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Erklärungen des Auswärtigen Amts in der Regierungs­­pressekonferenz vom 11.08.2021

11.08.2021 - Artikel

Festnahme eines Mitarbeiters der britischen Botschaft wegen des Verdachts der Spionage

VORS. FELDHOFF: Jetzt kommen wir zum Thema der Spionage. Die Bundesanwaltschaft hat einen Vertreter der britischen Botschaft festnehmen lassen, weil er für einen russischen Geheimdienst gegen Geld Dokumente beschafft haben soll. Kann die Bundesregierung das kommentieren?

Dazu habe ich verschiedene weitere Fragen.

Wird eventuell der russische Botschafter einbestellt?

Wird über neue Sanktionen nachgedacht?

Haben deutsche Behörden den Vertreter russischer Nachrichtendienste identifiziert, und, falls ja, ist er Mitarbeiter der russischen Botschaft in Berlin, oder hat er den britischen Nachrichtendienst im Ausland kontaktiert?

Wer will anfangen? Das AA oder das BMI, das, meine ich, für Spionage zuständig ist?

ALTER (BMI): Ich meine, dass das Maßnahmen unter der Ägide des Generalbundesanwalts sind. Deswegen würde ich es meinem Kollegen vom BMJV überlassen.

BURGER (AA): Ich kann vielleicht die Zeit überbrücken und schon einmal sagen, dass Ihnen und uns die Pressemitteilung des Generalbundesanwalts zu den strafrechtlichen Maßnahmen ja vorliegt. Die Hinweise, dass die geheimdienstliche Tätigkeit des Festgenommenen im Auftrag eines russischen Nachrichtendienstes erfolgte, nehmen wir sehr ernst. Geheimdienstliches Ausspähen eines engen Bündnispartners auf deutschem Boden ist nichts, was wir akzeptieren können. Deswegen werden wir die weiteren Ermittlungen des Generalbundesanwalts sehr genau verfolgen.

KALL (BMJV): Das kann ich für das Bundesjustizministerium nur unterstreichen. Dieses Ermittlungsverfahren zeigt, wie ernst zu nehmend diese Vorwürfe sind. Informationen über die Pressemitteilung der Bundesanwaltschaft hinaus kann ich natürlich nicht geben. Ich würde Sie bitten, sich dafür direkt an die Bundesanwaltschaft in Karlsruhe zu wenden.

FRAGE: Herr Kall, vielleicht können Sie eine Sache klarstellen. Es ist ja nicht eindeutig, ob dieser Mann politische Immunität oder Ähnliches hat. Musste irgendein diesbezügliches Verfahren durchlaufen werden, bevor die Festnahme stattfinden konnte?

KALL: So wie immer bei Verfahren, die der Generalbundesanwalt führt, würde ich Sie wirklich bitten, sich zu jeglichen Einzelheiten des Ermittlungsverfahrens und jeglichen Erkenntnissen direkt an die Bundesanwaltschaft zu wenden. Es ist Sache der Justiz, diesen Fall weiter zu ermitteln.

Das Einzige, was ich Ihnen aus der Pressemitteilung widergeben kann, ist, dass es das Ergebnis gemeinsamer Ermittlung sowohl deutscher als auch britischer Behörden ist.

ZUSATZFRAGE: Aber wenn er diplomatische Immunität gehabt hätte, dann hätte das Aufhebungsersuchen doch über Ihren Tisch laufen müssen, oder?

KALL: Wie gesagt, kann ich mich wie immer in laufenden strafrechtlichen Ermittlungsverfahren zu Einzelheiten des Verfahrens nicht äußern.

Abschiebungen nach Afghanistan

FRAGE: Es gab jetzt einen ungewöhnlichen Appell der EU-Botschafter in Kabul, die Abschiebungen aus EU-Staaten nach Afghanistan auszusetzen. Wie bewertet die Bundesregierung, dass jetzt nicht nur die afghanische Regierung selbst sie bittet, die Abschiebungen sein zu lassen, sondern auch die eigenen EU-Botschafter?

Vielleicht antwortet Herr Seibert für die Kanzlerin, die ja auch immer noch für die Abschiebung ist.

FRAGE: Ich sehe einen Widerspruch zwischen der Tatsache, dass die Innenminister von sechs EU-Staaten, darunter von Deutschland, in einem Brief an die EU-Kommission eine Fortsetzung von Abschiebungen fordern, während die genannten EU-Botschafter einen Abschiebestopp verlangen.

BURGER (AA): Ich will zur Einordnung kurz sagen, dass in verschiedenen Medien über einen internen Bericht der Botschafter der in Kabul vertretenen EU-Mitgliedsstaaten an die Hauptstädte berichtet wird. Das ist naturgemäß ein Dokument, das intern und vertraulich ist. Dieses Dokument gibt naturgemäß eine Zusammenfassung eines Diskussionsstandes zwischen den Botschaftern wider und nicht notwendigerweise eine unmittelbare Politikentscheidung.

Frau Adebahr hat Ihnen hier am Montag erklärt, dass wir im Auswärtigen Amt derzeit unter Hochdruck an der Aktualisierung des Asyllageberichts für Afghanistan arbeiten. Natürlich fließen alle uns zur Verfügung stehenden Erkenntnisquellen in die Arbeit an dieser Aktualisierung ein.

FRAGE: Sie dementieren nicht den Appell der EU-Botschafter.

Herr Seibert, hält die Kanzlerin angesichts der Bitte der afghanischen Regierung, angesichts der EU-Botschafter, die sich vor Ort auskennen, an den Abschiebungen fest? Beim BMI spare ich mir die Frage; da kann ich mir die Antwort denken.

BURGER: Ich will das vielleicht noch einmal präzisieren: Ich nehme hier nicht Stellung zu Inhalten eines vertraulichen Dokuments, über das in Medienberichten spekuliert wird.

ZUSATZ: Ich hatte Herrn Seibert gefragt.

SEIBERT (BReg): Sie haben die ja bekannte Bitte der afghanischen Regierung, Abschiebungen temporär auszusetzen, erwähnt. Sie wissen, dass Innenminister Seehofer gemeinsam mit den Innenministern fünf anderer europäischer Länder an die EU-Kommission geschrieben und die Notwendigkeit, Personen, die ausreisepflichtig sind, auch zurückzuführen, auch freiwillige Rückreisen weiterhin zu organisieren, dargelegt hat. Das gilt ganz besonders für die Rückführung von Straftätern, die schwere Straftaten begangen haben.

Natürlich muss man das im Lichte der aktuellen Entwicklung der Lage prüfen, auch vor dem Hintergrund der Entwicklungen der letzten Tage. Wir werden uns darüber natürlich mit unseren europäischen Partnern absprechen.

[…]

FRAGE: Ich habe eine Frage an das BMI zu den Abschiebungen. Gibt es dazu etwas Neues? Die Niederlande haben wegen der dynamischen Situation jetzt, wenn ich richtig informiert bin, Abschiebungen für sechs Monate ausgesetzt.

ALTER: Auf der einen Seite ist die Situation in Afghanistan schwierig und entwickelt sich Tag für Tag weiter. Das sehen wir. Auf der anderen Seite zählt die Gruppe der ausreisepflichtigen Afghanen ‑ knapp 30 000 sind es in Deutschland ‑ zu den größten Gruppen Ausreisepflichtiger in Deutschland. Das BMI ist weiterhin der Auffassung, dass es Menschen in Deutschland gibt, die das Land verlassen sollten, so schnell wie möglich.

Wir haben vor zwei Wochen versucht, sechs Inhaftierte nach Afghanistan abzuschieben. Diese Abschiebung hat nicht stattgefunden, weil die Situation für die beteiligten Behörden in Deutschland und auch in Afghanistan unklar war. Das heißt, es war keine sichere Prognose möglich, wie sich die Situation entwickelt. Das ist auch ein wichtiges Anliegen. Das heißt also, Abschiebungen finden nur dann statt, wenn sie mit Blick auf die individuelle Situation der betreffenden Person, aber auch mit Blick auf die gesamte Situation nicht zuletzt auch für unsere Begleitkräfte und die Flugzeugbesatzung und die Behörden in Afghanistan kalkulierbar sind und die Abschiebung vertretbar ist. Das ist nach wie vor der Stand der Dinge. Die Beobachtung der Lageentwicklung wird nach wie vor einen ganz wichtigen Platz in der Beurteilung der Gesamtsituation einnehmen.

[...]

FRAGE: Ich habe noch zwei Fragen. Kennt das BMI das völkerrechtliche Nichtzurückweisungsrecht, das Non-Refoulement-Prinzip, und warum wird sich daran nicht gehalten?

Herr Burger, aktueller Stand aus Sicht der Bundesregierung ist ja, dass es noch sichere Regionen in Afghanistan gibt, in die abgeschoben werden könne. Können Sie uns diese Regionen nennen? Können Sie uns eine nennen?

BURGER: Ich weiß nicht, woher Sie diesen Begriff gerade nehmen und mir vorhalten. Ich kann mich nicht erinnern, dass wir hier in der Vergangenheit bezüglich dieser Frage solche Zuschreibungen gemacht hätten. Zu der Frage, die zu prüfen ist, hat Herr Alter Ihnen heute und auch in der Vergangenheit immer wieder die Auskunft gegeben, dass im Einzelfall von den dafür zuständigen Innenbehörden bzw. von den Gerichten geprüft wird, wie die Prognose ist, was die betroffene Person in dem Land, in das sie abgeschoben werden soll, erwartet. Insofern würde ich jetzt hier nicht so pauschalierende Begriffe verwenden wollen.

Ich hatte Ihnen auch gesagt, dass wir an einer Aktualisierung des Asyllagebericht arbeiten, um der fortschreitenden Entwicklung in Afghanistan Rechnung zu tragen. Das ist immer der Versuch, zum Zeitpunkt des Berichts so differenziert und präzise wie möglich Auskunft über die Situation in einem Land zu geben, natürlich auch regional so differenziert wie möglich. Das ist aber tatsächlich auch nur eine der Erkenntnisquellen, auf die sich die Entscheidung von Innenbehörden und (akustisch unverständlich) kann. Das ist natürlich in einer sich dynamisch entwickelnden Situation, wie wir sie in Afghanistan derzeit erleben, auch mit der Notwendigkeit verbunden, das immer wieder mit den Entwicklungen vor Ort abzugleichen.

ZUSATZFRAGE: Solange Sie an der Aktualisierung des Asyllagebericht arbeiten, gilt der aktuelle ja noch, und in dem ist immer noch von sicheren Regionen in Afghanistan die Rede. Darum stelle ich die Frage: Können Sie uns eine nennen?

BURGER: Ich kann mich nicht erinnern, dass wir hier über Zitate aus dem Asyllagebericht gesprochen hätten. Es ist umgekehrt so, dass diese Berichte als Verschlusssache eingestuft sind, weil sie als möglichst unabhängige Informationsquelle den betreffenden Behörden zur Verfügung gestellt werden. Deswegen ist die Regel eben, dass wir hier in der Regierungspressekonferenz über einzelne Inhalte dieser Asyllageberichte keine Auskunft geben können. Deswegen würde es mich auch wundern, wenn wir hier in der Vergangenheit entsprechende Begriffe zitiert hätten.

ALTER: Das Refoulement-Verbot ist natürlich bekannt. Das ist ein ganz wichtiges Prinzip in der Migrationspolitik. Wenn jemand zum Beispiel an der Schengen-Außengrenzen einen Asylantrag stellt, kommt es zur Anwendung. Dann darf er nicht in einen Staat zurückgewiesen werden, aus dem er flieht. Es gilt natürlich auch zu berücksichtigen, wenn Personen abgeschoben werden sollen.

Genau deswegen gibt es ja zwei wesentliche Dinge, die für eine Abschiebungsentscheidung erheblich sind, nämlich einerseits die Gesamtlage in dem Land und andererseits die individuelle Prüfung, ob eine Person, wenn sie abgeschoben werden würde, in dem Zielland einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung, Folter oder Ähnlichem unterläge. Erst dann, wenn diese beiden Fragen klar mit Nein beantwortet werden können, findet die Abschiebung auch statt.

Ehemalige afghanische Ortskräfte der Bundeswehr

FRAGE: Herr Seibert, die Taliban rücken jetzt auch in Richtung auf Masar-e Scharif vor. Wann macht die Bundesregierung ihr Versprechen wahr und findet pragmatische Lösungen, um afghanische Ortskräfte der Bundeswehr nach Deutschland zu holen?

SEIBERT (BReg): Ich denke, dass hier in den Regierungspressekonferenzen der letzten Tage und Wochen sehr deutlich geworden ist, dass sich die Bundesregierung mit ganzer Kraft für gute Lösungen für die Ortskräfte, die uns während unseres Afghanistaneinsatzes so geholfen haben, einsetzt. Innerhalb der Bundesregierung gibt es fortlaufende und intensive Bemühungen um die weitere Vorgehensweise in der aktuellen Situation. Am besten könnte ich nun an die Kollegen aus den entsprechenden Ressorts abgeben.

HELMBOLD (BMVg): Vielen Dank für die Frage. Ich will in dem Zusammenhang noch einmal betonen, wie die Anstrengungen im Moment laufen, um den ehemaligen Ortskräften der Bundeswehr zu helfen. Wie Sie wissen, haben wir den Ortskräften, die für die Bundeswehr gearbeitet haben, bereits im ursprünglichen Verfahren Visadokumente, Ausreisedokumente in sehr großem Umfang ausgehändigt, bevor die Bundeswehr Afghanistan verlassen hat. Das heißt, dass der Großteil dieser Menschen die Ausreisedokumente in der Hand gehabt hat, bevor wir Afghanistan verlassen haben.

Es gab dann natürlich noch Weitere, und dann gab es zusätzlich noch das erweiterte Verfahren, bei dem zusätzlich auch diejenigen Ortskräfte betrachtet werden, die vor 2019, also im Zeitraum von 2013 bis 2019, für die Bundeswehr gearbeitet und damals einen bezogen auf die Gefährdung abschlägigen Bescheid bekommen haben.

Nun ist trotz allem die Ausreise für viele aufgrund der Lage im Moment schwierig geworden. Wir betreiben im Moment ein Callcenter im Einsatzführungskommando, bei dem verschiedenen Teams ‑ sie bestehen immer aus einer Soldatin, einem Soldaten und einem Sprachmittler ‑ versuchen, die Menschen zu erreichen, die für uns gearbeitet haben und die ausreisen können, um sie zu unterstützen und um eben auch festzustellen, wie der Status bei den einzelnen Personen ist. Die Gespräche dazu sind sehr intensiv. Manche gehen sehr schnell, weil die Personen bereits darüber Bescheid wissen, wie das Verfahren ist. Andere haben mehr Fragen, die in die ganze Breite gehen, weil es wirklich die Schwierigkeiten der Schicksale betrifft. Wir merken, dass es sehr, sehr anspruchsvoll ist vor Ort. Aufgrund der sehr schwierigen Gespräche gibt es jetzt auch eine psychologische Unterstützung für diejenigen, die diese Gespräche führen. Unser Ziel ist, dass wir tatsächlich alle erreichen.

Wir sehen ebenfalls, welche Hürden es im Einzelnen noch gibt. Eine der Hürden ist, dass die afghanischen Behörden die erforderlichen Passdokumente im Moment nicht so ausstellen, wie wir es uns wünschen würden, damit es schnell genug geht. Dort entstehen also trotz unserer Möglichkeiten, dass die Ausreise vonstattengehen kann, auch von afghanischer Seite bürokratische Hürden. Dazu gibt es verschiedene Ansätze. Die Verteidigungsministerin hat sich gestern auch dazu geäußert, wie wir damit umgehen wollen. Dazu gab es heute früh eine entsprechende AFP-Meldung.

Das sind die Anstrengungen, die wir in der Vergangenheit unternommen haben; das sind die Anstrengungen, die wir im Moment unternehmen. Ich will noch hinzufügen, dass es auch einzelne Fälle gibt, bei denen Schwierigkeiten bestehen, den Flug zurück nach Deutschland zu bezahlen. Auch in solchen Fällen unterstützt die Bundesregierung, wenn anderweitig eine Ausreise nicht möglich ist.

[…]

FRAGE: Masar-e Scharif steht offenbar kurz vor der Übernahme durch die Taliban. Herr Burger, was bedeutet das für die bislang ja immer noch in Aussicht gestellte Eröffnung des IOM-Büros dort? Ist das jetzt endgültig Vergangenheit?

Was würde das für den Transport ehemaliger Ortskräfte nach Deutschland bedeuten?

BURGER (AA): Ich mache mir Ihre Lageanalyse ausdrücklich nicht zu eigen. Zu der Frage, die Sie ansprechen, habe ich keinen neuen Stand mitzuteilen. Ich meine, dass wir Ihnen in der vergangenen Woche schon mitgeteilt haben, dass die Antragsannahme in Kabul inzwischen möglich und angelaufen ist und dort auch gut angenommen wird und dass dort eine Kontaktaufnahme auch auf elektronischem Weg möglich ist.

ZUSATZ: Die Lageanalyse ist ja nicht meine. Ich zitiere da ja internationale Quellen.

Sehen Sie noch irgendeine Chance dafür, dass das IOM-Büro in Masar-e Scharif seine Arbeit aufnimmt?

BURGER: Ich habe dazu heute keine neuen Informationen.

FRAGE: Herr Helmbold, habe ich es richtig verstanden, dass das Callcenter, das Sie erwähnten und das zur Unterstützung ehemaliger Ortskräfte gedacht ist, aber für Menschen gedacht ist, die bereits deutsche Visa haben und Unterstützung bei der Ausreise bekommen sollen?

Heißt das, dass die Frage der Ortskräfte, die von 2013 bis 2019 für deutsche Truppen gearbeitet haben, weiterhin geprüft wird und es dazu keinen neuen Stand gibt?

HELMBOLD: Die Aufgabe der Callcenter ist es, Kontakt mit denjenigen Ortskräften aufzunehmen, die eine Ausreise bekommen können, um sie zu unterstützen, um sie zu finden, sie darauf hinzuweisen und ‑ das machen wir aktiv von unserer Seite ‑ ihnen auch die Möglichkeit zu geben, ihre Fragen zu stellen, damit wir ihnen die Möglichkeit geben, sie dabei zu unterstützen, an Ausreisedokumente heranzukommen und wie sie im Weiteren vorgehen. Das wird tatsächlich angenommen.

Auch die Zahlen will ich gern noch einmal aktualisieren. Die Zahlen steigen. Ortskräfte kommen in Deutschland an. Am Montag haben wir Zahlen genannt. Die aktuellen Zahlen sind: Mindestens 353 ehemalige Ortskräfte mit 1433 Familienangehörigen, also insgesamt 1786 Personen, sind in Deutschland eingetroffen. Das sind die Zahlen von gestern. Wir können sie weiter aktualisieren und informieren sie. Wir werden auch weiterhin die zuständigen Ressorts unterstützen, wenn es darum geht, Ausreise-, Visa- oder Passangelegenheiten mit den entsprechenden Ortskräften vor Ort zu kommunizieren, logistisch und mit den Möglichkeiten, die wir haben.

ZUSATZFRAGE: Sind unter den Menschen, die dieses Angebot nutzen können, auch schon Ortskräfte aus der Gruppe derer, die von 2013 bis 2019 für deutsche Kräfte gearbeitet haben, oder noch nicht?

HELMBOLD: Doch, doch! Sie werden angesprochen. Sie sind ja tatsächlich der Kern dieses Anliegens. Denn wie ich es eben gesagt habe: Die Mehrzahl derjenigen, die zu der ersten Gruppe gehören, also zum nicht erweiterten Kreis, hatte ja bereits Anfang Juli ihre Ausreisedokumente. Das bedeutet, dass wir jetzt natürlich vor allem diejenigen erreichen wollen, die wir vorher nicht angesprochen haben, die vorher einen abschlägigen Bescheid bekommen haben, um sie darauf hinzuweisen, dass sie jetzt die Möglichkeit haben, Ausreisedokumente zu bekommen, und um mit ihnen das weitere Verfahren in der jeweiligen Situation zu besprechen.

FRAGE: Herr Seibert, ich glaube, von Ihnen ist der Satz, die Bundesregierung bemühe sich mit ganzer Kraft um die Lösung auch der Ortskräftefrage. Reicht die ganze Kraft nicht aus, um zum Beispiel pragmatische Varianten wie die Organisation von Charterflügen herzustellen?

SEIBERT: Ich stehe zu diesem Satz. Die Bundesregierung bemüht sich mit ganzer Kraft. Ich denke, das, was die Kollegen aus den Ressorts und auch gerade aus dem Verteidigungsressort hier über die Betreuung der Menschen vorgetragen haben, die noch in Afghanistan sind und hierherkommen wollen und sollen, und das, was die Bundesverteidigungsministerin heute zum Visumsverfahren gesagt hat, zeigt, dass das auch wirklich mit ganzer Kraft geschieht.

ZUSATZFRAGE: Würde die Organisation von Charterflügen, wo es sich anbietet und möglich ist, dazugehören?

SEIBERT: Das wird dann lageabhängig zu entscheiden sein.

ALTER: Ich würde gerne noch einen Satz ergänzen, wenn ich darf. Es gibt ja jeden Tag Einreisen von Ortskräfte. Jeden Tag kommen Leute aus Afghanistan, die aus Afghanistan ausgereist sind, auch in Deutschland an. Das heißt also, der Prozess läuft. Es gibt aber auch wichtige Anliegen, die in diesem Gesamtprozess berücksichtigt werden müssen, etwa eine Sicherheitsüberprüfung, die stattfindet, bevor das Visum erteilt wird. Das ist deswegen wichtig, weil wir ja über insgesamt mehrere Tausend Menschen reden. Einen Teil davon kennen wir, aber Familienangehörige, die dazugehören und die auch reisen dürfen, kennen wir nicht unmittelbar. Deswegen ist es für das Bundesinnenministerium von Anfang an wichtig gewesen, dass zumindest das geprüft werden kann, bevor die Reise angetreten wird. Das findet aber natürlich auch mit der größtmöglichen Geschwindigkeit statt.

Es ist nur wichtig, diese Dinge zu berücksichtigen. Es ist nicht damit getan, dass jemand eine Gefährdungsanzeige stellt und dann automatisch sofort einreisen kann, sondern es braucht gewisse Mindeststandards, die ‑ natürlich in der gebotenen Geschwindigkeit ‑ auch eingehalten werden müssen.

ZUSATZFRAGE: Pardon, ist aber nicht die Sicherheitsüberprüfung Sache des Bundesverteidigungsministeriums? Es klang für mich so, als sei das Ihre Aufgabe, aber macht das nicht das Verteidigungsministerium?

ALTER: Nein, das ist im Prinzip ein Teil des Visumsprozesses. Wenn ein Visum erteilt wird ‑ im Übrigen nicht nur für Ortskräfte, sondern für alle afghanischen Staatsangehörigen ‑, dann wird vor der Erteilung natürlich auch geprüft, ob gegen diese Visumserteilung Bedenken bestehen. Das ist, wie gesagt, bei denjenigen, die für uns gearbeitet haben und die wir gut kennen, ein etwas einfacherer Prozess. Aber wir reden immerhin über mehrere Tausend Menschen, die zumindest einer Mindestüberprüfung unterzogen werden.

Im Moment ist es ‑ jedenfalls nach unseren Erkenntnissen ‑ so, dass die Ausreise mit Linienflügen funktioniert. Die Bundesregierung hat ja deutlich gemacht, dass, wenn das nicht gelingt, die Option, Charterflüge zu organisieren, durchaus angedacht ist.

HELMBOLD: Ich möchte das noch ergänzen: Nein, die Sicherheitsüberprüfung ist nicht Aufgabe des Verteidigungsministeriums. Unsere Aufgabe im Prozess ist es, festzustellen, ob jemand eine Ortskraft war und ob die Gefährdung vorlag.

[…]

Gespräche zwischen Vertretern der afghanischen Regierung und der Taliban

FRAGE: An das Auswärtige Amt: Gibt es trotz den Vorgängen in Afghanistan Lichtblicke in Gesprächen zwischen der afghanischen Regierung und den Taliban unter anderem in Doha, die ja auch unter deutscher Vermittlung stehen?

BURGER (AA): Ich kann Ihnen dazu sagen, dass der Sonderbeauftragte der Bundesregierung für Afghanistan und Pakistan die Bemühungen fortsetzt. Er hat dazu in Doha bereits Gespräche mit beiden Verhandlungsteams geführt, sowohl dem der Republik Afghanistan als auch dem der Taliban. Diese Bemühungen halten wir nach wie vor für sinnvoll. Aus unserer Sicht sind Verhandlungen nach wie vor der einzige Weg zu einer politischen Lösung. Wir haben auch immer unterstrichen, dass eine verhandelte Lösung die Voraussetzung für die Fortsetzung der internationalen Unterstützung Afghanistans ist.

[…]

ZUSATZFRAGE: An das Auswärtige Amt: Droht aus Ihrer Sicht Kabul auch zu fallen? Wenn ja, wann?

BURGER: Ich werde hier keine Spekulationen zur Entwicklung der militärischen Lage abgeben. Sie sehen, dass sich diese Lage sehr schnell weiterentwickelt. Wir haben in den letzten Wochen eine sehr spürbare Verschlechterung der Sicherheitslage feststellen müssen. Wir beobachten das, und wir gleichen unsere Erkenntnisse dazu natürlich mit denen unserer Partner ab. Ich werde hier aber keine Prognosen im Sinne Ihrer Fragestellung abgeben.

Auslieferungsverfahren gegen Julian Assange

FRAGE: Gibt es neben dem Vertrauen in das britische Rechtssystem eine grundsätzliche Haltung der Bundesregierung zum weiteren Schicksal des gesundheitlich gefährdeten politischen Häftlings Assange, zur Frage seiner Auslieferung an die USA bzw. zum weiteren, anders gearteten Umgang mit ihm?

BURGER (AA): Ich kann zu diesem Fall nur noch einmal wiederholen, was wir hier bereits vielfach ausgeführt haben: Die Bundesregierung sieht das große öffentliche Interesse am Auslieferungsverfahren gegen Julian Assange im Vereinigten Königreich. Entsprechend verfolgt die Bundesregierung wichtige Entwicklungen und Äußerungen hierzu auch aufmerksam. Nach der erstinstanzlichen Ablehnung der Auslieferung von Assange in die USA wird die Bundesregierung wie bisher auch die weiteren Verfahrensschritte verfolgen. Die Zuständigkeit für das Verfahren liegt jedoch bei der britischen Justiz. Das Auswärtige Amt kann Julian Assange als australischen Staatsbürger nicht konsularisch betreuen. Über die Haftbedingungen und den Gesundheitszustand von Herrn Assange haben wir deshalb als Auswärtiges Amt auch keine eigenen Erkenntnisse. Im Übrigen werde ich dem Prozessverlauf in Großbritannien von hier aus nicht weiter kommentieren.

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