind solche Maßnahmen.
FRAGE: Eine Frage ans BMWK, keine spekulative, sondern eine Lernfrage: Das in Deutschland ankommende Erdgas wird zu 56 Prozent aus Russland geliefert. Wäre es technisch überhaupt möglich, dies bei einem Wegfall zu kompensieren?
BARON: Die Zahlen sind richtig; wir beziehen Erdgas zu rund 54, 55, 56 Prozent ‑ das schwankt immer etwas ‑ aus Russland. Wir beziehen es darüber hinaus zu einem geringeren Teil aus anderen Ländern, aber die großen Lieferungen kommen aus Russland; das ist richtig. Deswegen gilt das, was ich gesagt habe: Wir müssen die Lage immer sehr genau beobachten. Aktuell ist die Versorgungssicherheit gewährleistet.
ZUSATZFRAGE: Das beantwortet aber nicht die Frage, ob ein so großer Anteil, über 50 Prozent, überhaupt technisch kompensiert werden kann. Das müssen Sie ja wissen.
BARON: Auch da wiederhole ich nur noch mal das Gesagte. Wir haben in den letzten Wochen gesehen, dass sich Lieferwege sehr stark verändert haben. Bislang sind aufgrund der Preisfrage keine großen Mengen an LNG in Europa angelandet. LNG ist in der Regel teurer als Pipelinegas.
In den letzten Wochen haben wir angesichts der hohen Preise aber die Entwicklung gesehen, dass LNG in Europa angelandet ist. Insofern gibt es hier sehr viele unterschiedliche Wege für Versorgung. Die Auslastung der LNG-Terminals in ganz Europa beträgt aktuell 71 Prozent. Das ist ein sehr hoher Anteil, den wir so in der Vergangenheit nicht gesehen haben.
FRAGE: Wenn die Auslastung jetzt bei 71 Prozent liegt, wie steht es mit den Planungen für den Bau eines LNG-Terminals in Deutschland? Das war vorhin noch ein Teil meiner Frage. Ist das konkreter geworden, oder haben Sie das ad acta gelegt?
BARON: Die regulatorischen Voraussetzungen dafür wurden in der vergangenen Legislatur geschaffen, was die Netzentgeltregulierung angeht. Die regulatorischen Erleichterungen dafür sind also geschaffen.
Im Übrigen gibt es dafür unterschiedliche Mittel, die zum Beispiel aus der regionalen Wirtschaftsförderung zur Verfügung stehen. Das sind aber meistens Fragen, die über die Länder erfolgen, beispielsweise die GRW-Mittel der Gemeinschaftsaufgabe, für regionale Wirtschaftsförderung.
ZUSATZFRAGE: Die Nachfrage geht an Herrn Hebestreit, denn Olaf Scholz hat als Finanzminister den USA schon mal Investitionen von rund einer Milliarde Dollar für den Bau eines LNG-Terminals angeboten. Vertritt er diese Position noch immer?
HEBESTREIT: Er vertritt auf jeden Fall die Position, dass auch die Bundesrepublik Deutschland einen oder mehrere LNG-Terminals haben sollte. Es gibt konkretere Planungen in Brunsbüttel. Es gibt aber auch Überlegungen, so etwas in Stade und in Wilhelmshaven anzusiedeln. Das sind größtenteils privatwirtschaftliche Investitionen, die aber auch staatlicherseits sekundiert werden können.
Das von Ihnen angesprochene Angebot gab es im Zuge einer anderen Diskussion, was meines Wissens damals aber nicht zum Zuge kam. Dass der Bundeskanzler weiterhin davon überzeugt ist, dass Deutschland auch eigene LNG-Terminals haben soll, das stimmt.
FRAGE: Ich habe noch eine Frage zu Russland, wahrscheinlich an Herrn Burger. Großbritannien hat heute seine Bereitschaft erklärt, Sanktionen zu verhängen, und ist anders als einige andere Regierungen da spezifischer geworden und hat gesagt: Sanktionen gegen kremlnahe Personen, die mit einer möglichen Aggression gegen die Ukraine verbunden sind.
Deswegen hätte ich gerne gewusst: Gibt es da eine gemeinsame Absprache zwischen den westlichen Alliierten, jetzt doch über konkrete Sanktionen zu sprechen, oder ist das ein britischer Ausrutscher gewesen?
BURGER (AA): Ich werde das nicht weiter kommentieren. Die Art und Weise, wie wir uns dazu äußern, haben Sie in den vergangenen Wochen ja mitbekommen. Die Ministerin hat neulich in einem Interview auch noch mal klargemacht, dass uns die russische Seite nicht in die Karten schauen lässt und wir umgekehrt das genauso handhaben.
Dass es zwischen den Verbündeten im Rahmen der EU, mit den USA, mit Großbritannien, im G7-Kreis eine extrem enge Abstimmung zum Vorgehen bei der Erstellung solcher Sanktionspakete für den Fall einer erneuten russischen Aggression gegen die Ukraine gibt, haben wir in den letzten Wochen auch immer wieder unterstrichen.
Nuklearverhandlungen mit Iran
VORS. WELTY: Eine Frage an das Auswärtige Amt: Was genau wird als Grund für die stockenden Verhandlungen mit dem Iran gesehen: die Untätigkeit des Iran oder gar das Gegenteil ‑ etwa die fortdauernde Anreicherung von Uran, also eine Missachtung früherer, allerdings ja durch die USA aufgekündigter Vereinbarungen?
BURGER (AA): Vielen Dank. Ich nehme an, die Frage bezieht sich auf die Verhandlungen zur Wiederherstellung des JCPOA in Wien. Die achte Runde dieser Verhandlungen dauert seit Dezember an. Jetzt im Januar hatten wir die bislang intensivste Verhandlungsphase. Die Delegationen sind daraufhin zu Konsultationen in ihre Hauptstädte zurückgekehrt. Der Zeitpunkt der Fortsetzung wird wie üblich vom EAD als Koordinator des JCPOA bekanntgegeben. Wir haben mehrfach betont, dass wir nun in die finale Verhandlungsphase eintreten müssen. Damit werden natürlich auch weitreichende politische Entscheidungen notwendig, um die Verhandlungen zu einem Abschluss zu führen. Wir erwarten, dass wir bei der Rückkehr nach Wien die notwendigen substanziellen Fortschritte machen und zu einem Abschluss kommen können.
FRAGE: Herr Burger, kurz nachgefragt: Sie bzw. die Bundesregierung hatte mehrfach darauf hingewiesen, dass die Zeit ausläuft. Jetzt sprechen Sie von der „finalen Verhandlungsrunde“. Gibt es da einen Zeitraum, der für diese finale Runde angesetzt ist?
BURGER: Nein, ich habe ja gesagt: Der Zeitpunkt der Fortsetzung dieser Gespräche wird wie üblich vom EAD als Koordinator des JCPOA bekanntgegeben.
ZUSATZFRAGE: Mir ging es um die Phase, die danach kommt. Wenn der EAD die finale Runde aufruft, ist dann ein gewisser Zeitrahmen ‑ zwei Wochen, zwei Monate ‑ gesetzt? Wie gesagt, es gab ja immer wieder den Hinweis, dass die Zeit auslaufe. Irgendwann muss sie dann ja ausgelaufen sein.
BURGER: Auch dazu habe ich heute keine neuen Daten zu verkünden.
Auslieferung von Julian Assange an die USA
FRAGE: Ich hätte noch eine Frage zum Thema Assange. Herr Burger, ist der offene Brief der Schriftstellervereinigung PEN bei der Außenministerin angekommen?
Ich kenne ja die Haltung der Bundesregierung, dass man im Fall Assange auf das britische Justizsystem vertraut. Aber können Sie uns sagen, wie sich die Außenministerin persönlich für Herrn Assange einsetzt?
BURGER (AA): Ja, das kann ich Ihnen gerne sagen. Die Außenministerin hat sich gleich in den ersten Tagen nach ihrem Amtsantritt darüber auch mit ihrer britischen Amtskollegin unterhalten, weil ihr das Thema wichtig ist und weil sie weiß, dass es international große Aufmerksamkeit für dieses Thema gibt. An ihrer persönlichen Haltung dazu hat sich auch nichts geändert. Es ist derzeit so, dass der Fall nicht im Entscheidungsbereich der britischen Exekutive, der Regierung, sondern im Entscheidungsbereich der britischen Justiz liegt und dass deswegen die Verfahren der britischen Justiz diejenigen sind, in denen darüber bestimmt wird, wie es mit Herrn Assange weitergeht.
ZUSATZFRAGE: Ich hatte nach dem offenen Brief von PEN gefragt. Ist der angekommen?
Verbinden das Auswärtige Amt und die Bundesregierung den Fall Assange eigentlich mit dem Thema der Pressefreiheit?
BURGER: Es ist ja die Natur eines offenen Briefes, dass er öffentlich gemacht wird bzw. über die Öffentlichkeit kommuniziert wird. Insofern haben wir den natürlich zur Kenntnis genommen.
Zur Einordnung dieses Falls: Ich glaube, das ist eine Frage, die über die Frage des Regierungshandelns hinausgeht. Ich habe Ihnen gesagt, dass sich die Außenministerin darüber mit ihrer britischen Amtskollegin bereits unterhalten hat. Natürlich sind bei der Bewertung dieses Falls ‑ das war ja auch bisher in den Gerichtsverhandlungen in Großbritannien der Fall ‑ zum einen die Frage des Gesundheitszustands von Herrn Assange und humanitäre Aspekte zu berücksichtigen gewesen, zum anderen natürlich auch menschenrechtliche Aspekte. Sie wissen, dass Großbritannien ein Unterzeichner der europäischen Menschenrechtskonvention ist und sich dadurch selbst auch an deren Standards gebunden hat. Deswegen gehen wir selbstverständlich davon aus, dass diese Garantien von der britischen Justiz entsprechend berücksichtigt werden.
FRAGE: Herr Hebestreit, heute haben eine Reihe von Journalistenorganisationen an Bundeskanzler Scholz appelliert, er möge sich bei seinem Treffen mit Joe Biden dafür einsetzen, dass die US-Anklage gegen Julian Assange fallengelassen werde. Dies würde einer wertebasierten Außenpolitik entsprechen, der sich die Bundesregierung verpflichtet hat, weil bei einer weiteren Aufrechterhaltung der Verfolgung und Anklage dies eben negative Signale wären, zum Beispiel für die Arbeit von Whistleblowern, deren Nutzen ja auch die Bundesregierung erkennt. Wird sich der Kanzler diesem Appell anschließen? Wird er ihn vertreten?
HEBESTREIT (BReg): Ich kenne diesen Appell nicht, sage aber grundsätzlich: Das würde ja nahelegen, dass das ein politisches Verfahren ist, das in den USA unter Einfluss des amerikanischen Präsidenten oder der amerikanischen Administration geführt wird, kein rechtliches Verfahren. Damit, dieser Grundlage zu folgen, tue ich mich schwer. Aber, wie gesagt, was der Bundeskanzler jetzt in der kommenden Woche, wenn er in Washington auf Joe Biden treffen wird, genau ansprechen wird, wird sich erst in den nächsten Tagen zurechtrütteln.