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Erklärungen des Auswärtigen Amts in der Regierungs­­pressekonferenz vom 01.11.2021

01.11.2021 - Artikel

Nuklearverhandlungen mit Iran

FRAGE: Herr Burger, ich habe zwei kurze Fragen zu den Nuklearverhandlungen mit dem Iran. Ist weiterhin unklar, wann der Iran zu den Verhandlungen zurückkehrt? Sehen Sie eine Rolle für Russland und China, um den Iran an den Verhandlungstisch zu bewegen?

Eine zweite kurze Frage in diesem Zusammenhang: Der Iran hat gesagt, dass er einen Neustart der Verhandlungen möchte, das heißt, nicht aufgrund der Ergebnisse vom Juni, sondern einen Neustart in die Verhandlungen mit neuen Forderungen. Wie steht die Bundesregierung dazu?

BURGER (AA): Sie haben mitbekommen: Am Wochenende gab es ein Treffen auf Ebene der Staats- und Regierungschefs im Kreise der E3, auch mit den USA. Dies zeigt die Bedeutung, die wir gemeinsam der vollständigen Wiederherstellung der Nuklearvereinbarung mit dem Iran beimessen. Es unterstreicht gleichzeitig die große Sorge, die uns die fortdauernde nukleare Eskalation durch den Iran bereitet. Wir fordern den Iran auf, seinen Worten zu einem Verhandlungsbeginn im November nun auch Taten folgen zu lassen.

ZUSATZFRAGE: Sehen Sie irgendeine Rolle für China bzw. Russland? Es ist ja noch unklar, ob der Iran überhaupt an den Verhandlungen teilnimmt.

BURGER: Wie gesagt: Die iranische Regierung hat angekündigt, wieder zu den Verhandlungen zurückkehren zu wollen. Ein konkretes Datum für die Wiederaufnahme der Verhandlungen hat der Iran aber weiterhin nicht vorgeschlagen. Deswegen ist aus unserer Sicht jetzt der Iran am Zug. Der iranischen Ankündigung müssen nun bald auch Taten folgen.

Einstufung sechs palästinensischer NGOs als terroristische Organisationen in Israel

FRAGE: Ich habe eine Frage auch an Herrn Burger zu den verbotenen NGOs auf der palästinensischen Seite durch die israelische Regierung. Ich glaube, in erster Linie betrifft dies das Verteidigungsministerium. Wie sieht das Ihr Haus? Es sind ja jetzt ‑ dazu gab es ein paar Berichte ‑ auch deutsche Geldgeber berührt, die GIZ und ein paar parteipolitische Stiftungen, die diese NGOs unterstützt haben oder unterstützen. Was ist Ihre Sicht der Dinge? Sind das tatsächlich terroristische Organisationen, die auch von der deutschen Seite hier und da finanziert werden, oder ist es gerade umgekehrt, dass menschenrechtliche Bemühungen für Palästinenserinnen und Palästinenser zu Terrorismus erklärt werden?

BURGER (AA): Dazu hat sich in der vergangenen Woche meine Kollegin Frau Sasse von dieser Stelle ausführlich geäußert. Darauf würde ich Sie gerne verweisen.

ZUSATZ: Dann lese ich das nach.

Mögliches Treffen im Normandie-Format

VORS. WOLF: Dann bin ich noch einmal bei digitalen Fragen, und zwar von einem Kollegen an das Auswärtige Amt. Er fragt: Der russische Außenminister Lawrow hat gestern gesagt, dass Russland seine Vorschläge für ein mögliches Treffen im Normandie-Format an Paris und Berlin übermittelt habe. Kann das Auswärtige Amt bestätigen, dass es solche Vorschläge von Russland gibt, dass sie auf dem Tisch liegen? Wann wird Berlin darauf reagieren?

BURGER (AA): Wenn wir dazu etwas nachzureichen haben, dann werde ich das gerne tun. Meinem Verständnis nach geht es hier aber um interne Absprachen bzw. vertrauliche diplomatische Kontakte. Deswegen möchte ich an dieser Stelle nicht versprechen, dass wir auf diesem Niveau der Vorsondierungen für mögliche Termine etwas nachreichen werden.

[…]

BURGER: Ich möchte noch eine Nachreichung machen. Ich war gefragt worden zu einer Kommunikation von Russland zur Frage der Terminierung eines Außenministertreffens im Normandie-Format. Ich kann dazu sagen, dass ich für das Auswärtige Amt den Eingang dieses Schreibens bestätigen kann. Das wird derzeit geprüft. Die Bundesregierung arbeitet weiterhin auf ein baldiges Treffen der N4-Außenminister hin.

Geplanter Ausbau der polnischen Grenzsicherung zu Belarus

VORS. WOLF: [Eine Kollegin] fragt zur Migration zwischen Belarus und Polen: Ist eine Entscheidung über Grenzkontrollen zu Polen noch in der Zeit der geschäftsführenden Bundesregierung zu erwarten?

LAWRENZ (BMI): Ich kann Ihnen eigentlich nur mitteilen, dass sich da seit den letzten Regierungspressekonferenzen nichts geändert hat.

VORS. WOLF: Sie fragt weiter: Wie entwickelt sich die Zahl der illegalen Einreisen nach Deutschland?

LAWRENZ: Auch dabei hat sich tatsächlich nichts geändert. Die Zahlen sind relativ hoch. Die tagesaktuellen Feststellungen müssten Sie bitte bei der Bundespolizei erfragen.

FRAGE: Das polnische Parlament hat den Bau einer Mauer, einer Grenzbefestigung zu Belarus gebilligt. Hundert Kilometer, 350 Millionen Kosten, glaube ich. Wie bewertet das Auswärtige Amt diesen Beschluss und dieses Projekt? Darf die Sicherung der europäischen Außengrenze dazu führen, dass sie sozusagen auf dem Rücken der von Belarus genötigten Flüchtlinge ausgetragen wird?

BURGER (AA): Dazu hatte ebenfalls Frau Sasse in der vergangenen Woche schon einmal ausführlich Stellung genommen. Vom Grundsatz her ist es aus Sicht der Bundesregierung so, dass internationale und europäische menschenrechtliche und flüchtlingsrechtliche Standards gewahrt werden müssen. Dazu hat sich auch die EU-Kommission in den letzten Wochen immer wieder geäußert.

ZUSATZFRAGE: Das war, glaube ich, aber noch vor dem Mauerbeschluss. Sieht die Bundesregierung die von Ihnen angesprochenen Kriterien menschenrechtlicher Art noch gewahrt, wenn Maueranlagen dieser Art errichtet werden?

BURGER: Ich kann das jetzt nicht im Einzelnen kommentieren. Wie gesagt, hatten wir Ihnen die Prinzipien, die aus Sicht der Bundesregierung hier anwendbar sind, in der Vergangenheit schon genannt.

Flug von Flugzeugen der Luftwaffe über das Westjordanland

VORS. WOLF: Dann noch eine digitale Frage, die sich an das AA und das Verteidigungsministerium richtet: Am 17. Oktober sollen Kampfjets der deutschen und der israelischen Luftwaffe gemeinsam die von Israel besetzte Westbank überflogen haben, beispielsweise die Ortschaften Anata und (akustisch unverständlich). An das Verteidigungsministerium die Frage: Hat die Bundeswehr vor dem Überflug die palästinensische Autonomiebehörde um Erlaubnis gebeten?

BURGER (AA): Ich kann das vielleicht abkürzen. Die völkerrechtliche Lage ist so, dass Israel die Luftverkehrskontrolle über den Luftraum der besetzten Gebiete ausübt. Das ist in den Osloer Verträgen auch so festgehalten.

VORS. WOLF: Damit hat sich, im Grunde genommen, die zweite Frage, die sich an das AA richtet, auch erübrigt, weil darin um eine völkerrechtliche Einschätzung gebeten wurde. ‑ Will das Verteidigungsministerium dazu ergänzen?

HELMBOLD (BMVg): Nein, keine Ergänzung.

Fall Julian Assange

FRAGE: Zum Falls von Julian Assange gibt es ein paar Meldungen. Sie wurden in deutschen Medien wenig dargestellt, aber ich habe es bei Al Jazeera vernommen, bei Euronews. Sorgenvolle Äußerungen zum Zustand von Herrn Assange und auch zu der Wertung der erneuten Forderung nach Auslieferung an die Vereinigten Staaten. Da sich die Bundesregierung punktuell um die eine oder andere politische Gefangene oder den einen oder anderen politischen Gefangenen in der Welt verdienstvollerweise sehr kümmert: Was sagt das Außenministerium zu einer möglichen Drehung in der Spirale Assange in dieser Beziehung?

BURGER (AA): Die Haltung der Bundesregierung zum Fall Assange haben wir Ihnen hier immer wieder dargelegt. Aus unserer Sicht liegt dieser Fall in der Zuständigkeit der britischen Justiz. Die Bundesregierung kann, weil Herr Assange kein deutscher Staatsangehöriger ist, dort keine konsularische Unterstützung leisten und hat deswegen auch keine eigenen Erkenntnisse über seinen Gesundheitszustand. Gleichwohl verfolgt die Bundesregierung diesen Fall aufmerksam. In der Vergangenheit hat es ja auch eine Präsenz deutscher Vertreterinnen und Vertreter bei den Gerichtsverhandlungen gegeben.

ZUSATZFRAGE: Es geht nicht nur um den Gesundheitszustand und die Haftbedingungen, sondern auch um die Qualität der erneuten Forderung dieser Regierung, ihn nach Amerika auszuliefern. Sind Sie da auch ‑ ich sage nicht: arglos ‑ hoffnungsvoll, dass das rechtspolitisch glatt über die Bühne geht, oder mahnen Sie? Gibt es darüber Gespräche im Hintergrund ‑ das werden Sie uns nicht sagen ‑ oder Bedenken, Sorgenfalten auf der einen oder anderen Stirn?

BURGER: Ich würde mir jetzt nicht gern Worte in den Mund legen lassen, sondern es gern bei dem belassen, was ich gesagt habe. Dieser Fall liegt in der Zuständigkeit der britischen Justiz. Deshalb hat die Bundesregierung diese Entscheidung nicht im Einzelnen zu kommentieren. Aus unserer Sicht bestehen grundsätzlich keine Zweifel daran, dass im britischen Justizwesen rechtsstaatliche Prinzipien eingehalten werden.

ZUSATZFRAGE: (ohne Mikrofon, akustisch unverständlich)

BURGER: Ich habe dazu gesagt, was ich dazu zu sagen habe.

ZURUF: (ohne Mikrofon, akustisch unverständlich)

FRAGE: Sie sagten eben, in der Vergangenheit hätten Vertreter der Bundesregierung teilgenommen. Ist das weiterhin der Fall? War das also an den Verhandlungstagen in der vergangenen Woche der Fall, und wird das auch im Dezember wieder der Fall sein? Falls nicht, warum hat man die Präsenz dort beendet?

BURGER: Die Antworten sowohl auf die erste als auch auf die zweite Frage muss ich Ihnen nachreichen. Ich weiß tatsächlich nicht, wie der aktuelle Stand bei der Prozessbeobachtung ist.

Jamal-Pipeline

FRAGE: Energiepreise: Seit gestern soll angeblich kein Gas mehr durch die Jamal-Pipeline durch Polen in Richtung Deutschlands oder Mitteleuropas fließen. Haben die zuständigen Ministerien irgendwelche Erkenntnisse hierüber? Welche Schlussfolgerungen sind daraus zu ziehen?

Herr Burger, gibt es diplomatische Aktivitäten, um vielleicht auch Polen rückzuversichern, dass auch dort die Gasversorgung im Winter weiterhin sichergestellt bleibt?

BURGER (AA): Tagesaktuelle Kenntnisse über Gasflüsse gibt es im Auswärtigen Amt zumindest zu diesem Thema meines Wissens nicht. Sollte es anders sein, würde ich die Antwort gern nachreichen.

Vielleicht haben die Kolleginnen und Kollegen vom BMWi dazu mehr zu sagen.

GÜTTLER (BMWi): Von unserer Seite, vonseiten des BMWi, kann ich sagen, dass uns keine Erkenntnisse zu dem von Ihnen geschilderten Sachverhalt vorliegen.

Gemeinsame Erklärung zum Völkermord an den Herero und Nama

FRAGE: Es geht um die gemeinsame Erklärung mit Namibia und den Völkermord an den Herero und Nama. Glaubt die geschäftsführende Bundesregierung noch, dass dieses Abkommen innerhalb der Zeit ihrer Geschäftsführung zustande kommen wird, oder wird das ein Thema der neuen Bundesregierung werden?

BURGER (AA): Über diese Frage ist in Namibia zu entscheiden. Denn der Vorschlag liegt auf dem Tisch. Darüber findet eine Debatte in Namibia statt. Davon hängt ab, wie es mit diesem Vorhaben weitergeht. Dazu möchte ich jetzt für die Bundesregierung keine Spekulationen und Prognosen abgeben.

ZUSATZFRAGE: Hat die Bundesregierung in den letzten drei Monaten auf die namibische Seite eingewirkt, damit dieses Abkommen jetzt noch zustande kommen kann? Es gibt ja nicht nur dort, sondern auch hier massiven Protest gegen diese Art von Abkommen.

BURGER: Wir nehmen mit großem Respekt zur Kenntnis, dass es in Namibia eine Meinungsbildung dazu gibt, eine intensive politische Debatte. Selbstverständlich sind wir über unsere Vertretung vor Ort mit verschiedenen namibischen Stellen in Kontakt. Aber diese Debatte muss, wie gesagt, in Namibia geführt werden. Die namibische Seite muss sich zu einer Position finden, wie es weitergehen kann. Unser Vorschlag dazu, der gemeinsam mit der namibischen Regierung entwickelte Vorschlag, ist ja bekannt.

FRAGE: Nun hat sich die Situation objektiv dadurch gewandelt, dass Herr Rukoro, der von der namibischen Regierung benannte Verhandlungsführer, Mitglied des Stammes der Herero, verstorben ist. Er hatte sich noch zu Lebzeiten vehement gegen den Inhalt des Abkommens ausgesprochen, vor allem gegen die Summe. Liegt darin nicht doch eine Möglichkeit, auch für Deutschland, zu versuchen, die Verhandlungen neben der namibischen Regierung unter stärkerer Einbeziehung der Stammesorganisation, die es ja real gibt, zu führen, um sozusagen diesen Knoten zu durchschlagen und doch ein Abkommen zur Gültigkeit zu bringen?

BURGER: Es war von Anfang an in diesem Verhandlungsprozess das Interesse der Bundesregierung, dass die Vertreterinnen und Vertreter der Nachkommen der Volksgemeinschaften der Nama und Herero intensiv einbezogen werden, dass dort breite Konsultationsprozesse stattfinden.

Wir haben aber zugleich immer deutlich gemacht, dass wir respektieren, dass es letztlich die namibische Seite ist, die darüber zu entscheiden hat, in welcher Form diese Konsultationsprozesse stattfinden. Das ist nichts, was wir von Deutschland aus aufoktroyieren oder zu bestimmen haben.

Dieser Grundsatz gilt auch weiterhin. Unser Interesse ist es, hier zu einer gemeinsamen Regelung zu kommen - nicht als Abschluss eines Prozesses, sondern als Auftakt zu einer nächsten Phase des gemeinsamen Verhältnisses.

Insofern: Ja. Das Interesse von deutscher Seite bleibt bestehen, mit diesem Prozess voranzukommen. Aber, wie gesagt, die dafür notwendigen Entscheidungen, die dazu notwendige Meinungsbildung und letztlich auch die Entscheidung darüber, in welcher Form dieser Prozess fortgeführt werden kann, müssen zunächst in Namibia getroffen werden.

ZUSATZFRAGE: Ist Ihnen die Position der Vereinten Nationen bekannt, die sagt, es seien die Organisationen und Nachfahren der Geschädigten, die zu entscheiden hätten, wer sie in solchen Verhandlungen vertritt, und nicht die Regierung, die sich welche aussucht? Ist Ihnen diese Position bekannt, und wie verhalten Sie sich dazu? Sie steht ja doch im Widerspruch zu dem Weg, den Sie gerade skizziert haben.

BURGER: Mir persönlich ist die Äußerung nicht bekannt. Ich weiß nicht genau, welches Gremium der Vereinten Nationen Sie hier zitieren. Ich werde, wenn wir dazu eine Einschätzung haben, sie Ihnen aber gern zukommen lassen.

Aufnahme afghanischer Ortskräfte in Deutschland

FRAGE: Eine Frage an Herrn Burger: Wie schätzt das Auswärtige Amt die Situation an der afghanisch-pakistanischen Grenze ein, insbesondere in Bezug auf die Visaerlangung? Gibt es Initiativen seitens der Bundesregierung, die weiterhin festsitzenden und versteckt lebenden afghanischen MitarbeiterInnen, die bei unterschiedlichsten Ministerien angestellt waren, irgendwie in der Situation zu unterstützen? Nach meinem Kenntnisstand warten immer noch sehr viele auf eine Visaerteilung und haben keine Möglichkeit, derzeit das Land zu verlassen.

BURGER (AA): Ja. Ich glaube, man muss unterschieden zwischen dem Themenkomplex der Visaerteilung und der Voraussetzung, die gegeben sein muss, damit Menschen überhaupt Afghanistan verlassen und in eines der Nachbarländer kommen können.

Bei der Frage der Visaerteilung gibt es meines Wissens derzeit keinen Rückstau, sodass jeder, der es zu einer der deutschen Auslandsvertretungen in einem der Nachbarstaaten schafft, dort mehr oder weniger unverzüglich einen Termin zur Visabeantragung bekommt und die Visa dann auf Grundlage der vom BMI erteilten Aufnahmezusage auch sehr schnell erteilt werden.

Das Nadelöhr ist vielmehr die Ausreise aus Afghanistan und die Einreise in die Nachbarstaaten. Dazu ist derzeit der Status, dass sowohl die Machthaber in Afghanistan für die Ausreise als auch die Nachbarstaaten für die Einreise das Vorliegen eines afghanischen Passes verlangen. Da hat es in der Vergangenheit vereinzelt Möglichkeiten gegeben, eine Ausreise und eine Einreise auch mit anderen Dokumenten zu ermöglichen. Das ist ein Thema, an dem wir nach wie vor arbeiten und zu dem wir nach wie vor Gespräche sowohl mit den Taliban als mit den Nachbarstaaten führen.

Ich kann vielleicht einmal einen Zwischenstand geben, wie der Stand unserer Evakuierungsbemühungen derzeit ist. Zunächst einmal, bezogen auf deutsche Staatsangehörige: In der vergangenen Woche konnten mit drei Flügen über 70 Deutsche und deren afghanische Familienangehörige nach Doha ausfliegen. Insgesamt sind somit etwa 250 Deutsche und etwa 60 Afghaninnen und Afghanen über Doha aus Afghanistan ausreist.

Fast alle Deutschen, die sich noch in Afghanistan befinden und ausreisen möchten, sind von uns über konkrete Ausreisemöglichkeiten in den nächsten Tagen informiert worden. Auch heute findet wieder ein solcher Flug über Doha statt.

Die Ausreise auf dem Landweg, insbesondere für die afghanischen Staatsangehörigen, um die wir uns kümmern, ist derzeit schwieriger. Das habe ich gerade dargestellt. Das ist bisher von etwa 1200 afghanischen Staatsangehörigen genutzt worden. Unsere Visastellen in den Nachbarstaaten haben bisher etwa 1600 Visa für die Weiterreise nach Deutschland ausgestellt. Etwa 1100 Personen haben einen organisierten Weiterflug von Islamabad nach Deutschland in Anspruch genommen, den also die Bundesregierung dort zur Verfügung gestellt hat.

Ich möchte noch einmal betonen: Wir lassen in unserer Arbeit nicht nach, auch für die Menschen, die jetzt noch in Afghanistan sind, Ausreisemöglichkeiten zu schaffen. Das gilt sowohl für die Frage, wie eine leichtere Ausreise auf dem Landweg ermöglicht werden kann, als auch für die Arbeit daran, eine Ausreise auf dem Luftweg auch für diese Personengruppe zu ermöglichen. Da sind leider sehr viele, sehr komplizierte Fragen zu klären. Wir geben aber nicht auf, und wir bleiben weiter dran.

ZUSATZFRAGE: Offen bleibt aber die Frage, wie die ehemaligen MitarbeiterInnen unterstützt werden können? Nach meinem Kenntnisstand ist es auch nicht möglich, Passpapiere in Afghanistan zu bekommen, ohne sich der Gefahr auszusetzen, durch die Taliban gefoltert oder misshandelt zu werden. Auf welche Lösungen arbeitet da die Bundesregierung für ihre ehemaligen MitarbeiterInnen hin?

BURGER: Sie haben Recht: Derzeit ist es so, dass die Taliban diejenigen sind, die de facto an den Grenzübergängen kontrollieren ‑ genauso ist es an den Flughäfen ‑, sodass letztlich die Taliban darüber bestimmen, wer zumindest auf offiziellem legalem Weg das Land verlassen kann und wer nicht. Im Moment wird dort, wie gesagt, verlangt, dass alle einen afghanischen Pass haben. Auch die Beantragung eines afghanischen Passes findet bei von den Taliban kontrollierten Passstellen statt. Das ist ein Problem. Der einzige Weg, daran etwas zu ändern, ist natürlich die Verhandlung mit den Taliban ‑ darüber, dass sie Menschen die Ausreise gestatten und sie Zusicherungen machen, dass ihnen dort keine Gefahr droht. Solche Zusicherungen sind dann gegenüber den Taliban eben auch nachzuhalten.

Das ist ein Thema, über das wir mit den Taliban auch weiterhin Gespräche führen. Unser Botschafter Potzel hat dazu beispielsweise am vergangenen Mittwoch mit dem amtierenden De-facto-Außenminister der Taliban, Amir Khan Muttaqi, gesprochen. Das ist ein Thema, das uns weiter beschäftigt. Aber es bleibt das Dilemma, dass in einem von den Taliban kontrollierten Land Menschen das Land auf offiziellem Weg nur mit Billigung der Taliban verlassen können.

FRAGE: Herr Burger, die Frage war bereits in einer der vergangenen Pressekonferenzen in ähnlicher Form aufgetaucht. Dennoch stelle ich sie noch einmal: Sind aus Ihrer Sicht Mitarbeiter, die für die Flugsicherung gearbeitet haben, auch wenn sie nicht in einem direkten Vertragsverhältnis zur Bundeswehr oder zu Deutschland standen, besonders gefährdete Personen? Denn aus Sicht der Taliban haben sie ja gewiss daran mitgewirkt, dass Lufteinsätze geflogen wurden, und die Namen sind bekannt. Gehören sie also zu den besonders gefährdeten Personen, die Schutzanspruch haben?

BURGER: Die Fallkonstellation ist mir jetzt so nicht geläufig. Wenn es in der Form schon einmal geprüft wurde, dann reiche ich das gern nach.

Ich kann noch einmal sagen: Die beiden Gruppen von afghanischen Staatsangehörigen, um die wir uns intensiv kümmern, denen wir versuchen, eine Ausreise aus Afghanistan und Zuflucht nach Deutschland zu ermöglichen, sind zum einen die ehemaligen Ortskräfte der Bundesregierung und der Ressorts, der deutschen Institutionen vor Ort, und zum anderen eine Gruppe von Afghaninnen und Afghanen, die aufgrund ihres politischen Engagements, beispielsweise für Menschenrechte, aufgrund ihrer kulturellen Rolle und ihres politischen Engagements besonders gefährdet sind und denen wir bis zum Ende der militärischen Evakuierungsoperation Ende August eine Mitnahme, eine Evakuierung, zugesichert hatten. Wie gesagt: Innerhalb dieser letztgenannten Gruppe gibt es verschiedene Gruppen. Ob der von Ihnen genannte Personenkreis darunter subsumiert werden kann, das weiß ich tatsächlich nicht auswendig.

ZUSATZFRAGE: Ich glaube, Herr Helmbold hatte in der letzten Sitzung dazu schon Stellung genommen. War es nicht so, dass Sie gesagt hatten, die Gruppen seien wegen des nicht direkten Vertragsverhältnisses nicht in Ihrem Kontingent enthalten?

HELMBOLD (BMVg): Wir hatten das auf die Frage von Herrn Lücking nachgereicht. Wie Herr Burger richtig gesagt hat: Wir haben uns natürlich für die Ortskräfte verantwortlich gefühlt, weil für die Ortskräfte das entsprechende Verfahren nach § 22 Satz 2 Aufenthaltsgesetz vorhanden ist. Es gibt darüberhinausgehende Gruppen, für die dann andere Verfahren gelten müssten. Diese können wir natürlich von Seiten des BMVg nicht festlegen und auch nicht kommentieren.

FRAGE: Dann wäre aber die Frage an Herrn Helmbold, wer diese Gruppen definiert, warum sich afghanische ehemalige Beschäftigte so unterscheiden. Denn nach allgemeinverständlichem Dafürhalten sind sie alle derselben Gefahr ausgesetzt und sollten demnach auch ähnliche bzw. gleiche Angebote erhalten.

Eine Zusatzfrage noch in Richtung des Verteidigungsministeriums: Trifft es zu, dass diese Gruppe der Fluglotsen ‑ so nenne ich sie jetzt einmal ‑ keine Aufnahmezusage erhalten hat, aber dafür Einmalzahlungen, um im Land zu verbleiben?

HELMBOLD: Erst einmal zum Verfahren selber, zum Ortskräfteverfahren: Das Ortskräfteverfahren ist ja ressortgemeinsam festgelegt worden, unter Federführung des BMI. Der Grund für die Möglichkeit, privilegiert in Deutschland aufgenommen zu werden, also über die Möglichkeiten anderer gefährdeter Afghanen hinaus, liegt ja darin, dass zwischen Ortskräften und den Deutschen ein Arbeitsvertrag bestanden hat. Dieser Arbeitsvertrag macht einen Unterschied. Denn der Arbeitsvertrag verpflichtet die Kraft, die vor Ort diese Unterschrift geleistet hat, zu Dienstleistung, auch in einer gewissen Weise zu einer arbeitnehmerischen Treue. Umgekehrt verpflichtet es die Bundesrepublik Deutschland, vertreten durch die jeweilige Institution, auch zur Fürsorge. Somit bestehen die Möglichkeiten nach § 22 Satz 2 Aufenthaltsgesetz. Genauere Dinge müsste das BMI dazu erläutern.

Es gibt weitere Personengruppen, die gefährdet sind. Es gibt weitere Personengruppen, die auch einen Deutschlandbezug aufweisen, für die dann aber andere Verfahren gelten müssen. Wie das zusammenhängt und welche Verfahren da möglich sind, das müsste Ihnen das BMI beantworten.

LAWRENZ (BMI): Es ist ja grundsätzlich so, dass jedes Ressort für sich selbst entscheidet, wer eine Ortskraft ist.

Zum Thema der Lufthelfer kann ich Ihnen da eigentlich nichts sagen.

ZUSATZFRAGE: Könnten Sie definieren, wie eine Ortskraft, die im Dienste der Bundeswehr gestanden hat, die für die Armee tätig gewesen ist und jetzt eine entsprechende Berechtigung bekommen hat, sich von einem Werkvertragsnehmer ‑ so hat es das Verteidigungsministerium in Bezug auf die Fluglotsen dargestellt ‑ unterscheidet. Sie suchen dieselben Örtlichkeiten auf, sprich Armeeräumlichkeiten oder Örtlichkeiten, die nahe am Flughafen sind. Ich glaube nicht, dass die Taliban so differenzieren, dass sie sagen: Oh, da war eine Person dauerhaft bei den ausländischen Truppen angestellt, und da war sie offensichtlich nur Werkvertragsnehmer.

LAWRENZ: Ich glaube, ich bin da der falsche Ansprechpartner für etwaige Ortskräfte des BMVg.

ZUSATZFRAGE: Sie haben aber ähnliche Situationen auch im BMI gehabt. Dann muss ich konkret die gesamte Bundesregierung ansprechen. Sie bemerken sicherlich, dass das formaljuristische Definitionen sind, die aber letztlich an der Gefährdungslage vor Ort nichts ändern.

HELMBOLD: Von unserer Seite habe ich ja gesagt, dass es sehr verschiedene Personengruppen gibt, die eine Gefährdung ausweisen. Es gibt verschiedene Möglichkeiten und auch Grundlagen dafür, Menschen nach Deutschland zu bringen.

Für uns war es auf Basis der ressortübergreifenden Abstimmung zentral, dass wir Ortskräfte nach Deutschland bringen. Ortskräfte sind an dieses Beschäftigungsverhältnis gebunden. Die Bundeswehr hat von Anfang an, auch als klar wurde, dass die Bundeswehr Afghanistan verlassen würde, alles dafür getan, die vorhandenen Grundlagen auszuschöpfen, um so viele ehemalige Ortskräfte wie möglich nach Deutschland zu bringen. Deswegen hat ja auch ein sehr großer Anteil der ehemaligen Ortskräfte bereits mit Abflug der Bundeswehr und Verlassen der Bundeswehr im Juni dieses Jahres ihre Ausreisepapiere in die Hand gedrückt bekommen.

Dieses Verfahren wurde im Anschluss erweitert. Das ist Ihnen ja bekannt. Es gibt auf Basis des erweiterten Verfahrens eben noch Ortskräfte der Bundeswehr, die sich in Afghanistan befinden. Herr Burger hat noch einmal bestätigt, wie die Bemühungen sind. Sie wissen, wir sind über unsere Callcenter in Verbindung mit den Ortskräften. Wir versuchen dort ebenfalls die Beratung stattfinden zu lassen.

Wenn Sie jetzt darauf ansprechen, welche Personen darüber hinaus gegebenenfalls noch in Deutschland aufgenommen werden sollten, gibt es mit Sicherheit weitere Möglichkeiten, zu denen ich aber von Seiten des BMVg keine Stellung nehmen kann.

FRAGE: Welches Verfahren gilt jetzt konkret für die Mitarbeiter des ehemaligen Einsatzgeschwaders?

HELMBOLD: Sie meinen für die afghanischen Fluglotsen?

ZUSATZ: Ja.

HELMBOLD: Das kann ich nicht beantworten, da es sich nicht um ehemalige Ortskräfte handelt.

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