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Erklärungen des Auswärtigen Amts in der Regierungs­­pressekonferenz vom 17.11.2021

17.11.2021 - Artikel

Situation der Flüchtlinge aus Belarus

SZENT-IVÁNYI (Vorsitz): Ein Kollege fragt, an das Auswärtige Amt gerichtet: Würde sich Deutschland an einer Rückführung der Migranten aus Belarus in die Herkunftsländer beteiligen und, wenn ja, in welcher Form?

BURGER (AA): Wir stehen zu dieser und zu anderen Fragen natürlich im Austausch mit unseren Partnern, auch mit den internationalen Organisationen, die den Auftrag haben, sich um Migranten und Flüchtlinge zu kümmern. Wir wissen, dass das irakische Außenministerium erklärt hat, dass sich 170 Irakerinnen und Iraker für eine zeitnahe Rückführung aus Belarus gemeldet hätten, dass derzeit die notwendigen Pässe ausgestellt würden und dass es Gespräche mit den belarussischen Stellen zur Umsetzung gebe.

Insofern bietet sich uns im Moment der Eindruck, dass es von irakischer Seite ein aktives Bemühen gibt, den irakischen Staatsangehörigen eine Rückkehr zu ermöglichen. Ich kann jetzt nicht von konkreten Plänen berichten, dass die Bundesregierung dabei eine Rolle spielt.

SZENT-IVÁNY: Ein Kollege fragt, an das Innenministerium gerichtet: Wie ist aktuell die Lage an der deutsch-polnischen Grenze mit Blick auf die ankommenden Flüchtlinge?

ALTER (BMI): Der Trend der Feststellung an der deutsch-polnischen Grenze ist in den letzten Tagen niedriger gewesen als in den Tagen zuvor. Wir hatten am vergangenen Wochenende insgesamt etwa 260 Feststellungen von unerlaubt eingereisten Personen. Das sind im Schnitt zwischen 70 und 80 pro Tag. Ich erinnere daran, dass wir vor einigen Wochen einen deutlich höheren Schnitt von 400 pro Tag hatten. Insofern sind zumindest an der deutsch-polnischen Grenze die Zahlen etwas zurückgegangen.

SZENT-IVÁNYI: Ein Kollege fragt Herrn Seibert: Es hält sich die Kritik am Telefonat von Bundeskanzlerin Merkel mit Lukaschenko. Hat die Bundeskanzlerin in ihrer Regierungszeit auch vorher schon einmal mit zweifelhaft ins Amt geratenen Regierungschefs gesprochen, um bestimmte Ziele zu erreichen?

Ich füge die Frage eines weiteren Kollegen hinzu: Was hat Herr Lukaschenko der Kanzlerin zur Lösung der Krise an der Grenze vorgeschlagen, und für wann ist das nächste Gespräch mit Herrn Lukaschenko geplant?

SEIBERT (BReg): Das ist eine Menge auf einmal. Ich will einmal so beginnen: An der Grenze von Belarus zu Polen besteht eine dramatische und aus humanitären Gesichtspunkten sehr besorgniserregende Lage, eine Lage, in der Tausende von Menschen leiden. Wir wissen, dass das Regime in Belarus diese Lage herbeigeführt hat und dass es Verantwortung für sie trägt. Das haben wir gemeinsam mit unseren europäischen Partnern auch immer klar gesagt. Um diese besorgniserregende humanitäre Lage für Tausende von Menschen zu verbessern, hat es Sinn, auch mit denen zu sprechen, die in Minsk die Möglichkeiten haben, diese Situation zu verändern, auch wenn es um einen Machthaber geht, dessen Legitimität Deutschland wie alle anderen europäischen Mitgliedsstaaten nicht anerkennt.

Darum hat die Bundeskanzlerin mit Herrn Lukaschenko telefoniert, eben um humanitäre Auswege zu finden, um beispielsweise dem UNHCR Zugang zu verschaffen. Das Flüchtlingshilfswerk der Vereinten Nationen steht zur Verfügung, und wir sehen jetzt, dass erste Hilfe die Menschen vor Ort erreicht. Wichtig ist, dass daraus ein permanent gewährter Zugang für UNHCR und für IOM wird. Sie hat dieses Telefonat eng mit der Europäischen Kommission abgestimmt geführt und nach vorheriger Information wichtiger Partner, gerade auch in der Region.

Ich will noch einmal sagen: Die Haltung der EU in dieser Krise ist exakt auch unsere Haltung. Die Linie der EU beispielsweise bei der Verschärfung der Sanktionen ist exakt auch unsere Haltung. Wir bringen uns engagiert in die europäischen Beratungen ein, zuletzt Außenminister Maas beim Rat der Außenminister. Seien Sie gewiss, dass die Bundeskanzlerin, wenn sie solche Telefonate führt, darin natürlich auch die bekannten europäischen Positionen vertritt.

FRAGE: Hat Herr Lukaschenko der Kanzlerin in dem Telefonat irgendwelche Zusagen gegeben, oder hat er nur zur Kenntnis genommen? Können Sie uns etwas darüber sagen?

SEIBERT: Ich habe über dieses Telefonat heute nicht mehr zu sagen als das, was wir in der Pressemitteilung darüber bekanntgegeben haben.

SZENT-IVÁNYI: Ich habe online noch die Frage eines Kollegen: Wie wahr ist die Ankündigung der deutschen Behörden in München, Flüchtlinge von der weißrussisch-polnischen Grenze aufzunehmen?

ALTER: Ich weiß jetzt nicht, woher das aktuell kommt. Wir hatten am vergangenen Wochenende einmal die Gerüchtelage, dass es Planungen gebe, Menschen aus Weißrussland, aus Belarus, nach Deutschland aufzunehmen. Das ist falsch; das haben wir auch dementiert. Solche Planungen gibt es nicht. Ich denke, dass die aktuellen Entwicklungen, die wir dort sehen, noch einmal deutlich zeigen: Der Weg nach Belarus ist für die meisten Menschen, die nach Deutschland wollen, eine Sackgasse. Es gibt keine Planungen, Aufnahmen zu bewilligen.

Konflikt zwischen Russland und der Ukraine

SZENT-IVÁNYI (Vorsitz): Ich habe noch eine Frage zum Konflikt zwischen Russland und der Ukraine einer Kollegin: Am 15. November hat Russlands Präsident Putin das Dekret über die Anerkennung der sogenannten Warenursprungsbescheinigung in den von Moskau besetzten Gebieten im Osten der Ukraine durch die Russische Föderation ausgestellt. Wie ist die Stellungnahme der Bundesregierung zu dieser Entscheidung?

BURGER (AA): Die Antwort darauf muss ich Ihnen nachreichen.

[…]

BURGER: Ich hätte noch eine Nachlieferung: Zu der Frage nach Russland und der Ukraine kann ich sagen, dass der vom russischen Staatspräsidenten Putin am 15. November unterzeichnete Erlass, wonach die Einfuhr von Waren aus von den Separatisten kontrollierten Gebieten in der Ukraine nach Russland erleichtert und diese Waren hinsichtlich staatlicher Beschaffung russischen Waren gleichgestellt werden, Geist und Buchstabe der Minsker Vereinbarungen diametral entgegensteht und die weitere Spaltung des Donbass befördert.

Aufnahme ehemaliger Ortskräfte und gefährdeter Personen aus Afghanistan

FRAGE: An das Bundesinnenministerium: Die „Neue Osnabrücker Zeitung“ hatte Zahlen berichtet, die das Bundesinnenministerium in einer Antwort auf eine Kleine Anfrage der Linksfraktion gemeldet hat. Demnach sind 22 738 Aufnahmezusagen für Menschen aus Afghanistan ausgesprochen worden. Wie viele dieser Menschen haben bereits einen Anspruch geltend gemacht und sind eingereist?

Was die Sicherheitsüberprüfungen betrifft, fehlt mir seit Montag noch die Rückmeldung aus Ihrem Haus, und dazu habe ich generell auch die Frage: Wie viele Sicherheitsüberprüfungen wurden durchgeführt und abgelehnt?

ALTER (BMI): Das sind ja einige Fragen gewesen ‑ ich versuche es einmal in der Reihenfolge.

Sie haben die Zahl von rund 22 000 Aufnahmezusagen genannt und daran die Frage angeknüpft: Wie viele Leute haben einen Anspruch geltend gemacht? Eine Aufnahmezusage des BMI ist eine verlässliche Zusage der Behörden, auf die sich die Betroffenen berufen können. Das heißt also, alle diejenigen, die eine Aufnahmezusage erhalten haben, können sich darauf berufen und haben damit diesen Anspruch, nach Deutschland einzureisen. Bis zum vergangenen Montag, dem 15. November, sind seit dem 16. August 2021 bereits insgesamt 7600 Personen nach Deutschland eingereist, davon 6689 afghanische Staatsangehörige.

Zur Sicherheitsüberprüfung möchte ich noch einmal hervorheben: Die Sicherheitsüberprüfung ist im Grundsatz ein rein technischer Prozess. Das heißt, es werden Personendaten ‑ alphanumerische und biometrische Daten ‑ zu den Betroffenen in die Systeme eingegeben, dann wird ein Abgleich mit den in Deutschland vorhandenen Datenbanken durchgeführt, um zu schauen, ob schon Daten vorhanden sind, und dann gibt es ein Ergebnis dieser Überprüfung. Das ist im Regelfall, also in der ganz überwiegenden Anzahl der Fälle, innerhalb weniger Minuten, teilweise in Sekundenschnelle, erledigt, weil es ein technischer Vorgang ist. Wenn es einen Treffer in einem System gibt, dann muss es natürlich manuell per Konsultation derjenigen Behörde, die Informationen vorliegen hat, nachgeprüft werden. Das kann dann im Einzelfall auch einmal länger dauern. Es gibt aber ganz wenige Fälle, in denen das der Fall ist. Insofern ist das zumindest kein Flaschenhals, wie das manchmal beschrieben wird; dass die Sicherheitsüberprüfung den Prozess in irgendeiner Weise verlängern würde, ist also nicht der Fall.

Die Anzahl der Fälle, in denen es Bedenken gab, ist ausgesprochen gering. Ich habe jetzt keine konkrete Zahl dabei.

BURGER (AA): Ich würde gerne noch einen Satz ergänzen: Eine Maßzahl dafür, in welcher Geschwindigkeit diese Zusagen von den Betroffenen eingelöst oder umgesetzt werden, ist vielleicht auch, dass unsere Visastellen in der Region seit Ende der militärischen Evakuierung inzwischen über 3000 Visa für Ortskräfte und besonders Gefährdete ausgestellt haben, davon rund 1500 allein in den letzten drei Wochen. Das zeigt also, dass die Geschwindigkeit, mit der es Menschen gelingt, aus Afghanistan auszureisen, und mit der wir sie auch in die Lage versetzen, sicher nach Deutschland zu kommen, deutlich anzieht. Darüber sind wir sehr froh.

Ende der Woche werden zudem insgesamt 2000 Menschen mit organisierten Charterflügen nach Deutschland weitergereist sein. Sie haben mitbekommen, dass wir letzte Woche auch den ersten direkten Charterflug aus Afghanistan mit 329 Menschen an Bord durchführen konnten.

ZUSATZFRAGE: Wie schnell rechnen Sie damit, dass die aktuell rund 25 000 angenommenen Menschen dann letztendlich nach Deutschland ausreisen können? Irgendwann war einmal von zweieinhalb Jahren die Rede. Rechnet man jetzt damit, dass das schneller geht? Denn das ist ja auch etwas, was die künftige Regierung durchaus noch über die halbe Regierungsdauer belasten wird.

BURGER: Ich möchte einmal gern diesen zweieinhalb Jahren widersprechen, weil das eine Zahl ist, die definitiv nie von dieser Stelle aus bzw. bestimmt nicht vonseiten der Bundesregierung genannt wurde. Das wurde, glaube ich, ausgehend von einer Zahl von 200 pro Woche, die irgendwann einmal durch den Raum geisterte, aber auch nie eine offizielle Angabe der Bundesregierung war, hochgerechnet. Deswegen möchte ich einmal sagen: Davon ist nichts belastbar.

Ich habe Ihnen gerade gesagt, wie es uns in den letzten Wochen gelungen ist, die Geschwindigkeit deutlich zu beschleunigen. Wir hoffen, dass wir das auch noch weiter deutlich beschleunigen können. Wie Sie wissen, ist einer der Flaschenhälse im Moment die Tatsache, dass die Möglichkeit für Menschen, ohne Pass aus Afghanistan auszureisen, im Moment nicht gegeben ist. Wir hoffen, dass wir dafür bald Lösungen finden, die es dann einer großen Zahl von Leuten ermöglichen würde auszureisen. Das würde den Prozess extrem beschleunigen.

Es wäre aber, glaube ich, nicht seriös, wenn ich hier jetzt eine konkrete Angabe machen würde, in welchem Zeitraum die Ausreise für alle Leute möglich sein wird; denn das hängt einfach von zu vielen Faktoren ab, die wir nicht kontrollieren können. Die Regeln für den Grenzübertritt können sich jederzeit wieder ändern, ohne dass wir das wirklich beeinflussen oder kontrollieren können. Letztlich müssen wir auch damit rechnen, dass es, auch wenn es dem Gros der Menschen gelungen ist auszureisen, immer noch einzelne Menschen geben wird, die in einer besonders schwierigen persönlichen Lage sind und wo uns das noch mehr Zeit kosten wird.

FRAGE: Zum Thema Aufnahmezusagen an das AA: Sie haben eine Anfrage von uns länger nicht beantwortet, deswegen frage ich hier noch einmal. Es gibt Berichte, dass das Auswärtige Amt darüber informiert war, dass Leuten die Aufnahmezusage vor Abflug aberkannt wurde, aber erst nach dem Abflug der Maschinen die Botschaft vor Ort in Islamabad informierte, sodass diese Personen dann ohne Visum in Deutschland standen. Können Sie dazu etwas sagen? Warum wurde diese Informationsweitergabe verzögert?

BURGER: Ich kann dazu sagen: Wir wissen, dass es einzelne Fälle gab ‑ wirklich eine sehr geringe Anzahl von Fällen ‑, in denen Aufnahmezusagen zurückgezogen wurden, nachdem die Personen bereits Visa erhalten hatten. Die Information lag dann nicht immer rechtzeitig in Islamabad vor, um die Visa vor Abflug nach Deutschland zu annullieren. Die Mehrzahl dieser Fälle konnte aber dahingehend geklärt werden, dass das Zurückziehen der Aufnahme fehlerhaft gewesen war, sodass die Menschen letztlich doch rechtmäßig nach § 22 Satz 2 Aufenthaltsgesetz aufgenommen werden konnten.

FRAGE: Haben Sie Anhaltspunkte dafür, dass es unter den 25 000 Zusagen auch Fälle gibt, in denen kein ernsthafter Wunsch dahintersteht, dann tatsächlich nach Deutschland zu kommen, in denen also sozusagen prophylaktisch Zusagen erteilt wurden? Oder gehen Sie davon aus, dass eigentlich alle, die jetzt eine Zusage haben, tatsächlich nach Deutschland kommen möchten?

BURGER: Ich glaube, darüber könnte man nur spekulieren, und das möchte ich an dieser Stelle nicht tun. Natürlich hat jeder der Betroffenen sozusagen bis zu letzten Minute die Möglichkeit, sich dagegen zu entscheiden. Sie wissen auch, dass wir neben den Ortskräften auch den Kreis der sogenannten Menschenrechtsliste haben. Das sind Menschen, die einen Deutschlandbezug haben, aber die möglicherweise auch Bezüge zu anderen Staaten haben, sodass es möglicherweise auch Optionen gibt, dass sie in anderen Staaten aufgenommen werden. Ich habe dazu aber keine belastbaren Einschätzungen.

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