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Erklärungen des Auswärtigen Amts in der Regierungs­­­pressekonferenz vom 24.01.2022

24.01.2022 - Artikel

Ukraine-Konflikt

FRAGE: Ich weiß nicht genau, an welches Ministerium ich mich wenden soll. Die Frage lautet: Die USA schätzen die Lage in der Ukraine als sehr dramatisch ein und holen ihre Botschaftsangehörigen schon zurück. Wie sieht die Bundesregierung das? Wie lautet die Einschätzung der Bundesregierung?

Zweitens: Vitali Klitschko wirft Deutschland praktisch unterlassene Hilfeleistung vor. Wie sehen Sie das?

HOFFMANN (BReg): Vielen Dank erst einmal und schönen guten Tag! Ich würde sagen, für die Frage der Botschaftsangehörigen gebe ich an das AA ab. Ich äußere mich dann aber auch gern noch allgemein.

BURGER (AA): Vielen Dank. Diese Frage ist der Außenministerin auch heute Morgen in Brüssel vor Beginn des Treffens der Außenministerinnen und Außenminister der Europäischen Union gestellt worden. Sie hat dazu gesagt, dass wir die Lageentwicklung in der Ukraine natürlich in enger Abstimmung mit unseren Verbündeten dort sehr genau beobachten und uns natürlich auch konstant Gedanken darüber machen, was das für die Sicherheit unserer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter und unserer Landsleute vor Ort bedeutet.

Heute findet im Auswärtigen Amt auch eine Krisenvorsorgesitzung zu diesem Thema statt. Falls es dazu einen neuen Sachstand zu berichten geben sollte, werden wir das natürlich gern tun.

HOFFMANN: Allgemein kann ich nur ergänzen, dass wir in einem vertrauensvollen und sehr engen ständigen Dialog mit der ukrainischen Regierung stehen. Es gibt sehr viele Übereinstimmungen, aber eben auch Differenzen in den bekannten Positionen. Aber dieser Dialog steht auf einem sehr beständigen Fundament.

ZUSATZFRAGE: Was sagen Sie zu den Vorwürfen von Herrn Klitschko?

HOFFMANN: Das war die Antwort auf die Frage nach den Vorwürfen von Klitschko.

VORS. BUSCHOW: Ein Kollege fragt: Die Amerikaner schickten tödliche Waffen in die Ukraine. Bedeutet das, dass Washington eine Kugel auf die Verständigung mit Moskau abfeuert? ‑ So formuliert er es. ‑ Wie steht die Bundesregierung zu dieser Politik?

HOFFMANN: Die Bundesregierung hat ihre Haltung gegenüber Waffenlieferung, vor allem gegenüber der Lieferung letaler Waffen in die Ukraine nicht verändert. Sie erteilt im Hinblick auf den Konflikt in der Ukraine keine Genehmigung für die Lieferung letaler Kriegswaffen.

Sie sieht natürlich, dass Verbündete eine andere Position haben und das auch anders handhaben, aber ihre Haltung ist unverändert.

FRAGE: Guten Tag! Das Auswärtige Amt, die Ministerin, hat gesagt, man kritisiere es nicht, wenn andere Länder Waffen lieferten. Nun werden aber aufgrund des Vetos Deutschlands keine Haubitzen geliefert. Die Finnen würden dem nicht entgegenstehen.

Ist es nicht ein Widerspruch, einerseits den anderen einzuräumen, zu machen, wie sie denken, und andererseits auf dem Umwege zu verhindern?

HOFFMANN: Ich möchte dazu kurz etwas sagen. Wenn ich Sie richtig verstanden habe, dann sagen Sie, es würden keine Haubitzen geliefert. Tatsächlich aber hat die Bundesregierung in dieser Sache noch keine Entscheidung getroffen. Nur um die falsche Voraussetzung, die in der Frage steckte, zu entkräften.

VORS. BUSCHOW: In diese Richtung hat auch ‑ das nehme ich einmal dazwischen – ein Kollege gefragt. Er fragt, ob eine Entscheidung schon gefallen sei bzw. für wann sie erwartet werde. Vielleicht können Sie das noch ergänzen.

HOFFMANN: Ich kann es nicht präzise sagen, aber es handelt sich nicht um Monate.

FRAGE: Das Verteidigungsministerium hat sich in sehr explizierter Weise von den Äußerungen des Admirals Schönbach distanziert und gesagt, sie entsprächen in keiner Form der Position der Bundesregierung. Die Quintessenz seiner Aussage war ja, Russland verlange Respekt, und es koste nicht viel, Russland diesen Respekt zu geben und Russland auf Augenhöhe zu begegnen.

Können Sie präzisieren, welche Aussagen von ihm tatsächlich nicht der Position der Bundesregierung entsprechen und ob es tatsächlich um diese Aussage bezüglich des Respekts in Bezug auf Russland ging?

THIELS (BMVg): Ich habe den Äußerungen, die wir schon über das Wochenende gemacht haben, eigentlich nichts hinzuzufügen. Sowohl in Wortwahl als auch in Inhalt entsprachen die Äußerungen Herrn Schönbachs in keiner Weise der Haltung der Bundesregierung, die Sie ja hinlänglich kennen. Dem kann ich hier eigentlich nichts hinzufügen.

ZUSATZFRAGE: Aber ich habe nach einer Konkretisierung gefragt. Er hat gesagt: Russland mehr Respekt geben; die Krim sei de facto erst einmal in den Händen Russlands ‑ das ist ja eine rein faktische Feststellung ‑, und Russland hätte kein Interesse daran, den Donbass zu besetzen.

Das sind die drei Positionen. Welche dieser drei Positionen ‑ zwei davon eher faktische Feststellungen ‑ entsprechen in keiner Weise, wie es das Bundesverteidigungsministerium formuliert hat, der Position der Bundesregierung?

HOFFMANN: Ich würde gern noch einmal im Namen der gesamten Bundesregierung bekräftigen, was der Kollege gesagt hat, dass sich die Bundesregierung ausdrücklich von den Äußerungen des Inspekteurs der Marine vom Freitag distanziert. Das ist nicht die Haltung der Bundesregierung. Die Bundesregierung hat eine klare Haltung, insbesondere was die Krim und die Achtung des internationalen Rechts angeht. An dieser Haltung kann es gar keinen Zweifel geben.

FRAGE: Wenn ich es richtig verstanden habe, dann gibt es jetzt erst einmal übergangsweise einen Nachfolger des Marineinspekteurs. Wann wird über eine dauerhafte Lösung entschieden, und auf welchem Wege passiert das?

THIELS: Natürlich kann die Marine nicht dauerhaft in dieser Zwischenphase bleiben. Natürlich muss darüber entschieden werden, wer der nächste Inspekteur der Deutschen Marine wird. Aber dafür nehmen wir uns genügend Zeit und werden mit den entsprechenden Kandidaten, die von ihrem Verwendungsaufbau, ihrer Erfahrung und ihrer Eignung her infrage kommen, Gespräche führen. Dann wird es einen Vorschlag geben, und dann wird die Ministerin darüber entscheiden. Das kann aber noch ein bisschen dauern. Das werden wir nicht übers Knie brechen.

FRAGE: Herr Thiels, hat Herr Schönbach gegen Soldatengesetz verstoßen? War das eine politische Äußerung nach § 15?

Noch eine zweite Frage: Einige NATO-Mitgliedsstaaten verstärken ihre Militärpräsenz in Osteuropa. Ist die Bundeswehr daran indirekt oder direkt beteiligt

THIELS: Ich beginne gern mit der zweiten Frage. Das kann ich schnell beantworten. Wir werden bereits im Februar in der NATO Air Policing South in Rumänien unser Engagement verstärken. Das ist allerdings schon länger geplant und wird jetzt durchgeführt. Die Kräfte werden, wenn ich es richtig im Kopf habe, am 22. Februar eingemeldet. Sollte dieses Datum nicht stimmen, würde ich es Ihnen nachliefern, aber ich bin ziemlich sicher.

Zu ihrer ersten Frage: Sie kennen den Satz von uns in Sachen Zurruhesetzung: Zu einzelnen Personalangelegenheiten darf ich mich hier nicht äußern. ‑ Ich kann Ihnen aber natürlich generell ein paar Dinge dazu sagen, wie in solchen Fällen vorgegangen wird. Vorabschicken möchte ich, dass Vizeadmiral Schönbach selbstständig um Entbindung von seinen Aufgaben gebeten hat. Dem hat die Ministerin entsprochen. Sie hat übrigens heute auch noch einmal ein persönliches Gespräch mit ihm geführt.

Wie schon gesagt, entsprechen seine Äußerungen in Indien in keiner Weise der Haltung des BMVg und auch nicht ‑ das hat die Stellvertretende Regierungssprecherin eben schon gesagt ‑ der Haltung der Bundesregierung. Auch Herr Schönbach selbst hat sich dazu schon eingelassen. Das konnten Sie in einer Pressemitteilung der Marine schon am Wochenende nachlesen. Deswegen ist es aus Sicht des BMVg der einzig richtige Schritt, dass er um Entbindung von seinen Aufgaben nachgesucht hat. Die Ministerin hat, wie gesagt, heute noch einmal mit ihm gesprochen. Sie hat ihm für seinen Dienst gedankt und ihm alles Gute gewünscht.

Was die grundsätzlichen Fragen einer Zurruhesetzung und Ähnliches betrifft, gibt es verschieden Möglichkeiten, wann der Dienstherr jemanden zur Ruhe setzen kann, etwa das Erreichen der Altersgrenze oder Ähnliches. Aber es kann natürlich auch allgemeine strukturelle Erwägungen geben, die zum Beispiel sachlich oder in der Person des Soldaten begründet sind, zum Beispiel eine fehlende Eignung oder auch Zweifel an der Dienstausübung in Übereinstimmung mit der Politik der Bundesregierung.

Jetzt können Sie für sich selbst überlegen, ob das auf diesen Fall passt oder nicht. Aber das sind die rechtlichen Voraussetzungen. Zu den Details können wir gern noch bilateral miteinander sprechen. Aber das ist relativ kompliziert. Ich bin kein Jurist. Deswegen würde ich Sie dazu gern in die Hände meiner Fachleute geben.

VORS. BUSCHOW: Ein Kollege fragt online: Sind die Waffenlieferungen der USA, Englands und der Türkei indirekt oder direkt an die Ukraine hinnehmbar oder kontraproduktiv?

Eine Frage eines weiteren Kollegen nehme ich dazu. Er schreibt: Die Ministerin sagte, Waffenlieferungen an die Ukraine seien nicht hilfreich. Für wen konkret sind sie nicht hilfreich und warum nicht? ‑ Auch das richtet sich wahrscheinlich an das Verteidigungsministerium, zumindest die zweite Frage.

THIELS: Damit kann ich gleich anfangen. Ich habe den sehr klaren Äußerungen der Ministerin in dem Fall nichts hinzuzufügen. Sie stehen für sich und sind, denke ich, eindeutig auf Linie der Bundesregierung, auch auf Linie dessen, was im Koalitionsvertrag steht.

HOFFMANN: Was die Praxis befreundeter Nationen angeht, habe ich mich eben im Grunde schon geäußert. Das nimmt die Bundesregierung zur Kenntnis und sieht, dass unterschiedliche Bündnismitglieder ihre Zusammenarbeit mit der Ukraine in verschiedenen Ausprägungen betreiben.

BURGER: Ich möchte noch hinzufügen, dass wir uns im Bündnis natürlich sehr, sehr einig sind. Das ist heute beim Rat der EU-Außenministerinnen und ‑Außenminister auch wieder zum Ausdruck gekommen, aber beispielsweise auch in den Äußerungen beim Besuch des amerikanischen Außenministers vergangene Woche. Wir als westliche Gemeinschaft, als Europäische Union, als transatlantisches Bündnis stehen geschlossen hinter der territorialen Unversehrtheit und Souveränität der Ukraine, weisen russische Drohmanöver zurück und haben alle gemeinsam sehr, sehr unmissverständlich deutlich gemacht, dass jede weitere Aggression gegen die Ukraine einen hohen Preis kosten würde.

FRAGE: Herr Thiels, noch einmal zum Vorgang mit dem Admiral: Sie sagten jetzt ‑ das hat auch die Regierungssprecherin noch einmal bestätigt ‑, das, was er da geäußert habe, sei keine Position der Bundesregierung. Aber haben Sie Erkenntnisse darüber, ob das, was er da kundgetan hat, innerhalb der Bundeswehr eine weiter verbreitete Ansicht ist? Denn er hat das ja ‑ man sieht es auf dem Video ‑ sehr selbstbewusst vorgetragen, so nach dem Motto, dass sich das alles doch von selbst verstehe. Oder können Sie sicher sein, dass das einfach eine exotische Einzelmeinung war?

THIELS: Wir erheben keine Statistiken darüber, wer in der Bundeswehr welche private Meinung vertritt. Wir bekommen immer nur dann Erkenntnisse darüber, wenn diese öffentlich vertreten wird. Ich habe jetzt keine Erkenntnisse über Prozentzahlen oder was auch immer. Er hat für sich gesprochen. Aber er ist eben in einer besonderen Stellung. Deswegen hat das zu Recht eine besondere Aufmerksamkeit bekommen und auch zu den entsprechenden Konsequenzen geführt.

Man muss auch sagen: Es ist vielleicht auch ein Unterschied, wenn ein Obergefreiter irgendwo in der Fläche in Deutschland eine politische Meinung hat. Sie muss natürlich im Rahmen dessen sein, was unsere freiheitlich-demokratische Grundordnung vorsieht. Aber es ist etwas völlig anderes, wenn sich der Inspekteur der Marine oder ein Mensch in einer ähnlich herausgehobenen Position klar und deutlich gegen die Linie der Bundesregierung oder auch der NATO stellt. Das ist in diesem Fall geschehen.

ZUSATZFRAGE: Jetzt hat das trotz dieses Rücktritts politisch doch einen relativ starken Flurschaden angerichtet. Gibt es seitens der Bundesregierung Versuche, diesen Flurschaden auch gerade mit Blick auf die Ukraine zu beheben, oder meinen Sie, dass mit dem Rücktritt jetzt sozusagen der ganze Fall erledigt ist und die Ukraine sich sozusagen unnötig aufregt?

BURGER: Die Außenministerin war ja in der vergangenen Woche in Kiew und hat dort die Haltung der Bundesregierung sehr, sehr deutlich gemacht. Insbesondere zur Krim ist das in der Pressekonferenz mit ihrem ukrainischen Außenministerkollegen noch einmal sehr deutlich geworden, weil dort der ukrainische Außenminister selbst verkündet hat, dass Deutschland in der Krim-Plattform der Ko-Vorsitz für das Thema Nichtanerkennungspolitik übernimmt. Insofern kennt die ukrainische Führung unsere Haltung dazu sehr gut. Wir werden natürlich weiter unsere diplomatischen Kanäle in die Ukraine nutzen, um das, wo nötig, deutlich zu machen.

VORS. BUSCHOW: Eine Frage online: Welche Kosten entstehen der Staatskasse durch den vorzeitigen Ruhestand?

THIELS: Das kann ich an dieser Stelle nicht beziffern. Wenn wir dazu etwas nachliefern können, tun wir das. Aber das kann ich jetzt nicht aus dem Handgelenk beziffern.

FRAGE: Frau Hoffmann, Sie haben eben die Position der Bundesregierung, was Waffenlieferungen angeht, klargemacht. Ich hätte ganz gerne gewusst, ob das eine Position ist, die jetzt gilt oder auch für den Fall, dass es eine Aggression gibt. Könnte die Ukraine also für den Fall, dass Russland die Ukraine angreifen sollte, mit deutschen Waffenlieferungen rechnen?

HOFFMANN: Zunächst tun wir ja vonseiten der Bundesregierung, insbesondere des Bundeskanzlers, wirklich alles, um eine solche Eskalation zu verhindern. Für den Fall, dass es zu einer russischen Intervention oder eines wie auch immer gearteten Eindringens auf ukrainisches Territorium kommt, bereitet die Bundesregierung gemeinsam mit ihren Verbündeten eine Reihe von Maßnahmen vor, die wir jetzt hier aber im Einzelnen nicht besprechen.

ZUSATZFRAGE: Dabei geht es ja vor allem um Sanktionen. Aber Waffenlieferungen fallen ja jetzt nicht direkt unter die Kategorie „Sanktionen“. Kann die Ukraine im Fall einer Aggression mit deutscher Hilfe rechnen?

HOFFMANN: Deutschland hat sich ja bereits bereiterklärt, in sehr kurzer Zeit ein Feldlazarett an die Ukraine zu liefern. Über weitere Pläne oder auch Spekulationen über die Frage „Was wäre, wenn ...?“ kann ich hier nichts sagen.

FRAGE: Frau Hoffmann, Herr Thiels, trifft es dazu, dass dieses Feldlazarett von Deutschland bezahlt wird, tatsächlich aber mit Personal aus Estland aufgebaut und betrieben wird?

THIELS: Ja, das trifft zu. Wir bezahlen. Wir machen das gemeinsam mit unseren estnischen Partnern bzw. wir koordinieren das mit ihnen. Wir bezahlen das Feldlazarett, und die Esten sind sozusagen für die Abwicklung zuständig. Das ist ein gutes Beispiel für die gute Kooperation, die wir mit den baltischen Ländern haben.

ZUSATZFRAGE: Das heißt, das Deutsche an diesem Feldlazarett ist eigentlich die bezahlte Rechnung?

THIELS: Wenn Sie das so sehen.

Das gibt mir die Gelegenheit, vielleicht etwas hinzuzufügen. Das ist nämlich auch nicht ganz uninteressant.

Wir sind zum Beispiel seit Beginn dieses Konflikts dabei, schwerstverletzte Soldatinnen und Soldaten und Angehörige der Sicherheitskräfte der Ukraine in Deutschland zu behandeln, die in der Ukraine nicht in dem Maße medizinisch behandelt werden können, wie das vielleicht wünschenswert wäre. Inzwischen sind in deutschen Militärkrankenhäusern 155 schwerstverletzte Menschen in dieser Art und Weise behandelt worden. Es ist nicht so, dass wir uns irgendwie zurücklehnen würden, sondern wir sehen schon, dass wir das tun, was wir tun können.

VORS. BUSCHOW: Es gibt zum Thema „Panzerhaubitzen“ eine Nachfrage eines Kollegen. Er fragt, ob die Ankündigung einer Entscheidung so verstanden werden kann, dass die bisher geäußerte Haltung, dass keine Waffen in die Ukraine geliefert werden sollen, noch einmal überdacht wird.

Er fragt als Zusatz: Ist denn eine andere Antwort an Estland als „Nein“ vorstellbar?

HOFFMANN: Wie gesagt, es ist bisher dazu keine Entscheidung getroffen worden. Es geht ja in diesem Fall nicht um deutsche Waffenlieferungen, sondern um Waffenlieferungen aus Estland, das um eine Genehmigung ersucht hat, diese Waffen zu liefern. Aber die Entscheidung steht noch aus. Mehr kann ich dazu nicht sagen.

FRAGE: Ist eine Haubitze keine letale Waffe, Frau Hoffmann?

HOFFMANN: Die Entscheidung über die Lieferung von Haubitzen aus Estland steht noch aus.

ZUSATZ: Ich will nichts über Entscheidungen wissen, sondern ob eine Haubitze eine letale Waffe ist.

HOFFMANN: Eine Haubitze ist eine letale Waffe.

ZUSATZFRAGE: Ich würde kurz zur Causa Schönbach zurückkommen. Das Bundesverteidigungsministerium hat sich geweigert, zu konkretisieren, was tatsächlich die Positionen von ihm waren, die gegen die Position der Bundesregierung stehen. Frau Hoffmann hat das wiederum kritisiert und hat gesagt, es ginge um die völkerrechtliche Verortung der Ukraine. Jetzt hat aber Herr Schönbach das in keiner Form irgendwie politisch oder völkerrechtlich bewertet, sondern lediglich die De-facto-Feststellung gemacht: Die Ukraine ist weg und wird auch nicht wiederkommen, außer man erobert sie.

HOFFMANN: Sie meinen nicht, dass die Ukraine weg ist und nicht wiederkommen wird, sondern die Krim. Entschuldigung, wenn ich das ‑ ‑ ‑

ZURUF: Entschuldigung, die Krim! Ich weiß, andere werden jetzt etwas von Freud sagen. Was ich damit sagen wollte ‑ ‑ ‑ ‑

VORS. BUSCHOW: Schöner wäre es noch, Sie würden eine Frage stellen.

ZUSATZ: Die stelle ich auch. Ohne meinen Fauxpas hätte ich die jetzt auch schon formuliert.

Wie gesagt, er stellt in seiner Ausführung in keiner Form völkerrechtlich oder politisch die Verortung der Ukraine infrage, sondern er sagt lediglich „Sie ist de facto weg und wird so schnell auch nicht wiederkommen“, mit der Implikation „außer man erobert sie militärisch“. Mich würde interessieren: Was ist an dieser von ihm so dargelegten Feststellung aus Sicht der Bundesregierung falsch? Es war, wie gesagt, in keiner Form eine politische oder völkerrechtliche Feststellung, die er getroffen hat.

HOFFMANN: Mir kommt es so vor, als hätten Sie diese Frage vor zehn Minuten schon einmal gestellt. Ich habe sie auch schon beantwortet.

THIELS: Ich habe auch den Ausführungen der stellvertretenden Regierungssprecherin und dem, was ich gesagt habe, eigentlich nichts hinzuzufügen. Ich hatte Ihre Nachfrage schon beim ersten Mal verstanden. Aber ich bleibe bei meiner Aussage.

ZUSATZFRAGE: Die Aussagen von Herrn Schönbach in Indien wurden wiederum von den indischen Counterparts voll umfänglich bestätigt. Sie sagten: Wir können ihm nicht mehr als zustimmen. Russland ist auch für uns ein wichtiger strategischer Partner und einer der engsten Freunde. ‑ Das waren sozusagen die Originalaussagen der Inder.

Jetzt würde mich interessieren: Plant das Auswärtige Amt oder das Bundesverteidigungsministerium, sich aufgrund dieser voll umfassenden Zustimmung der indischen Seite in Bezug auf die Ausführungen auch von dieser Zustimmung der indischen Seite zu distanzieren? Das wäre in gewisser Weise ja konsequent.

HOFFMANN: Nein. Die Bundesregierung distanziert sich nicht von etwas, was die indische Regierung sagt. Das ist ja ‑ ‑ ‑ Nein, die Bundesregierung distanziert sich nicht von den Indern.

ZURUF: (ohne Mikrofon; akustisch unverständlich)

BURGER: Die Antwort ist die gleiche. Ich werde hier nicht angebliche Äußerungen von indischen Vertretern, die Sie so interpretieren, kommentieren. Das ist nicht meine Aufgabe.

ZURUF: (ohne Mikrofon; akustisch unverständlich)

VORS. BUSCHOW: Ich habe wirklich noch eine lange Liste. Und es kann sich nicht nur um Sie drehen. Es tut mir leid. ‑ Habe ich Sie jetzt unterbrochen, Herr Burger?

BURGER: Ich wollte nur einmal sagen: Wir sind hier wirklich seit Wochen dabei, die Haltung der Bundesregierung Sachen Russland/Ukraine zu verdeutlichen. Ich glaube, diese ist hier sehr, sehr klar geworden. Wir werden hier nicht jedes Video im Detail kommentieren, das Sie uns vorhalten.

VORS. BUSCHOW: Eine Frage an das Bundesverteidigungsministerium zum Fall Schönbach: Wird Bundesministerin Lambrecht nach der Bitte von Vizeadmiral Schönbach, von den Ämtern entbunden zu werden, beim Bundespräsidenten die Versetzung des Offiziers in den einstweiligen Ruhestand beantragen?

THIELS: Sie wird das nach dem üblichen Prozedere durchführen.

VORS. BUSCHOW: Das heißt einstweiliger Ruhestand? Ich glaube, darauf zielt die Frage.

THIELS: Das ist das normale Prozedere. Ich kann Herrn Gebauer gerne bilateral die genauen Details des Verfahrens erläutern.

FRAGE: Zurück zum Thema Waffenlieferungen. Frau Hoffmann, die Ukraine hat im Nachgang zu dem Fall Schönbach die Bitte nach Defensivwaffen erneuert und hat auch von Wiedergutmachung gesprochen. Um das noch einmal festzuhalten: Auch in puncto Lieferung von Defensivwaffen hat sich die Haltung gar nicht geändert?

HOFFMANN: Die Haltung der Bundesregierung hat sich nicht geändert. Ich habe dazu keinen neuen Stand für Sie.

ZUSATZFRAGE: Nicht zum Thema Waffen, sondern zum Normandie-Format, das ja, wie wir wissen, ein Herzensanliegen der Bundesregierung ist. Ich wollte das Auswärtige Amt fragen, ob es bestätigen kann, dass es am Mittwoch auf Direktorenebene ein Treffen dazu geben wird und ob irgendwann auch ein Ministertreffen avisiert ist.

BURGER: Ich habe für den Geschäftsbereich des Auswärtigen Amtes hier keine Terminankündigung zu machen.

HOFFMANN: Ich glaube, das ist vielleicht ein Missverständnis. Das Treffen, über das seit mehreren Wochen gesprochen wird, findet nicht auf Direktorenebene des Auswärtigen Amtes statt, sondern der außen- und sicherheitspolitischen Berater. In diesem Fall wäre das Herr Plötner. Man ist im Moment in sehr intensivem Gespräch und auch zuversichtlich, dass in Kürze ein solches Treffen stattfinden wird. Man ist gerade in den letzten Finalisierungen des Termins.

FRAGE: Es gab am Wochenende öffentlichen Protest oder Missfallensbekundungen aus der Ukraine. Ich wollte fragen, ob die Bundesregierung auch offiziellen Protest aus Kiew erreicht hat, was die Äußerungen des Admirals angeht, aber auch zum Beispiel bezüglich des Falls der möglichen Waffenlieferungen aus Estland. Hat sich die ukrainische Regierung also auch offiziell bei der Bundesregierung beschwert?

Hat das deutsch-ukrainische Verhältnis unter den Ereignissen der letzten Tage gelitten?

BURGER: Es ist in den Medien in den letzten Tagen schon berichtet worden, dass unsere Botschafterin in Kiew am Wochenende vom ukrainischen Außenministerium zu einem Gespräch gebeten wurde. Dabei ging es um die Äußerungen von Herrn Schönbach.

Im Übrigen stehen wir natürlich mit der Ukraine in einem ständigen sehr engen Austausch, gerade in einer solchen Phase. Wie gesagt, die Außenministerin war ja gerade erst in der vergangenen Woche persönlich vor Ort in Kiew, genau um dort unsere Solidarität zu zeigen und klarzumachen, dass wir uns mit einer sehr klaren Haltung in diesem Konflikt positionieren.

Diese enge Absprache wird natürlich auch weitergehen. Die Außenministerin hat auch angekündigt, dass es für sie Pläne gibt, gemeinsam mit ihrem französischen Amtskollegin erneut die Ukraine zu besuchen und die Kontaktlinien im Donbass zu besuchen, um sich dort selbst ein Bild von der humanitären Lage der Bevölkerung vor Ort zu verschaffen. Ich glaube, auch das ist ein sehr deutliches Zeichen dafür, wie ernst wir unsere Verantwortung innerhalb Europas nehmen, hier zu einer Konfliktlösung beizutragen.

VORS. BUSCHOW: Eine Frage online gestellt von einem Kollegen. Er fragt das Auswärtige Amt oder die Regierungssprecherin: Hat die Bundesregierung gegen die NS-Bezüge in ukrainischen Beurteilungen der deutschen Haltung im Konflikt zwischen Russland und der Ukraine protestiert bzw. um Erklärung gebeten?

HOFFMANN: Mir ist jetzt gerade nicht präsent, worauf er sich bezieht.

BURGER: Mir auch nicht. Wenn das noch einmal präzisiert werden könnte, könnte ich gerne versuchen, eine Antwort dazu nachzureichen.

Im Übrigen ist es natürlich so, dass wir hier nicht im Einzelnen über Inhalte vertraulicher Gespräche Auskunft geben.

FRAGE: Ich hätte noch eine Frage zur NATO an Frau Hoffmann und vielleicht auch an das AA und das BMVg. Dieser verstärkten NATO-Präsenz in Osteuropa liegt ja offenbar eine veränderte Lagebeurteilung zugrunde. Anders konnte man Herrn Stoltenberg ja auch gar nicht verstehen. Meine Frage ist: Welche Informationen hat die Bundesregierung? Teilen Sie diese Lagebeurteilung? Anders gefragt: Ist die Wahrscheinlichkeit eines Krieges in Europa in den letzten Stunden und Tagen größer geworden?

HOFFMANN: Die Bundesregierung ‑ vielen Dank für die Frage ‑ ist sehr besorgt über die Situation an der ukrainischen Grenze sowie über das russische Vorgehen in den letzten Tagen und auch schon den letzten Wochen. Wir stehen im ständigen Dialog mit den Verbündeten in der EU ‑ natürlich auch transatlantisch ‑ über die angemessene Reaktion auf diesen Truppenaufmarsch und die Manöver in Belarus. Wir werden diese Beratungen auch in dieser Woche fortsetzen. Ich kann konkreten Ergebnissen jetzt nicht in irgendeiner Weise vorgreifen, aber wie befinden uns da im intensiven Gespräch.

FRAGE: Frau Hoffmann, ganz kurz zu Estland und diesen Haubitzen: Könnten Sie noch einmal erklären, was jetzt eigentlich genau geprüft wird? Das beinhaltet auch die Frage, aus welchem rechtlichen Grund Deutschland eigentlich überhaupt die Lieferung von Haubitzen aus Estland in die Ukraine verbieten oder blockieren kann. Wenn ich eine Meldung vom Wochenende richtig verstanden habe, dann wäre es ja falsch, dass die Bundesregierung diese Lieferung blockiert. Richtig?

HOFFMANN: Wir kommentieren Medienberichte prinzipiell nicht, aber, wie gesagt, die Bundesregierung prüft das. Für die Details würde ich gerne an das BMWK oder das BMVg verweisen.

THIELS: Die rechtlichen Rahmenbedingungen, glaube ich, kennen die Kollegen aus dem Wirtschaftsministerium besser als ich.

UNGRAD (BMWK): Die rechtlichen Rahmenbedingungen müsste ich nachreichen, die kann ich Ihnen jetzt nicht nennen. Ansonsten gilt für uns auch das, was die stellvertretende Regierungssprecherin gesagt hat.

ZUSATZFRAGE: Das liefern Sie noch einmal nach, ja? Das ist nämlich eine wichtige Frage.

UNGRAD: Wenn wir etwas nachliefern können, dann liefere ich das nach, wenn das bei uns liegt. Ich schreibe es mit auf.

THIELS: Vielleicht kann ich kurz noch etwas ergänzen: Ich glaube ‑ wirklich ungeschützt; ich bin kein Jurist ‑, das hat mit Endverbleibsklauseln zu tun. Immer wenn aus Deutschland Rüstungsexporte stattfinden ‑ ‑ ‑ In diesem Fall handelt es sich ja um Haubitzen aus früheren Beständen der Nationalen Volksarmee der DDR, die an Finnland geliefert worden sind. Bei solchen Rüstungsgeschäften ging es zumindest in der Vergangenheit darum, dass das Empfängerland die dann nicht sozusagen ohne eine Genehmigung des Geberlandes weitergeben kann. Das ist schon einmal geschehen, von Finnland nach Estland, und dem hat Deutschland zugestimmt. Jetzt steht eben die Entscheidung aus, diese Haubitzen von Estland an die Ukraine zu liefern. Aber darüber findet die Ressortabstimmung statt, und auch die Finnen müssen sich da schütteln und sehen, wie sie das machen wollen. Da gibt es also tatsächlich noch keine Entscheidung.

ZUSATZFRAGE: Kann man sagen, wie diese Klausel oder dieses Gesetz oder die Regelung hieß?

THIELS: Ich glaube, das ist eine Endverbleibserklärung. Aber das Wirtschaftsministerium kann Ihnen sicherlich, wenn Sie dort noch einmal nachfragen, die exakten Details liefern.

BURGER: Ich kann Ihnen mitteilen, dass, während wir hier gesprochen haben, entschieden worden ist, dass für die Familienangehörigen der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter unserer Auslandsvertretungen in der Ukraine und genauso auch für die Familienangehörigen von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern deutscher Organisationen in der Ukraine ‑ also beispielsweise des Goethe-Instituts, des DAAD, der GIZ ‑ die Möglichkeit zur freiwilligen Ausreise aus der Ukraine eingeräumt wird. Das heißt, wenn Familienangehörige die Ukraine verlassen möchten, dann werden die Reisekosten dafür vom Auswärtigen Amt bzw. von den Arbeitgebern getragen. Das ist eine Maßnahme, die wir treffen, um die Sicherheit der Menschen, für die wir dort Verantwortung tragen, zu gewährleisten. Gleichzeitig stellen wir weiterhin die Arbeitsfähigkeit unserer Vertretungen in der Ukraine sicher. Unsere diplomatische Präsenz brauchen wir vor Ort auch weiterhin, um der Ukraine in dieser Situation zur Seite zu stehen.

ZUSATZFRAGE: Können Sie das kurz erklären? Wenn ich es richtig verstehe, dann ist das jetzt keine Aufforderung, sondern man ermöglicht das denen einfach. Geht das weiter als das, was die US-Regierung für die Familienangehörigen von Botschaftsmitarbeitern gemacht hat, oder ist das praktisch mit der Maßnahme identisch?

BURGER: Ich glaube, diesen Vergleich anzustellen, müsste ich Ihnen selbst überlassen. Ich würde, glaube ich, meine Kompetenzen überschreiten, wenn ich jetzt interpretieren würde, was genau die Maßnahmen der USA sind. Für Deutschland haben wir, wie gesagt, angeordnet, dass die Möglichkeit zur freiwilligen Ausreise ‑ noch einmal: nicht für Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, sondern für die Familienangehörigen der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter ‑ geschaffen wird.

ZUSATZFRAGE: Aber es gäbe theoretisch noch die Steigerung, dass Familienangehörige dazu angewiesen werden, auszureisen. Richtig?

BURGER: Genau. Es gibt noch durchaus weitere Maßnahmen, die man treffen könnte. Aus unserer Sicht ist in der Situation und in der Abwägung der Verantwortung für das Wohl der Menschen, für die wir dort Verantwortung tragen, dies der angemessene Schritt.

FRAGE: Herr Burger, haben Sie eine Zahl, wie viele Menschen davon betroffen sein könnten?

BURGER: Das müsste ich Ihnen nachreichen, falls wir so eine Zahl haben. Ich könnte es wahrscheinlich nur für die Angehörigen des Auswärtigen Amtes selbst sagen. Analog wird das dann von den deutschen Mittlerorganisationen gehandhabt, die dort im staatlichen Auftrag tätig sind.

Da es eine Möglichkeit zur freiwilligen Ausreise ist, sagt das natürlich noch nicht sehr viel darüber aus, wie viele Menschen dann tatsächlich von dieser Möglichkeit Gebrauch machen möchte. Das hängt dann natürlich auch immer von der individuellen Gefährdungswahrnehmung, von den persönlichen Umständen etc. ab.

Auslieferung von Julian Assange an die USA

FRAGE: Dies ist eine Frage zum Thema Assange. Es wird berichtet, dass der Einspruch oder Widerspruch der Assange-Verteidiger angenommen wurde. Das geht jetzt in England vor den Supreme Court. Das wird ein möglicherweise sehr offenes, langes Verfahren. Setzt sich die Bundesregierung angesichts der gesundheitlichen Situation Julian Assanges dafür ein, dass Hafterleichterung oder Haftverschonung gewährt wird?

BURGER (AA): Ich habe diese Tickermeldung während der laufenden Regierungspressekonferenz gerade auch gesehen. Ich habe deswegen jetzt auch noch keine vertiefte Bewertung dazu vorliegen. Mein Verständnis ist, dass der Fall damit weiterhin in den Händen der britischen Justiz liegt. Insofern würde ich Sie auf das verweisen, was ich dazu in der Vergangenheit hier an dieser Stelle gesagt habe. Ich habe Sie darauf hingewiesen, dass die Außenministerin mit ihrer britischen Amtskollegin am Rande des G7-Außenministertreffens im Dezember darüber gesprochen hat, aber dass der Fall derzeit in den Händen der britischen Justiz und nicht der britischen Regierung liegt.

ZUSATZ: Genau deswegen frage ich, weil Sie erwähnt oder dargelegt haben, wie sehr sich die Außenministerin auch für den Fall interessiert. Genau deswegen könnte sie natürlich öffentlich begrüßen oder vorschlagen, dass es zu Haftverschonung oder zu einer Erleichterung kommt. Das würde eine Entscheidung der Justiz ja nicht präjudizieren.

BURGER: Nach meinem Verständnis wäre auch eine solche Entscheidung von der Justiz zu treffen.

FRAGE: Eine Lernfrage, Herr Burger: Hat sich die Außenministerin nach ihrem Amtsantritt schon mit Nils Melzer, dem UN-Sonderberichterstatter für Folter, getroffen oder mit ihm gesprochen? Er hat ja Assange besucht und dargelegt, dass Assange in britischen Gefängnissen gefoltert wurde und gefoltert wird.

BURGER: Nein, ein solches Treffen hat es meines Wissens seit Amtsantritt der Ministerin noch nicht gegeben. Wir kennen die Arbeit von Herrn Melzer natürlich. Es gibt ja auch etablierte Kommunikationskanäle zu den Sonderberichterstattern der Vereinten Nationen. Darüber haben wir hier im vergangenen Jahr auch ausführlich berichtet. Insofern ist uns die Arbeit von Herrn Melzer natürlich gut bekannt.

ZUSATZFRAGE: Die Frage bezieht sich darauf, dass Herr Melzer bei der vorherigen Bundesregierung darauf hingewiesen hat, dass sie sich sehr wenig für seine Erkenntnisse interessiert hat. Darum frage ich, ob sich diese neue Bundesregierung mit einer neuen Außenministerin, der Assange am Herzen liegt, mit Herrn Melzer getroffen oder mit ihm gesprochen hat, Herr Burger.

BURGER: Wie gesagt, von einem solchen Gespräch kann ich Ihnen nicht berichten.

FRAGE: Kulturstaatssekretärin Claudia Roth hatte vor Kurzem politisches Asyl für Edward Snowden ins Spiel gebracht. Da würde mich interessieren: Gibt es sowohl gegenüber Snowden als auch gegenüber Assange Pläne der Bundesregierung, den beiden politisches Asyl zu gewähren?

HOFFMANN (BReg): Mir sind solche Pläne nicht bekannt.

ZUSATZFRAGE: Und wie bewerten Sie den Vorschlag der Kulturstaatssekretärin bezüglich Snowden?

HOFFMANN: Das würde ich jetzt hier nicht kommentieren wollen.

Lage in Jemen

VORS. BUSCHOW: Ich nehme einmal die beiden außenpolitischen Fragen, die gestellt wurden. In der einen Frage geht es um Jemen. Ein Kollege fragt: Unterstützt die Bundesregierung die Aufnahme der Huthis in die Liste des internationalen Terrorismus?

BURGER (AA): Da weiß ich, ehrlich gesagt, nicht, auf welchen Vorschlag der Kollege sich bezieht. Wenn er das noch einmal präzisieren könnte, würde ich eine Antwort gern nachreichen, falls es entsprechende EU- oder UN-Listungen gibt. Davon ist mir aber nichts bekannt, dass es solche Vorschläge in der UN oder in der Europäischen Union gäbe.

VORS. BUSCHOW: Es steht konkret nichts dazu. Dann ist das quasi vertagt.

Ausbruch von IS-Kämpfern aus einem Gefängnis in Nordostsyrien

VORS. BUSCHOW: Eine Frage zu Syrien: Am Wochenende gab es einen Massenausbruch von IS-Kämpfern aus einem Gefängnis im nordostsyrischen Hasaka. Hat die Bundesregierung Erkenntnisse darüber, ob auch deutsche Dschihadisten in diesem Gefängnis untergebracht waren? Und die Kollegin fragt, ob die Bundesregierung vorhat, die deutschen IS-Angehörigen, die noch in den von Kurden beaufsichtigten Lagern sitzen, in absehbarer Zeit nach Deutschland zu holen.

BURGER (AA): Zur ersten Frage kann ich Ihnen sagen, dass wir in der Vergangenheit Erkenntnisse hatten, dass sich dort in diesem Gefängnis möglicherweise eine einstellige Anzahl von deutschen IS-Angehörigen aufgehalten hat. Ob das zum Zeitpunkt des Angriffs der Fall war, können wir derzeit nicht mit Gewissheit sagen. Sie wissen, dass wir in Syrien nicht konsularisch vertreten sind und deswegen unsere Arbeitsmöglichkeiten dort vor Ort sehr eingeschränkt bis gar nicht vorhanden sind.

Was die Frage der Rückholung von ehemaligen, dem IS angehörigen Deutschen angeht, die sich in anderen Ländern in Nordostsyrien aufhalten: Sie wissen, dass es uns in der Vergangenheit in mehreren sehr aufwändigen und schwierigen Rückholaktionen gelungen ist, deutsche Kinder mit ihren Müttern von dort nach Deutschland zu bringen. Das waren bisher vier solcher Rückholaktionen mit insgesamt 42 Kindern und zwölf Müttern. Es sind auch weitere derartige Rückholaktionen geplant. Aus Sicht der Bundesregierung sind diese besonders für die Kinder und vor allem für erkrankte Kinder prioritär. Wir sind für solche Aktionen aber auf die Unterstützung einer Vielzahl von Akteuren angewiesen, die vor Ort handlungsfähig sind. Wir sind dort nicht in der Lage, mit eigenen Kräften zu operieren. Deswegen wird das auch noch eine Weile dauern, bis wir dort die weiteren deutschen Kinder herausbringen können.

In der Vergangenheit wurde uns oft zur Bedingung gemacht, dass wir auch die Mütter dieser deutschen Kinder nach Deutschland bringen. Das ist, wie gesagt, bisher in vier solcher Aktionen gelungen.

Im Übrigen hat uns die sogenannte kurdische Selbstverwaltung mitgeteilt, dass sie selbst eine Strafverfolgung mutmaßlicher IS-Kämpfer vor Ort anstrebt. Wir können sehr gut nachvollziehen, dass es ein großes Interesse gibt, die Gräueltaten des IS dort eben auch selbst strafrechtlich zu verfolgen.

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