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Erklärungen des Auswärtigen Amts in der Regierungs­­pressekonferenz vom 15.12.2021

15.12.2021 - Artikel

Urteil des Berliner Kammergerichts im Prozess um den Mord im Kleinen Tiergarten in Berlin

WELTY (Vorsitz): Es gibt zwei sich sehr ähnliche Online-Fragen zum Prozess wegen Mordes im Kleinen Tiergarten […]. In beiden Fragen geht es um die Feststellung des Kammergerichts, dass der Tiergarten-Mord im Auftrag staatlicher Stellen Russlands erfolgt sei. Gibt es eine Stellungnahme der Bundesregierung dazu? Wie wir die Bundesregierung reagieren?

HEBESTREIT (BReg): Ich glaube, dieses Urteil ist wenige Minuten alt. Ich habe das Urteil an sich auch nur per Kurzinformation auf dem Weg hierher gesehen, aber nicht die Begründung. Insofern ist es noch zu früh für eine Reaktion der Bundesregierung darauf.

WELTY: Inwiefern soll diplomatisches Personal aufgefordert werden, das Land zu verlassen?

HEBESTREIT: Das wäre ja eine Reaktion, von der ich gerade gesagt habe, dass es dafür noch zu früh ist.

Waffenlieferungen an die Ukraine

WELTY (Vorsitz): Dann geht es online um die Waffenlieferung an die Ukraine. Es wurde bereits am Montag die Blockierung der von der Ukraine bereits bezahlten Waffenlieferung durch die Regierung von Angela Merkel angesprochen. Wird die jetzige Regierung diese Blockade aufgeben?

BURGER (AA): Ich muss wie schon am Montag um Verständnis dafür bitten, dass ich zu diesem Sachverhalt an dieser Stelle keine weitergehenden Auskünfte erteilen kann, weil die entsprechenden Verfahren der Vertraulichkeit im Bündnis unterliegen.

WELTY: Nachfrage von einer Kollegin aus der Ukraine: Erkennt die Bundesregierung das Recht der Ukraine zur Selbstverteidigung an? Wie ist die Position zu Waffenlieferungen an die Ukraine?

BURGER: Die Außenministerin und auch der Bundeskanzler haben sich in den letzten Tagen sehr eindeutig zu unserer Unterstützung für die Souveränität und die territoriale Integrität der Ukraine geäußert. Das ist eine Position, die wir mit all unseren Partnern und Freunden in der EU, in der NATO und im G7-Kreis teilen. Wir haben auch sehr deutlich gemacht, dass wir bereit sind, Maßnahmen in dem Fall zu ergreifen, dass Russland erneut die territoriale Integrität der Ukraine verletzen würde, und dass das einen hohen wirtschaftlichen und diplomatischen Preis hätte. Wir haben aber auch deutlich gemacht, dass unser Ziel ist, eine Deeskalation zu erreichen, und dass es uns darum geht, wieder zu Gesprächen im Normandie-Format zu kommen, was das Format ist, in dem bisher über eine Entspannung in der Ostukraine verhandelt wurde. Das sind die Bemühungen, mit denen wir versuchen, dort zu einer Beruhigung der Lage beizutragen, und dabei ziehen wir mit all unseren internationalen Partnern an einem Strang.

FRAGE: Geheimhaltungspflichten im Bündnis sind eine Sache. In der Vergangenheit hat die Regierung dies, wenn sie betreffende Informationen falsch waren, gleichwohl auch klargestellt. Dementieren Sie, Herr Burger, oder dementiert die Bundesregierung vor diesem Hintergrund den Teil der Berichterstattung, dass es an Deutschland gelegen habe, dass die Waffenlieferungen nicht erfolgt seien?

BURGER: Ich habe ja dargelegt, aus welchen Gründen ich mich zu diesem Vorgang gar nicht äußern kann.

ZUSATZ: Ja, aber in der Vergangenheit konnte die Bundesregierung sehr wohl, wenn inhaltliche Vorwürfe falsch waren, sagen: Das ist inhaltlich falsch. – Damit wird ja sozusagen nicht eingegriffen oder keine Geheimhaltungspflicht verletzt. Wenn Sie das jetzt nicht tun, dann nehmen Sie in Kauf, dass in der Öffentlichkeit davon ausgegangen wird, dass der Berichtsinhalt wohl nicht falsch sei.

BURGER: Es tut mir sehr leid, ich kann über das hinaus, was ich Ihnen hier gerade schon gesagt habe, im Moment nichts mitteilten.

HEBESTREIT (BReg): Ich möchte gerne noch ergänzen, dass der Bundeskanzler heute Mittag ja gemeinsam mit dem französischen Präsidenten und dem ukrainischen Präsidenten Selensky am Rande des EU-Gipfels bzw. des Gipfeltreffens der Östlichen Partnerschaft in Brüssel treffen wird. Dabei werden all diese Fragen behandelt, also jetzt nicht die Fragen, die Sie direkt angesprochen haben, aber die Frage der ukrainischen Sicherheit, die Fragen, wie die Lage im ukrainischen Grenzgebiet aussieht, und die Frage, wie die Unterstützung Europas und der Alliierten aussehen kann.

Klar ist, und das hat Herr Burger ja auch sehr deutlich gemacht: Es geht im Augenblick um eine Deeskalation der Lage. Es geht darum, Transparenz in Bezug darauf zu schaffen ‑ auch durch die russische Seite ‑, was diese Truppenbewegungen im Grenzgebiet sollen. Es geht um Informationen und nicht darum, jetzt noch weiter Öl ins Feuer zu gießen.

ZUSATZFRAGE: Wären, so gesehen, Waffenlieferungen weiteres Öl im Feuer, und würden sie dem Deeskalationsanspruch widersprechen?

HEBESTREIT: Ich bin ja neu hier, aber nicht so neu, dass ich nicht gelernt hätte, dass man auf hypothetische Fragen besser nicht antwortet.

WELTY: Ein Kollege meldet sich auch noch einmal zum Thema der Ukraine. Herr Burger, Sie sprechen für den Fall einer russischen militärischen Aggression von einem hohen wirtschaftlichen und diplomatischen Preis. Sind Sie sich darüber bewusst, dass dies in Moskau als Zusage aufgefasst werden könnte, dass es eben kein weiteres Eingreifen gibt, etwa in Form von Waffenlieferungen?

BURGER: Ich werde jetzt hier nicht über Interpretationen dessen diskutieren, was ich gesagt habe, was die Außenministerin gesagt hat, was der Bundeskanzler gesagt hat oder was wir auch im Kreis unserer Verbündeten und Partner in zahlreichen Statements in den vergangenen Tagen gesagt haben. Ich glaube, die Botschaft ist eigentlich eine sehr klare, nämlich dass wir geschlossen an der Seite der Ukraine stehen ‑ insbesondere, was ihre Souveränität und ihre territoriale Integrität angeht ‑ und dass wir als Partner und Verbündete auch entsprechend zu handeln bereit sind.

FRAGE: Herr Hebestreit, noch einmal zu dem Dreiertreffen, dass da stattfinden wird: Wird es dann irgendeine Art von Kommunikation geben?

Was genau ist das Ziel? Was ist dafür also außer der Information und dem Meinungsaustausch geplant? Verabreden die drei irgendetwas Neues, entweder eine diplomatische Initiative oder einen anderen Punkt?

HEBESTREIT: Auch da kann ich mich an die Floskeln von dieser Bank halten und sagen: Solchen Gesprächen greifen wir grundsätzlich nicht vor. Die treffen sich jetzt. Wenn es danach etwas zu verkünden oder zu informieren gibt, dann komme ich dem gerne nach, Herr Rinke, aber im Vorfeld wäre das kontraproduktiv.

Referendum in der Westsahara

WELTY (Vorsitz): Dann habe ich noch eine Online-Frage von einem Kollegen zu einem neuen Thema: Wird die Durchführung eines Referendums in der Westsahara nach dem UN-Plan nach der Aktualisierung des Außenministeriums bezüglich der Beziehungen zwischen Deutschland und Marokko noch von der Bundesregierung unterstützt?

BURGER (AA): Die Haltung der Bundesregierung zum Status der Westsahara hat sich nicht verändert. Insofern gibt es da auch keinen neuen Stand mitzuteilen.

WELTY: Nachfrage: Wird der von Marokko vorgelegte Autonomieplan für das Territorium als ausreichend erachtet, um die Ziele der Vereinten Nationen zu erreichen?

BURGER: Die Klärung des Status der Westsahara ist ein Prozess, der unter Führung der Vereinten Nationen stattfinden muss. Das ist der Prozess, dem wir verpflichtet sind. Wenn es dazu Vorschläge von marokkanischer Seite gibt, dann sind wir für Vorschläge aufgeschlossen. Aber das ist, wie gesagt, ein Prozess, der unter Federführung der Vereinten Nationen stattfinden muss, und insofern hat es keine Veränderung der deutschen Haltung und auch keine Veränderung der Völkerrechtsauffassung Deutschlands gegeben.

Sezessionsbestrebungen des Landesteils Republika Srpska in Bosnien und Herzegowina

FRAGE: Eine Frage an Herrn Burger zum Thema Bosnien: Gestern ist gesagt worden, dass es auf dem EU-Gipfel noch keine Beschlüsse geben werde, weil keine Sanktionen vorbereitet seien. Können Sie bitte noch einmal sagen, was der nächste Weg ist? Wenn man sagt ‑ als Bundesregierung, aber auch viele in der EU ‑, jetzt sei der Zeitpunkt gekommen, an dem man Herrn Dodik klarmachen müsse, welchen Preis er für seine Abspaltungstendenzen zahlen muss, wie wird das dann vorbereitet? Laufen da im Moment Gespräche zwischen den Außenministerien bzw. wann könnten die kommen?

BURGER (AA): In der Tat, die Außenministerin hat im Anschluss an das Treffen der EU-Außenminister am Montagnachmittag auch gesagt, dass sie sich am Rande dieses Treffens gegenüber ihren Kolleginnen und Kollegen dafür eingesetzt hat, dass wir als EU ein klares Zeichen gegen solche Abspaltungsbemühungen setzen und dass wir auch sicherstellen, dass eine destruktive Politik von Herrn Dodik und der Republika Srpska nicht ohne Konsequenzen bleibt, weil das eine scharfe und gefährliche Attacke gegen die Einheit Bosnien und Herzegowinas und gegen den Frieden von Dayton darstellt. Deswegen ist für uns einerseits klar, dass wir bilaterale Unterstützung nicht in eine Entität lenken werden, die aktiv daran arbeitet, Bosnien-Herzegowina als Gesamtstaat zu zerstören, und dass wir uns auch auf EU-Ebene dafür einsetzen, bei der Projektmittelverteilung entsprechende Anpassungen vorzunehmen.

Wir möchten aber auch innerhalb der Europäischen Union über restriktive individuelle Maßnahmen der Europäischen Union gegen diejenigen, die die territoriale Integrität des Landes infrage stellen, diskutieren. Dazu sind wir jetzt im engen Austausch mit unseren europäischen Partnern, aber auch beispielsweise mit den USA und Großbritannien am Rande des G7-Treffens der Außenministerinnen und Außenminister. Insofern ist das ein Thema, zu dem jetzt Beratungen stattfinden. Was aus unserer Sicht das Ziel dieser Beratungen sein muss, hat die Außenministerin deutlich gemacht, nämlich solchen inakzeptablen abspalterischen Tendenzen ein klares Stoppschild zu setzen.

ZUSATZFRAGE: Darf ich noch einmal nach der zeitlichen Perspektive fragen: Wie muss man sich das vorstellen? Werden noch in diesem Jahr Sanktionsvorschläge entweder vom Europäischen Auswärtigen Dienst oder von deutscher Seite vorbereitet, oder kommt das dann erst im neuen Jahr?

BURGER: Ich kann Ihnen dazu keinen präzisen Zeitplan nennen, weil das ja nicht allein in den Händen der Bundesregierung liegt, sondern natürlich auch eine Frage der Abstimmung mit den europäischen Partnern ist.

Venezuela

FRAGE: Ich habe eine Frage an Herrn Burger zur Position der neuen Bundesregierung zu Venezuela. Die Regierung Guaidós bröckelt und das Mandat Guaidós endet im Januar. Wie bewertet die neue Bundesregierung bzw. das Auswärtige Amt die bisher wenig erfolgreiche Strategie der Unterstützung Guaidós? Wird es eine neue Strategie oder neue Impulse diesbezüglich geben?

BURGER (AA): Ich muss Sie um Verständnis bitte: Die neue Regierung ist jetzt wenige Tage alt und die Außenministerin hat beinahe die gesamte Zeit seit ihrer Amtsübernahme auf ihren Antrittsreisen verbracht; deshalb hatte ich noch keine Gelegenheit, mit ihr über diese Frage zu sprechen.

Im Grundsatz bleibt es natürlich bei der Haltung, dass Deutschland wie die gesamte Europäische Union dafür eintritt, dass die Venezolanerinnen und Venezolaner selbst über die politische Zukunft ihres Landes entscheiden können. Das bedeutet, dass es einen funktionierenden freien demokratischen Prozess in Venezuela braucht, in dem die Bürgerinnen und Bürger des Landes selbst entscheiden können, wer sie regiert.

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