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Erklärungen des Auswärtigen Amts in der Regierungs­­pressekonferenz vom 01.10.2021

01.10.2021 - Artikel

Reise der Bundeskanzlerin nach Slowenien und Rom

SEIBERT (BReg): Am Dienstag und Mittwoch reist die Bundeskanzlerin nach Brdo in Slowenien. Dort treffen sich die Staats- und Regierungschefs der Europäischen Union am Dienstagabend zu einem informellen Treffen im Rahmen eines Arbeitsessens. Dazu hat der Präsident des Europäischen Rates, Charles Michel, eingeladen. Im Mittelpunkt sollen die EU-Außenbeziehungen stehen.

Am Mittwoch wird in Brdo dann der EU-Westbalkangipfel abgehalten. Es treffen sich also die 27 EU-Mitgliedsstaaten und die jeweiligen Staats- und Regierungschefs der sechs Partnerländer Bosnien-Herzegowina, Montenegro, Kosovo, Serbien, Nordmazedonien und Albanien. Auch bei diesem Gipfel wird der Präsident des Europäischen Rates den Vorsitz führen. Es geht darum, die europäische Perspektive des westlichen Balkans zu bekräftigen und die umfassende Unterstützung der Europäischen Union für den westlichen Balkan hervorzuheben.

Im Zusammenhang mit dem westlichen Balkan möchte ich für die Bundesregierung eine positive Entwicklung von gestern erwähnen. Wir begrüßen sehr, dass unter Vermittlung des EU-Sonderbeauftragten Lajčák gestern in Brüssel eine deutliche Entspannung im Streit um Autonummernschilder an der serbisch-kosovarischen Grenze erzielt wurde. Den Weg zu einer dauerhaften Lösung, den man in Brüssel vereinbart hat, heißt es nun umzusetzen.

Direkt im Anschluss an den EU-Westbalkangipfel wird die Kanzlerin dann nach Rom weiterreisen. Sie wird am Donnerstag, den 7. Oktober, dort von Papst Franziskus in einer Privataudienz empfangen. Zudem ist ein Arbeitsmittagessen mit dem italienischen Ministerpräsidenten Mario Draghi geplant. Im Anschluss an das Treffen mit Premierminister Draghi wird es eine Pressekonferenz geben. Am späten Nachmittag nimmt die Kanzlerin dann gemeinsam mit dem Papst an der Abschlussveranstaltung des diesjährigen Friedenstreffens von Sant’Egidio teil und wird dort eine Rede halten.

[…]

FRAGE: Herr Seibert, zum Westbalkangipfel: Besteht nicht die Gefahr, dass die Bemühungen, die gerade auch die Bundeskanzlerin hatte, was die Annäherung der Westbalkanstaaten angeht, quasi rückabgewickelt werden? Sie haben das jetzt relativ positiv so dargestellt, dass die Beitragsperspektive bestätigt werde. Aber droht nicht, dass man auf diesem Gipfel einen Rückschritt macht, weil es eben EU-Mitgliedsländer gibt, die im Moment einen weiteren Annäherungsprozess einzelner Westbalkanländer blockieren.

SEIBERT: Ich kann hier nicht für andere europäische Mitgliedsstaaten sprechen. Die Bundeskanzlerin wirbt in diesem Prozess der Annäherung der sechs Westbalkanstaaten an die Europäische Union dafür, Fortschritte zu machen, nicht nur stillzustehen oder gar zurückzugehen, sondern Fortschritte zu machen. Das wird die Position sein, die sie bei dem Gipfel in Brdo einbringt. Wir wollen diese europäische Perspektive tatsächlich bekräftigen, und zwar aus der Überzeugung heraus, dass sie von beiderseitigem strategischen Interesse ist.

Es wird dann natürlich auch um Konkretes gehen und nicht nur um die Bekräftigung der Grundlinie. Es wird um die Zusammenarbeit gehen. Es wird darum gehen, wie man die sozioökonomische Erholung der Region ausgangs der Pandemie fördern kann. Es wird darum gehen, wie die Wirtschafts- und Investitionsoffensive, der sogenannte EIP, die ja ein umfangreiches Investitionspaket enthält, umgesetzt werden kann, wie wir zu einer nachhaltigeren, digitaleren Form des Wachstums in diesen Ländern kommen können. Es wird um die Intensivierung der regionalen Zusammenarbeit gehen, was ja seit eh und je auch das Kernanliegen des sogenannten Berliner Prozesses ist.

Es wird also sehr konkret, und die Bundeskanzlerin wird dafür werben, dass der Weg in Richtung der Europäischen Union fortgesetzt wird, dass es konkrete Fortschritte gibt, die die Menschen auch spüren.

Reise der Bundeskanzlerin nach Israel

SEIBERT (BReg): Dann kommen wir zum Wochenende. Ich will schon einmal einen Blick darauf werfen. Denn die Bundeskanzlerin wird am Samstag, den 9. Oktober, zu einem Arbeitsbesuch in Israel bis Montag, den 11. Oktober, reisen. Sie wissen, dass diese Reise für Ende August vorgesehen war und in beiderseitigem Einvernehmen damals aufgrund der Krisenlage in Afghanistan verschoben wurde. Die Termine und der zeitliche Ablauf des Programms bleiben im Wesentlichen unverändert gegenüber dem, was damals geplant war. Ich will es ganz kurz skizzieren.

Am Sonntag, den 10. Oktober, trifft die Kanzlerin um 9 Uhr Ortszeit in Jerusalem mit Premierminister Bennett zu einer Unterredung zusammen. Anschließend wird sie das Kabinett der israelischen Regierung treffen. Gegen 11.30 Uhr wird eine gemeinsame Pressekonferenz stattfinden. Danach trifft sie den Präsidenten des Staates Israel, Herrn Isaak Herzog. Am Nachmittag wird die Bundeskanzlerin die Gedenkstätte Yad Vashem in Begleitung des israelischen Premierministers besuchen. Sie wird eine Kranzniederlegung vornehmen und unter anderem auch eine Ausstellung und das künftige Dokumentationszentrum besuchen. Am Nachmittag folgt dann noch die Verleihung einer Ehrendoktorwürde durch das Technion ‑ Israel Institute of Technology in Haifa. Obwohl das Technion seinen Sitz in Haifa hat, findet diese Veranstaltung in Jerusalem statt. Am frühen Abend wird es dann ein Gespräch mit dem alternierenden Premierminister und derzeitigem Außenminister Jair Lapid geben. Daran schließt sich ein Treffen mit Unternehmensvertretern und ‑vertreterinnen an. Schließlich wird es noch ein gemeinsames Abendessen mit dem Premierminister Naftali Bennett geben.

Letzter Tag des Besuches wird der 11. Oktober sein. Die Bundeskanzlerin wird in Jerusalem zu einem runden Tisch mit Vertretern des Institute for National Security Studies, INSS, zusammenkommen. Im Anschluss daran wird sie die Rückreise nach Berlin antreten.

[…]

FRAGE: Herr Seibert, zu der Israelreise: Warum ist kein Abschied ‑ vielleicht als Geste der Hoffnung ‑ von der palästinensischen Seite geplant? Schließlich wurden diese Beziehungen sogar in Form von Regierungsgesprächen von Bundeskanzlerin Merkel jahrelang hervorgehoben.

SEIBERT: Dies ist nun eine Reise zur Regierung des Staates Israel, und über andere Kontakte zu anderen Politikern und Regierungen in der Region kann ich jetzt hier in diesem Zusammenhang nicht berichten.

Migration in die EU

FRAGE: Ich habe eine Frage zur Migration in die EU hinein. Die Frage geht ein bisschen auf einen Termin zurück, den Sie für Dienstag angekündigt haben, nämlich dieses informelle Treffen.

Es gibt inzwischen vielfach Berichte darüber, dass Migranten an der polnisch-belarussischen Grenze von beiden Seiten sehr harsch behandelt werden, teilweise tagelang bei eisigen Temperaturen im Niemandsland festgehalten werden. Ich wollte wissen, ob die Bundesregierung im Austausch mit den betroffenen Regierungen steht, um sicherzustellen, dass sich zumindest die humanitäre Situation dieser Migranten nicht verschlimmert, wenn es wieder kälter wird.

SEIBERT (BReg): Ich glaube, das Erste, was man noch einmal dazu sagen muss, ist, dass der weißrussische Herrscher, Herr Lukaschenko, Flüchtlinge und Migranten instrumentalisiert. Das ist völlig inakzeptabel. Gleichzeitig muss effektiver Grenzschutz auch immer Humanität und geltendes Recht wahren.

Aus der Sicht der Bundesregierung kommt es in erster Linie darauf an, dass die Menschen, die jetzt an der Grenze sind, also die Schutzsuchenden, gerade bei sinkenden Temperaturen zügig die notwendige Unterstützung bekommen, dass sie Kleidung, Lebensmittel und erforderliche Medikamente bekommen können. Es müssen also schnell humane Lösungen für diese Menschen gefunden werden. Diese müssen aber natürlich auch im Einklang mit europäischem und internationalem Recht und mit den europäischen Werten stehen.

Es ist auch wichtig, dass von polnischer Seite transparent gehandelt wird. Die europäische Innenkommissarin, Frau Johansson, hat sich ja gestern in Warschau mit dem polnischen Innenminister über die Situation in der Grenzregion ausgetauscht.

ZUSATZFRAGE: Hat sich denn die Bundesregierung schon mit den zwei Regierungen speziell zu dem Thema ausgetauscht oder ist das eine EU-Sache?

SEIBERT: Ich kann vielleicht daran erinnern, dass die Bundeskanzlerin Mitte September in Warschau war. Auch dort war das bereits ein Thema, obwohl sich die Situation natürlich seitdem noch einmal zugespitzt hat. Sie hat sich ausführlich dazu mit ihrem polnischen Ministerpräsidentenkollegen Mateusz Morawiecki ausgetauscht und hat das Thema auch in der Pressekonferenz an seiner Seite angesprochen.

Sperrung zweier YouTube-Kanäle von RT DE

FRAGE: Ein Großteil der deutschen Medien hat die Zensurmaßnahmen von YouTube gegen RT DE begrüßt. Wie bewertet die Bundesregierung diese massive Unterstützung von Zensurmaßnahmen durch die deutschen Medien gegen den Auslandssender eines Partnerlandes wie Russland?

SEIBERT (BReg): Ich habe mich am Mittwoch ausführlich dazu geäußert und habe dem heute nichts hinzuzufügen, weil es auch keinen Sachstand gibt.

FRAGE: Herr Seibert, die Bundesregierung betont, YouTube sei ein Privatunternehmen und mit Sperrungen dort habe sie nichts zu tun. Aber wenn sie so sehr für Pressefreiheit ist, wie sie immer sagt, warum könnte sie dann nicht öffentlich klar ein Zeichen setzen und etwa ihre Besorgnis über YouTubes Zensurpolitik äußern?

SEIBERT: Auch dazu habe ich mich am Mittwoch ausführlich geäußert. Ich habe dazu heute nichts Neues zu sagen. Es gibt auch keinen neuen Stand.

Lage in Libyen

FRAGE: Eine Frage an das Auswärtige Amt zum Thema Libyen. Die Kanzlerin hat heute den Vorsitzenden des Präsidialrates empfangen. Ich hätte ganz gerne gewusst, Frau Sasse, ob Sie uns eine Einschätzung über die Entwicklung im Land geben können. Auch Ihr Minister hat in der vergangenen Woche gemahnt, dass die Dezember-Wahlen, die vorgesehen waren, stattfinden. Hintergrund ist offenbar, dass das in Libyen immer weiter von den verschiedenen Konfliktparteien infrage gestellt wird. Droht, dass diese Wahlen abgesagt werden?

SASSE (AA): Zum Treffen der Bundeskanzlerin kann vielleicht Herr Seibert etwas sagen.

Was Libyen insgesamt angeht, haben Sie die entscheidenden Punkte angesprochen. Sie wissen auch, dass sich Bundesaußenminister Maas vergangene Woche in New York zu dem Thema geäußert hat. Dort waren wir gemeinsam mit Frankreich und Italien Ko-Gastgeber einer Veranstaltung, die sich mit dem Berliner Prozess zu Libyen beschäftigt hat und die in einem hybriden Format stattfand. Sie wissen, dass auch Außenminister Blinken aus den USA teilgenommen hat.

Die zentralen Forderungen, die aus diesem Treffen zusammengefasst wurden ‑ Sie können sie auf unserer Website nachlesen ‑, sind sehr klar und gelten auch fort. Es geht zum einen darum, dass die Wahlen am 24. Dezember als Parlaments- und Präsidentschaftswahlen stattfinden und dafür die entsprechende Grundlage in Libyen geschaffen wird. Der zweite Punkt ist ‑ auch das wissen Sie ‑, dass ein überwachter Abzug aller ausländischen Kräfte stattfindet. Natürlich kommt auch noch hinzu, dass das Mandat der Libyen-Mission der Vereinten Nationen, UNSMIL, schnellstmöglich verlängert werden sollte. Diese Forderungen bestehen und die haben wir als Ausrichter des Berliner Prozesses gemeinsam mit verschiedenen anderen Staaten geäußert. Diese Erwartungen bestehen fort.

ZUSATZFRAGE: Herr Seibert, ich hatte ja nach einer Beurteilung der Lage im Land gefragt. Auch wenn das die deutsche Forderung ist, rücken andere Teilnehmer ja offenbar von genau diesen Plänen ab.

SEIBERT (BReg): Ich kann zu dem gerade wahrscheinlich zu Ende gegangenen Treffen der Bundeskanzlerin mit dem libyschen Politiker nichts sagen. Sie hat sich ja kurz vorher vor der Presse geäußert, und sie hat noch einmal gesagt ‑ das passt auch zu dem, was Frau Sasse gerade für das Auswärtige Amt gesagt hat ‑, dass die Vorbereitung der Parlaments- und Präsidentschaftswahlen noch zu wünschen übrig lasse. Ansonsten hat sie davon gesprochen, dass wir ‑ auch das ist gerade erwähnt worden ‑ über den Abzug ausländischer Söldner sprechen müssen, der vorangebracht werden muss, und dass es dann vor allem auch darum geht, für die Libyer eine wirtschaftliche Konsolidierung zu erreichen. Die Menschen dort brauchen eine wirtschaftliche Existenzgrundlage. Der Reichtum aus den Erdölvorkommen beispielsweise muss den Menschen zur Verfügung stehen. Stabilisierung wird schwer sein in einer Bevölkerung, die von Not und Unterversorgung gekennzeichnet ist. Das waren Äußerungen aus der Stellungnahme der Bundeskanzlerin, die ich Ihnen noch einmal ans Herz legen würde.

ZUSATZFRAGE: Entschuldigung, vielleicht habe ich mich einfach nicht klar genug ausgedrückt. Frau Sasse, wir haben die Forderungen von der deutschen Seite gerade noch einmal gehört. Ich hätte gerne eine Lagebeurteilung, was in Libyen selbst passiert. Denn die Warnungen kommen offenbar vor dem Hintergrund, dass es dort Kräfte gibt, die genau von diesen Punkten, die man vereinbart hat oder fordert, abrücken wollen.

SASSE: Zunächst noch einmal zu Ihrem Ausgangspunkt, ob die Wahlen tatsächlich wie geplant stattfinden können ‑ das ist ja einer der Punkte, die ich eben noch einmal dargestellt habe ‑: Wir gehen weiterhin davon aus, dass die Wahlen wie geplant am 24. Dezember stattfinden können. Hinter diese allgemeine Erwartung haben sich auch alle Akteure bei dem Treffen in New York noch einmal gestellt. An dem Treffen hat, wie Sie wissen, auch die libysche Regierung teilgenommen. Wir befinden uns in Gesprächen mit der libyschen Regierung auch zu der Lage vor Ort. Es bringt jetzt aber nichts, einzelne Entwicklungen in Libyen selber von der Seitenlinie zu kommentieren.

Es geht insgesamt darum, dass in Libyen Fortschritte gemacht werden. Die Libyer selber erwarten, dass Wahlen stattfinden. Wir unterstützen das und bemühen uns, hierfür im Rahmen des Berliner des Prozesses gemeinsam mit der libyschen Regierung die Voraussetzungen zu schaffen. Wir erwarten, dass dieser Prozess fortgesetzt wird.

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