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Erklärungen des Auswärtigen Amts in der Regierungs­­­pressekonferenz vom 03.01.2022

03.01.2022 - Artikel

Reise der Bundesaußenministerin nach Washington

BURGER (AA): Ich darf Ihnen ankündigen, dass Außenministerin Baerbock am Mittwoch nach Washington reisen wird. Dort wird sie mit Außenminister Antony Blinken und weiteren Gesprächspartnerinnen und Gesprächspartnern zusammentreffen. Außenministerin Baerbock unterstreicht mit dieser Reise sehr früh in ihrer Amtszeit und unmittelbar nach der deutschen Übernahme des G7-Vorsitzes die enorme Bedeutung, die die Bundesregierung den transatlantischen Beziehungen beimisst.

Die Gespräche in Washington werden die Bandbreite der bilateralen Beziehungen abdecken, aber natürlich auch dringende außenpolitische Themen - dabei natürlich insbesondere die Lage rund um die ukrainische Grenze sowie die anstehenden bilateralen und multilateralen Dialogformate mit Russland. Auch das Thema Klimaaußenpolitik und unser gemeinsames Engagement zur Stärkung von Demokratie werden auf der Tagesordnung stehen.

Für Außenministerin Baerbock ist es das zweite Zusammentreffen mit Außenminister Blinken. Sie hat ihn bereits unmittelbar nach Amtsantritt beim G7-Außenministertreffen in Liverpool getroffen. Am Mittwochabend reist die Außenministerin nach Berlin zurück.

FRAGE: Herr Burger, Sie haben eben schon erwähnt, dass es in den Gesprächen auch um den Konflikt Russland-Ukraine gehen wird. Nun hat die US-Regierung - Herr Biden in dem Fall - der Ukraine Unterstützung in einem Konfliktfall zugesichert. Gibt es irgendeine Positionsänderung von deutscher Seite? Was bedeutet diese Unterstützung im Konfliktfall für die deutsche Seite?

BURGER: Über eine Änderung der deutschen Position kann ich Ihnen hier nicht berichten. Sie haben die Äußerungen der Außenministerin aus der vergangenen Woche vielleicht noch im Kopf. Sie hat in einer Pressekonferenz gesagt, dass es jetzt darum geht, mit jedem Millimeter des eigenen Handelns in den Dialog zu treten. Wir hatten Ihnen auch zwischen den Jahren am vergangenen Mittwoch darüber berichtet, dass sich die Außenministerin mit ihren Amtskollegen aus den USA, Großbritannien und Frankreich ausgetauscht hatte. Auch dabei stand das Thema Russland/Ukraine ganz oben auf der Agenda.

Insofern befinden wir uns da mit den USA und mit anderen wichtigen Partnern in einem ganz engen Abstimmungsprozess. Dazu soll diese Reise auch beitragen. Wir haben natürlich auch begrüßt, dass es am 30. Dezember zu dem Telefonat zwischen Präsident Biden und Präsident Putin gekommen ist. Dass in den kommenden Tagen weitere Gesprächsformate mit Russland geplant sind, ist aus unserer Sicht sinnvoll und wichtig.

ZUSATZFRAGE: Ich möchte noch kurz zu einem Punkt nachfragen, nämlich der Lieferung von defensiven Waffen an die Ukraine. Gibt es da möglicherweise eine größere Offenheit Deutschlands, weil die USA das jedenfalls angekündigt haben?

BURGER: Ich habe dazu heute keinen neuen Stand.

VORS. BUSCHOW: Ich nehme noch Fragen dazu, die online gestellt wurden. Es gibt gleichlautende Fragen, die sich allerdings an den Regierungssprecher richten: Die „BILD“-Zeitung berichtet über ein für Januar geplantes Treffen des Kanzlers Scholz mit Putin. Können Sie diese Pläne bestätigen?

HEBESTREIT (BReg): Über mögliche Treffen des Bundeskanzlers berichten wir wie üblich rechtzeitig. Zum jetzigen Zeitpunkt habe ich dazu nichts zu berichten.

Konflikt zwischen Russland und der Ukraine

FRAGE: Anschließend daran an den Regierungssprecher, aber auch an Herrn Burger: Wird Deutschland in den Gesprächsformaten in der kommenden Woche zwischen Russland und den USA über die Ukraine aktiv, also sozusagen in Präsenz, dabei sein?

BURGER (AA): Sie haben vielleicht mitbekommen, dass Gespräche im Rahmen des NATO-Russland-Rats und auch im Ständigen Rat der OSZE geplant sind. Deutschland ist Mitglied der NATO, aktives Mitglied der NATO, und hat sich auch in der Vergangenheit sehr dafür eingesetzt, dass ein solches Treffen des NATO-Russland-Rats zustande kommt. Insofern können Sie davon ausgehen, dass Deutschland seine Rolle dort auch aktiv interpretieren wird. Dasselbe gilt natürlich für die OSZE, die aus unserer Sicht ein sehr wichtiges Gremium ist.

HEBESTREIT (BReg): Ich würde kurz ergänzen wollen: Der Konflikt zwischen Russland und der Ukraine wird aus unserer Überzeugung nur politisch zu lösen sein und nicht militärisch. Auch der außenpolitische Berater der Bundeskanzlers, Jens Plötner, wird sich noch in dieser Woche mit seinem russischen Amtskollegen - übrigens in Begleitung seines französischen Amtskollegen - treffen und auch über die Lage vor Ort diskutieren.

ZUSATZFRAGE: Zu den OSZE- und NATO-Russland-Formaten: Wird das auf Ministerebene stattfinden oder auf Beamtenebene?

BURGER: Das findet auf Ebene hoher Beamten statt. Zur genauen Teilnahmeformel kann ich Ihnen zum jetzigen Zeitpunkt noch keine Angaben machen.

FRAGE: Ist in dem Zusammenhang geplant oder hält Deutschland es für sinnvoll, im Rahmen des Normandie-Formats die Thematik Ukraine noch einmal zu diskutieren?

HEBESTREIT: Grundsätzlich hat Deutschland in den letzten Wochen ja mehrfach betont, dass es bereit ist, im Normandie-Format als eingeführtes Format auch weiter tätig zu sein. Die Angebote stehen. Deutschland und Frankreich haben das gemeinsam sowohl gegenüber dem russischen Präsidenten Putin als auch gegenüber dem ukrainischen Präsidenten Selensky deutlich gemacht. Dieses Angebot steht weiterhin. Bislang ist man in den Gesprächen so weit, dass man sagen muss: Es finden diplomatische Gespräche in unterschiedlichen Formaten statt. Wir haben es hier schon gesagt: Der NATO-Russland-Rat ist eingeladen, es gibt OSZE-Überlegungen, es gibt das Gespräch zwischen Selensky und Biden sowie mit Präsident Putin, über die wir auch schon berichtet haben.

Uns war es immer wichtig, dass es in diesem Konflikt zu Gesprächen kommt. In dieser Situation sind wir jetzt, und deswegen sind wir auch weiterhin überzeugt, dass es eine politische Lösung geben wird und geben kann. Da gilt es jetzt aber diese Gespräche abzuwarten und auch die nötige Vertraulichkeit zu bewahren, die dafür nötig ist.

ZUSATZFRAGE: Da Sie selbst das Normandie-Format als ein etabliertes, gut eingeführtes bezeichnet haben: An wem hängt es denn jetzt, dass diese Angebote und die Bereitschaft von Deutschland und Frankreich noch nicht so wahrgenommen oder positiv beantwortet wurden?

HEBESTREIT: Es steht mir im Moment nicht zu, das zu beurteilen. Wichtig ist, dass das Angebot steht, und wenn sich alle Beteiligten einig sind, dass es sinnvoll ist und man bereit ist, sich in diesem Format zu treffen, dann ist das kurzfristig zu bewerkstelligen.

VORS. BUSCHOW: Ich nehme eine online gestellte Frage an Herrn Hebestreit dazu: Sie sagen, der Konflikt zwischen Russland und der Ukraine sei nicht militärisch zu lösen. Sind Sie sicher, dass Putin das auch so sieht?

HEBESTREIT: Ich spreche hier für die Bundesregierung und für niemanden anders.

FRAGE: Herr Hebestreit, noch einmal zu dem Treffen von Herrn Plötner: Können Sie vielleicht ein bisschen genauer sagen, wann und auch wo das stattfinden wird? Wenn ich das richtig verstanden habe, nimmt zwar Herr Plötners französischer Amtskollege teil, aber nicht der ukrainische?

HEBESTREIT: Es ist richtig, dass es im Augenblick ein Gespräch zwischen Herrn Plötner, seinem französischen Amtskollegen und seinem russischen Pendant ist. Wann genau es stattfinden wird ‑ ich glaube, ich habe gesagt: in dieser Woche ‑, werden wir zu gegebener Zeit noch bekanntgeben.

FRAGE: Herr Burger, wenn ich Ihre Antwort auf die Frage des Kollegen richtig verstanden habe, wird Deutschland also nicht aktiv an diesen Gesprächen zwischen Russland und den USA teilnehmen. Fühlt die Bundesregierung sich in irgendeiner Weise von den USA oder vor allem Russland übergangen? Denn man hat sich ja jahrelang im Ukraine-Format um die Lösung des Konflikts bemüht, und jetzt nimmt man an diesen wichtigen Gesprächen nicht teil.

BURGER: Ich glaube, das, was wir hier gerade an verschiedenen Gesprächsformaten ausgeführt haben ‑ auch die Reise der Außenministerin in die USA, die ich gerade angekündigt habe, und die enge und wirklich sehr, sehr eng getaktete Abstimmung, die es in den letzten Wochen zwischen den USA, uns und verschiedenen anderen europäischen Partnern gegeben hat ‑, macht deutlich, dass wir hier alle gemeinsam am selben Strang ziehen und dass wir alle, auch wenn es unterschiedliche Formate sind, gemeinsam dieselbe Botschaft aussenden. Ich glaube, das ist das Entscheidende. Im Übrigen haben auch die USA in letzter Zeit immer wieder ihre Unterstützung auch für das Engagement Deutschlands und Frankreichs im Normandie-Format deutlich gemacht. Das war beispielsweise auch Teil der Abschlusserklärung der G7-Außenministerinnen und -Außenminister. Insofern gibt es da keine Gravamina von deutscher Seite.

HEBESTREIT: Ich möchte meine Ausführungen an einer Stelle noch ergänzen, weil ich durch den Sprechzettel der Kollegen des Auswärtigen Amtes klüger gemacht worden bin: Herr Plötner und sein französischer Kollege werden sich in dieser Woche auch zu unabhängig davon stattfindenden Gesprächen mit dem ukrainischen Counterpart treffen.

FRAGE: Herr Hebestreit, an die Frage anknüpfend, wie sehr die Deutschen da einbezogen sind: Gab es nach dem Telefonat Biden-Putin eigentlich ein Debriefing für die deutsche Seite, oder gibt es da einen Gesprächsstrang zwischen den USA und Russland, der die Deutschen nicht erreicht?

HEBESTREIT: Ich überlege gerade, was ich Ihnen sagen darf.

(Ein Mobiltelefon klingelt.)

‑ Das ist ein guter Hinweis, das Telefon leise zu stellen, und gibt mir Zeit, Zeit zu gewinnen. ‑ Ich glaube, man kann davon ausgehen, dass die diplomatischen Kontakte zwischen den Partnern des transatlantischen Verhältnisses eng und belastbar sind.

ZUSATZFRAGE: Das bezieht sich auch auf die Kontakte auf der höchsten Ebene?

HEBESTREIT: Ja.

COVID-19-Pandemie: deutsche Impfspenden an andere Länder

VORS. WOLF: […] Dann eine letzte Frage zum Themenkomplex Corona ‑ wahrscheinlich an das Auswärtige Amt, vermute ich. In welche Länder hat Deutschland 2021 100 Millionen Impfstoffdosen gespendet, und sind diese Dosen bereits ausgeliefert?

BURGER (AA): Dazu würde ich gern auf die Webseite des Auswärtigen Amtes verweisen, wo wir versuchen, tagesaktuell genau diese Daten vorzuhalten. Ich habe den letzten Stand leider gerade nicht präsent.

Vorschlag der Europäischen Kommission zur Taxonomie für nachhaltige Investitionen

VORS. WOLF: Dann würde ich gern das Thema wechseln. Das nächste Stichwort wäre Taxonomie. Ich starte mit Online-Fragen. Es sind viele Fragen eingegangen, die alle in die gleiche Richtung zielen.

Ich nehme jetzt stellvertretend die Frage: Wie beurteilt Kanzler Scholz den Vorschlag der EU-Kommission, Atomkraft und Gas als nachhaltige Energieformen einzustufen? Unterstützt Deutschland den Klageweg, den Österreich beschreiten will?

HEBESTREIT (BReg): Ja, vielleicht so viel: Das Regierungshandel ergibt sich wie so oft aus dem Koalitionsvertrag. Da ist klar niedergelegt, dass die Bundesrepublik Deutschland die friedliche Nutzung der Atomenergie ablehnt. Gerade haben wir zum Jahreswechsel drei Atomkraftwerke abgeschaltet. Drei weitere verbleiben bis Ende dieses Jahres noch am Netz, um dann abgeschaltet zu werden. Damit haben wir dann den Atomausstieg in Deutschland erreicht. Wir halten die Atomtechnologie für gefährlich. Wir halten die Müllproblematik weiterhin für ungeklärt. Es gab darüber in Deutschland eine breite gesellschaftliche Debatte in den letzten 20, 25 Jahren ‑ und noch viel länger ‑, die diesen Ausstieg klargemacht hat.

Zugleich hat Deutschland beschlossen, in absehbarer Zeit aus der Kohleverstromung auszusteigen. Wir setzen konsequent auf den Ausbau erneuerbarer Energien, also die Nutzung von Wind, Sonne und anderen erneuerbaren Quellen für die saubere Energiegewinnung. Die ersten schon gültigen Regeln zur Taxonomie berücksichtigen dies auch.

Als Industrieland wird Deutschland in absehbarer Zeit deutlich mehr Strom als bislang brauchen, um seinen Bedarf zu decken. Die Regierung ist sich auch einig, dass wir vorerst Erdgas als Brückentechnologie benötigen, um auf die Volatilität der erneuerbaren Energien reagieren zu können, was wir also tun, wenn kein Wind weht, wenn keine Sonne scheint.

Das Ziel ist die Nutzung von sauberem Wasserstoff. Dafür braucht es Investitionen in Kraftwerke, die dann H2-ready sind, wenn die Technologie so weit industriefähig ist. Deshalb sind die Vorschläge des „delegated acts“ der EU-Kommission mit Blick auf Gas im Einklang mit der Position der Bundesregierung, auch wenn man einen solchen „act“ aus unserer Sicht nicht gebraucht hätte.

Die Einschätzung zu Atomkraft lehnen wir ausdrücklich ab. Deutschland hat seine regierungsintern eng abgestimmte Position in dieser Frage der EU-Kommission gegenüber auch mehrfach vertreten. Der Vorschlag wird jetzt genau geprüft. Ein solcher Akt erlangt Gesetzeskraft, wenn nicht 20 EU-Staaten, die mindestens zwei Drittel der EU-Bevölkerung abdecken, oder eine Mehrheit des EU-Parlaments dagegen stimmen.

Das ist, glaube ich, das, was es dazu zu sagen gibt.

FRAGE: Herr Hebestreit, würden Sie denn sagen, Erdgas ist erst einmal nachhaltig?

HEBESTREIT: Ich würde sagen: Wenn man auf eine eindeutig nachhaltige Energieerzeugung setzt, wie wir das tun, braucht man Erdgas als Brückentechnologie, und man braucht die Investitionen, um ein solches H2-ready-Kraftwerk zu ermöglichen.

Das ist vielleicht auch der Teil Taxonomie, weil es ja ein recht komplexes Thema ist. Da geht es darum, wie Finanzinvestitionen in private Unternehmen taxiert werden. Da geht es eigentlich nicht um das Labeln einzelner Energieformen.

ZUSATZFRAGE: Würden Sie also sagen, dass Investitionen in neue Gaskraftwerke erleichtert werden, wenn sie der Taxonomie entsprechend nach den Plänen der Europäischen Kommission aufgenommen werden?

HEBESTREIT: Ich glaube, ich wollte das sagen, was ich gesagt habe.

VORS. WOLF: Ich bin mir nicht sicher, ob die Frage schon beantwortet ist. Ich stelle sie jetzt noch einmal. Es geht auch um das Thema Gaskraftwerke: Wird Deutschland sich dafür einsetzen, dass Gaskraftwerke grundsätzlich technisch in der Lage sein müssen, auch mit „grünem Gas“ zu funktionieren?

HEBESTREIT: Ich hänge an der Überlegung, was wohl „grünes Gas“ ist. Aber wenn es um Wasserstoff geht ‑ ‑ ‑

VORS. WOLF: Sie schreibt Methanwasserstoff in Klammern dazu, sorry.

HEBESTREIT: Das mag ich an dieser Stelle nicht ex cathedra einfach so bestimmen. Ich glaube, es ist schon das Ziel, dass man Kraftwerke schafft.

Dazu muss man ja auch sagen: Solche Investitionen sind Milliardeninvestitionen, die sich ja über Jahrzehnte rechnen müssen. Wenn wir 2045 klimaneutral sein wollen, dann wäre es von da an ja nicht mehr möglich, sie mit fossilem Gas zu betreiben. Insofern wäre es sinnvoll, dass sie dann H2-ready ‑ oder was es auch immer an anderen Möglichkeiten des „grünen Gases“ gibt ‑ ausgestattet werden. Aber, wie gesagt, da bin ich jetzt auf der Ebene des Vernünftigen und nicht des Deklaratorischen.

FRAGE: An den Regierungssprecher. Was die Einschätzung zur Atomkraft angeht, die Sie gerade eben geäußert haben: Bedeutet das, dass man sich von deutscher Seite aus möglicherweise einer Klage gegen die Taxonomie, wie sie zum Beispiel von Österreich erwogen wird, anschließen könnte? Oder würde das bedeuten, dass man in diesem Punkt ‑ ich weiß gar nicht, ob man da einzelne Punkte ablehnen kann ‑ Einspruch erhebt, Nein dazu sagt oder sich nur enthält? Ist also schon klar, wie man sich hier im Zusammenhang mit der Atomkraft als Bundesregierung gegenüber dem Kommissionsvorschlag verhält?

HEBESTREIT: Das waren ja jetzt zwei Teile Ihrer Frage.

Vielleicht zum ersten Teil: Meines Wissens könnte sich eine Klage ja nicht gegen den Inhalt einer solchen Regelung richten, sondern lediglich gegen die Rechtsgrundlagen. Hat die EU-Kommission also das Recht, so etwas zu regeln oder nicht? Da scheint die EU-Kommission, die ja von dem Europäischen Rat und anderen beauftragt worden ist, einen solchen „delegated act“ zu formulieren, rechtlich auf sicherem Terrain.

Aber das gilt es jetzt für mich nicht zu beurteilen. Ich wollte nur klarmachen, dass der Klagegrund ein anderer wäre als die inhaltliche Ausgestaltung eines solchen „delegated acts“. Ich habe ja gesagt: Seit dem Wochenende liegt der Vorschlag nun vor. Den prüfen wir innerhalb der Bundesregierung intensiv und werden dann zu einer abgestimmten Haltung kommen.

VORS. WOLF: Eine Zusatzfrage: Wird sich die Bundesregierung mit anderen Regierungen zu dem EU-Vorschlag abstimmen und mit welchen Ländern?

HEBESTREIT: Erst einmal geht es darum, dass sich die Bundesregierung intern miteinander abstimmt. Da gibt es eine einheitliche Position, die ich beschrieben habe. Man hat auch im vergangenen Europäischen Rat intensiv über diese Frage diskutiert. Ich verrate nicht zu viel, dass die atomkritischen Länder da nicht in der Mehrzahl waren.

FRAGE: Herr Hebestreit, es gibt ja eine Differenz, was die Einstellung zu Atom angeht, gerade zwischen Deutschland und Frankreich, und das zu Beginn der Präsidentschaften ‑ der französischen in der EU und Deutschland bei G7. Fürchten Sie Dissonanzen zwischen beiden Regierungen, die eigentlich sehr eng zusammenarbeiten wollten, durch die doch sehr heftige Kritik, die es aus Deutschland zu diesem Kommissionsvorschlag und diesem Teil des Kommissionsvorschlags gibt?

HEBESTREIT: Nein, das fürchte ich nicht. Ich weiß, wir sind mit der französischen Regierung in engen Gesprächen über die ganze Bandbreite der Themen. Auch dieses Thema hat in den Gesprächen in den vergangenen Wochen eine Rolle gespielt, unter anderem ‑ ich habe es bereits erwähnt ‑ beim Europäischen Rat.

FRAGE: Herr Hebestreit, jede Investition in Gasinfrastruktur bedeutet ja auch weniger Investition in erneuerbare Energien. Ist das denn im Sinne der Politik der Bundesregierung?

Und daran angehängt: Das Gleiche kann man ja auch für Atomstrom anderswo in der EU sagen. Wenn also jetzt Frankreich neue Atomkraftwerke baut, dann wird ja das Geld nicht in Solaranlagen in Südfrankreich gesteckt, die gegebenenfalls auch für Deutschland nützlich sein könnten. Findet sich da nicht irgendwie ein Kompromiss mit den Ländern, also dass man sagen könnte: Okay, wenn Ihr jetzt Atomstrom aufgebt, dann können wir vielleicht etwas mehr in erneuerbare Energien in euren Ländern investieren?

HEBESTREIT: Im Augenblick erleben wir ja, dass die Bundesrepublik Deutschland Milliardeninvestitionen in erneuerbaren Energien tätigt und den Ausbau massiv vorantreibt.

Jetzt wollen wir bis 2045 klimaneutral sein. Dann müssen wir erst einmal eine Strommenge eruieren, die bis dahin erreicht werden muss. Dafür braucht es dann einen linearen Aufbau der Kapazitäten bei gleichzeitigem Abschalten von Atomkraftwerken sukzessive von Kohlekraftwerken. Das heißt, es wird nicht reichen, jetzt, wie Sie es nahelegen, möglichst viele Windkraftwerke und Windparks zu betreiben und Solarenergie zu erzeugen, sondern wir brauchen gerade für die Volatilität, also für die Zeiten, in denen wenig Wind weht und die Sonne nicht scheint ‑ so wie heute ‑, die Möglichkeit, sicherbar und belastbar Energie zu erzeugen. Da ‑ so steht es auch im Koalitionsvertrag ‑ sind Erdgas und dann später Wasserstoff oder andere „green gases“ als Grundlastträger, wenn man so will, noch eine Möglichkeit. Genau deswegen braucht man diese Investitionen. Die Sorge, die Sie formulieren, man ziehe Investitionen aus grüner Technologie ab, um weniger grüne Technologie zu fördern, sehen wir so nicht.

Auch an dieser Stelle noch einmal der Hinweis: Die Taxonomie ist ein Labeln von Investitionen, die Finanzakteure an den Finanzmärkten unternehmen. Das ist keine Investitionsentscheidung an sich.

ZUSATZFRAGE: Zur Energiekooperation: In Deutschland wird nicht viel darüber gesprochen, dass Deutschland durch die EU auch am ITER-Projekt beteiligt ist. Ich weiß nicht, ob Ihnen die Abkürzung etwas sagt. Es geht um einen experimentellen Fusionsreaktor in Südfrankreich. Deutschland wird, so meine ich, umgerechnet eine Milliarde oder zwei Milliarden beisteuern.

Ist es weiterhin Ziel der Bundesregierung, diese Nukleartechnologie über die kommenden Jahrzehnte zu fördern, obwohl Sie gerade gesagt haben, dass Sie auch die zivile Nutzung der Atomkraft für gefährlich halten?

HEBESTREIT: Ich bin jetzt etwas verwirrt. Deutschland hat den Atomausstieg im Jahr 2012, glaube ich, zum zweiten Mal beschlossen. Er wird jetzt exekutiert. Der Ausstieg aus der Atomenergie, auch aus der friedlichen Nutzung der Atomenergie, wird zum Jahresende vollzogen sein.

Was im Zusammenhang mit experimentellen weiteren Forschungen und dem neueren Stand der Forschung dann am Ende herauskommt, kann ich Ihnen heute nicht sagen.

ZUSATZFRAGE: Sind also die Milliarde oder die zwei Milliarden, die Deutschland dorthin gibt, von der Entscheidung nicht betroffen, die ‑ ‑ ‑

HEBESTREIT: Ich glaube, da geht es um Forschung.

ZUSATZ: Ja, aber nicht nur zu Forschungszwecken, sondern zur Stromgewinnung!

HEBESTREIT: Erst einmal geht es um Forschung. Wie man sich am Ende, wenn eine solche Forschung Erfolg haben sollte, entscheidet, ob man solche Technologien auch in Deutschland nutzen will oder nicht ‑ ‑ ‑ Dabei geht es auch um die Frage, wie man mit möglichen Auswirkungen auf die Umwelt umgeht. Die Entscheidung muss dann in Kenntnis des Standes der Wissenschaft getroffen werden. Das können wir heute noch nicht sagen.

FRAGE: Herr Hebestreit, wenn ich es eben richtig verstanden habe, dann sagen Sie: Rechtlich steht die EU-Kommission auf festem Boden, was die Frage einer Klage angeht. ‑ Die Österreicher haben das offenbar trotzdem vor.

Will die Bundesregierung einfach nicht klagen oder erwägt das nicht, oder gibt es aus Ihrer Sicht gar keine Möglichkeit, gegen den Act zu klagen?

HEBESTREIT: Ich denke, ich habe die rechtliche Grundlage, auf die sich eine Klage beziehen würde, betont. Dabei geht es um die Frage, ob eine solche Regelung innerhalb der Regelungsmöglichkeiten der EU-Kommission liegt. Dazu habe ich lediglich deutlich gemacht, dass es dabei nicht um die Frage geht, ob man Atomkraft investiv als nachhaltig oder nicht nachhaltig labeln darf.

ZUSATZFRAGE: Könnte sich eine Klage also tatsächlich darauf beziehen, ob man das labeln darf?

HEBESTREIT: Nein.

ZUSATZ: Denn sonst wären ja alle Überlegungen, zu klagen, komplett gegenstandslos, egal von welchem Land.

HEBESTREIT: Eine Klage kann sich lediglich dagegen richten, dass die EU-Kommission etwas für sich regelt, was sich außerhalb ihrer Regelungsmöglichkeiten befindet. Das sage ich Ihnen als Nichtjurist.

VORS. BUSCHOW: Ein Kollege hat in dem Zusammenhang noch nach dem Zeitplan gefragt: Prüfung einer Klage: Bis wann soll die Prüfung abgeschlossen sein?

HEBESTREIT: Ich denke nicht, dass ich vorhin angekündigt habe, dass wir eine Klage prüfen würden. Ich habe gesagt: Wir prüfen jetzt, was der „delegated act“ der EU-Kommission beinhaltet. Dazu muss sich die Bundesregierung dann eine Haltung schaffen ‑ das wird noch im Januar passieren ‑, und dann sehen wir weiter.

VORS. BUSCHOW: Eine Kollegin fragt noch einmal dezidiert das Auswärtige Amt: Wie wird sich die Außenministerin in Brüssel mit Blick auf das Label der Nachhaltigkeit für Gas und Atomkraft in der Taxonomie positionieren? Unterstützt Sie die Position von Macron oder nicht?

BURGER (AA): Dieses Thema steht in der Regel nicht auf der Tagesordnung der Außenministerinnen und Außenminister in Brüssel, sondern von anderen Formationen. Die Außenministerin hat sich zu dem Thema bereits bei ihrem Antrittsbesuch in Paris geäußert und dabei die bekannte Haltung dargestellt, die auch Herr Hebestreit gerade zum Ausdruck gebracht hat, dass nämlich Kernenergie aus Sicht der Bundesregierung nicht nachhaltig ist. Insofern vertritt die Außenministerin ihre Position in den Situationen, in denen sie dazu gefragt wird, natürlich auch weiterhin. Nur ist das, wie gesagt, in Brüssel in der Regel nicht Thema bei den Außenministerinnen und Außenministerin.

FRAGE: Herr Hebestreit, hält der Kanzler die Bewertung als Greenwashing für inhaltlich zutreffend?

HEBESTREIT: Ich denke, dass der Kanzler niemand ist, der anfängt, die Bemerkungen oder Äußerungen seiner geschätzten Kabinettskollegen zu bewerten. Das wird weder er tun, wenn Sie ihn fragen, noch werde ich das in seinem Auftrag tun, wenn Sie mich fragen.

ZUSATZ: Die Frage war nicht, wie er es bewertet, sondern ob er es für inhaltlich zutreffend hält. Das ist eine andere Frage.

HEBESTREIT: Wenn ich diese Frage beantwortete, wäre es eine Bewertung.

ZUSATZ: Sie können also nichts ‑ ‑ ‑

(Die Vorsitzende stellt das Mikrofon des Redners ab.)

HEBESTREIT: Nein.

FRAGE: Ich möchte an die Fragen von Herrn Lohse anschließen, weil ich finde, dass tatsächlich noch im Raum stehenbleibt, wie die Bundesregierung auf den Vorschlag der Kommission reagieren will. Sie sagten, dass es im Laufe des Januars eine einheitliche Haltung der Bundesregierung geben werde. Wie kann sie aussehen? Man kann einfach nichts sagen; dann läuft das Thema weiter.

HEBESTREIT: Nein. Es gibt drei Varianten, wie man sich zu solch einem „delegated act“ verhält: Man stimmt ihm zu, man enthält sich der Stimme, oder man lehnt ihn ab.

ZUSATZFRAGE: Heißt das, dass im Moment über diese drei Varianten geredet wird und zunächst nicht über eine Klage?

HEBESTREIT: Richtig.

ZUSATZFRAGE: Dann meine zweite Nachfrage: Sie hatten das Thema schon mit Frankreich. Da gab es ja enge Gespräche im Zusammenhang mit der Taxonomie. Gab es in der Vergangenheit tatsächlich Absprachen über das Stimmverhalten, über diese drei Varianten, von denen Sie eben gesprochen haben, in dem Sinne, dass man sagt: „Okay, wir und Frankreich als zwei wichtige Länder ziehen an einem Strang und werden einander nicht in die Quere kommen, Frankreich nicht bei der Atomfrage und Deutschland nicht bei der Gasfrage“, die für die Übergangszeit wichtig ist, wie Sie ja gesagt haben?

HEBESTREIT: Von solchen Absprachen weiß ich nichts. Aber dass man sich in dieser Frage häufiger miteinander beraten hat, das habe ich bestätigt.

VORS. BUSCHOW: Eine Frage gibt es online: Wo liegt in der Bundesregierung die Federführung für das Thema, also für die Haltung, die jetzt zu finden ist? Im Finanzministerium, im Wirtschaftsministerium oder woanders?

HEBESTREIT: Meines Wissens hat das Kanzleramt gemeinsam mit dem Ministerium für Wirtschaft und Klima sowie mit dem Ministerium für Umwelt unter Einbeziehung des Bundesministeriums der Finanzen agiert, und so wird es auch weiterhin bleiben. Ich habe ja gesagt, dass es ein regierungsintern immer eng abgestimmter Prozess gewesen ist, und so bleibt es auch.

FRAGE: Herr Hebestreit, sind alle drei Varianten, die Sie genannt haben, grundsätzlich noch auf dem Tisch, bis die Abstimmung darüber innerhalb der Bundesregierung ‑ ‑ ‑

HEBESTREIT: Nein, dazu habe ich mich nicht geäußert. Als gefragt wurde, was passieren würde, wenn man sich dazu nicht verhalten würde, habe ich Ihnen lediglich abstrakt gesagt: Es gibt die Variante eins, zwei oder drei. ‑ Was die Bundesregierung tun wird, sagen wir dann. Wir müssen diesen „act“ jetzt erst einmal auf Herz und Nieren prüfen. Dann werden wir uns dazu verhalten.

FRAGE: Herr Hebestreit, ich möchte es noch einmal zum Begriff des Greenwashings probieren. Sieht der Kanzler die Einstufung der Atomenergie als Greenwashing an?

HEBESTREIT: Ich denke, dass ich sehr deutlich gesagt habe, dass aus Sicht des Bundeskanzlers wie auch aus Sicht des Bundeswirtschaftsministers ein solcher „delegated act“ zur Taxonomie in Bezug auf die genannten Technologien nicht nötig gewesen wäre.

ZUSATZ: Das beantwortet die Frage nicht ganz. Denn Sie hatten gleichzeitig gesagt, dass die Einstufung von Gas immerhin eher begrüßenswert sei, aber die von Atom nicht. Wenn ich es richtig verstanden habe, bezieht sich der Begriff des Greenwashings stärker auf die Atomtechnik. Damit wird impliziert, dass man sogar einen Schaden anrichtet, wenn Atomenergie als zumindest vorübergehend nachhaltig eingestuft wird.

HEBESTREIT: Ich denke, dass ich die Haltung des Bundeskanzlers und der gesamten Bundesregierung zum Thema „Atom“ hier doch sehr breit und weit dargelegt habe. Die Schlüsse, die Sie daraus ziehen, die ziehen Sie dann.

FRAGE: Herr Hebestreit, ich möchte zu den drei möglichen Reaktionen nachfragen. Sie haben ganz am Anfang, glaube ich, von einem Vorschlag gesprochen. Wenn das ein Vorschlag ist, dann kann man ja grundsätzlich auch darüber reden.

Sieht denn der Bundeskanzler noch Möglichkeiten, auf den Vorschlag in inhaltlicher Art einzuwirken? In welchen Punkten?

HEBESTREIT: Der Vorschlag, der jetzt dargelegt ist, liegt den Ländern jetzt zur Beurteilung vor. Man hat eine relativ kurze Frist, sich dazu zu verhalten. „Kurz“ bedeutet meines Wissens ‑ nageln Sie mich nicht darauf fest! ‑ ein bis zwei Wochen. Ich denke nicht, dass es dann noch langfristige Nachverhandlungsmöglichkeiten gibt. Aber wir prüfen ja, um zu sehen, was wir für sinnvoll halten und was machbar ist. Aber ich denke, dass der Weg zu diesem „delegated act“ doch relativ vorgezeichnet ist.

VORS. BUSCHOW: Dann gibt es eine Frage ans Finanzministerium: Da die Taxonomie in erster Linie für die Finanzierungsfragen relevant ist: Wird die Bundesregierung bei eigenen bzw. von ihr nachgeordneten Stellen verwalteten Anlagen ausschließen, dass diese in Kernenergie erfolgen?

KUHN (BMF): Dazu ist alles gesagt. Die Haltung der Bundesregierung zur Atomkraft ist gesagt.

Zu den Details des Anleihenmanagements gibt die Bundesfinanzagentur, die ja dafür zuständig ist, regelmäßig Auskunft. Aber dabei geht es vor allem darum, dass die Anleihen des Bundes dazugekauft werden. Auch darüber, wie wir sonst mit unserem Geld umgehen, gibt die Bundesfinanzagentur eigentlich immer Auskunft. Darauf würde ich verweisen.

Lage im Sudan

VORS. BUSCHOW: Ein Kollege hat eine Frage zum Thema Sudan. Ich vermute, dass er sie an das Auswärtige Amt richten will. Er fragt: Die politische Lage und die Sicherheitslage im Sudan sind sehr düster. Der Rücktritt von Premierminister Hamdok ‑ ‑ ‑Die Armee ziehe die Schlinge um die Menschen zu, und es gebe Tote, Verhaftungen und Demonstrationen. Beabsichtigt die Bundesregierung, Anstrengungen zu unternehmen, um die Gewalt gegen das sudanesische Volk zu beenden.

BURGER (AA): Vielen Dank. Wir haben den Rücktritt von Premierminister Hamdok mit großem Bedauern zur Kenntnis genommen. Herr Hamdok hat den Transitionsprozess in Sudan maßgeblich vorangetrieben und viele wichtige Reformmaßnahmen angestoßen. Unsere Haltung und auch die Forderungen, die wir an die Militärkräfte in Sudan richten, sind aber unverändert. Aus unserer Sicht zeigen auch die Demonstrationen in Sudan nach wie vor, dass die Menschen im Sudan eine militärische Machtübernahme ablehnen.

Deshalb schließen wir uns der Forderung der Vereinigten Staaten an, dass sich alle politischen Kräfte im Sudan auf eine zivil geführte Regierung verständigen müssen. Das und die Rückkehr zu dem zivil-militärischen demokratischen Transitionsprozess, der in den vergangenen Jahren in Sudan vereinbart wurde, sind auch die Voraussetzungen für eine Wiederaufnahme des internationalen Engagements. Sudan ist auf wirtschaftliche Unterstützung der internationalen Gemeinschaft angewiesen. Wir wissen uns mit vielen Partner in der Überzeugung einig, dass dieses Engagement nur dann stattfinden kann, wenn auch wieder die politischen Voraussetzungen dafür geschaffen sind. Das sind eine zivil geführte Regierung im Sudan und eine Rückkehr zum Transitionsprozess in Richtung von Demokratie.

Iranisches Atomprogramm

VORS. BUSCHOW: Eine Frage zum Iran: Was ist der Kern des Verlangens, dass der Iran die Urananreicherung auf das Niveau des Abkommens zurückfährt, das doch durch die einseitige Aufkündigung durch die USA hinfällig sei? Warum solle ausgerechnet der Iran das Vertrauen gegenüber den USA als Vertragspartner wiederherstellen?

BURGER (AA): Die Auffassung von Herrn Nehls, das JCPOA sei hinfällig, ist ausdrücklich nicht die Auffassung der Bundesregierung. Es ist auch nicht die Auffassung der Mitgliedstaaten der Vereinten Nationen und des Sicherheitsrats der Vereinten Nationen. Ganz im Gegenteil. Aus unserer Sicht ist das JCPOA gültig, und alle Teilnehmer des JCPOA haben sich an seine Bestimmungen zu halten. Das betrifft natürlich insbesondere auch den Iran, der sich ja im Gegenzug für die Aufhebung von Sanktionen durch die internationale Gemeinschaft, durch die Europäischen Union, durch die Vereinten Nationen und auch durch die USA zu Restriktionen seines Atomprogramms verpflichtet hat. Aus unserer Sicht kann eine Rückkehr zum JCPOA nur dadurch erfolgen, dass alle Seiten ihre Verpflichtungen wieder einhalten.

Telefonat des Bundeskanzlers mit dem türkischen Präsidenten

FRAGE: Meine Frage richtet sich an das Auswärtige Amt. Am 21. Dezember hat es ein Telefonat zwischen Bundeskanzler Scholz und dem Präsidenten der türkischen Regierung gegeben. In der Pressemitteilung hieß es, es wurde über die bilateralen Beziehungen gesprochen. Können Sie uns nähere Details nennen?

BURGER (AA): Wenn, dann kann zu Gesprächen des Bundeskanzlers auf dieser Bank immer nur der Regierungssprecher Auskunft geben.

HEBESTREIT (BReg): Und der Regierungssprecher zieht sich darauf zurück, dass wir in der Pressemitteilung über das Auskunft gegeben haben, was wir für sinnvoll hielten. Insofern kann ich Ihnen auch jetzt nicht mehr als das, was Sie dort entnommen haben, leider nicht bieten.

ZUSATZ: Das waren nur vier Sätze, und deswegen wollte ich die Nachfrage stellen. Aber gut. Danke!

Neubau des BER-Regierungsterminals

FRAGE: Herr Burger, Finanzminister Lindner hat am Wochenende gefordert, dass man den Regierungsneubau am BER doch besser als Signal lassen solle und die 50 Millionen Euro nicht ausgeben solle. Was ist denn die Haltung des Auswärtigen Amtes bzw. von Annalena Baerbock zu diesem Vorschlag des Sparens?

BURGER (AA): Dazu kann ich Ihnen nur sagen, dass die Abstimmung zwischen den Ressorts zu dieser Frage derzeit läuft. Nach jetzigem Stand sollen Ende Januar die Ergebnisse einer Nutzwertanalyse vorliegen, und erst danach soll die Entscheidung über den Bau fallen.

Afghanistan

FRAGE: Herr Burger, eine Frage zum Thema Afghanistan. Können Sie schon etwas darüber sagen, wie weit die Umsetzung der Ankündigung ist, dass Deutschland möglichst bald mit eigenem Personal in Afghanistan wieder handlungsfähig sein möchte, auch um ausreisewilligen bedrohten Menschen helfen zu können? Wie weit ist das im Fluss? Wann kann das real umgesetzt werden?

BURGER (AA): Ich kann Ihnen dazu heute noch keinen neuen Stand mitteilen. Das ist etwas, woran wir arbeiten. Dafür sind natürlich schwierige Fragen, auch Sicherheitsfragen, zu klären. Das ist etwas, was wir eng abgestimmt mit unseren europäischen Partnern machen möchten.

Insofern: Ja, das ist etwas, was wir zeitnah erreichen möchten, um die Dinge, die wir uns in Afghanistan vorgenommen haben ‑ das ist natürlich vor allem die sichere Ausreise von Menschen, für die wir Verantwortung tragen ‑, dort schnell vorantreiben zu können. Aber ich kann Ihnen dazu keine belastbare Zeitlinie nennen.

ZUSATZFRAGE: Können Sie uns etwas dazu sagen, ob das bedeuten würde, dass Personal wieder in den Räumen der früheren deutschen Botschaft etabliert wird oder hat es einen anderen Status? Sie hatten ja auch gesagt, es sei damit keine Anerkennung des Taliban-Herrschaftsanspruchs verbunden. Wie kann die Konstruktion dann real aussehen?

BURGER: Das ist richtig. Ich muss um Verständnis bitten: Wenn das belastbar entschieden ist und wenn es dazu Klarheit gibt, werden wir Sie darüber hier auch gerne transparent weiter unterrichten. Aber zum jetzigen Zeitpunkt ist das tatsächlich noch nicht spruchreif.

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