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Erklärungen des Auswärtigen Amts in der Regierungs­­pressekonferenz vom 08.11.2021

08.11.2021 - Artikel

COVID-19-Pandemie (COVAX)

FRAGE: Ich bin mir nicht ganz sicher, ob sich meine Frage an das Auswärtige Amt oder an das BMG richtet. Vielleicht können Sie mir helfen bzw. mich korrigieren. Es geht um Impfstoffspenden ins Ausland. Vor einer Woche hatte der Sprecher des BMG gesagt, dass es sicher ist, dass die 100 Millionen ausgeliefert werden. Mich würde interessieren, was dafür die Bedingungen in Bezug auf die Hersteller sind und, falls Sie das nicht sagen können, wie nachhaltig das ist und ob das auch die Impfstoffspenden betrifft, die die Kanzlerin für das nächste Jahr angekündigt hat, dass die auch sicher sind.

KAUTZ (BMG): Ich kann Ihnen hier nicht mehr als die 100 Millionen Impfstoffdosen kommunizieren, die wir spenden wollen, und zwar zum einen über bilaterale Verträge und zum anderen über COVAX. Das ist nach wie vor unser Ziel, trotz mancher Schwierigkeiten, die Sie gerade angesprochen haben.

ZUSATZFRAGE: Vielleicht kann das AA ergänzen, wohin die 100 Millionen Dosen wann gehen.

SASSE (AA): Vielen Dank. ‑ Wie Sie wissen, haben wir uns von Beginn an der Pandemie sehr stark dafür eingesetzt, dass Impfstoffe und Medikamente gegen COVID-19 weltweit gerecht verteilt werden. Deutschland ist ‑ das kann ich auch noch einmal hier an dieser Stelle sagen ‑ insgesamt mit 2,2 Milliarden Euro zweitgrößter Geber des sogenannten Access to COVID-19 Tools Accelerator. Das Ziel dieses Systems ist es, den gerechten Zugang für alle zu Impfstoffen und Medikamenten zu befördern und die Gesundheitssysteme zu stärken. Der Löwenanteil unserer Unterstützung fließt dabei der Impfsäule COVAX zu, die Herr Kautz ja schon angesprochen hat. COVAX konnte insgesamt mittlerweile über 440,3 Millionen Impfdosen verteilen.

Zusätzlich zur finanziellen Unterstützung von COVAX gibt Deutschland mindestens 175 Millionen Dosen Impfstoff aus eigenen Lieferverträgen ab, davon 100 Millionen im Jahr 2021 und mindestens 75 Millionen Dosen im Jahr 2022. Damit liegen wir in absoluten Zahlen auf Platz zwei als größter Geber von Impfstoffen weltweit. Wir haben bereits an 22 Staaten Impfstoffe gespendet. Über 18 Millionen Dosen sind mittlerweile vor Ort angekommen. Damit liegen wir bei den bereits ausgelieferten Dosen in der EU sogar auf Platz eins.

In den nächsten Wochen werden weitere signifikante Abgaben von Impfstoffen von Johnson & Johnson und BioNTech überwiegend an Länder in Afrika erfolgen. Unsere bisher erfolgten Abgaben teilen sich, wie erwähnt, in bilaterale Abgaben und Abgaben über COVAX auf. Bilateral haben wir insgesamt bisher 7,6 Millionen Dosen geliefert, zuletzt nach Thailand. Über COVAX wurden bisher mehr als 10 Millionen Dosen geliefert. Es folgen in den kommenden Tagen Pakistan und die Philippinen. Der allergrößte Anteil unserer Impfstoffspenden ‑ knapp 10,3 Millionen Dosen ‑ wurde an insgesamt 13 Länder in Afrika ausgeliefert.

Zusammengefasst: Wir setzen uns über drei Wege dafür ein, dass Impfstoffe weltweit verteilt und genutzt werden. Erstens fördern wir die Impfstoffplattform COVAX finanziell. Zweitens geben wir Impfdosen über COVAX an Staaten ab, die diesen Impfstoff dringend brauchen und auch direkt verimpfen können. Drittens geben wir Impfstoff auch bilateral ab, also von Staat zu Staat.

FRAGE: Ich habe eine Verständnisfrage. Wenn man von Afrika her denkt, so leben dort über eine Milliarde Menschen, für die man mindestens zwei Milliarden Dosen braucht. Sind denn aus Sicht der Bundesregierung diese geplanten 100 Millionen Dosen über COVAX annähernd genug?

SASSE: Wie wir an dieser Stelle, glaube ich, schon mehrfach ausgeführt haben, ist die Bekämpfung der Pandemie eine Herausforderung, der wir uns insgesamt gemeinsam stellen. Wir bemühen uns als Bundesregierung, so viel zu tun, wie es aus unserer Sicht und gemäß unserer Mittel möglich ist. Das sind die Bemühungen, die ich soeben dargestellt habe. Diese Bemühungen laufen selbstverständlich weiter. Es gibt an dieser Stelle, glaube ich, nichts darüber zu spekulieren, ob das jetzt schon für Afrika genug ist. Sie wissen, dass wir weiterhin sehr bemüht darum sind, zum einen Impfstoffe nach Afrika zu schicken und zum anderen dort auch Produktionskapazitäten zu stärken, damit Impfstoff in afrikanischen Staaten selber hergestellt werden kann.

ZUSATZFRAGE: Es macht sehr wohl Sinn, darüber zu spekulieren, weil 100 Millionen doch angesichts von zwei Milliarden nötigen Dosen viel zu wenig sind. Herr Seibert, sieht die Kanzlerin es so, dass diese 100 Millionen Dosen in irgendeiner Weise ausreichend sein sollen?

SEIBERT (BReg): Ich glaube, jedem ist klar, dass bei einem Kontinent von der Größe von Afrika 100 Millionen Dosen am Ende nicht das letzte Wort sein können. Das versteht sich von selbst. Es ist trotzdem ein sehr wichtiges Versprechen, eine sehr wichtige Zusage, die die G20 gemacht haben. Weil es nicht ausreichen wird, ist es ja so wichtig, dass wir dazu kommen, dass auch in den afrikanischen Ländern selbst produziert werden kann, auch durch Technologietransfer. Die Kollegin aus dem Auswärtigen Amt hat Ihnen ja gesagt, was diesbezüglich bereits anläuft. Das ist mittelfristig sicherlich ein sehr vielversprechender Weg. Jetzt geht es darum, dass die Weltgemeinschaft erst einmal diese Abgabe von 100 Millionen Dosen wirklich auch umsetzt.

Afghanistan

FRAGE: Helfer von Hilfsorganisationen berichten von Tötungen durch die Taliban in Afghanistan und davon, dass es immer schwieriger wird, die Menschen in den Verstecken über Bezahldienste zu unterstützen. Wie ist die Erkenntnislage des Auswärtigen Amtes? Sie haben ja breite Zahlen dazu gestreut, wie viel Hilfe nach Afghanistan geht. Erreicht diese Hilfe auch die Menschen in den Verstecken?

SASSE (AA): Vielen Dank, Herr Lücking. – Vielleicht komme ich zuerst einmal zu den Tötungen. Es gab ja am Wochenende Berichte über die Tötung von vier Frauen in Masar-e Scharif. Dazu kann ich Ihnen sagen, dass wir diese Berichte zur Kenntnis genommen haben. Eigene Erkenntnisse zu diesen Überlieferungen liegen uns allerdings nicht vor. Das ist aber natürlich ganz unbestritten eine schreckliche Tat, die aufgeklärt werden muss.

Was unsere Hilfe angeht, haben Sie zu Recht darauf verwiesen, dass wir das an dieser Stelle schon einmal dargestellt haben. Das gibt mir Gelegenheit, auch noch einmal einzuordnen, dass wir die Gespräche mit den Taliban, die wir immer schon geführt haben und auch weiter führen werden, jetzt natürlich inhaltlich darauf ausrichten, dass solche humanitäre Hilfe, die wir weiterhin für die Menschen vor Ort in Afghanistan leisten, die Menschen auch tatsächlich erreicht und dass die Taliban es den Menschen in Afghanistan zudem ermöglichen, auszureisen, wenn sie es denn möchten. Das betrifft unter anderem die Frage, ob und auf welche Art die Menschen bessere oder andere Ausweispapiere benötigen und erhalten. Das betrifft auch ganz praktische Fragen der Ermöglichung der Weiterreise oder Ausreise, zum Beispiel in Nachbarländer.

Wie Sie wissen ‑ das haben wir auch schon mehrfach dargestellt ‑ sind wir weiterhin bemüht darum, die Ausreise von Personen, die wir als schutzbedürftig identifiziert haben, zu ermöglichen. Dazu zählt unter anderem der Landweg. Pakistan ist dabei ein sehr wichtiger Nachbarstaat, der eine sehr entscheidende Rolle spielt. Wir haben auf dem Landweg ‑ das kann ich an dieser Stelle auch noch einmal sagen, was die Zahlen angeht ‑ insgesamt 1400 afghanischen Staatsangehörigen ermöglicht, auszureisen. Sie wurden dann auch bei der Weiterreise nach Deutschland unterstützt, und zwar mittels fünf organisierter Weiterflüge. Auch was den Luftweg angeht ‑ das habe ich an dieser Stelle, glaube ich, auch vorletzte Woche schon einmal ausgeführt ‑, bemühen wir uns weiterhin darum, Ausreisemöglichkeiten zu schaffen. Es gibt unter anderem Planungen für einen möglicherweise stattfindenden Charterflug, den Deutschland durchführt. Über die genauen Planungen kann ich Ihnen aber an dieser Stelle noch keine Auskunft geben. Wenn das der Fall sein wird, werde ich das gerne an dieser Stelle nachholen.

ZUSATZFRAGE: Zu den Bezahldiensten: Es gibt ja etablierte Wege, den Menschen in den Verstecken zu helfen, doch die Dienstleister beschränken die Möglichkeit, dieses Geld irgendwie nach Afghanistan zu bringen. Sehen Sie seitens der Bundesregierung eine Möglichkeit, darauf Einfluss zu nehmen, Gespräche aufzunehmen?

SASSE: Uns ist natürlich bewusst, dass die Menschen vor Ort alle Möglichkeiten nutzen wollen, die sich bieten, um möglichst schnell auszureisen und auch an Hilfe zu gelangen. Es ist aber so, dass sich die Bundesregierung ja an Recht und Gesetz halten muss und dass wir vor diesem Hintergrund beispielsweise den Kauf von Pässen oder anderen Hilfsangeboten, die da im Raum stehen, nicht unterstützen. Wir stehen aber, wie gesagt, auch in Gesprächen mit den Taliban darüber, Ausreisen beispielsweise ohne Pässe zu ermöglichen.

FRAGE: Deutsche Zeitungen berichten, dass Botschafter Markus Potzel nächste Woche nach Afghanistan reisen wird, um über die Beziehungen zu den Taliban zu sprechen. Wird Deutschland seine Botschaft in Kabul eröffnen?

SASSE: Wir haben diese Medienberichterstattung am Wochenende zur Kenntnis genommen. Wie immer kommentieren wir Medienberichte an dieser Stelle nicht. Ich habe deutlich gemacht, dass wir weiterhin Gespräche mit den Taliban führen. Insofern hat sich da nichts verändert. Ich habe auch den Inhalt dieser Gespräche deutlich gemacht, und diese Gespräche führen wir selbstverständlich über unseren Botschafter Markus Potzel und auch über den Afghanistan-Beauftragten des Auswärtigen Amtes weiter.

ZUSATZFRAGE: Welche Art und Form hat die Beziehung der deutschen Bundesregierung zu den Taliban?

SASSE: Ich weiß nicht genau, auf was sich die Frage bezieht. Wir führen, wie gesagt, Gespräche mit den Taliban, und unsere Beziehungen haben sich nicht verändert.

Situation an der Grenze zwischen Belarus und Polen

FRAGE: Frau Sasse, zur Situation an der Grenze zwischen Weißrussland und Polen: Wie bewerten Sie das und die Haltung der weißrussischen Regierung in diesem ganzen Zusammenhang?

Planen Sie konkrete Maßnahmen? Vielleicht hilft die Bundesrepublik Polen beim Grenzschutz oder verhängt weitere Sanktionen gegen Minsk in diesem Zusammenhang?

SASSE (AA): Frau Timofeeva, wir hatten uns an dieser Stelle schon vorletzte Woche, glaube ich, ausführlich zur Lage an der belarussisch-polnischen Grenze geäußert und auch sehr deutlich gemacht, dass uns diese Situation ausdrücklich weiter besorgt. Wir beobachten, dass das Lukaschenko-Regime weiterhin Migranten nach Belarus lockt und sie auf eine gefährliche Reise in Richtung EU schickt. Es gibt Hinweise darauf, dass das Minsker Regime die Menschen trotz der widrigen Verhältnisse und auch der winterlichen Temperaturen immer wieder zur Grenze schickt, zum Teil mit Zwang.

Ich hatte in einer der letzten Pressekonferenzen deutlich gemacht, dass wir mit Blick auf Belarus auch insgesamt weiter an einer gemeinsamen EU-Reaktion arbeiten und hier gemeinsam als EU reagieren, um mit einem Bündel von Maßnahmen auf dieses perfide und menschenverachtende Verhalten von Herrn Lukaschenko zu antworten. Die verschiedenen Maßnahmen, die wir jetzt gemeinsam mit den EU-Partnern vorantreiben, haben wir hier in den vergangenen Tagen und Wochen bereits dargestellt. Es geht unter anderem um die Erweiterung von EU-Sanktionen und um Gespräche mit den Herkunfts- und Transitstaaten. Es gibt beispielsweise auch um Aufklärung über die Gefahren der Belarus-Route in sozialen Medien.

Selbstverständlich geht es auch ‑ damit komme ich auf Ihre Frage zurück ‑ um die Unterstützung der betroffenen EU-Mitgliedstaaten, unter anderem beim Außengrenzschutz. Wir befinden uns darüber in engem Austausch. Unter anderem hat Außenminister Maas gerade vergangenen Montag mit der zuständigen EU-Innenkommissarin Johansson telefoniert. Wir hatten die Inhalte auch über unseren Twitter-Kanal verbreitet.

SEIBERT (BReg): Ich will noch einmal, wenn ich darf, ganz kurz daran erinnern, dass sich ja auch der vergangene Europäische Rat Ende Oktober schon mit dieser Frage auseinandergesetzt hat, die seitdem noch mehr an Dringlichkeit gewonnen hat, und ganz klar gesagt hat: Das ist ein laufender hybrider Angriff des belarussischen Regimes gegen einen Mitgliedstaat der Europäischen Union. Das belarussische Regime agiert als Schlepper. Es instrumentalisiert in einer politisch wie menschlich verwerflichen Weise Flüchtlinge und Migranten, und Europa wird sich in diesem laufenden hybriden Angriff gemeinsam entgegenstellen.

FRAGE: An das Innenministerium: Ist Ihnen bekannt, dass sich heute eine Menschenmenge in vierstelliger Zahl in Richtung der polnischen Grenze bewegt? Die haben sich wohl aus verschiedenen Gruppen zusammengetan und marschieren jetzt in diesen Minuten Richtung polnischer Grenze. Welche Unterstützung könnte die Bundesrepublik jetzt den polnischen Kollegen an dieser Grenze geben? Wie reagieren Sie, wenn es zu einem massiven Durchbruch der polnischen Grenze kommt?

ALTER (BMI): Zunächst einmal sind uns die Berichte über diese Personengruppe bekannt. Es gibt ja auch Videos und Bilder, die in den sozialen Netzwerken umhergesendet werden. Das kennen wir. Aber das ist natürlich nicht die einzige Informationsquelle, der wir uns behördlicherseits bedienen. Wir stehen in engem Austausch mit den polnischen Behörden. Die Bundespolizei hat Kontakte auf Arbeitsebene. Es gibt dort eine permanente Abstimmung.

In der vergangenen Woche hat ein Besuch stattgefunden. Die Bundespolizei war in Polen zu Arbeitsgesprächen. Wir können nur sagen, dass die polnischen Behörden mit enormem Aufwand versuchen, den Schutz der Außengrenze zu gewährleisten. „Schutz der Außengrenze“ bedeutet, dass Grenzübertritte so erfolgen, dass man diejenigen, die nach Polen einreisen, auch kontrollieren kann und dann entscheiden kann, ob Einreisevoraussetzungen erfüllt sind oder nicht. Das erfolgt eben in unterschiedlicher Form, je nachdem, ob man sich an einer zugelassenen Grenzübergangsstelle oder in dem Raum zwischen Grenzübergangsstellen befindet.

Die polnischen Behörden wissen, dass wir Unterstützung leisten, wenn sie benötigt wird. Das hat auch der Bundesinnenminister gegenüber seinem Amtskollegen schon vor zwei Wochen schriftlich angeboten. Falls das notwendig werden sollte, denke ich, werden die polnischen Behörden auf uns zukommen. Das ist bislang nicht geschehen.

ZUSATZFRAGE: Ist dabei auch an einen Waffengebrauch gedacht? Wie stehen Sie zu der Option, Waffen zu gebrauchen, um die Flüchtlinge an der Überquerung der Grenze zu hindern?

ALTER: Es gibt in unserem deutschen Recht Vorschriften ‑ das ist das Gesetz über die Anwendung unmittelbaren Zwangs ‑, in denen genau definiert ist, unter welchen Umständen Schusswaffen eingesetzt werden. Das sind ganz, ganz strenge Regelungen, bei denen es in der Regel darum geht, Gefahren für Leib und Leben abzuwehren. Diese Frage, die Sie stellen, stellt sich uns derzeit nicht.

FRAGE: Fürchtet die Bundesregierung, dass die Leute, die im Moment an der Grenze zwischen Belarus und Polen sind, in Richtung Deutschland weiterlaufen?

Kümmert sich die aktuelle Regierung noch um die neue Migrationswelle, oder muss die EU auf die neue Bundesregierung warten?

ALTER: Vielleicht kann ich daran anschließen. Die Behörden in der Bundesrepublik Deutschland, die für den Grenzschutz zuständig sind, beobachten die Situation sehr genau. Wir wissen aus der Vergangenheit, dass das Geschehen an den Außengrenzen der Europäischen Union immer auch Wechselwirkungen mit den nationalen Grenzen im Inneren der EU haben kann. Insofern stehen wir mit hoher Aufmerksamkeit in Kontakt mit den polnischen Behörden.

Ja, die geschäftsführende Bundesregierung kümmert sich um die Belange, die keinen Aufschub dulden. Sie setzt aber keine neuen politischen Impulse.

Wahlen in Nicaragua

FRAGE: Wie steht die deutsche Regierung zum ‑ in Anführungszeichen ‑ neu gewählten Präsidenten in Nicaragua?

SASSE (AA): Ich würde für das Auswärtige Amt antworten und zum einen darauf verweisen, dass heute eine Erklärung der EU zu den Wahlen in Nicaragua im Namen aller EU-Mitgliedstaaten veröffentlicht werden wird.

Zum anderen kann ich für die Bundesregierung und für das Auswärtige Amt sagen, dass der Wahlprozess in Nicaragua aus unserer Sicht nicht die Mindestvoraussetzungen einer freien und fairen Wahl erfüllt hat. Insbesondere befinden sich mehrere Oppositionsführer in Haft und andere im Exil. Sie hatten daher keine Möglichkeit, an der Wahl teilzunehmen. Wir rufen die Regierung von Nicaragua dazu auf, zum demokratischen Prozess zurückzukehren und die politischen Gefangenen unverzüglich freizulassen.

Sanktionen der ECOWAS gegen die Übergangsregierung in Mali

FRAGE JUNG: Ich habe eine Frage an Frau Sasse und das Auswärtige Amt zum Thema Mali. Es geht um ECOWAS. Die Wirtschaftsgemeinschaft westafrikanischer Staaten hat Sanktionen gegen die dortigen Militärherrscher, mit denen die Bundesregierung ja zusammenarbeitet, verhängt. Wie bewerten Sie diese Maßnahmen? Es geht darum, dass die innerhalb von 18 Monaten zugesagten Wahlen jetzt doch nicht stattfinden werden.

SASSE (AA): Die Antwort auf diese Frage müsste ich nachreichen.

Unsere Position zu Mali ‑ das kann ich vielleicht ergänzen ‑ hatten wir ja schon mehrfach dargestellt, auch, was die Bemühungen von ECOWAS, in dem Konflikt zu vermitteln, angeht. An dieser grundsätzlichen Position zu Mali hat sich nichts geändert. Allerdings würde ich, was Ihre konkrete Fragen nach Sanktionen der ECOWAS angeht, die Antwort gerne nachreichen.

Völkermord an den Herero und Nama

FRAGE: Frau Sasse, zu Namibia: Ist aus Sicht der Bundesregierung die Gruppe der Nama ein indigenes Volk?

SASSE: Damit nehmen Sie ja Bezug auf verschiedene Fragen, die Sie in der letzten Woche, wenn ich das richtig verstanden habe, schon mit Herrn Burger diskutiert haben. Wir hatten bezüglich einer Ihrer Fragen, die noch offen waren, etwas nachgeliefert. Das betrifft die Frage nach der Deklaration indigener Völker. Ich weiß nicht, ob Sie jetzt über diese Nachlieferung hinaus, die wir bereits übermittelt haben, noch etwas wissen möchten. Ich kann im Moment über diese Nachlieferung hinaus nichts zu Ihrer Frage beitragen.

ZUSATZ: Ich will das gern erläutern: In der Nachlieferung war in der Tat die Frage, ob es sich bei den Nama um ein indigenes Volk handelt oder nicht, nicht beantwortet worden; die Frage wurde sozusagen nicht behandelt. Deswegen würde ich das gerne wissen, weil sich aus dieser Antwort dann neue Fakten ergeben, zum Beispiel was weitere Rechte der indigenen Völker und deren Wahrnehmung betrifft. Für die Einschätzung des Sachverhaltes wäre also die Einschätzung der Bundesregierung, worum es sich bei den Nama eigentlich handelt, von zentraler Bedeutung, und diese Einschätzung ist bisher noch nicht geliefert worden. Da bitte ich um Nachlieferung.

SASSE: Dann möchte ich das vielleicht doch noch einmal für alle grundsätzlich einordnen.

Die Frage bezieht sich darauf, ob die Bundesregierung sich bei den Verhandlungen oder bei den Gesprächen, die wir mit der namibischen Regierung in der Vergangenheit geführt haben, an die Deklaration der Vereinten Nationen über indigene Völker gebunden fühlt. Herr Burger hatte sich dazu ausführlich geäußert, und ich möchte an dieser Stelle für alle auch erwähnen, dass wir auf seine Frage geantwortet hatten. Das ist jetzt ein etwas längerer Text, den ich aber ausdrücklich vorlesen möchte:

„Die Bundesregierung ist aktiv an Verhandlungen im Rahmen der Vereinten Nationen beteiligt, um die Rechte und die Teilhabe von Indigenen weiter zu stärken und selbstverständlich bestrebt, diese Rechte umzusetzen.

Die Bundesregierung hat sich von Beginn der deutsch-namibischen Verhandlungen an mit der namibischen Regierung darauf verständigt und darauf geachtet, dass Vertreter der Nama und Herero an allen Phasen des Dialogs beteiligt sind.

Ursprung der Verhandlungen aus namibischer Sicht ist der Auftrag der namibischen Nationalversammlung vom 26.10.2006, der ausdrücklich auch die Beteiligung der Nachkommen der Opfer des Völkermordes vorsah.

Auf namibischer Seite wurde daher ein “Technisches Komitee„ eingerichtet, das dem namibischen Verhandlungsführer Dr. Ngavirue beratend zur Seite stand. Fünf Vertreter der Nachfahren der Opfer wurden in die Verhandlungsdelegation aufgenommen. Sie haben an sämtlichen Verhandlungsrunden teilgenommen und die Position der betroffenen Gemeinschaften aktiv eingebracht.

Beratend stand dem Delegationsführer auch der “Rat der Ovaherero, OvaMbanderu und Nama für den Dialog über den Völkermord von 1904-1908„ (ONCD) zur Seite. Darin sind über 26 traditionelle Autoritäten und Königshäuser zusammengeschlossen, darunter die traditionale Autorität der Vaalgras und Okakarara, die Königshäuser Zeraeua und Maharero und zahlreiche andere. Das Technische Komitee stand auch Vertretern weiterer betroffener Gemeinschaften offen.

Daraus ergibt sich jedenfalls kein offensichtlicher Widerspruch zur Erklärung der Vereinten Nationen über die Rechte der indigenen Völker aus dem Jahr 2007.“

Ich bitte um Entschuldigung, wenn ich hier die Namen von Volksstämmen nicht richtig ausgesprochen habe. Das ist keine Absicht.

Um an dieser Stelle auf Ihre Frage zurückzukommen, Herr Jessen, ob die Volksgruppen, um die es hier geht, von der Erklärung der Vereinten Nationen erfasst sind ‑ denn darum geht es letztlich ‑: Sie wollen, wenn ich Sie richtig verstehe, darauf hinaus, ob wir diese Erklärung in unseren Gesprächen berücksichtigt haben. Ich glaube, das wird aus dem, was ich jetzt vorgetragen habe, sehr deutlich. Wir haben uns nach Kräften und in Zusammenarbeit mit der namibischen Regierung bemüht, die Opfergruppen bzw. betroffenen Volksgruppen, um die es geht, in den Prozess einzubinden, und haben das so getan, wie die namibische Regierung und die Opfergruppen selbst es entschieden haben.

ZUSATZFRAGE: Danke für das Verlesen der ausführlichen Antwort, aber darin wird eben auch deutlich, dass die Frage tatsächlich nicht beantwortet ist; denn nach der Regel der Vereinten Nationen sind es die indigenen Völker selbst, die bestimmen müssten, wer sie vertritt. Was Sie vorgelesen haben ‑ danke noch einmal dafür ‑, zeigt einen Prozess, bei dem nicht die Bevölkerungsgruppen selbst bestimmt haben, wer sie vertritt, sondern es wurden Mitglieder dieser Gruppen vom Parlament benannt. Stimmen Sie mir zu, dass es ein Unterschied ist, ob eine Volksgruppe selbst benennt, wer sie vertreten soll, oder ob vom Parlament Mitglieder dieser Volksgruppe benannt werden?

SASSE: Noch einmal: Wir sehen keinen offensichtlichen Widerspruch zur Erklärung der Vereinten Nationen über die Rechte der indigenen Völker, und ich habe sehr deutlich gemacht, dass wir in allen Phasen der Verhandlungen zwischen Deutschland und Namibia mit der namibischen Regierung in Dialog standen und auch darauf geachtet haben, dass Vertreter der Nama und Herero an allen Phasen des Dialogs beteiligt waren.

Ich darf auch noch einmal darauf verweisen, dass der Verhandlungsführer, Dr. Ngavirue, der inzwischen ja leider verstorben ist, selbst aus einer dieser Volksgruppen stammte.

Ukraine-Konflikt

FRAGE: Frau Sasse, es gibt Berichte über Truppenbewegungen auf der russischen Seite der russisch-ukrainischen Grenze. Wie schätzen Sie die Situation ein? Sind Sie beunruhigt, oder was passiert da Ihrer Kenntnis nach?

SASSE (AA): Ich kann Ihnen sagen, dass wir die Lage selbstverständlich sehr, sehr aufmerksam beobachten und uns dazu auch sehr eng mit anderen Partnern austauschen. Zu einzelnen Inhalten vertraulicher Gespräche mit diesen Partnern, auch was mögliche russische Truppenbewegungen angeht, kann ich Ihnen allerdings keine Auskunft geben. Wie gesagt, wir beobachten die Lage sehr, sehr aufmerksam, und dazu gehören auch die aktuellen Truppenbewegungen.

ZUSATZFRAGE: Aber beunruhigt sind Sie nicht?

SASSE: Doch, selbstverständlich. Ganz grundsätzlich ist schon die Zunahme der Verletzungen des Waffenstillstandes im Donbass selber beunruhigend, ebenso wie die Behinderungen der Arbeit der Beobachtungsmission der OSZE, der SMM. Die Bundesregierung setzt sich daher dafür ein, die Spannungen in der Region zu reduzieren, und dazu gehört auch, dass wir darauf drängen, die Transparenz zu erhöhen, was Truppenbewegungen im Grenzgebiet angeht.

FRAGE: Frau Sasse, auch zu diesem Thema bzw. zum Normandie-Format: Der Sprecher des ukrainischen Präsidenten hat gesagt, das Normandie-Format sei aus und ein Gipfeltreffen sowie ein Ministertreffen könnten nicht stattfinden. Früher hat das Auswärtige Amt gesagt, dass Sie zusammen mit Frankreich Verhandlungen zum Thema Ministertreffen geführt haben. Wo steht man in diesen Verhandlungen?

SASSE: Ich möchte noch einmal darauf verweisen, dass das Ergebnis eines Gesprächs von Bundeskanzlerin Merkel und dem französischen Staatspräsidenten Macron mit dem russischen Staatspräsidenten Putin im Oktober der klare Auftrag war, ein Treffen im Normandie-Format der Außenminister zeitnah durchzuführen, um dringend benötigte Fortschritte bei der Konfliktlösung zwischen Russland und der Ukraine zu erzielen. In den vergangenen Wochen sind wir mehrfach darauf eingegangen, und in der vergangenen Woche hatte mein Kollege Herr Burger auch über ein Schreiben der russischen Seite berichtet.

Ich kann dazu im Moment nur sagen, dass wir weiterhin sehr intensiv daran arbeiten, dass ein solches Treffen im Normandie-Format der Außenminister aller vier Staaten stattfindet. Aber aus dem Format ergibt sich auch: Für ein Quartett braucht es vier Spieler, die mitspielen. Frankreich, Deutschland und die Ukraine stehen für ein Treffen bereit. Wir hoffen, dass die Russen ebenfalls dazu bereit sind.

ZUSATZFRAGE: Ein Datum gibt es also nicht?

SASSE: Ich habe Ihnen dazu heute nichts mitzuteilen.

FRAGE: Frau Sasse, Sie hatten gesagt, Sie würden mit Ihren Partnern über die Situation an der Grenze beraten. Den Inhalt wollen Sie nicht widergeben, aber können Sie sagen, was für Partner das sind?

SASSE: Da die OSZE, wie Sie wissen, eine entscheidende Rolle in der Region spielt, sprechen wir selbstverständlich mit der OSZE über die Lage. Wir sprechen mit Partnern wie den USA, selbstverständlich mit den Franzosen und auch mit den beteiligten Konfliktparteien, also der Ukraine und Russland.

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