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Erklärungen des Auswärtigen Amts in der Regierungs­­pressekonferenz vom 13.10.2021

13.10.2021 - Artikel

Reise der Bundeskanzlerin in die Türkei

FRAGE: An Herrn Seibert: Wird die Bundeskanzlerin bei ihrem Besuch in der Türkei außer Präsident Erdoğan auch Vertreter von Nichtregierungsorganisationen, Menschenrechtsorganisationen oder Oppositionspolitiker treffen?

SEIBERT (BReg): Wie bei anderen Besuchen in anderen Ländern in der vergangenen Zeit wird sie sich auch bei diesem Besuch ganz auf die Begegnung mit dem türkischen Staatspräsidenten konzentrieren. Es hat bei Türkeibesuchen natürlich immer wieder Begegnungen mit der Zivilgesellschaft gegeben. Der Umgang mit der Zivilgesellschaft, die innenpolitische Lage des Landes, rechtsstaatliche Fragen: Das alles spielt immer eine Rolle, wenn die Bundeskanzlerin mit Präsident Erdoğan spricht. Sie ist aber konzentriert auf dieses Gespräch.

[…]

FRAGE: Ganz kurz noch einmal zu dem Türkei-Besuch: Wird sich die Kanzlerin bei Herrn Erdoğan für die eingesperrten Journalisten und Journalistinnen in der Türkei einsetzen?

SEIBERT: Ich habe gesagt, dass Fragen von Bürgerrechten und des Umgangs mit der Zivilgesellschaft und alles, was sozusagen unter diesen Themenschirm passt, immer auch Gesprächsthema waren und sind, wenn die Bundeskanzlerin mit Präsident Erdoğan oder wenn überhaupt Vertreter der Bundesregierung mit Vertretern der türkischen Regierung zusammentreffen. Darüber hinaus kann ich dem Gespräch heute nichts vorwegnehmen.

ZUSATZFRAGE: An das Auswärtige Amt: Wie viele deutsche bzw. deutschtürkische Journalisten und Journalistinnen sind aktuell in türkischen Gefängnissen, und wie viele werden konsularisch betreut?

SASSE (AA): Ich glaube, wir sind an dieser Stelle in der Vergangenheit schon mehrfach darauf eingegangen, dass es nicht immer ganz einfach ist, da präzise Zahlen festzuhalten. Wenn wir diese Zahlen nachliefern können, dann werde ich das an dieser Stelle tun.

[…]

SASSE: Ich möchte die Nachlieferung geben, die ich gerade angekündigt hatte. Sie hat mich inzwischen erreicht. ‑ Die Zahl der inhaftierten deutschen Staatsangehörigen in der Türkei bewegt sich im Moment im mittleren zweistelligen Rahmen. Wie viele Personen davon Journalisten sind, können wir Ihnen nicht sagen, weil über die Berufstätigkeit dieser Inhaftierten keine Statistik geführt wird. Ein konsularischer Zugang besteht zu allen Inhaftierten, wenn diese es gewünscht haben.

Ukraine-Konflikt

FRAGE: Ich habe eine Frage zur Ukraine, die sich sowohl an Herrn Seibert als auch an Frau Sasse richtet.

Herr Seibert, die Bundeskanzlerin hat wegen eines möglichen Treffens im Normandie-Format ja noch einmal mit dem ukrainischen und auch dem russischen Präsidenten telefoniert. Wie groß sind Ihrer Einschätzung nach die Chancen, dass es noch in der Amtszeit der Kanzlerin ‑ sagen wir einmal, in den nächsten Wochen ‑ zu einem Spitzentreffen kommen kann?

Frau Sasse, ergänzend dazu: Gibt es Planungen für ein Außenministertreffen im Normandie-Format?

SEIBERT (BReg): Es ist richtig, die Bundeskanzlerin und der französische Präsident haben zunächst mit Präsident Selensky und im Anschluss dann mit Präsident Putin telefoniert. Es gibt ja zwischen Deutschland und Frankreich eine totale Übereinstimmung in der Forderung, die Minsker Vereinbarungen und auch die Beschlüsse des Pariser Gipfels von 2019 wirklich umfassend und vollkommen umzusetzen. Nun war das eben auch das Thema mit den beiden Präsidenten.

Ergebnis der Telefonate ist, dass es zunächst ein Treffen auf der Ebene der vier Außenminister Deutschlands, Frankreichs, der Ukraine und Russlands geben soll, und zwar bald bzw. zeitnah ‑ ich weiß nicht genau, wie die Formulierung war, aber demnächst. Das ist das Ergebnis des Telefonats der Kanzlerin und Präsident Macrons mit dem Präsidenten Putin. Darüber ist natürlich auch die Ukraine informiert. Auf diesem Außenministertreffen wird man dann sehen müssen, ausloten müssen, ob eine Grundlage für ein dann noch möglicherweise folgendes Treffen der Staats- und Regierungschefs bestehen kann, erarbeitet werden kann, oder nicht. Dazu kann ich Ihnen heute natürlich nichts sagen.

SASSE (AA): Wie Herr Seibert schon gesagt hat, geht es jetzt darum, diesen Auftrag, der aus den Gesprächen entstanden ist, zeitnah umzusetzen ‑ mit dem Ziel, die dringend benötigten Fortschritte bei der Konfliktlösung zwischen Russland und der Ukraine zu erzielen. Was Ort und Termin eines Treffens angeht, kann ich Ihnen im Moment allerdings noch nichts ankündigen.

ZUSATZFRAGE: Was hat sich denn jetzt geändert, warum ist dieses Treffen jetzt also so notwendig, Herr Seibert? Ist das so, weil sich die Amtszeit von Frau Merkel dem Ende zuneigt, oder weil es eine besondere Entwicklung gibt, die diese Spitzentreffen nötig macht?

SEIBERT: Ein solches Treffen ist sinnvoll, weil wir uns erstens allesamt doch nicht damit abfinden wollen, dass der Prozess der Umsetzung der Minsker Maßnahmen weiter so stockt, wie er im Moment ‑ das muss man ja realistisch erkennen ‑ stockt. Zweitens ist es sinnvoll, weil es dann doch Dinge gibt, die möglicherweise auf der Ebene der Außenminister vorangebracht werden können, die derzeit auf der Ebene der Berater eben nicht vorankommen. Es war der Wille dieser drei Präsidenten und der Bundeskanzlerin, die am Montag miteinander telefoniert haben, auf dieser Ebene zu versuchen voranzukommen.

Aktuelle Situation in Afghanistan

FRAGE: Herr Seibert und Frau Sasse, zur aktuellen Situation in Afghanistan: Viele zurückgebliebene Ortskräfte versuchen jetzt, über die Nachbarländer auszureisen und dann nach Deutschland zu kommen. Was tut die Bundesregierung aktuell, um diesen Menschen zu helfen, um beispielsweise die Ausreise zu beschleunigen oder sicher zu gestalten?

SEIBERT (BReg): Ich sage ganz grundsätzlich, dass Vertreter der Bundesregierung wie auch Vertreter der USA und anderer europäischer Länder natürlich genau darüber auch im Gespräch mit Talibanvertretern sind, dass die Möglichkeit bestehen muss, nicht nur deutsche Landsleute, sondern eben auch Afghanen, für die wir eine besondere Verantwortung tragen und übernommen haben, sicher und geschützt aus dem Land zu bekommen. Das ist eines der ganz praktischen Themen, über die Gespräche geführt werden.

SASSE (AA): Richtig. Die Gespräche mit den Taliban sind das eine. Wir haben gerade in dieser Woche auf Twitter beschrieben, worum es in der neuesten Runde der Gespräche mit den Taliban, die übrigens schon seit längerer Zeit und nicht erst seit den neuesten Entwicklungen in Afghanistan geführt werden, geht.

Was die Ausreisemöglichkeiten angeht, ist es mir ein Anliegen, an dieser Stelle noch einmal deutlich darzustellen, dass es zum einen um den Landweg geht, den Sie gerade erwähnt haben, dass es aber für bestimmte Personen auch weiterhin die Möglichkeit gibt, auf dem Luftweg auszureisen. Insgesamt gilt für alle Möglichkeiten der Ausreise ‑ Herr Burger hat das, meine ich, zuletzt in den Regierungspressekonferenzen der letzten (akustisch unverständlich) mehrfach dargestellt ‑, dass sich die Bundesregierung weiterhin, auch nach dem Ende der militärischen Evakuierungsaktion am 26. August, sehr intensiv darum bemüht, dass die Personengruppen, um die wir uns bemühen, weiterhin Perspektiven auf Ausreise haben. Das betrifft verschiedene Personengruppen. Es betrifft die deutschen Staatsangehörigen, Ortskräfte der unterschiedlichen Ressorts und die Gruppe derjenigen, die wir als Bundesregierung für besonders schutzbedürftig befunden haben.

Diese Ausreisemöglichkeiten bestehen. Den Landweg haben Sie selbst erwähnt. Dabei geht es unter anderem um den Landweg nach Pakistan. Wir führen intensive Gespräche mit allen Nachbarstaaten Afghanistans, auch mit Usbekistan und Tadschikistan und weiteren Ländern, um konkrete Ausreisemöglichkeiten zu schaffen. Was diese Optionen angeht ‑ auch das hat Herr Burger bereits deutlich gemacht ‑, können wir an dieser Stelle im Moment noch nicht auf weitere Einzelheiten über das hinaus, was bereits bekannt ist, eingehen, weil noch sehr viel im Fluss ist. Wir werden aber darauf zurückkommen, wenn sich die Gelegenheit ergeben wird.

Mir ist es auch ein Anliegen, noch einmal deutlich zu machen, dass sich unsere Bemühungen nicht auf die konkreten Ausreisemöglichkeiten beschränken, sondern dass wir in den vergangenen Wochen ganz konkret sehr viele Visa erteilt haben. Sehr viele afghanische Staatsangehörige konnten Afghanistan auf dem Landweg bereits verlassen. Es handelt sich seit Ende August insgesamt, glaube ich, um 1200 afghanische Staatsangehörige. Sie wurden von unseren Botschaften in der Region, insbesondere von unserer Botschaft in Islamabad, auch bei der Weiterreise unterstützt. Unsere Auslandsvertretungen in der Region, also in den Nachbarländern Afghanistans, haben knapp 1040 Visa für die Personen ausgestellt. Über 400 Personen haben bereits einen organisierten (akustisch unverständlich) von Islamabad nach Deutschland in Anspruch genommen.

Ich möchte noch einmal betonen, dass wir in unseren Bemühungen, weitere Ausreisemöglichkeiten zu schaffen, selbstverständlich nicht nachlassen und gern auch an dieser Stelle regelmäßig auf Updates zu Planungen eingehen werden.

FRAGE: Kann man in Prozentzahlen quantifizieren, wie viele der auf den vorhandenen Ortskräftelisten registrierten Menschen es jetzt schon aus Afghanistan herausgeschafft haben? 20 Prozente, 30 Prozente, 40 Prozent? Kann man das sagen?

SASSE: Wir hatten uns an dieser Stelle darauf verständigt, regelmäßig Updates zu Zahlen zu geben. Das BMI hat dabei die Federführung. Angaben zu prozentualen Anteilen können wir, denke ich, an dieser Stelle nicht machen, weil wir uns immer nur auf konkrete Zahlen beschränken werden und sich die Gesamtzahl nicht festlegen lässt, sondern sich teilweise immer noch sehr verändert.

ZUSATZFRAGE: Aber Sie führen ja Listen, die in der Summe 100 Prozent ergeben. Könnten Sie nicht sagen, wie viele von diesen 100 Prozent es tatsächlich herausgeschafft haben? Das ist doch ein einfacher Dreisatz, oder?

SASSE: Ich denke, diesen Dreisatz können Sie selbst machen, wenn Sie auf Grundlage der Zahlen, die das BMI regelmäßig bekannt gibt, die Berechnung vornehmen.

ZUSATZ: Vielleicht können Sie es nachliefern.

LAWRENZ (BMI): Ich kann gern die Zahlen zum 13. Oktober, 9 Uhr ‑ das ist heute ‑ bekannt geben. Ich hatte ja schon am Montag ein paar Zahlen dazu genannt. Eingereist sind insgesamt 6082 Personen. Darunter befinden sich mit Stand von heute 5212 afghanische Staatsangehörige und 543 deutsche Staatsangehörige. Unter all diesen Personen sind 362 eingereiste Ortskräfte. Inklusive der Familienangehörigen sind es 1597. Das sind die aktuellen Zahlen. Wir berichten natürlich gern, wenn neuere Zahlen vorliegen.

FRAGE: Wenn wir uns die Prozentzahl selbst ausrechnen sollen ‑ wir haben also jetzt 6082 Eingereiste ‑, dann müssen wir wissen, wie viele auf den beiden Listen stehen, also auf der Menschenrechtsliste und der Ortskräfteliste.

LAWRENZ: Soweit ich weiß, werden die Listen derzeit abgestimmt.

ZUSATZFRAGE: Wie viele Leute sind denn aktuell auf den Listen? Ich weiß, die Zahl wächst, aber wie viele sind denn aktuell auf den Listen? 10 000? 20 000?

LAWRENZ: Ich kann Ihnen sagen, dass die Listen derzeit abgestimmt werden. Ich kann Ihnen keine Zahl nennen.

ZUSATZFRAGE: Was war denn der letzte Stand?

LAWRENZ: Es bleibt dabei.

Israelreise der Bundeskanzlerin

FRAGE: Herr Seibert, die Kanzlerin hat bei ihrem mutmaßlichen Abschiedsbesuch in Israel noch einmal betont, dass Israels Sicherheit Teil der deutschen Staatsräson sei. Die Sicherheit würde ja aber auch durch eine funktionierende Zweistaatenlösung vielleicht befördert.

Hat die Kanzlerin vor diesem Hintergrund in jüngerer Vergangenheit NGOs oder Palästinenserorganisationen getroffen, die das Projekt einer Zweistaatenlösung befördern könnten?

SEIBERT (BReg): Tatsächlich hat die Bundeskanzlerin bei ihrem Besuch in Israel und bei ihrer Pressekonferenz mit Premierminister Bennett noch einmal ganz klar gemacht, im Übrigen auch gegenüber dem israelischen Kabinett, an dessen Sitzung teilzunehmen sie ja die Ehre hatte, dass Deutschland nicht neutral ist, wenn es um die Sicherheit Israels geht, sondern dass tatsächlich das Einstehen für Israels Sicherheit auch ein Teil unserer Staatsräson ist.

Sie hat ebenso aus dem Gedanken, dass wir uns Sicherheit für diesen demokratischen Staat Israel wünschen, noch einmal begründet, warum man gerade deswegen den Gedanken an eine Zweistaatenlösung jetzt nicht begraben oder aufgeben solle, obwohl es im Moment nicht nach einem Prozess in diese Richtung aussieht. Dieser Gedanke ruht sozusagen auf zwei Pfeilern. Der eine ist natürlich die Anerkennung dessen, dass die Palästinenser ebenso das Recht haben, in einem eigenen Staat und in Sicherheit zu leben. Der andere Gedanke, den sie betont hat, ist der, dass wir eben aus unserem Eintreten für Israels Sicherheit heraus glauben, dass es der beste Weg wäre, Israel in dauerhafter, guter und sicherer Nachbarschaft zu einem palästinensischen Staat eine gute Zukunft zu geben. Das ist die Argumentation.

Was den zweiten Teil Ihrer Frage betrifft, so hat sie zwar nicht bei diesem Israelbesuch, aber natürlich immer wieder mit den Vertretern der Palästinensischen Autonomiebehörde gesprochen.

ZUSATZFRAGE: Sie haben eben auch noch einmal sozusagen das Existenzrecht der Palästinenser in eigener Staatlichkeit als Position der Kanzlerin betont. Was hat denn dann den Ausschlag dafür gegeben, dass bei diesem auch symbolischen wohl letzten Besuch als Kanzlerin keine Begegnung mit Vertretern dieser Gruppen stattgefunden hat? Das wäre doch auch ein Zeichen gewesen.

SEIBERT: Diese Frage haben Sie schon vor dem Besuch gestellt. Jetzt stellen Sie sie noch einmal.

Der Besuch galt dem Staat Israel und seiner Regierung. Das war seit Langem abgemacht. Sie wissen, dass der Besuchstermin einmal verschoben wurde, weil er hätte stattfinden sollen, als hier gerade das Thema Afghanistans und der Evakuierung aus Kabul die ganze Aufmerksamkeit der Kanzlerin beanspruchte. Aber der Besuch ist jetzt nachgeholt worden.

Der Umgang mit dem Thema der Zweistaatenlösung und mit der Nachbarschaft zu den Palästinensern hat in den Gesprächen der Bundeskanzlerin und auch in ihren öffentlichen Äußerungen ganz klar eine Rolle gespielt. Mehr habe ich Ihnen dazu jetzt nicht zu sagen.

ZUSATZ: Sie haben recht, ich hatte, wenn ich das noch sagen darf, vor dem Besuch danach gefragt und jetzt auch wieder. Ich habe mich dabei daran orientiert, dass ich vom Regierungssprecher gelegentlich höre, dass sich im Verlauf von Besuchen noch weitere Gespräche ergeben.

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