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Erklärungen des Auswärtigen Amts in der Regierungspressekonferenz vom 27.08.2021
Lage in Afghanistan
SEIBERT (BReg): Ich würde mich, bevor wir dann sicherlich noch ausführlicher zum Thema Afghanistan kommen, für die Bundesregierung gerne zu den Anschlägen von Kabul gestern äußern. Die Bundeskanzlerin und die Minister haben sich schon gestern Abend bzw. am späteren Nachmittag zu den Anschlägen geäußert. Jetzt kennen wir das tragische Ausmaß der Folgen noch besser. Deswegen möchte ich sagen: Die Bundeskanzlerin und die Bundesregierung sind voller Entsetzen und Abscheu über diese Terroranschläge, zu denen sich der sogenannte Islamische Staat bekannt hat. Diese Anschläge zielten auf Menschen, die vor einem der Flughafentore warteten, auf die Ausreise hofften und nur eines wollen: Sicherheit und Freiheit für sich und ihre Familien. Sie zielten auf amerikanische Soldaten, die in Kabul waren, um Menschen eine sichere Ausreise zu ermöglichen und um die schwierige, chaotische Lage am Flughafen zu ordnen. Wie unmenschlich, wie niederträchtig solche Anschläge sind, ist kaum in Worte zu fassen.
Wir denken in Trauer und Anteilnahme an die vielen Opfer und ihre Angehörigen. Wir denken auch an die Verletzten. Wir hoffen für jeden und jede, dass sie die nötige medizinische Hilfe bekommen und dass sie von den Folgen dieses Anschlags genesen können.
Diese schrecklichen Ereignisse zeigen, unter welchem Risiko und in welcher extremen Drucksituation deutsche, amerikanische und internationale Truppen, aber auch zivile Mitarbeiter in den letzten Tagen die Luftbrücke betrieben haben. Über 100 000 Menschen konnten so in Sicherheit gebracht werden - Deutsche, Angehörige anderer Nationen und natürlich Afghaninnen und Afghanen, die in ein neues und sicheres Leben ausgeflogen wurden.
Die Bundeskanzlerin hat gestern noch einmal bekräftigt: Unsere Sorge um diejenigen, die sich mit uns zusammen in Afghanistan für Sicherheit und Freiheit eingesetzt haben, endet nicht. Wir werden auch nach dem Ende der Luftbrücke, auch unter den neuen Realitäten alles in unseren Kräften Stehende tun, um diesen Menschen zu helfen.
FRAGE: Amerikanische Medien berichten, dass das US-Militär Listen mit Namen von Evakuierungspassagieren an die Taliban übergeben hat. Haben auch deutsche Stellen den Taliban solche Listen übergeben? Können Sie ausschließen, dass die USA auch Namen von deutschen Listen an die Taliban übergeben oder übergeben haben?
BURGER (AA): Nein, deutsche Stellen haben keine Listen an die Taliban übergeben. Zu der zweiten Frage kann ich, wenn es gewünscht ist, gerne etwas „unter drei“ ausführen.
VORS. WELTY: Dann gehen wir „unter drei“ und unterbrechen alle Aufnahmen und Übertragungen.
[Es folgt ein Teil unter drei].
VORS. WELTY: Damit sind wir wieder „unter eins“.
BURGER: Ich sage zusammenfassend: Wir haben keinen Ansatzpunkt dafür, dass von deutscher Seite im Zusammenhang mit dem Zugang zum Flughafen Listen an die USA übergeben worden wären, die auf irgendeinem Weg an die Taliban hätten gelangen können.
Noch einmal ‑ ich habe das zwar vorhin schon gesagt, aber ich betone es noch einmal ‑: Von deutscher Seite sind keine Namenslisten an die Taliban übermittelt worden.
FRAGE: Mich interessiert, wie viele ausreiseberechtigte Personen und wie viele Deutsche Sie noch in Afghanistan vermuten. Es gibt unterschiedliche Zahlen darüber. Ich weiß nicht, ob davon schon die Ausgereisten abzogen wurden.
BURGER: Menschen reisen weiterhin aus. Es melden sich weiterhin Menschen mit einem Ausreisewunsch. Deswegen sind die Zahlen immer nur Momentaufnahmen. Wir gehen im Moment davon aus, dass sich etwa 300 Deutsche noch in Afghanistan befinden. Wir hatten, Stand gestern, über 10 000 afghanische Staatsangehörige erfasst, die zur Teilnahme an der Evakuierung identifiziert worden waren, entweder als Ortskräfte oder als sonstige schutzbedürftige Personen.
ZUSATZFRAGE: Etwa 4000 oder mehr afghanische Personen sind ausgeflogen worden. Sind die von den 10 000 abzuziehen oder zu den 10 000 noch dazuzuzählen?
BURGER: Die sind nicht von den 10 000 abzuziehen, einerseits weil Menschen nicht nur auf unseren Flügen ausgereist sind und wir deswegen noch keinen präzisen Überblick darüber haben, wie viele von den Menschen, die aus unserer Sicht ausreiseberechtigt sind, es insgesamt geschafft haben auszureisen. Andererseits steigt nach wie vor der Kreis der Personen, die sich bei uns melden. Das hat über die letzten Tage auch für deutsche Staatsangehörige stattgefunden. Da die Beschlusslage in der Bundesregierung zum Kreis der berechtigten Ortskräfte in der letzten Woche ausgeweitet wurde, gibt es noch eine ganz erhebliche zusätzliche Gruppe an Personen, die jetzt Gefährdungsanzeigen stellen können und die noch zusätzlich auf die Liste der nach Deutschland Einreiseberechtigten aufgenommen werden können.
FRAGE: Lassen sich die Zahlen nach Ressorts, NGOs etc. aufschlüsseln?
BURGER: Das kann ich heute noch nicht vornehmen.
FRAGE: Herr Seibert, Sie haben vorhin gesagt, die Bundesregierung werde nach dem Ende der Luftbrücke alles tun, um diesen Menschen zu helfen. Wie kann, wie soll diese Hilfe aussehen?
SEIBERT: Sie wissen, dass der Außenminister eine Reise durch mehrere Stationen und mehrere Nachbarländer Afghanistans angekündigt hat. Sie wissen, dass die Bundeskanzlerin mit Premierministern, beispielsweise von Pakistan, und mit dem Präsidenten von Usbekistan gesprochen hat. Auch das ist in die Richtung der Überlegung einzuordnen: Wie können wir Menschen helfen, die schutzberechtigt und schutzbedürftig sind und die es in diese Länder geschafft haben und gegebenenfalls dann über unsere Botschaften und Vertretungen in diesen Ländern Hilfe erbitten? ‑ Denen wollen wir helfen. Sie wissen, dass unser Botschafter Potzel seit einigen Tagen auch wieder Gespräche mit den Taliban-Vertretern genau über die Frage führt, wie die Ausreisemöglichkeiten für Afghanen auch nach Beendigung der Luftbrücke sind. Das war auch ein Thema bei der G7-Videokonferenz.
Das kann ich Ihnen heute, weil wir nicht in die Zukunft schauen und wir nicht sehen können, welche Möglichkeiten der Vertretung in Kabul beispielsweise bestehen werden, nicht präzise sagen. Ich kann Ihnen nur sagen, dass unser Gefühl der Verantwortung und der Sorge um diese Menschen nicht mit der Luftbrücke endet, sondern wir werden versuchen, verschiedene Möglichkeiten zukünftiger Hilfe, auch Hilfe zur Ausreise, zu ergreifen.
BURGER: Ich kann dazu noch ein bisschen mehr ausführen. ‑ Der Außenminister hat gestern Abend noch ein Statement dazu abgegeben, auf das ich Sie gerne verweisen würde.
Im Wesentlichen geht es um zwei physische Möglichkeiten, das Land zu verlassen. Zum einen geht es um die Frage: Wie kann erreicht werden, dass der Flughafen auch in Zukunft wieder betrieben werden kann und dass dort in Zukunft zivile Flüge stattfinden können, über die man ausreisen kann? Dazu gibt es Gespräche mit verschiedenen Partnern. Das wird auch ein wichtiges Thema auf der Reise des Außenministers sein.
Zum anderen gibt es grundsätzlich die Möglichkeit, auf dem Landweg in Nachbarstaaten zu reisen. Wir sind dabei, unsere Botschaften in den Nachbarstaaten personell mit Ressourcen auszustatten und Gespräche mit den Regierungen der Nachbarstaaten zu führen, damit wir sicherstellen können, dass diejenigen, die nach Deutschland weiterreisen möchten, zumindest ab der Grenze, ab dem Grenzübertritt die Möglichkeit bekommen, ungehindert zu unseren Botschaften zu gelangen und dort schnell mit Papieren für die Einreise nach Deutschland ausgestattet zu werden. Dazu schaffen wir entsprechende Rechtsgrundlagen. Dafür schaffen wir an den Vertretungen entsprechende Ressourcen. Dafür treffen wir entsprechende Absprachen mit den Nachbarstaaten. Das wird ein ganz wesentlicher Inhalt der Reise des Außenministers sein.
Wir haben zu dieser Frage und auch zu der Frage, an wen sich die Betroffenen jetzt wenden können ‑ im Wesentlichen geht es um drei verschiedene Gruppen, einmal deutsche Staatsangehörige, zum Zweiten ehemalige Ortskräfte und zum Dritten die sogenannten sonstigen schutzbedürftigen Personen aus Afghanistan ‑, Informationen auf unserer Website zur Verfügung gestellt. Diese Informationen werden wir in den nächsten Tagen im Zuge der Absprachen, die wir treffen, und im Zuge der Möglichkeiten, die wir in den Nachbarstaaten insbesondere zur Unterstützung aufbauen, weiter anreichern.
Jedenfalls sind wir entschlossen, alles zu tun, was wir können, um sowohl in den Nachbarstaaten als auch im Hinblick auf die Möglichkeit der Ausreise auf dem Luftweg zu unterstützen.
ROUTSI (BMVg): Ich möchte gern noch für die Bundeswehr ergänzen. Bevor ich das tue, erlauben Sie mir bitte, ganz kurz auch noch unser tiefes Mitgefühl, unser Beileid für die Verstorbenen und die Verletzten auszusprechen.
Ohne die Partner und Freunde vor Ort, vor allem unsere amerikanischen Verbündeten, wäre es nicht möglich, dass sich unsere Frauen und Männer, unsere Soldatinnen und Soldaten jetzt auf dem Weg nach Hause befinden und zumindest am Körper unversehrt sind. Von der Psyche wollen wir gar nicht sprechen. Was die Frauen und Männer dort in den letzten zwei Wochen gesehen haben, vermag ich von hier aus nicht zu bewerten. Das Opfer unserer amerikanischen Kameradinnen und Kameraden bleibt für uns Bundeswehrsoldaten und für die Verteidigungsministerin selbstverständlich unvergessen.
Sie haben gefragt, was wir an konkreter Hilfe leisten können. Diese Frage möchte ich Ihnen gerne beantworten.
Unsere Ministerin hat gestern Abend ein Statement gehalten, das sehr breit aufgenommen worden ist. Ich möchte zwei, drei Punkte herausgreifen. Das Aufnahmeversprechen, das sie gegeben hat, wird weiterhin Gültigkeit behalten. Die Callcenter im Einsatzführungskommando, über die wir hier häufig berichtet haben und die speziell für die Ortskräfte eingerichtet worden sind, mit Sprachmittlern, damit man sich verständigen kann, werden verstärkt und weiterhin am Netz bleiben. Wir dürfen hier keine Funkstille aufkommen lassen. Wir wollen ansprechbar sein. Wir selbst wollen aktiv Kontakt aufnehmen, auch dank der vielen Hinweise, die hier und auch von vielen anderen Stellen gekommen sind. Das wird mit Sicherheit nicht abreißen. Das ist für uns ein ganz maßgebliches Instrument, um da weiter zu unterstützen.
Zusätzlich kann ich Ihnen schon heute berichten, dass unsere Militärattachés ‑ sie sind Teil der Botschaften; das wissen Sie ‑ angewiesen wurden, was die angrenzenden Staaten angeht, dass, wenn Hilfeersuchen herangetragen werden, sie die Menschen in Not so gut wie möglich unterstützen.
Auch für die Bundeswehr gilt: Das Ende der Luftbrücke ist nicht das Ende unserer Anstrengungen. Wir stehen zu unseren Versprechen und wollen möglichst viele Menschen, Ortskräfte und ihre Familien, in Sicherheit bringen.
FRAGE: Alles, was man jetzt plant, was die Bundesregierung ermöglichen möchte, und alle gesetzlichen Grundlagen, die sie schaffen möchte, hätte man schon viel früher machen können, korrekt?
BURGER: Ich glaube, über die Vorgeschichte haben wir hier in den letzten Wochen sehr ausführlich gesprochen. Wir haben schon in den letzten Monaten immer wieder transparent gemacht, welche Anstrengungen wir unternommen haben, um Ortskräfte nach Deutschland zu bringen. 2500 Visa wurden vor dem 15. August ausgestellt. Etwa 1900 Menschen haben es vor dem 15. August nach Deutschland geschafft. Wir haben Ihnen auch immer über die Bemühungen berichtet, die es danach gegeben hat, um dieses Verfahren zu beschleunigen. Sie haben die Entscheidung verfolgen können, auf ein Verfahren mit „visa on arrival“ umzustellen, um das aufwendige Visaverfahren in Afghanistan nicht mehr durchführen zu müssen. Sie haben in den letzten elf Tagen die Bemühungen der Bundesregierung im Rahmen der Luftbrücke verfolgen können. Wir müssen mit der Situation, die jetzt existiert, umgehen. Es hat jetzt die Verständigung in der Bundesregierung darüber gegeben, dieses Verfahren zu ermöglichen.
ZUSATZFRAGE: Ich habe eine Lernfrage zu den offiziell 5350 Evakuierten. Das ist immer eine komische Statistik, dass es einerseits um Deutsche geht, andererseits um Doppelstaatler und dann um Afghanen. Können Sie das einmal aufschlüsseln? Denn Doppelstaatlicher sind ja auch Deutsche.
BURGER: Ich habe noch keine Statistik gesehen, in der Doppelstaatler vorgekommen wären.
ZUSATZ: Das wird auch in den Medien immer wieder ‑ ‑ ‑
BURGER: Von uns haben Sie die bestimmt nicht.
SEIBERT: Das kommt nicht von der Bundesregierung. Wir unterscheiden in Deutsche, Angehörige anderer Nationalitäten ‑ Sie wissen, wir haben auch Italiener, Niederländer usw. ausgeflogen ‑ und afghanische Staatsgehörige.
ZUSATZFRAGE: Könnten Sie einmal aufschlüsseln, wie viele Deutsche ‑ ‑ ‑
BURGER: Das wissen wir nicht, weil wir das nicht erfassen; denn für uns sind deutsche Staatsangehörige deutsche Staatsangehörige, egal, ob sie eine zusätzliche Staatsangehörigkeit haben.
ZUSATZFRAGE: Ja, das ist mir klar. Darum könnten Sie ja sagen, wie viele Deutsche von diesen 5350 jetzt evakuiert worden sind.
ROUTSI: Ich kann vielleicht helfen. Wir haben insgesamt ‑ die Zahl haben Sie ja genannt ‑ 5347 Menschen aus mindestens 45 Ländern evakuiert, darunter rund 500 deutsche Staatsbürger und rund 4000 Afghanen und etwa 50 Prozent Frauen.
FRAGE: Ich habe noch eine Frage zu dieser Aufschlüsselung. Es gab ja Berichte unter anderem über eine Familie aus München oder jetzt über einen Schüler aus Solingen. In Afghanistan gibt es offensichtlich Personen mit afghanischer oder deutscher Staatsangehörigkeit, die ursprünglich einmal aus Afghanistan geflüchtet sind, in Deutschland Aufenthaltsrecht haben und besuchsweise dort sind. Wie viele von denen sind unter den Evakuierten oder den möglicherweise noch zu Evakuierenden?
BURGER: Ich kann nicht sagen, wie viele von denen unter der Zahl von etwa 4000 afghanischen Staatsangehörigen sind, weil wir zum jetzigen Zeitpunkt noch keine statistische Aufschlüsselung haben, was jeweils die Rechtsgrundlage für die Einreise nach Deutschland war.
FRAGE: Herr Burger, können Sie die von Ihnen genannten über 10 000 Menschen, die Anträge gestellt haben oder noch Anträge stellen werden, aufsplitten und sagen, wo die sind? Sind die im nördlichen Teil, wo die Einsätze der Bundeswehr waren, um Masar, oder sind die alle schon in Kabul? Hat man da einen Überblick, wie sich das aufteilt?
BURGER: Ich kann Ihnen dazu keine präzisen Angaben machen.
ZUSATZFRAGE: Und nicht präzise Angaben, also Schätzungen des Anteils, 80 Prozent in Kabul und der Rest ‑ ‑ ‑
BURGER: Wenn wir solche Schätzungen haben, dann müsste ich die nachliefern.
FRAGE: Ich wüsste gerne, welche Papiere jetzt zum Beispiel die Ortskräfte brauchen, wenn sie sich beispielsweise in Islamabad in Pakistan oder in anderen Nachbarländern an die Botschaften wenden wollen. Wie schätzen Sie ein, wie gefährlich es ist, mit diesen Papieren die Grenzen zu überschreiten?
BURGER: Um an einer deutschen Auslandsvertretung in einem Nachbarland Einreisepapiere für Deutschland zu bekommen, ist es zunächst einmal wichtig, dass die Identifikation dieser Personen eindeutig festgestellt werden kann ‑ mit welchen Papieren auch immer das möglich ist ‑ und dass eine Aufnahmezusage vorliegt. Das betrifft also den Kreis derjenigen Ortskräfte, deren Gefährdungsanzeige schon geprüft wurde, deren ehemalige Arbeitgeber schon gemeldet haben „Ja, das ist eine unserer ehemaligen Ortskräfte“ und für die eine Aufnahmezusage ausgesprochen wurde. Für diese Personen kann dann in einem sehr einfachen und schnellen Verfahren ein Visum ausgestellt werden, wenn sie eben ihre Identität vor Ort nachweisen können.
Was ich Ihnen zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht erschöpfend beantworten kann, ist die Frage, welche Dokumente diese Personen brauchen, um überhaupt in die Nachbarstaaten einreisen zu können, welche Visapflichten, Passpflichten usw. dort bestehen. Es wird natürlich ein Thema unserer Gespräche mit den Regierungen dieser Nachbarstaaten sein, es für diese Menschen möglichst einfach zu machen, in die Nachbarstaaten einzureisen, wenn sie eben eine entsprechende Zusage von uns vorweisen können, dass sie an unserer Botschaft schnell mit Papieren ausgestattet werden und dann schnell die Weiterreise nach Deutschland antreten können.
ALTER (BMI): Ich würde gerne noch ergänzen, dass wir ja auch in den letzten Wochen schon diejenigen, die beispielsweise keinen Reisepass hatten, mit Ersatzdokumenten ausgestattet haben. Das Bundesinnenministerium bzw. der Bundesinnenminister haben allen Personen, die das Auswärtige Amt als einreiseberechtigt identifiziert hat ‑ das sind diese mehr als 10 000 ‑, auch eine Aufnahmezusage erteilt, und auf diese Aufnahmezusage können sich die Betroffenen auch berufen.
FRAGE: Zu den Wegen, die Sie skizziert haben, Herr Burger, zum einen dem Landweg: Das klingt natürlich wesentlich einfacher, als es in der Realität ist. Woher nehmen Sie denn im Moment Erkenntnisse über die Gefährlichkeit dieser Wege? Was können Sie über die Gefährlichkeit sagen? Anders gefragt: Können Sie guten Gewissens die Menschen aus Kabul auf diese Wege schicken?
BURGER: Nein, wir können nicht guten Gewissens eine pauschale Empfehlung für jeden und jede abgeben, sich jetzt auf dem Landweg in die Nachbarländer zu begeben. Dafür sind die Risiken, denen man sich auf diesem Weg aussetzt, zu individuell und zu sehr von der persönlichen Situation jedes und jeder Einzelnen betroffen. Das hängt sowohl mit dem individuellen Verfolgungsdruck und mit der persönlichen Lage als natürlich auch einfach mit der Geographie zusammen. Wie nah befindet man sich an einer Grenze? Über welche Möglichkeiten verfügt man, sich zu organisieren? - Wir haben unter unseren ehemaligen Ortskräften sogar Logistikprofis, deren Geschäft es ist, sozusagen solche Transporte zu organisieren, aber natürlich sind auch ganz andere Menschen darunter. Das wird man pauschal von Berlin aus nicht beantworten können. Deswegen ist der beste Rat, den wir den Menschen im Moment geben können, sich selbst so gut sie können darüber zu informieren, wie die Risiken einer solchen Reise sind, und diese Abwägungen zu treffen, so gut sie können.
Wir bemühen uns, wie gesagt, einerseits über die Gespräche von Botschafter Potzel mit den Taliban darum, möglichst belastbare Zusagen von den Taliban dafür zu erhalten, dass die Ausreise dieser Menschen zumindest nicht von Stellen der Taliban behindert wird. Andererseits bemühen wir uns um Absprachen mit den Nachbarstaaten, damit die Einreise in die Nachbarstaaten so unproblematisch wie möglich verläuft. Wenn es hier konkrete Fortschritte und konkrete Zusagen gibt, sei es von den Taliban oder sei es von den Nachbarstaaten, dann werden wir die Betroffenen natürlich darüber auf dem Laufenden halten. Im Moment ist es, wie gesagt, so, dass das eine sehr individuell zu treffende Abwägung ist. Wir stehen in Kontakt mit vielen Menschen, und wir hören von denen auch sehr unterschiedliche Einschätzungen, was diese Möglichkeiten angeht.
FRAGE: In Deutschland anerkannte Flüchtlinge haben ja einen Rechtsanspruch auf Familiennachzug. Trotzdem warten die Familien in Krisenregionen wie Afghanistan teilweise jahrelang darauf, überhaupt einen Termin an der Botschaft zu bekommen. Trägt das Auswärtige Amt mit diesen langen Wartezeiten die Verantwortung dafür, dass diese Familienangehörigen in Lebensgefahr sind, gerade auch jetzt Tausende Familien in Afghanistan?
BURGER: Entschuldigung, den Schluss der Frage habe ich nicht verstanden.
ZUSATZFRAGE: Trägt das Auswärtige Amt die Verantwortung dafür, dass diese Familienangehörigen in Lebensgefahr sind, so wie es jetzt Tausende Familien in Afghanistan sind?
BURGER: Die Schwierigkeiten, die wir in den vergangenen Jahren damit hatten, in Afghanistan Visa auszustellen ‑ das ist gut dokumentiert ‑, hängen damit zusammen, dass die Visastelle der deutschen Botschaft bzw. dass große Teile der deutschen Botschaft 2017 bei einem Bombenanschlag zerstört wurden und wir seither keine Möglichkeit hatten, in Afghanistan selbst überhaupt Visa zu erteilen. Deswegen ist das Visageschäft für Afghaninnen und Afghanen in den vergangenen Jahren aus den Nachbarstaaten heraus ‑ in Islamabad und Neu-Delhi ‑ betrieben worden. Das ist mit erheblichen Wartezeiten verbunden gewesen, die durch die Coronapandemie und die damit verbundenen Reiseeinschränkungen natürlich noch erheblich erhöht wurden. Wir wissen, dass das für viele Menschen eine sehr schwierige Situation erzeugt hat.
Was wir jetzt tun, ist, dass wir im Zuge der Verstärkung unserer Visastellen in Nachbarstaaten für die Ortskräfte auch die Kapazitäten der Visastellen in den Nachbarländern für die Familienzusammenführungen erhöhen, um diese Fälle so schnell wie möglich zu bearbeiten.
ZUSATZFRAGE: Reisen in diese Länder, haben Sie gerade gesagt, sind ja schwierig. Sie raten auch davon ab. Warum gibt es keine Möglichkeiten der digitalen Antragstellung?
BURGER: Weil die für Visa in Deutschland und im Schengen-Raum geltenden Gesetze eine persönliche Vorsprache zwingend erforderlich machen.
FRAGE: Ich hätte gerne eine Frage an das BMZ gestellt. Herr Deutschbein, welche Verantwortung nimmt Ihr Haus für die Situation auf sich, in der sich vor allem Ortskräfte aus der Entwicklungszusammenarbeit befinden? Trifft es zu, dass erst mit Datum vom 11. August, also kurz vor dem Fall Kabuls, eine Taskforce für das Ortskräfteverfahren eingerichtet wurde und dass als Bewerbungsenddatum der 18. August angegeben wurde, sodass dieser Taskforce ihre Arbeit eigentlich gar nicht aufnehmen konnte?
DEUTSCHBEIN (BMZ): Erlauben Sie mir dazu eine Vorbemerkung, weil das ja auch in vielen Fragen, die wir erhalten, immer wieder durchklingt. Grundsätzlich haben wir eine andere Situation als das BMVg und die Bundeswehr. Für die Bundeswehr gab es einen klaren Abzugsbeschluss. Den gibt es für die Entwicklungszusammenarbeit nicht. Wir hatten über die letzten Monate hinweg auch analog mit den Vereinten Nationen und anderen Gebern immer das Bestreben, die Grundversorgung in Afghanistan aufrechtzuerhalten. Über die Jahre hinweg ‑ die Sicherheitslage war ja in verschiedenen Regionen auch vorher schon schwierig ‑ wurde das Portfolio über Ortskräfte umgesetzt, um so eine lokale Verwurzelung sicherzustellen. Wir sind also sehr auf die Ortskräfte angewiesen, um dort arbeiten zu können.
So war auch in den letzten Monaten das Bestreben, in sicheren Regionen ‑ da, wo die Ortskräfte auch nicht gefährdet waren ‑ Entwicklungszusammenarbeit fortzuführen. Das hatte die Konsequenz, dass wir gar nicht überdurchschnittlich viele Gefährdungsanzeigen vor dem Fall von Kabul erhalten hatten. Daraufhin wurde schon seit dem Abzug der Bundeswehr das Personal in dem Referat und in den Einheiten verstärkt und auch aus anderen Einheiten zusammengezogen.
Um unmittelbar auf die dynamische Situation zu reagieren, wurde dann am 16. August zusätzlich auch noch eine Taskforce eingerichtet. Damit ist gelungen, dass alle Anträge tagesaktuell bearbeitet werden konnten und diese an das AA und das BMI zur Entscheidung weitergeleitet wurden. Soweit ich das sehe, gibt es derzeit auch keine unbearbeiteten Anträge im BMZ.
ZUSATZFRAGE: Sie sagen, es habe in Ihrem Bereich keine erhöhte Anzahl von Gefährdungsanzeigen gegeben. Wie verträgt sich das mit dem Satz in der Ausschreibung zur Bewerbung für diese Taskforce, wonach im ersten Halbjahr dieses Jahres gegenüber dem Vergleichszeitraum des Vorjahres die Zahl der Gefährdungsanzeigen um 1000 Prozent gestiegen ist?
DEUTSCHBEIN: Diese Zahlen ‑ das muss ich nachreichen ‑ liegen mir so nicht vor. Aber ich sage noch einmal: Es gab ja schon vorher über das Ortskräfteverfahren die Möglichkeit für Ortskräfte der Entwicklungszusammenarbeit, eine Gefährdungsanzeige zu stellen. Das wurde auch bearbeitet. Die Situation nach dem Fall von Kabul war eine deutlich andere. Danach sind die Zahlen deutlich in die Höhe gegangen, und darauf wurde unmittelbar reagiert.
FRAGE: Ich habe eine Frage zu der späteren Aufarbeitung an das Auswärtige Amt, aber auch an das Verteidigungsministerium. Im Bundestag ist ja ein Antrag auf ein sogenanntes Löschmoratorium abgelehnt worden. Ich hätte ganz gerne von den beiden Ministerien und vielleicht auch vom BMI gewusst, wie denn mit den Akten, die diese ganzen Vorgänge in Afghanistan und die Evakuierung betreffen, umgegangen wird.
ROUTSI: Von unserer Seite aus kann ich Ihnen sagen, dass wir da sehr klare Vorgänge haben, die wir natürlich auch den Vorschriften entsprechend ablegen. Ich kann diese Anschuldigung nicht nachvollziehen.
BURGER: Ich kann dazu sagen, dass bei uns diesbezüglich keine Akten geschreddert und keine Mails vernichtet werden. Der Außenminister hat gesagt, dass alles ‑ auch die Fehler ‑ aufgearbeitet werden muss. Das ist auch in unserem Interesse, und dazu werden wir unseren Beitrag leisten.
ALTER: Ich kann ergänzen, dass das natürlich auch für das BMI gilt und dass für die gesamte Bundesregierung eine Registraturrichtlinie gilt. Aus dieser Registraturrichtlinie ergibt sich, dass alle aktenrelevanten Vorgänge zu verakten sind. Darin gibt es ganz klar festgelegte Löschfristen. An diese Registraturrichtlinie hält sich das BMI und halten sich sicherlich auch alle anderen Ressorts.
FRAGE: Herr Seibert, die Frage geht jetzt ein bisschen in eine andere Richtung. Es gibt mehrere Bundesländer, die einen Bund-Länder-Gipfel zu möglichen Hilfen bei der Aufnahme von und dem Umgang mit Flüchtlingen aus Afghanistan und Rückkehrern oder Ortskräften aus Afghanistan fordern. Gibt es da schon einen anvisierten Termin? Wie stehen Sie zu einem solchen Gipfel?
SEIBERT: Der Chef des Bundeskanzleramtes, Minister Braun, steht ja regelmäßig mit den Chefs und Chefinnen der Staatskanzleien der Bundesländer in einem ganz engen Austausch. Dabei wird ‑ gerade natürlich in den letzten Tagen ‑ auch das Thema der Ortskräfte aus Afghanistan beraten, in das die zuständigen Bundesressorts mit einbezogen sind.
ZUSATZFRAGE: Das heißt, Sie sehen keine Notwendigkeit für einen Gipfel mit der Kanzlerin?
SEIBERT: Ich sage Ihnen, dass es diesbezüglich schon einen ganz engen Austausch gibt. Ob es dann noch andere Formate geben wird, kann ich Ihnen heute nicht sagen. Uns ist dieser enge Austausch zwischen der Bundesregierung, den Bundesministerien, die die Zuständigkeit für die einzelnen Bereiche haben, und den Ländern sehr wichtig.
FRAGE: Herr Burger, Sie sprachen vorhin von 300 Deutschen, die sich noch in Afghanistan befinden. Können Sie darüber etwas sagen, wo sie sich befinden und aus welchen Bereichen sie entstammen? Sind das Mitarbeiter der Privatwirtschaft, der Entwicklungshilfe? Was lässt sich dazu noch sagen?
BURGER: Ich kann Ihnen keine präzise Aufschlüsselung liefern. Ich hatte hier ‑ wahrscheinlich vor etwa zwei Wochen ‑ auf die Frage, wie viele Deutsche sich in Afghanistan befinden, eine hohe zweistellige Zahl genannt. Wir müssen also davon ausgehen, dass sich viele von diesen 300 Personen in der Vergangenheit nicht auf Listen der deutschen Botschaft registriert hatten und es nie für nötig befunden hatten, sich zu registrieren. Deswegen liegt die Vermutung nahe, dass viele von ihnen persönlich im Land verwurzelt sind. Aber eine genauere Aufschlüsselung dazu habe ich nicht.
FRAGE: Noch einmal zu dieser Taskforce des BMZ: Uns liegen Informationen vor, dass bis zu dieser Stellenausschreibung nur eine Person in dieser Taskforce tätig war. Können Sie das bestätigen?
DEUTSCHBEIN: Das kann ich nicht bestätigen. Ich sagte aber, dass schon über die letzten Monate die Personalressourcen im Bereich Afghanistan gebündelt wurden und direkt nach dem Fall von Kabul zusätzlich eine Taskforce aufgebaut wurde.
ZUSATZFRAGE: Könnten Sie sagen, wie viele Menschen vor der Stellenausschreibung in dieser Taskforce Ortskräfte bei Ihnen gearbeitet haben und wie viele seitdem, zum Beispiel in den letzten Wochen?
DEUTSCHBEIN: Ich reiche Ihnen gerne nach, wie viele Personen sich vorher, also bevor die Taskforce eingereicht wurde, gekümmert haben.
ZURUF (akustisch unverständlich)
DEUTSCHBEIN: Doch! Die Taskforce wurde ja erst als Reaktion eingerichtet.
Ich möchte noch einmal darauf hinweisen, dass es keine unbearbeiteten Anträge gibt.
FRAGE: Eine Frage an das Verteidigungsministerium. „Unter eins“ war hier öfter das Bawar Media Center Thema, bei dem die Erlaubnis, nach Deutschland auszureisen, zu spät kam. Eine Frage, die Sie bitte gerne „unter drei“ beantworten können: Wie viele Menschen konnten letztendlich aus dem Bawar-Media-Center-Bereich nach Deutschland geholt werden? Mit Blick auf die sensiblen Inhalte würde ich um einen „unter-drei“-Anteil bitten.
ROUTSI: Das brauchen wir von meiner Seite nicht.
ZURUF: Doch, wenn möglicherweise noch weitere Personen ‑ ‑ ‑
ROUTSI: Wir können gerne, wenn Sie erlauben, erst einmal „unter eins“ bleiben. Dann schauen wir einmal, wie sich das entwickelt.
Es ist ja nicht nur das Bawar Media Center. Wir haben ‑ auch durch Sie ‑ sehr, sehr viele Hinweise auf Menschen bekommen, die schutzbedürftig sind. Diese haben wir aufgenommen und weitergeleitet. Wir haben alles in unserer Macht Stehende getan, um diesen Menschen Unterstützung geben zu können.
Die Zahlen, die Sie haben wollen, können wir Ihnen zu diesem Zeitpunkt nicht aufbereiten. Deswegen macht es aus meiner Sicht für diese Frage keinen Sinn, „unter drei“ zu gehen. Ich habe keine Informationen „unter drei“.
Es ist auch nicht so, dass wir jetzt mit diesem Informationsaustausch aufhören. Wir sind nach wie vor offen und dankbar, wenn man, wenn es Hinweise gibt, die unsere Ortskräfte betreffen, uns diese gerne über die Bundeswehr zuleitet. Wir können damit arbeiten und leiten sie an die entsprechenden Stellen weiter, um diesen Menschen zu helfen.
FRAGE: Herr Alter, ich würde gerne wissen, ob es vonseiten der Bundesregierung irgendwelche Sicherheitsbedenken gibt, was die jetzt einreisenden Afghanen angeht. Das ist ja jetzt ein etwas beschleunigtes Verfahren. Wie verhält es sich dabei mit der Sicherheitsüberprüfung?
ALTER: Wir haben im Moment ein sehr pragmatisches Verfahren ‑ der Bundesinnenminister hat es gestern öffentlich gesagt ‑, das im Hinblick auf die Sicherheitsüberprüfung auch mit Risiken verbunden ist. Aber wir haben in den vergangenen Wochen eine Notlage erlebt, und deswegen nehmen wir diese Risiken in Kauf.
Sie wissen, dass wir die Sicherheitsüberprüfung, die normalerweise vor der Erteilung des Visums erfolgt, erst durchführen, wenn die betroffenen Personen in Deutschland angekommen sind, also bei der Einreisekontrolle. Im Rahmen dessen haben wir ‑ hier will ich die Zahl der Eingereisten hervorheben: mehr als 4500 Personen sind eingereist, davon ein sehr großer Anteil afghanische Staatsangehörige ‑ inzwischen vier Fälle von Personen festgestellt, die bereits abgeschoben wurden, die natürlich auf normalem Weg kein Visum erhalten hätten, aber jetzt in Deutschland sind. Da ist es so, dass, wenn die Sicherheitsbehörden bei der Überprüfung solche Sachverhalte feststellen, jeweils im individuellen Fall geschaut wird, welche Maßnahmen notwendig oder auch möglich sind.
Was diese Fälle angeht, über die ich Ihnen gerade berichtet habe, gibt es auch die Situation, dass die Person nach Ankunft in Deutschland direkt wieder in Haft gegangen ist. Andere wiederum bekommen eine Duldung, weil keine Bedenken gegen den Aufenthalt in Deutschland bestehen.
ZUSATZFRAGE: Es wird von einem russischen Staatssender behauptet, dutzende evakuierte Afghanen seien auf sogenannten „no-fly“-Listen. Die Behauptung wurde sogar mit manipulierten Agenturbildern illustriert. Der Sender hat die Bilder von zwei Menschen mit gefakten Kriegswaffen im Handgepäck gezeigt, die per Photoshop bearbeitet wurden. Wie bewerten Sie solche Versuche, afghanische Flüchtlinge als potentielle Terroristen darzustellen?
ALTER: Wir haben in unserem Haus auch eine Organisationseinheit, die sich mit derlei Bedrohungslage durch Falschinformationen, durch Fake News, beschäftigt. Das ist nichts, was neu ist. Aber uns liegt am Herzen, dass diese Informationen, wenn sie auftreten, auch richtiggestellt werden.
Ein solcher Fall, wie Sie ihn gerade beschrieben haben, ist im Bundesinnenministerium nicht bekannt. Es gibt aus Sicht des BMI keine „no-fly“-Listen. Es gibt auch keine Fälle, wo Einreisen verweigert wurden, weil irgendwelche Waffen im Spiel gewesen wären, sondern wir haben diese vier Fälle, bei denen festgestellt wurde, dass diese Personen vorher abgeschoben wurden. Darüber hinaus liegen keine Erkenntnisse vor.
BURGER: Ich würde einen Punkt zum Thema Desinformation ergänzen. Wir haben in den letzten Tagen nämlich leider erleben müssen, dass auch deutsche Staatsangehörige und Ortskräfte in Afghanistan teilweise von gefälschten Absendern ‑ von Menschen, die sich als Vertreterinnen und Vertreter des Auswärtigen Amtes ausgegeben haben ‑ kontaktiert wurden und beispielsweise an Sammelpunkte in der Stadt geschickt und dadurch einer erheblichen Gefährdung ausgesetzt wurden. Wir weisen die Menschen, mit denen wir in Kontakt sind, darauf in den sozialen Medien unserer Botschaft Kabul und auf anderen Kanälen immer wieder hin.
Es ist leider ein Phänomen, das in den letzten Tagen erhebliche Ausmaße angenommen hat, dass Menschen, die verzweifelt sind und auf Rettung hoffen, durch solche Desinformationen in noch gefährlichere Lagen gebracht wurden.
ROUTSI: Ich möchte noch kurz eine faktische Ergänzung bzw. eine kleine Mitteilung machen.
Wir werden unseren MedEvac-Flieger um weitere 24 Stunden in Taschkent belassen, um bei Bedarf unsere amerikanischen Verbündeten noch mit unserer fliegenden Intensivstation unterstützen zu können. ‑ Danke schön.
Konferenz zum G20-“Compact with Africa”
FRAGE: Ich würde Herrn Deutschbein noch einmal bitten, etwas zum „Compact with Africa“ zu sagen. Heute ist ja auch so ein bisschen der Tag der Bilanzen. Herr Deutschbein, wenn ich das richtig gezählt habe, dann beteiligen sich zwölf Staaten an diesem Compact. Wie bewerten Sie das? Hätten Sie sich da über die Jahre eine höhere Beteiligung gewünscht? Sind Sie soweit zufrieden? Vielleicht können Sie das einmal skizzieren.
DEUTSCHBEIN (BMZ): Eine Vorbemerkung zum „Compact with Africa“: Das ist ja eine Initiative im Rahmen der G20, die nicht nur das Bundesentwicklungsministerium betrifft. Wir selber unterstützen den „Compact with Africa“ maßgeblich, u. a. mit unseren Reformpartnerschaften. Dazu gehört auch der Marshallplan mit Afrika, den Minister Müller aufgelegt hat. All diese Instrumente wirken zusammen mit der „Compact with Africa“-Initiative.
Zur Teilnehmerzahl möchte ich mich nicht äußern. Ich kann Ihnen aber gern sagen, wie zufrieden wir sind, wie sich einzelne Instrumente entwickelt haben, zum Beispiel der Entwicklungsinvestitionsfonds oder auch unser Engagement, eine Impfstoffproduktion in Afrika aufzubauen. Diese Instrumente werden angenommen. Der Afrika-Verein hat sich ja heute auch dazu geäußert, dass das die richtigen Instrumente sind, die wir brauchen.
Wahrscheinlich auch durch die Coronakrise haben sich aber die Volumina nicht in dem Umfang entwickelt, wie sich das alle gewünscht hätten. Ich denke, da ist noch viel Potenzial für weitere Privatinvestitionen in Afrika. Aber die Finanzierungsmöglichkeiten sind da.
Wir wollen damit auch Mittelständler begleiten, insbesondere dort zu investieren, wo verlässliche Strukturen, Rechtssicherheit, Good Governance gegeben sind. Da gibt es auch die Instrumente der Reformpartnerländer, unter anderem Ghana, Senegal und andere. Dass das wirkt, zeigt zum Beispiel der Doing-Business-Report der Weltbank. Diese Länder schneiden da deutlich besser ab und schaffen es auch auf die Top-Ten-Liste der besten Wirtschaftsreformer der Welt.
Gern kann ich auch noch etwas zur Impfstoffproduktion sagen.
SEIBERT (BReg): Ich will darauf vielleicht auch noch einmal eingehen:
Der „Compact with Africa“ ist ein langfristig angelegtes Projekt, eine langfristig angelegte Initiative. Die Bundeskanzlerin wird mit den afrikanischen Partnern heute auch darüber sprechen, wie die Umsetzung weiter gestaltet werden kann. Deswegen ist es jetzt nicht Zeit für ein Fazit, aber es gibt ‑ das hat der Kollege ja gerade angedeutet ‑ wirklich ermutigende Signale aus den Compact-Ländern. Die Weltbank hat da einiges zusammengestellt. Es hat sich in der Pandemie gezeigt, dass die Wirtschaft dieser Länder resilienter, widerstandsfähiger, als die im afrikanischen Durchschnitt war. Für 2021 rechnen die internationalen Organisationen für diese Compact-Länder, auf Subsahara-Afrika bezogen, mit einem Wirtschaftswachstum von 4,6 Prozent. Das ist ein gutes Stück höher als im Durchschnitt für diese Region.
Auch der letzte Bericht zeigt, dass diese Länder im Vergleich zu anderen Ländern Afrikas überproportional viele Investitionen einwerben konnten. Es gibt Monitoringberichte, die zeigen, dass die anvisierten Reformmaßnahmen mittlerweile weitgehend umgesetzt wurden. Deswegen ist es jetzt die Aufgabe, neuen Reformehrgeiz zu entwickeln ‑ man kann ja da nicht stehenbleiben ‑ und sich dabei vor allem an Nachhaltigkeitsaspekten zu orientieren. Das sind auch Themen, über die die Bundeskanzlerin heute intensiv mit ihren Partnern und Gästen beraten möchte.