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Erklärungen des Auswärtigen Amts in der Regierungs­­pressekonferenz vom 03.09.2021

03.09.2021 - Artikel

Afghanistan

FRAGE: Nach „SPIEGEL“-Informationen gibt es jetzt ein Aktenlöschmoratorium im Verteidigungsministerium. Dazu die Frage an Auswärtiges Amt, BMZ und BMI: Planen Ihre Häuser, ein ähnliches Aktenlöschmoratorium umzusetzen?

Damit verknüpft die Frage an Frau Demmer: Ist es für die Bundeskanzlerin als Regierungschefin denkbar, ein Moratorium bei den entsprechenden Ministerien anzusagen?

DEMMER (BReg): Ich kann dazu nur ganz allgemein sagen: Mir fehlt jetzt der Terminus technicus, aber es gibt ja eine Veraktungsrichtlinie bzw. -verordnung, zu der das BMI sicherlich Auskunft geben kann.

ZUSATZ: Frau Demmer, zum Kontext: Es gab letzte Woche die Diskussion, dass ein Aktenlöschmoratorium oder ein generelles Löschmoratorium von Parteien im Bundestag gefordert wurde und dass CDU/CSU und SPD dem widersprochen haben.

DEMMER: Ich kann hier nicht für die Häuser sprechen. Für das Kanzleramt gilt eben ‑ wo mir der Terminus technicus fehlt, den aber vielleicht die Kollegin vom BMI parat hat ‑, nach welcher Lage veraktet wird und wie lange das aufgehoben wird, also nach welchen Grundsätzen da verfahren wird.

SASSE (AA): Ich kann für das Auswärtige Amt kurz sagen: Diese Diskussion gab es schon ‑ ich glaube, in der vergangenen Woche hier an dieser Stelle ‑, als der Antrag der Grünen aufkam. Herr Burger hatte da für unser Haus die Position schon sehr deutlich gemacht: Bei uns wird natürlich ordnungsgemäß veraktet und es werden keine Akten gelöscht.

VICK (BMI): Das BMI arbeitet derzeit daran, ein solches Moratorium vorzubereiten.

DEUTSCHBEIN (BMZ): Ich habe dem, was das Auswärtige Amt und Frau Demmer gesagt haben, nichts hinzuzufügen. Es gibt klare Regeln, nach denen Akten geführt werden und aufzubewahren sind, und danach richten wir uns selbstverständlich.

ZUSATZFRAGE: Aber dann müssen wir, glaube ich, noch einmal über diese Regeln schauen. Zwei von vier Häusern, die hier sitzen, machen ein Moratorium bzw. denken im Fall des BMI darüber nach. Dann kann es ja nicht so ganz klar sein. Ich glaube, auch die Parteien, die das entsprechend gefordert haben, fordern das ja nicht ohne Grund. Warum haben wir also überhaupt diese Diskussion über die Notwendigkeit, dass es ein Aktenlöschmoratorium gibt?

BUSCHOW (Vorsitz): An wen richtet sich die Frage?

ZUSATZ: An die beiden Ministerien, die sagen, es werde ordnungsgemäß veraktet und darüber hinaus müsse nichts weiter unternommen werden.

SASSE: Das habe ich so nicht gesagt. Ich habe die Lage dargestellt, wie sie im Moment ist und wie sie Herr Burger an dieser Stelle bereits geschildert hat. Über Pläne geben wir natürlich nichts bekannt, solange diese Pläne nicht spruchreif sind. Wie die anderen Häuser sich hierzu positionieren, ist die Sache dieser Häuser. Für das Auswärtige Amt habe ich unsere Position dargelegt, und die ist im Vergleich zu dem, was Herr Burger gesagt hat, unverändert.

FRAGE: Meine Frage geht in eine ähnliche Richtung. Es gibt ja Forderungen aus der Opposition, insbesondere der FDP, dass der Drahtbericht vom 6. August aus Washington zumindest in der Geheimschutzstelle für die Abgeordneten offengelegt wird. Werden Sie dieser Forderung nachkommen?

SASSE: Frau Demmer, wenn Sie erlauben, übernehme ich die Beantwortung. ‑ Der Bericht, um den es geht, ist uns natürlich bekannt, so wie auch die Meldungen und die Forderungen aus dem politischen Raum dazu. Dieser Bericht enthält Inhalte aus vertraulichen Gesprächen und bedarf der Geheimhaltung, da der Gesprächspartner ausdrücklich um Vertraulichkeit gebeten hat. Auch eine Weitergabe der Inhalte an einen eingegrenzten Personenkreis durch Hinterlegung beispielsweise in der Geheimschutzstelle des Bundestages wird dem Geheimhaltungsbedarf vor dem Hintergrund der Gefährdung des Staatswohls nicht gerecht.

Im Übrigen trifft es nicht zu ‑ anders als in der Berichterstattung dargestellt ‑, dass die Einstufung des Berichtes nachträglich verändert wurde.

ZUSATZFRAGE: Ist es nicht denkbar, dass man dann einfach Namen schwärzt? Es gibt ja auch ein Aufklärungsbedürfnis in der Öffentlichkeit, ob da möglicherweise zu spät gehandelt worden ist. Wenn das jetzt, sagen wir einmal, ein zentraler Hinweis ist, wie damit Mitte August oder ab dem 6. August umgegangen worden ist, überwiegt dann nicht das Aufklärungsinteresse?

SASSE: Wie gesagt, wir haben gerade dargelegt, aus welchen Gründen die Geheimhaltung hier in der Abwägung überwiegt. Dem habe ich nichts hinzuzufügen.

FRAGE: An Herrn Helmbold vom BMVg: Ein Sprecher des BMVg wird in den Medien mit der Aussage zitiert, dass die Bundeswehr nur am nördlichen Gate des Flughafens in Kabul zum Einsatz gebracht worden wäre. Jetzt liegen Meldungen aus Kabul vor, nach denen Ortskräfte über die entsprechenden Kanäle und die Hotline des Einsatzführungskommandos an das Abbey Gate gelotst worden seien. Können Sie erläutern, warum eventuell von der Bundeswehr Ortskräfte an das Abbey Gate gerufen worden sind und wo die Bundeswehr konkret am Flughafen Kabul in Einsatz war?

HELMBOLD (BMVg): Mir ist die Aussage, auf die Sie sich beziehen, nicht bekannt; deswegen kann ich mich an dieser Stelle auch nicht dazu äußern. Ich kann das aber noch einmal prüfen.

ZUSATZ: Dann machen wir das hinterher bilateral.

BUSCHOW: Oder per Nachlieferung, das geht auch.

FRAGE: An das Auswärtige Amt: Laut einem Bericht, den ich gelesen habe, seien unter Auflagen und Bedingungen eventuell Zahlungen aus Deutschland an die Taliban möglich. Wie stellt sich das denn dar, wie will man denn den Taliban noch Bedingungen auferlegen, nachdem man ja quasi das Land fluchtartig verlassen hat?

SASSE: Vielleicht kann ich zunächst einführen, und die Kollegen des BMZ möchten dann vielleicht noch ergänzen. ‑ Es geht natürlich um das, worüber der Außenminister auch in den letzten Tagen auf seiner Reise gesprochen hat und worüber er auch heute und gestern mit seinen EU-Außenministerkollegen in Slowenien spricht. Da geht es ganz konkret darum, wie man künftig mit den Taliban umgeht. Da geht es nicht zwangsläufig darum, dass die Taliban jetzt Gelder erhalten sollen, sondern es geht zunächst um ganz praktische Fragen; darauf sind wir an dieser Stelle, soweit ich weiß, in den vergangenen Tagen schon eingegangen.

Es geht darum, beispielsweise die praktische Frage des Weiterbetriebs des Flughafens in Kabul zu lösen. Dafür ist man auf Zusammenarbeit mit den Taliban angewiesen, und dafür sind natürlich Gespräche mit den Taliban nötig. Es geht natürlich auch um die Erwartungen, die wir jetzt an die neuen Machthaber in Kabul haben, nämlich dass sie konkret Menschenrechte achten, Frauenrechte wahren, dass sie Afghanistan nicht zu einem neuen Hort des Terrorismus machen und dass sie eine inklusive Regierung bilden. All diese Erwartungen müssen natürlich kommuniziert werden. Darum geht es ganz konkret, wenn wir davon sprechen, dass die Gespräche mit den Taliban geführt werden.

Was Ihre Frage nach dem Geld angeht, kann ich auf die Äußerungen des Außenministers von gestern verweisen. Er hat die Erwartungen, die wir an die Taliban haben, ganz klar geschildert. Er hat die inklusive Regierung angesprochen. Er hat die Wahrung der Menschen- und Frauenrechte angesprochen. Er hat den Kampf gegen den Terrorismus angesprochen. Er hat auch noch einmal deutlich gemacht, wie wir die humanitäre Lage in Afghanistan empfinden. Wir empfinden sie nämlich so, dass dringend humanitäre Hilfe für die Menschen in Afghanistan geleistet werden muss. Er hat auch deutlich gemacht, dass, wenn bestimmte Voraussetzungen gegeben sind, man darüber nachdenken kann, beispielsweise wieder über Entwicklungszusammenarbeit oder so etwas zu diskutieren. Es ist im Moment bleibt aber weiterhin so, dass die Entwicklungszusammenarbeit ausgesetzt ist. Dazu gebe ich noch einmal an die Kollegen vom BMZ ab.

Ich möchte aber noch einmal darauf hinweisen, dass das bezüglich der humanitären Hilfe natürlich eine andere Situation ist. Humanitäre Hilfe, die den Menschen in Afghanistan ganz konkret zugutekommt, wird natürlich weiterhin geleistet. Das sind Mittel, die direkt über Partnerorganisationen abgewickelt werden und den Menschen vor Ort zugutekommen.

DEUTSCHBEIN: Ich denke, es hilft, auch noch einmal die verschiedenen Instrumente näher zu beleuchten, weil das gerne in einen Topf geworfen wird. Es geht im ersten Fall um die staatliche Zusammenarbeit, das heißt, die klassische Entwicklungszusammenarbeit zwischen zwei Regierungen. Diese Form der staatlichen Entwicklungszusammenarbeit ist vorerst ausgesetzt. Wie die Kollegin sagte, gibt es klare Voraussetzungen wie die Sicherheit der Mitarbeiter, die Achtung der Menschenrechte, aber auch erst einmal eine legitimierte Regierung, mit der wir zusammenarbeiten können. Diese Form der Zusammenarbeit ist ausgesetzt. Andere Geber gehen analog vor. Die Hilfe in Nachbarstaaten in dieser Form der staatlichen Entwicklungszusammenarbeit läuft weiter, weil auch diese Staaten eben damit rechnen, dass weiterhin Afghanen dorthin fliehen werden.

Wie die Kollegin sagte, ist der andere Bereich, wie man den Menschen in Afghanistan, aber auch in den Anrainerstaaten jetzt schnell humanitär helfen kann. Auch dafür hat das BMZ Instrumente. Wir können UNICEF oder das Welternährungsprogramm unterstützen, wir können aber auch große deutsche NGOs wie die Deutsche Welthungerhilfe unterstützen, die nun genau vor Ort aktiv werden können. Genau das diskutieren wir. Das tun wir.

Von diesem ganzen Bereich sollte man aber klar abtrennen, ob eine Zusammenarbeit mit der Regierung jetzt angezeigt ist. Die Voraussetzungen, deren Erfüllung dafür nötig ist, wurden ja dargestellt.

ZUSATZFRAGE: Mit welchem Mitteleinsatz unterstützt man denn jetzt diese humanitäre Hilfe?

SASSE: Da kann ich für das Auswärtige Amt vielleicht auch anfangen. Wir haben das in den letzten Wochen vielfach dargestellt. Auch der Außenminister hat das auf seiner Reise getan. Es geht darum, dass das Auswärtige Amt 100 Millionen Euro bereitgestellt hat, um in Afghanistan und auch in den Nachbarländern humanitäre Hilfe zu leisten, und darum, dass die Bundesregierung angekündigt hat, darüber hinaus insgesamt weitere 500 Millionen Euro zur Verfügung zu stellen, die ebenfalls unter anderem dazu dienen sollen, in den Nachbarstaaten die Voraussetzungen dafür zu schaffen, dass Flüchtlinge dort aufgenommen und von dort aus weiter versorgt werden können, und auch in Afghanistan Hilfe zu leisten.

DEUTSCHBEIN: Eine Ergänzung: Genau so ist es. Wie diese 500 Millionen Euro dann genau aufgeteilt werden, wird diskutiert. Das richtet sich natürlich nach dem Bedarf und auch nach den Möglichkeiten, diese Mittel schnell so zum Einsatz zu bringen, dass sie den Menschen zugutekommen und eben nicht woanders landen. Wir als Entwicklungsministerium stellen auch noch einmal 50 Millionen Euro als Soforthilfe für die Flüchtlingsarbeit zur Verfügung, zusätzlich zu diesen genannten Summen.

SASSE: Vielleicht nur noch einmal, damit Ihnen die Zahlen klar werden: In Afghanistan sind 18,4 Millionen Menschen allein auf humanitäre Hilfe angewiesen. Das ist knapp die Hälfte der Bevölkerung. Es ist für uns als Bundesregierung natürlich klar, dass wir da handeln und die Menschen vor Ort nicht alleinlassen.

FRAGE: Der Chef des Taliban-Politbüros soll neuer Regierungschef in Kabul werden. Wie schätzen Sie diese Personalie ein?

SASSE: Wir kennen natürlich die Berichte darüber, dass zum einen eine Regierungsbildung der Taliban in Kürze bevorstehen soll. Wir kennen auch die Meldungen darüber, dass Mullah Baradar Regierungschef werden kann. Wir haben im Moment noch keine belastbaren Informationen darüber vorliegen, dass diese Meldungen tatsächlich richtig sind. Die Taliban selbst haben zur Zusammensetzung offiziell noch nichts bekannt gegeben. Ich kann daher an dieser Stelle noch nicht über zukünftige Personalien spekulieren, kann Ihnen aber sagen, dass Mullah Baradar, der in einigen Meldungen konkret genannt wurde, seit 2019 das politische Büro der Taliban in Doha leitet und natürlich in dieser Funktion auch der Bundesregierung bekannt ist.

FRAGE: Ich habe eine Frage an das AA und das BMI zu den Menschen, die per Luftbrücke nach Deutschland kamen. Es waren ja 3849 Afghanen, davon 138 Ortskräfte mit ihren Familien. Können Sie vielleicht noch einmal genauer aufschlüsseln, wer die anderen Menschen waren, also zu welchen Gruppen sie gehören?

SASSE: Was Zahlen angeht, hatte Herr Alter die Position der Bundesregierung in dieser Woche schon deutlich gemacht. Da sich die Zahlen aus unterschiedlichen Gründen immer wieder leicht verändern, haben wir uns darauf verständigt, uns nur einmal pro Woche konkret zu Zahlen zu äußern. Das heißt, ich muss Sie dafür um Verständnis bitten, dass wir erst am Montag wieder auf den aktuellen Stand, aktuelle Zahlen und auch die Aufschlüsselung solcher Zahlen eingehen können.

ZUSATZFRAGE: Sie wissen zum aktuellen Zeitpunkt nichts Genaues über diese Aufschlüsselung?

SASSE: Das kann ich so auf keinen Fall bestätigen. Das wird die Kollegin vom BMI sicherlich auch dementieren. Es geht darum, dass man die Zahlen sammeln muss und aus unterschiedlichen Quellen zusammenführen muss. Ein seriöses Gesamtbild kann es erst dann geben, wenn diese Zahlen tatsächlich alle zusammengeführt worden sind.

Angekündigter Rücktritt des japanischen Ministerpräsidenten als Parteivorsitzender der LDP

FRAGE: Frau Demmer, gibt es eine Stellungnahme der Bundesregierung zur Entscheidung des japanischen Ministerpräsidenten Suga, nicht wieder zu kandidieren.

DEMMER (BReg): Da würde ich das Auswärtige Amt (bitten).

SASSE (AA): Dazu nehmen wir keine Stellung. Das ist eine rein innenpolitische Entscheidung in Japan, und wie üblich gehen wir auf die innenpolitischen Entwicklungen in anderen Staaten nicht in dieser Form ein und kommentieren Sie nicht.

Telefonat des Außenministers mit seinem neuen iranischen Amtskollegen

FRAGE: Es gab ein Telefonat zwischen den Außenministern aus dem Iran und Deutschland in Bezug auf die Lieferung von BioNTech-Impfstoff an den Iran. Ich wollte gerne wissen, in welchem Stadium sich die Vorbereitung für diese Lieferung befindet. Gibt es Klarheit darüber, wann und wie viel Impfstoff an den Iran geliefert wird?

DEMMER (BReg): Ich müsste das Auswärtige Amt und das Gesundheitsministerium dazubitten.

SASSE (AA): In der Tat hat es ein Telefonat zwischen Außenminister Maas und seinem neuen iranischen Amtskollegen gegeben, und zwar gestern Abend. Wir haben auf dem Twitterkanal des Auswärtigen Amtes dargestellt, worum es in diesem Gespräch ging. Es ging nämlich um eine Reihe von Themen. Natürlich ging es um die Lage in Afghanistan. Es ging um die Lage in den Nachbarländern und auch um die Coronalage in Iran sowie um die Gespräche zur Wiener Nuklearvereinbarung mit Iran.

Wir haben zu dem Telefonat das bekanntgegeben, was wir aus diesem vertraulichen Gespräch bekanntgeben können. Sie wissen, wie wir das handhaben; diese Gespräche sind immer vertraulich. Wir berichten das, was aus unserer Sicht zu berichten ist. Dazu gehörte, dass sich die beiden Außenminister unter anderem über die Coronalage ausgetauscht haben.

Die Aspekte, die Sie in Ihrer Frage als Gegenstand des Gesprächs als faktisch unterstellen, möchte ich an dieser Stelle ausdrücklich nicht bestätigen.

ZUSATZFRAGE: Ist Ihnen also nicht bekannt, dass solch ein Thema im Gespräch vorkam?

SASSE: Ich kann Ihnen sagen, dass in diesem Gespräch unter anderem die Lage in Afghanistan, die Coronalage in Iran und der JCPOA Gesprächsthema waren. Über weitere Gesprächsthemen kann ich Ihnen an dieser Stelle keine Auskunft geben. Das Gespräch war vertraulich.

GÜLDE (BMG): Dem schließt sich das BMG natürlich an.

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