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Erklärungen des Auswärtigen Amts in der Regierungs­­pressekonferenz vom 22.10.2021

22.10.2021 - Artikel

Bemühungen der Bundesregierung um die Unterbindung von Flügen aus dem Irak nach Belarus

FRAGE: Es hat Berichte gegeben, wonach die Fluggesellschaften, die zuerst die Praxis hatten, Migranten nach Weißrussland oder Belarus zu fliegen, von anderen abgelöst worden seien, die jetzt in die Bresche sprängen. Haben Sie einen Überblick darüber, welche Fluggesellschaften zu denen gehören, die alternativ zu denen, die diese Praxis nicht mehr mitmachen, dieses Geschäft bedienen?

ALTER (BMI): Wir haben keinen listenmäßigen Überblick über die Situation von Fluggesellschaften in Richtung von Minsk. Wir haben allerdings durchaus Erkenntnisse darüber, dass plötzlich Fluggesellschaften in Erscheinung treten, die es noch gar nicht so lange gibt oder die eher klein sind und die dann Flüge auf diesen Flugroutings anbieten, weil es sich für sie offenbar lohnt. Das unterstützt also die Vermutung, dass der Kreis derer, die das Schleusungswesen zumindest nicht unterbrechen oder es gar befördern, ein etwas größerer Kreis ist und nicht auf Kleinstkriminelle zurückzuführen ist.

BURGER (AA): Ich kann das ergänzen. Zum einen würde ich darauf verweisen ‑ das wurde schon angesprochen ‑, dass es, wenn wir in unseren Bemühungen, diese Flüge zu unterbinden und diesen Menschenschmuggel zu unterbinden, natürlich neben den Airlines an sich natürlich auch um die Gespräche mit den Regierungen in den Herkunfts- und Transitstaaten geht. Das ist ‑ darauf hat der Kollege hingewiesen ‑ im Falle des Iraks durchaus erfolgreich gewesen, weil es durchaus eine Reihe von Regierungen in dieser Region gibt, die auch selbst nicht wollen, dass ihre Staatsangehörigen in dieser Art und Weise missbraucht werden, mit denen wir enge und seit vielen Jahren bestehende Beziehungen haben und die von Deutschland in den letzten Jahren sehr intensiv unterstützt worden sind, sodass wir eine gute Basis haben, auf der wir diese Gespräche führen können.

Wir beobachten natürlich sehr genau, welche Ausweichrouten jetzt gewählt werden. In den letzten Wochen ist eine Zunahme von Direktflügen nach Minsk beispielsweise aus Damaskus, Beirut und Amman festzustellen. Es gibt auch Flüge über die Türkei und die Vereinigten Arabischen Emirate.

Deswegen ist aus unserer Sicht wichtig, an drei Stellen gleichzeitig anzusetzen.

Das eine ist das, was der Außenminister am Montag in Luxemburg angekündigt hat, dass wir nämlich im Rahmen der Europäischen Union jetzt das Sanktionsregime so erweitern wollen, dass auch außerhalb von Belarus tätige Unternehmen, beispielsweise Fluggesellschaften und Reiseunternehmer, mit Sanktionen bedroht werden, wenn sie sich an dieser Schleuserei beteiligen. Dafür liegen Vorschläge, die auch von deutscher Seite eingebracht wurden, in Brüssel vor. Wir sind jetzt dabei, zu versuchen, zu erreichen, dass der Rat so schnell wie möglich entsprechende Beschlüsse fasst.

Zum Zweiten geht es um die Ansprache der Behörden in den entsprechenden Herkunfts- und Transitländern.

Zum Dritten geht es natürlich auch darum, die Stellen, die für den internationalen Flugverkehr zuständig sind, für diese Problematik zu sensibilisieren.

FRAGE: Ich habe eine ganz praktische Frage. Wie gehen Sie vor? Was sagt die Bundesregierung den Airlines? Sagt sie: „Sie dürfen keine zum Beispiel irakischen Staatsbürger ‑ ‑ ‑ Die dürfen einfach nicht nach Minsk fliegen!“? Wie können Sie Airlines sozusagen verbieten, Menschen ihren Flug antreten zu lassen? Wie funktioniert das?

BURGER: Ganz praktisch sehen wir beispielsweise, dass es Unternehmen gibt, die in den entsprechenden Herkunftsregionen, beispielsweise im Irak, gezielt Reisepakete mit einem One-Way-Flug vermarkten. Das heißt, dass es in der Praxis für Unternehmen, wenn sie nicht ganz naiv herangehen, durchaus zu erkennen ist, für welchen Zweck Reisen gebucht werden. Deswegen ist der erste Schritt die Ansprache dieser Unternehmen, um sie dafür zu sensibilisieren, mit einem entsprechenden Problembewusstsein heranzugehen, weil sie mit entsprechenden Konsequenzen rechnen müssen, wenn sie sich zum Teil dieses Systems machen.

ZUSATZFRAGE: Ich habe eine Nachfrage an das BMI. Gab es denn schon eine Antwort des polnischen Innenministers auf den Brief von Horst Seehofer, was die Unterstützung angeht? Wenn ja, wie fiel die aus?

ALTER: Der polnische Innenminister hat sehr schnell auf das Schreiben von Bundesinnenminister Horst Seehofer geantwortet. Das Antwortschreiben ging gestern im Bundesinnenministerium ein. In diesem Antwortschreiben bedankt sich der polnische Innenminister für die bisherige Unterstützung und auch für das zusätzliche Angebot, die Zusammenarbeit, die ja in den Grenzgebieten ohnehin schon sehr fest ist, weiter zu intensivieren.

Der Schutz der europäischen Außengrenze und die Bekämpfung des Schleuserwesens liegt in beiderseitigem Interesse. Die Ausgestaltung der Maßnahmen wird jetzt auf Ebene der Experten, insbesondere der Bundespolizei und des polnischen Grenzschutzes, ausgearbeitet.

FRAGE: Herr Burger, noch einmal zu den Airlines. Habe ich Sie richtig verstanden: Wenn jemand ein One-Way-Ticket bucht, ist das Grund genug ihn als Flüchtling zu verdächtigen und nicht als Tourist zu betrachten, der vielleicht nicht weiß, wann er zurückfliegt?

BURGER: Das ist nicht das, was ich gesagt habe, Herr Jolkver. Ich habe gesagt: Wenn es Unternehmen gibt, die im großen Stil gezielt in einer bestimmten Art und Weise an eine bestimmte Zielgruppe One-Way-Reisen vermitteln, anbieten, sie gezielt vermarkten, dann sollte man dem nicht naiv gegenüberstehen. Sondern dann muss man sich die Frage stellen, ob man sich nicht zum Teil dieses Systems machen lässt.

ZUSATZFRAGE: Aber wenn es jetzt nicht um kleine Airlines geht, die Sie verdächtigen, eine Art Schleusergehilfe zu sein, sondern um eine normale Airline wie zum Beispiel Turkish Airline oder auch Belavia, die ganz normale Linienflüge fliegen, ist die Frage: Mit welchen Argumenten gehen Sie an diese Herkunftsländer heran, damit sie keine Flüge anbieten, wenn es um Flüge mit Leuten geht, die visafrei nach Belarus einreisen können?

BURGER: Mit genau den Argumenten, die ich gerade genannt habe. Es ist kein gewöhnlicher spontaner Reiseverkehr, sondern es ist der gezielte Versuch der belarussischen Führung, Menschen, die sich möglicherweise in einer verzweifelten Lage befinden, als politisches Druckmittel einzusetzen. Reiseveranstalter werden in dieser Art und Weise instrumentalisiert, machen sich entweder bewusst oder unbewusst zum Teil dieses Systems. Wir weisen sie auf diese Problematik hin und sensibilisieren sie dafür. Wir machen ihnen auch deutlich, dass das, wenn sie sich in dieser Art und Weise instrumentalisieren lassen, Konsequenzen für sie haben kann.

ZUSATZFRAGE: Welche Konsequenzen?

BURGER: Das habe ich ja gesagt. Wir setzen uns im Rahmen der EU dafür ein, dass es eine Sanktionsandrohung gegen Unternehmen gibt, die sich an diesem Geschäft beteiligen. Wenn Sie die EU-Sanktionssystematik kennen, wissen Sie, dass solche Unternehmen oder Personen, die im Rahmen eines solches Sanktionsregimes gelistet werden, beispielsweise mit Einreiseverboten in die EU und mit dem Verbot einer Bereitstellung von wirtschaftlichen Gütern rechnen müssen. In der Praxis kann das zum Beispiel zu einer Kontensperrung führen.

ALTER: Vielleicht kann ich einen Satz dazu ergänzen, auch aus den Erfahrungen, die wir in Deutschland machen. Das sind ja durchaus teilweise Fluggesellschaften, die weltweit operieren und auch in Europa operieren.

Es ist nicht so, dass Fluggesellschaften ihr ökonomisches Interesse, Tickets zu verkaufen, über das gesamte Unternehmensinteresse stellen. Das heißt also: Manchmal ist es einfach notwendig, den Fluggesellschaften die Hintergründe von bestimmten Reisebewegungen zu erläutern, damit sie wissen, was aus einem Flug von A nach B folgt. Dann ist es oft so ‑ das ist jedenfalls unsere Erfahrung ‑, dass seriöse Fluggesellschaften auch reagieren. Es ist nicht so, dass es jede Fluggesellschaft darauf anlegt, mit Sanktionen belegt zu werden.

FRAGE: Eine Verständnisfrage. Herr Burger, Sie hatten mehrfach von einer bestimmten Zielgruppe gesprochen. Können Sie diese einmal definieren?

BURGER: Wir stellen fest, dass unter den Menschen, die an die belarussischen Außengrenzen geschleust werden, sehr viele irakische Staatsangehörige sind, insbesondere aus dem Nordirak. Das ist beispielsweise eine Region, wo wir feststellen, dass gezielt Menschen, die sich für eine Auswanderung Richtung Europa interessieren, angesprochen werden und dass es Marketingmaßnahmen für solche Reisepakete speziell für solche Menschen gibt.

FRAGE: Herr Alter, eine Frage zu der Antwort des polnischen Innenministers. Wie könnten diese gemeinsamen Maßnahmen, über die gesprochen werden soll, aussehen? Ist auch das Thema der gemeinsamen Grenzpatrouillen ein Thema?

ALTER: In dem Antwortschreiben ist explizit angesprochen, dass wir bereits seit vielen Jahren im gemeinsamen Grenzgebiet zwischen Deutschland und Polen regelmäßig gemeinsame Streifen durchführen. Jetzt geht es im Prinzip um eine Verstärkung dieser Maßnahmen. Es ist durchaus sinnvoll, dass die Behörden miteinander abstimmen, inwieweit das an welchen Stellen und zu welchen Zeiten notwendig ist. Aber es geht natürlich auch darüber hinaus, nämlich um den Austausch von Erkenntnissen. Wenn die polnischen Behörden im Grenzgebiet zu Belarus Schleuser feststellen, die wiederum Erkenntnisse in den Ermittlungsverfahren preisgeben, gibt es Spuren nach Deutschland. Dann sind die deutschen Behörden gefragt, auch hier in Deutschland anzusetzen. Es ist also ein umfassendes Angebot, in diesem Komplex zusammenzuarbeiten.

Erklärung von zehn Botschaftern zur Inhaftierung von Osman Kavala in der Türkei

WEFERS: Von der Deutschen Welle fragt Değer Akal nach dem Fall Kavala. Botschafter aus Deutschland, den USA und acht westlichen Staaten hatten in einem gemeinsamen Appell von der Türkei eine gerechte und rasche Regelung, so das Zitat, des Falls Kavala gefordert. Nun hat Erdoğan gesagt, dass die zehn Botschafter nicht in der Türkei willkommen sind, dass die Türkei die Botschafter nicht im Land beherbergen möchte. So zitiert er Präsident Erdoğan. Innenminister Soylu hat die Botschafter heute als fahrlässig und schamlos definiert; so zitiert er ihn. „Ist der deutsche Botschafter noch in der Türkei?“, ist die Frage. Wie bewerte die Bundesregierung Erdoğans Äußerungen?

DEMMER (BReg): Vielleicht sage ich erst einmal allgemein, dass die Bundesregierung die Pressemeldungen zur Kenntnis genommen hat. Aber wie Sie wissen, hat sich die Bundesregierung der Forderung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte nach sofortiger Freilassung von Osman Kavala angeschlossen, und daran hat sich nichts geändert.

BURGER (AA): Ich kann für den Moment auch keine Veränderung der deutschen diplomatischen Präsenz in der Türkei feststellen.

Nord Stream 2

FRAGE: Ich habe eine Frage an das Wirtschaftsministerium. Der russische Präsident hat ja gestern gesagt, dass, wenn die Betriebsgenehmigung für Nord Stream 2 erteilt werden würde, Russland dann mehr Gas nach Deutschland und Westeuropa liefern könnte. Ich hätte ganz gerne von Ihnen gewusst, ob Ihrer Meinung nach zusätzliche Lieferungen Russlands von der Inbetriebnahme von Nord Stream 2 abhängen oder ob es über andere Pipelines auch Kapazitäten gäbe, über die mehr russisches Gas nach Westen gepumpt werden könnte.

BARON (BMWi): Vielen Dank. – Grundsätzlich äußere ich mich nicht zu Äußerungen des russischen Präsidenten und kommentiere diese auch nicht. Die Lieferung erfolgt, wie gesagt, am Markt. Es gibt unterschiedliche Transportrouten, die nach Deutschland führen. Es gibt die Nord-Stream-2-Pipeline, es gibt die Lieferung über die Ukraine und es gibt die Lieferung über Jamal. Die Mengen dafür sind am Markt verfügbar. Bei Nord Stream 2 ist bekannt, dass das Zertifizierungsverfahren läuft und andauert und das auch eine klare rechtliche Voraussetzung ist, damit der Gastransporte und der Gashandel im Binnenmarkt starten können.

ZUSATZFRAGE: Sind die anderen Pipelines denn ausgelastet?

BARON: Das müssen Sie, wie gesagt, noch einmal am Markt nachfragen. Nach meinen Informationen sind die Pipelines ausgelastet. Wie hoch die Kapazitäten genau sind, müssten Sie aber die Markttätigen fragen.

FRAGE: In Ergänzung dazu hätte ich vielleicht gerne auch Ihre Einschätzung dazu gehört, Herr Burger. Dieses Votum von Wladimir Putin war ja schon so ein bisschen sehr lockend. Man könnte vielleicht fast von der Erpressung sprechen. Wir haben immer wieder gehört, dass die Lieferverpflichtungen erfüllt werden. Aber es wird ja jetzt mit mehr Gas gelockt, das man liefern könnte, wenn wir denn bereit wären. Wie beurteilen Sie die Äußerung von Putin mit Blick auf Nord Stream 2, diese ‑ mit Fragezeichen ‑ Erpressung?

BURGER (AA): Auch ich werde diese Äußerung jetzt nicht kommentieren.

FRAGE: Mich würde interessieren, woher Sie diese Information haben, dass die Kapazitäten ausgelastet sind, weil das ja etwas Neues wäre.

BARON: Die Frage war ja, über welche Pipelines geliefert wird und wie die Auslastung der Kapazitäten ist. Es gibt die Nord-Stream-1-Pipeline, über die ja geliefert wird, die Jamal-Pipeline, die Russland-Ukraine-Pipeline. Nach meinem Kenntnisstand gibt es überall eine Auslastung. Wie hoch diese Auslastungen im Einzelnen sind, müssten Sie aber am Markt nachfragen.

ZUSATZ: Aber das hat ja suggeriert, dass die zu 100 Prozent ausgelastet sind. Das war ja auch immer ‑ ‑ ‑

BARON: Das habe ich nicht gesagt.

ZUSATZ: Das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung hat ja auch belegt, dass Nord Stream 2 an sich unnötig ist, weil die bestehenden Leitungen nie ausgelastet werden. Dementsprechend wäre es jetzt wirklich eine Neuigkeit, wenn Sie sagten, die seien quasi voll ausgelastet.

BARON: Das habe ich nicht gesagt. Es gibt Auslastungen und Buchungen. Diese Informationen sind am Markt verfügbar. Wie hoch oder mit welchen Prozenten man das beziffert, müssen Sie aber, wie gesagt, den Marktdaten entnehmen.

FRAGE: Dann frage ich aber doch noch einmal konkret nach, Frau Baron. Sind dem BMWi Untersuchungen zum Beispiel des DIW bekannt, denen zufolge auch noch anstehender Bedarf an Erdgas über die vorhandenen Kapazitäten komplett abgedeckt werden könnte und es dazu Nord Streams nicht bedürfte? Das ist sozusagen in wissenschaftlichen Untersuchungen dokumentiert. Sind Ihnen diese bekannt?

BARON: Uns sind verschiedene Analysen im Markt bekannt ‑ es gibt die von Ihnen genannte, es gibt andere. Dabei handelt es sich aber um Prognosen in die Zukunft, wie sich der Gasbedarf weiter entwickelt und welche Auslastungen dann notwendig sind. Das ist zu trennen von der Frage, wie die Auslastungen aktuell stattfinden. Wir gehen davon aus, dass es für eine Übergangszeit einen Bedarf an Gas gibt, weil Gas vor allem für Wärme und Heizen verwendet wird. Natürlich ist aber klar, dass sich die Bundesregierung das Ziel der Klimaneutralität bis 2045 gesetzt hat.

ZUSATZFRAGE: Das heißt, Ihnen sind keine Untersuchungen bekannt, die für den aktuellen Zustand ‑ über den reden wir ja ‑ feststellen, dass es keiner zusätzlichen technischen Transportkapazitäten bedürfte?

BARON: Ehrlich gesagt verstehe ich Ihre Frage nicht. Es gibt zahlreiche Analysen am Markt, die Prognosen treffen, die zur Auslastung jetzt Stellung nehmen. Natürlich beobachten wir alle Analysen am Markt, aber ich kann Ihnen auch nicht sagen, ob es davon 300 oder 150 gibt und ob wir jede einzelne kennen. Es gibt eine sehr breit geführte Debatte, und natürlich verfolgen wir die großen in der Wissenschaft geführten Debatten.

FRAGE: Frau Baron, Sie haben eben gesagt, es werde einen Bedarf an Gas für eine bestimmte Zeit geben. Einen Bedarf oder einen Mehrbedarf?

BARON: Es gibt einen Bedarf an Gas, der aktuell vorhanden ist und der auch in der Zukunft für eine gewisse Übergangszeit vorhanden sein wird, weil wir Gas vor allem für Wärme weiterhin brauchen. Wie gesagt, in Deutschland haben wir 2045 als das Ziel der Klimaneutralität benannt.

ZUSATZFRAGE: Die Frage war: Bleibt es bei den Mengen, die jetzt verbraucht werden, oder wird man für diese Übergangszeit mehr brauchen?

BARON: Das kann ich Ihnen nicht abschließend beantworten. Es gibt Bedarfe an Gas, die andauern werden. Was die Entwicklung der weltweiten Nachfrage betrifft, so sehen wir gerade ja, dass die sehr stark schwanken kann. Wir haben gerade eine hohe Nachfrage, die wir im Markt so noch nie erlebt haben und die wir bislang nicht kannten. Natürlich folgt die auf das Krisenjahr 2020, aber insofern sind Prognosen in die Zukunft schwierig. Ich kann nur sagen: Es gibt einen Bedarf für eine Übergangszeit.

FRAGE: Die Frage war ja, ob es einen Mehrbedarf gibt. Angesichts der Klimaneutralität, die Sie selber angesprochen haben, wird man doch zwangsläufig weniger Gas brauchen. Haben Sie eigentlich unabhängig von den Aussagen der Marktteilnehmer, die Ihnen natürlich sagen, dass man mehr brauche und dass die Kapazitäten nicht ausreichend seien, Belege und Studien, die sagen, dass es zum Beispiel Nord Stream 2 braucht?

BARON: Ich glaube, ich habe zu all diesen Fragen jetzt Stellung genommen. Man muss verschiedene Sachen unterscheiden: Zum einen sehen wir die aktuelle Weltmarktlage mit sehr stark ansteigenden Weltmarktnachfragen, und zum anderen gibt es ein Klimaneutralitätsziel in Deutschland. Gas, das über die Pipelines nach Deutschland fließt, verbleibt in einem Binnenmarkt ja nicht ausschließlich in Deutschland, sondern wird weiterverteilt in Länder der Europäischen Union und auch in andere Länder, sofern danach eine Nachfrage besteht.

Insofern können Sie nicht die europäische Nachfrage und die globale Nachfrage vergleichen mit dem deutschen Raum. In Deutschland ist klar: Wir haben das Ziel der Klimaneutralität. Trotzdem, also trotz des schon laufenden Umstiegs auf erneuerbare Energien sehen wir weltweit, in Europa und auch in Deutschland in diesem Jahr eine extrem hohe Nachfrage nach Gas.

ZUSATZFRAGE: Wenn ich Sie richtig verstanden habe, war Ihr Argument für Nord Stream 2 ja immer die Energieversorgung in Deutschland, und nicht, weil wir damit den Weltmarkt beliefern können, oder?

BARON: Wir haben dazu keine Argumente gebildet. Wir haben gesagt: Nord Stream 2 ist ein unternehmerisches Projekt, welches selbstverständlich geltendes europäisches, internationales und nationales Recht einhalten muss.

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