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Erklärungen des Auswärtigen Amts in der Regierungspressekonferenz vom 11.10.2021
Rückführung von Flüchtlingen nach Bosnien-Herzegowina
FRAGE: Wie kommentiert die Bundesregierung die teilweise gewaltsame Rückführung von Flüchtlingen nach Bosnien-Herzegowina durch maskierte Mitglieder einer kroatischen Polizeieinheit? Wird die Bundesregierung von der kroatischen Regierung Aufklärung darüber verlangen, warum von Deutschland an Kroatien gelieferte Polizeiausrüstung und Fahrzeuge für solche Rückführungen verwendet werden, obwohl sie eigentlich beispielsweise für kriminalpolizeiliche Aufklärungen vorgesehen sein sollen?
BURGER (AA): Ich fange einmal an. Vielleicht hat der Kollege aus dem Innenministerium zuständigkeitshalber etwas zu ergänzen.
Wir haben diese Meldung und die Bilder mit großer Sorge zur Kenntnis genommen. Es ist wichtig, dass alle im Raum stehenden Vorwürfe von den nationalen Behörden schnell und umfassend aufgeklärt werden. Misshandlungen von Flüchtlingen und Migranten durch Grenzschützer sind nicht akzeptabel. Jede Art von Grenzschutz muss unter allen Umständen humanitären Standards gerecht werden, den geltenden völker- und europarechtlichen Bestimmungen entsprechen und die europäischen Grundwerte achten.
Wir begrüßen die Tatsache, dass die EU-Kommission den schwerwiegenden Vorwürfen jetzt unmittelbar nachgeht und nachdrücklich Aufklärung bei den betroffenen EU-Mitgliedstaaten eingefordert hat. Dabei hat sie die volle Unterstützung der Bundesregierung.
Entschädigung von Opfern der Leningrader Blockade
FRAGE: Ich habe eine Frage an das Auswärtige Amt. Gestern hat die Sprecherin des russischen Auswärtigen Amtes schwere Vorwürfe gegenüber Deutschland erhoben und behauptet, Deutschland sei unmoralisch, weil es in Bezug auf die Opfer der Leningrader Blockade nur jüdische Opfer entschädigt. Mich würde interessieren, was das Auswärtige Amt dazu sagt. Ich weiß, dass vor zwei Jahren, 2019, ein Programm aufgelegt wurde, um den Opfern der Leningrader Blockade zu helfen. Stimmt es, dass dabei nur die jüdischen Opfer bedacht werden? Was können Sie dazu sagen?
BURGER (AA): Das scheint mir ein Missverständnis zu sein. Es ist in der Tat so, dass Außenminister Maas gemeinsam mit seinem russischen Amtskollegen Lawrow Anfang 2019 eine humanitäre Geste für die noch lebenden Opfer der Leningrad-Blockade verkündet hat. Dabei geht es um Leistungen in Höhe von 12 Millionen Euro für die Modernisierung des Krankenhauses für Kriegsveteranen und die Einrichtung eines deutsch-russischen Begegnungszentrums für die deutsche und russische Öffentlichkeit sowie für die Blockadeopfer in Sankt Petersburg. Außenminister Maas hat in der Folge Sankt Petersburg besucht und ist dort auch mit Vertretern der noch lebenden Opfer der Leningrader Blockade zusammengetroffen.
Ihm war von Beginn seiner Amtszeit an ein wichtiges Anliegen, dass an das Unrecht erinnert wird, das Deutsche dort Russen, Sowjetbürgern zugefügt haben. Ihm war auch wichtig, diese humanitäre Geste noch in die Wege zu leiten, solange es noch Überlebende dieser Blockade gibt, denen das auch zugutekommen kann.
Davon zu unterscheiden sind Individualentschädigungen, die für jüdische Überlebende der Verfolgung durch die Nazis durch Deutschland geleistet werden.
Hierzu sind die Auffassung und die Rechtsposition der Bundesregierung schon seit Langem, dass die Reparationsfrage allgemeiner Kriegsschäden mit dem Verzicht der früheren Sowjetunion auf weitere deutsche Reparationsleistungen 1953 abgeschlossen wurde. Davon getrennt zu betrachten sind, wie gesagt, die Individualleistungen für Jüdinnen und Juden, die Opfer der rassisch motivierten Verfolgung durch die Nationalsozialisten waren.
ZUSATZFRAGE: Betrifft das, was die jüdischen Opfer angeht, nur die Einwohner vom heutigen Sankt Petersburg, oder gilt das allgemein für alle jüdischen Opfer oder deren Nachkommen in der ehemaligen Sowjetunion?
BURGER: Zu den Entschädigungsleistungen für jüdische Überlebende der Verfolgung durch die Nazis insgesamt müsste ich das BMF bitten zu ergänzen. Ich kann Ihnen sagen, dass jüdische Überlebende der Blockade von Leningrad im Rahmen der Wiedergutmachung nationalsozialistischen Unrechts eine Einmalzahlung in Höhe von 2556 Euro erhalten.
ZUSATZFRAGE: Das heißt also, Frau Sacharowa hat im Prinzip recht, dass Deutschland bei den Zahlungen für die Opfer der Leningrader Blockade die jüdischen Opfer bevorzugt?
BURGER: Wie gesagt: Für jüdische Überlebende gibt es Individualzahlungen. Die Leistungen aus der humanitären Geste für die Überlebenden der Leningrader Blockade insgesamt sind beispielsweise in Form von Unterstützungen für ein Krankenhaus und für ein Begegnungszentrum umgesetzt worden.
Rücktritt des österreichischen Bundeskanzlers
FRAGE: Wie kommentiert die Bundesregierung den Rückzug des österreichischen Bundeskanzlers Sebastian Kurz? Was bedeutet dies für die künftige Zusammenarbeit, bzw. was erwartet sich die deutsche Regierung vom neuen künftigen Bundeskanzler Alexander Schallenberg?
DEMMER (BReg): Herr Seibert hat hier schon am vergangenen Freitag etwas dazu gesagt. Wir haben alle Berichte dazu zur Kenntnis genommen. Aber es handelt sich um eine innere Angelegenheit Österreichs. Ich habe hier keine Veranlassung, das zu kommentieren.
Ganz grundsätzlich kann ich sagen: Deutschland und Österreich verbindet mehr als nur die gemeinsame Sprache und die unmittelbare Nachbarschaft. Zwischen beiden Ländern gibt es kulturellen und gesellschaftlichen Austausch, so breit wie kaum mit einem anderen Land. Die Bundesregierung möchte ganz sicher auch mit einer österreichischen Regierung unter einem künftigen österreichischen Bundeskanzler Schallenberg zum Wohle der Menschen in Deutschland und Österreich eng und vertrauensvoll zusammenarbeiten.
FRAGE: Frau Demmer, gab es schon Gratulationen in Richtung Wien?
DEMMER: Wenn ich richtig informiert bin, steht die Vereidigung um 13 Uhr an. Dann halten wir Sie dazu ganz bestimmt auf dem Laufenden.
FRAGE: Ich habe eine Frage an das Auswärtige Amt. Sie sind auch mit der Korruptionsbekämpfung im Ausland beschäftigt und haben dazu mehrere Projekte. Wie sehen Sie denn diese Entwicklung in Österreich?
BURGER: Ich habe dem, was Frau Demmer gesagt hat, nichts hinzuzufügen.
ZUSATZFRAGE: Sehen Sie da keine Korruption am Werk?
BURGER: Ich bleibe bei meiner Antwort.
Mögliches Treffen im Normandie-Format
FRAGE: Frau Demmer und Herr Burger, es gibt Berichte, dass die Kanzlerin vor ihrem endgültigen Rückzug aus der Politik noch ein weiteres Normandie-Treffen in einem Onlineformat vorbereitet. Können Sie das bestätigen?
DEMMER (BReg): Ich kann Ihnen, wie immer, die Termine der Kanzlerin am Freitag der Vorwoche nennen. Ich habe jetzt hier nichts zu verkünden.
ZUSATZFRAGE: Gibt es aufseiten des Auswärtigen Amtes Vorbereitungen oder Gespräche zu diesem Thema?
BURGER (AA): Gespräche auch im Normandie-Format finden immer wieder statt. Zu konkreten Terminen kann ich Ihnen hier aber nichts ankündigen. Für die Termine der Bundeskanzlerin ist ja ohnehin die stellvertretende Regierungssprecherin die richtige Ansprechpartnerin.
Aufnahme ehemaliger afghanischer Ortskräfte in Deutschland
FRAGE: Ich habe die wöchentliche Bitte um das Update bezüglich des Fortgangs in der Sache afghanische Ortskräfte. Einmal in Richtung Innenministerium: Wie viele afghanische Ortskräfte sind mittlerweile in Deutschland angekommen? Explizit auch in Richtung Außenministerium: Wie ist der Stand in den Botschaften, die sich derzeit darum bemühen, dass die afghanischen Ortskräfte nach Deutschland reisen können? Sind Verbalnoten wieder etabliert? Gibt es Unterstützung für die Ortskräfte bei der Ausreise?
LAWRENZ (BMI): Ich kann gerne anfangen und Ihnen die aktuellen Zahlen zum 11. Oktober, 9 Uhr, also vor kurzer Zeit, mitteilen. Insgesamt sind 6078 Personen eingereist, davon afghanische Staatsangehörige 5208, deutsche Staatsbürger 543, Ortskräfte plus Familienangehörige 349. Die anderen Zahlen reichen wir nach.
BURGER (AA): Ich kann Ihnen sagen, dass unsere Visastellen in den Nachbarländern Afghanistans seit dem Ende der militärischen Evakuierungsoperation insgesamt etwa 830 Visa für Ortskräfte und sonstige Schutzbedürftige im Rahmen dieser Aktion ausgestellt haben. Wir arbeiten gemeinsam mit den Regierungen der Nachbarstaaten und auch mit verschiedenen Akteuren in der Region und vor Ort weiter daran, weitere Optionen zu identifizieren, um den Betroffenen eine Ausreise aus Afghanistan zu ermöglichen.
Zu Ihrer Frage nach Verbalnoten: Dahinter verbirgt sich die Frage, wie Verfahren mit den Nachbarstaaten abgestimmt werden, die es den Betroffenen ermöglichen, in die Nachbarstaaten auszureisen, um dort dann an einer deutschen Auslandsvertretung vorzusprechen und die Papiere zur Weiterreise nach Deutschland zu bekommen. Diesbezüglich hat es in der Tat in den vergangenen Wochen Veränderungen der Verfahren gegeben. Wir sind dabei, mit den verschiedenen Regierungen darüber zu sprechen, wie die Verfahren so gestaltet werden können, dass es für Menschen auch weiterhin möglich ist, an die Auslandsvertretungen zu kommen. In diesem Prozess gibt es immer einmal wieder Veränderungen. Wir sind optimistisch, dass es uns gelingen wird, dies den Menschen auch nach den derzeitigen Regularien wieder zu ermöglichen.
Wir sind, wie gesagt, sehr konkret in Vorbereitungen für weitere Optionen zur Ausreise, mit denen wir diesen Prozess auch noch einmal deutlich beschleunigen zu können hoffen.
ZUSATZFRAGE: Frau Demmer, wie sieht die Bundeskanzlerin das gesamte Verfahren in Bezug auf die Ortskräfte? Welche Haltung hat sie dazu? Können Sie etwas Näheres dazu sagen oder in Erfahrung bringen und gegebenenfalls nachliefern?
DEMMER (BReg): Ich kann Ihnen dazu keinen neuen Stand mitteilen. Die Kanzlerin hat mehrfach zum Ausdruck gebracht, wie sie die Lage in Afghanistan und auch die Lage für die Ortskräfte einordnet und dass die Bundesregierung ernsthaft und mit aller Kraft daran arbeitet, weiterzuhelfen. Wie die Lage ist, haben Sie jetzt von den beiden Ressorts gehört. Die Haltung der Kanzlerin dazu hat sich nicht verändert.