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Erklärungen des Auswärtigen Amts in der Regierungs­­pressekonferenz vom 09.08.2021

09.08.2021 - Artikel

Lage in Belarus

DEMMER (BReg): Ich möchte heute gern aktiv auf den bedauerlichen Jahrestag hinweisen. Seit der Präsidentschaftswahl am 9. August 2020, die weder frei noch fair war, leidet die Bevölkerung von Belarus mehr als zuvor unter den vom Lukaschenka-Regime ausgeübten massiven Repressionen. Inhaftierungen, Entführungen, Folter und Angst sind an der Tagesordnung. Dies sind die Instrumente, mit denen sich das Lukaschenka-Regime an der Macht hält.

Die Bundesregierung steht weiter fest an der Seite des belarussischen Volkes in seinem unerschütterlichen Streben nach Demokratie, Freiheit und politischer Selbstbestimmung. Dies hat auch Außenminister Maas in einer Erklärung unterstrichen. Den mutigen Belarussinnen und Belarussen, die als Angehörige der Opposition gegen alle Widerstände weiterhin unbeirrbar für eine demokratische Transition in Belarus eintreten, gelten unsere Solidarität, unsere Bewunderung und unser tiefer Respekt.

Unsere Forderungen an das Regime haben nichts von ihrer Aktualität eingebüßt. Es geht um ein sofortiges Ende der Repression, offenen Dialog mit der belarussischen Gesellschaft und faire und freie Neuwahlen. Entlang dieser Forderungen werden wir uns weiterhin mit ganzer Kraft für die Belange des belarussischen Volkes einsetzen. Das Schicksal der Menschen in Belarus darf und wird nicht in Vergessenheit geraten.

[…]

FRAGE: Die Kritiker sagen ja immer, man rede viel über Belarus, aber man mache nichts Konkretes. Dort sind viele Menschen, Politiker unschuldig im Gefängnis.

Was konkret haben Sie an Wirtschaftssanktionen noch in petto, da die bisherigen ja nicht wirken?

DEMMER: Wir stehen zu der Lage in dem Land nicht nur in ständigem intensivem Austausch mit den Belarussinnen und Belarussen, sondern auch mit unseren Partnern in der Europäischen Union. Das betrifft natürlich auch die Frage, wie legitime Anliegen der Demokratiebewegung am besten unterstützt werden können.

ADEBAHR (AA): Ich kann dazu noch ergänzen. Sie haben am Wochenende vielleicht auch das Statement der EU gehört. Belarus wird auf der Tagesordnung der EU bleiben. Im Juni wurden die Sanktionen gegen Belarus ja nochmals erheblich verschärft. Das weitere Vorgehen der Europäischen Union wird davon abhängen, wie das Verhalten der Behörden in Minsk und des Regimes sein wird. Sie haben Herrn Borrell gehört. Natürlich besteht die Möglichkeit, über weitere Sanktionen nachzudenken, je nachdem, wie sich das weiterentwickelt. Die EU fährt dabei einen schrittweisen Ansatz.

Zur Unterstützung der Zivilgesellschaft in Belarus gibt es einen Aktionsplan Zivilgesellschaft der Bundesregierung, der bereits über 20 Projektanträge zur Förderung von Demokratiebewegung und einzelnen zivilgesellschaftlichen Akteuren und Akteurinnen positiv beschieden hat. Wir befinden uns in der Bearbeitung weiterer Anträge, um dort konkret zu unterstützen.

Sie können sich natürlich vorstellen, dass die Durchführung von Projekten unter Umständen schwierig sein kann und dass wir diejenigen Belarussinnen und Belarussen, die davon profitieren wollen, dadurch nicht in Gefahr bringen wollen. Insofern sollte man das auch nur zum Teil in aller Öffentlichkeit besprechen. Aber zum Beispiel gehört zu dem Aktionsplan die Dokumentation schwerer Menschenrechtsverletzungen in Belarus durch eine internationale Unterstützungsplattform, die Unterstützung für Studierende, Promovierende und Forschende zur Fortsetzung und zum Aufbau neuer Stipendienprogramme, die Förderung unabhängiger Medien im Rahmen von Projekten, die Behandlung traumatisierter Folteropfer und die erleichterte Einreise für politisch Verfolgte unter anderem durch die Ausstellung besonderer Visa.

All das ist dem Auswärtigen Amt und der Bundesregierung ein wichtiges Anliegen, um diese Demokratiebewegung in Belarus zu unterstützen.

Lage in Afghanistan

FRAGE: Ist aus Sicht der Bundesregierung irgendeine Form der militärischen Unterstützung für die afghanische Armee, wie von Norbert Röttgen ins Gespräch gebracht, denkbar?

Gibt es irgendein Anzeichen, dass sich die militärisch auf der Siegerstraße wähnenden Taliban auf Verhandlungen einlassen oder auf diplomatischen Druck reagieren?

ADEBAHR (AA): Wir wollen, dass die Gespräche in Doha fortgesetzt werden. Wir haben auch wiederholt und immer wieder deutlich gemacht, dass eine militärisch erzwungene Verschiebung der Machtverhältnisse von uns nicht akzeptiert werden wird. Ein nachhaltiger und friedlicher Weg für Afghanistan führt über den Verhandlungstisch. Deshalb drängen wir mit allen diplomatischen Mitteln, die wir haben, darauf, dass die Gespräche in Doha auch mit den dortigen Talibanvertretern weitergehen, dass sie konstruktiv sind, dass die Taliban sich dort zu einem Waffenstillstand bekennen und dass sie in ernsthafte Gespräche einsteigen, die zu einer politischen Lösung für Afghanistan führen.

Zu Forderungen aus dem politischen Raum nehmen wir hier ja grundsätzlich nicht Stellung.

Ich kann Ihnen aber, was das Auswärtige Amt betrifft, mitteilen, dass wir eine Ad-hoc-Aktualisierung des Lageberichtes vorbereiten. Jetzt werden Sie fragen: Haben Sie einen Termin? ‑ Nein, ich habe Ihnen heute keinen Termin zu verkünden. Ich kann Ihnen aber sagen, dass wir jetzt an einer Aktualisierung dieses Lageberichtes arbeiten.

FRAGE: Das Patenschaftsnetzwerk afghanischer Ortskräfte hat am Wochenende eine Übersicht verbreitet, wonach rund 4000 afghanische Ortskräfte aufgrund politischer Vorgaben nicht antragsberechtigt seien, das Land zu verlassen.

Welche politischen Vorgaben können hier gemeint sein?

Gehört auch die Gruppe der Vergessenen 26, wie sie auf Facebook zu finden ist, die aus einem Bundeswehrmedienprojekt stammen, zu diesen Personen, die nicht einreisen dürfen? Es gibt Hinweise, dass von diesen 26 vor Ort eine Kündigung erfolgt ist und sie nicht ausreisen durften und bislang auch keine Visa bekommen haben.

ADEBAHR: Vielleicht gibt uns der Kollege vom BMVg die aktuellen Zahlen und noch einmal die Eckdaten zum Ortskräfteprogramm. Mir ist die konkrete Äußerung, die Sie zitiert haben, heute nicht bekannt.

COLLATZ (BMVg): Sehr gern. Wir haben gerade eine Aktualisierung bekommen, die ich mir heraussuche.

Um erst einmal auf die Gesamtlage einzugehen: Die grundsätzliche Regelung für das Ortskräfteverfahren ist allen bekannt. Das haben wir hier häufig genug besprochen. Die aktuellen Zahlen sehen so aus, dass wir derzeit 526 Ortskräfte aus der Gruppe haben, die in der letzten Zweijahresfrist, die ja gültig ist, unter Vertrag mit dem Ressort Bundeswehr und BMVg standen, die also in den letzten zwei Jahren einen gültigen Vertrag hatten. Von diesen haben 491 mit 1991 Familienangehörigen eine Aufnahmezusage erhalten. Ganz aktuell sind mindestens 177 davon mit 728 Familienangehörigen bereits in Deutschland eingetroffen, also insgesamt 905 Personen.

Was weitere Kräfte angeht, bemühen wir uns, weiterhin zu unterstützen. Wenn es dazu kommt, dass der Ausflug aus Afghanistan für Ausreisewillige aus diesem Kreis auf Schwierigkeiten stößt, sind wir in der Lage, mit Kräften vor Ort von Nichtregierungsorganisationen die Vermittlung von Flugtickets zu organisieren. Diese bezahlen wir dann auch. Wenn diese ehemaligen Ortskräfte hier in Deutschland ankommen, sorgen wir auch dafür, dass die Amtshilfe, die notwendig ist, um sie hier in Deutschland zu verteilen, auf unserer Seite geleistet werden kann.

Zu Ihrer Frage bezüglich des Bawar Media Centers: Das ist ein ziviles afghanisches Medienhaus in Masar-e Scharif, das vom deutschen Verteidigungsministerium finanziert und von deutschen Soldatinnen und Soldaten während einiger Zeit beraten, ausgebildet und unterstützt wurde. Bis Ende 2016 waren alle Mitarbeiter des BMC angestellte Ortskräfte des deutschen Einsatzkontingents, danach eben nicht mehr, sondern es waren mittelbar Beschäftigte. Sie hatten kein direktes Arbeitsverhältnis und fallen dementsprechend nicht unter die Zweijahresfrist.

Wir haben gesagt ‑ das ist auch eine Initiative der Ministerin gewesen ‑, dass das Verfahren erweitert wird und wir bis auf das Jahr 2013 zurückschauen und dass alle, die seit dieser Zeit eine Gefährdungsanzeige gestellt haben, die damals abschlägig beurteilt wurde, die Gelegenheit erhalten, ihre Gefährdungsanzeige noch einmal nach dem derzeitigen Verfahren zu stellen. Darunter fallen aber nur Kräfte, die jeweils einen direkten Vertrag mit dem deutschen Staat hatten. Inwieweit das beim BMC im Einzelfall geklärt ist, kann ich Ihnen hier aber nicht sagen.

ZUSATZFRAGE: Das beantwortet noch nicht die Frage nach den politischen Vorgaben, nach denen afghanische Ortskräfte das Land nicht verlassen durften. Die Grafik des Patenschaftsnetzwerkes ist sehr aussagekräftig und hinterlässt den Eindruck, dass rund 4000 berechtigt seien und einen Antrag stellen könnten und weitere 4000 keinen Antrag stellen dürften. Können Sie das Verhältnis in etwa bestätigen, oder wie viele Anträge wurden in den letzten Jahren abgelehnt, weil man gesagt hat, die Gefährdung sei nicht nachgewiesen?

COLLATZ: Nein, zu der Datenlage und den Quellen des Netzwerks kann ich hier nichts sagen.

FRAGE: Ich habe eine Frage an das Verteidigungsministerium, anknüpfend an die Frage meines Kollegen. Ist es denkbar, dass die Bundeswehr erneut auch in Afghanistan eingesetzt werden muss oder wird?

COLLATZ: Sie kennen die Bedingungen für den Einsatz militärischer Gewalt im Ausland. Das ist ein sehr streng kontrolliertes Verfahren. Wir bräuchten dazu politische Ziele. Wir bräuchten ein Mandat, wenn wir erneut hineingehen wollten, und natürlich auch politische Mehrheiten. Ich denke, es ist für uns alle festzustellen, dass diese im Moment nicht erkennbar sind. Deswegen gehe ich nicht davon aus, dass wir schon einen guten Monat nach dem Abzug der deutschen Kräfte darüber nachdenken sollten, dort wieder in einen Kampfeinsatz hineinzugehen.

ZUSATZFRAGE: Die Bundeswehr war unter anderem in Kundus eingesetzt. Kundus ist jetzt von den Taliban eingenommen worden. Sie, Frau Adebahr, haben gerade noch einmal ausgeführt, dass Sie auf Verhandlungen hoffen. Es wirkt aber so, als würden die Taliban gerade vor allem mit militärischer Gewalt Tatsachen schaffen.

Wie bewerten Sie die aktuelle Situation?

COLLATZ: Wenn ich da einsteigen soll: Kundus ist ein sehr symbolträchtiger Ort für die Bundeswehr. Wir haben dort viele Verluste erlitten, haben aber auch viele Fortschritte mit unserem Einsatz vor Ort in die Wege leiten können.

Der Einsatz in Kundus ist ein Einsatz, bei dem gerade die ressortübergreifende Wirkung deutlich wird. Unser PRT vor Ort, also das Provincial Reconstruction Team, war über weite Strecken zivil geführt. Wir haben uns gerade an diesem Ort darum bemüht, durch militärische Leistungen dafür zu sorgen, dass zeitlich und räumlich begrenzt zivile Entwicklung möglich wird. Was dieses Zusammenwirken der ressortübergreifenden internationalen Kräfte angeht, starten wir einen Bilanzprozess.

Ich möchte daran erinnern ‑ wir haben am 2. August eine Pressemitteilung dazu herausgegeben ‑, dass wir am 25. August unseren Beitrag zu diesem Bilanzprozess leisten wollen. Ich glaube, dieses Urteil wird erst nach einem sehr langen Bilanzprozess zu ziehen sein, der uns bestimmt noch die nächsten Monate begleiten wird.

ZUSATZFRAGE: Faktisch ist Kundus aber jetzt wieder von den Taliban eingenommen, oder?

COLLATZ: Auch das ist sicherlich mit Emotionalität zu betrachten, ist aber nicht neu. Wir sind, seitdem wir in Kundus nicht mehr permanent militärisch vor Ort waren ‑ das ist ja im Grunde seit 2013 der Fall ‑, immer wieder Zeugen davon geworden, dass es den Taliban auch in der Zeit, als wir noch international militärisch in Afghanistan engagiert waren, gelungen ist, nach Kundus einzudringen. Auch jetzt ist es ‑ so liest man es ja in den Berichten ‑ zunächst eine teilweise Übernahme. Es ist aber eine umkämpfte Stadt, die aufgrund ihrer strategischen Lage sicherlich für alle von Bedeutung ist und auch für die Bundeswehr von emotionaler Bedeutung ist. Aber wir müssen dort in einem ressortübergreifenden Bilanzverfahren die richtigen Lehren für zukünftige Einsätze und zukünftiges Engagement im Rahmen der Stabilisierung ziehen.

ADEBAHR: Wenn ich noch anfügen darf: Die Geschehnisse vom Wochenende ‑ und auch das, was sich gerade in Kundus abspielt ‑, führen ja nicht am Montagmorgen dazu, dass wir unsere Prämisse ändern. Die Prämisse ist, dass nur eine politische Verhandlungslösung dort nachhaltigen Frieden bringen kann. Dass das schwierig ist und dass das stockt, haben wir in den letzten Wochen gesehen. Genauso richtig bleibt aber, dass wir mit Waffengewalt erzwungene Machtverhältnisse dort nicht anerkennen können, sondern dass wir eine politische Lösung brauchen. Deshalb werden wir noch einmal den Push, die diplomatische Initiative, verstärken, um in Doha voranzukommen und dazu natürlich auch mit unseren Partnern sprechen, um dort zu versuchen, in ernsthafte Gespräche einzusteigen.

COLLATZ: Ich habe eine kleine Korrektur zu machen. Ich habe eben die falschen Zahlen genannt. Mit Stand 6. August waren 333 ehemalige Ortskräfte mit 1342 Angehörigen in Deutschland angekommen, also insgesamt 1675.

FRAGE: Warum besteht die Bundesregierung weiter darauf, dass afghanische Ortskräfte ihre ‑ in Anführungsstrichen ‑ Ausreise eigenverantwortlich organisieren müssen? Wäre es nicht angemessen, wenn sie von der Bundeswehr ausgeflogen würden?

FRAGE: Welche Kriterien gelten für die Visaberechtigung bezüglich Arbeitsdauer und Subverträgen? Gelten unterschiedliche Kriterien für Ortskräfte von Bundeswehr, Auswärtigem Amt und BMZ? Wenn ja, warum?

COLLATZ: Was die Ausflüge angeht, kann ich vielleicht noch ein Faktum beitragen, das bisher nicht erwähnt worden ist. Afghanen, die ausreisen wollen, brauchen auch vom afghanischen Staat Passpapiere. Die Behörden lassen ohne diese Papiere eine Ausreise nicht zu. Es gibt dort im Moment offensichtlich einen Engpass. Die afghanischen Behörden schaffen es nicht, diese Passpapiere in der nötigen Geschwindigkeit auszuteilen. Bis also eine größere Anzahl an Menschen sofort an einem Flugzeug erscheinen kann, um dieses zu besetzen und auszufliegen, ist das nicht sinnvoll. Sie gehen bis dahin auf jeden Fall mit der Ermöglichung von Ausflügen über die regulären Linienflüge, die ja immer noch bestehen, dem Bedarf nach.

Ich kann es hier wiederholen: Für diejenigen, die für die Bundeswehr unter Vertrag standen, machen wir das möglich und haben auch schon Partner vor Ort gefunden, die für die Ausreisewilligen die Linienflüge organisieren, sofern sie von den afghanischen Behörden die Passpapiere haben und überhaupt ausreisen können. Das ist tatsächlich noch ein kleiner, begrenzender Faktor.

ADEBAHR: Was die weitere Frage von Herrn Remme angeht ‑ ich weiß nicht, ob Herr Alter ergänzen will ‑: Das Verfahren steht allen Ortskräften offen, die in verschiedenen Zeitlinien in einem Beschäftigungsverhältnis mit deutschen Ressorts standen oder stehen. Das betrifft also das BMI und auch das AA.

FELDHOFF: Gibt es Unterschiede zwischen den einzelnen Ministerien? Das war ja die Frage von Herrn Remme.

ADEBAHR: Für das BMVg und das BMI ist die Zeitspanne erweitert worden. Bei den anderen Ressorts sind das zwei Jahre. Aber sonst keine Unterschiede, oder, Herr Alter? Korrigieren Sie mich.

ALTER (BMI): Soweit ich weiß, gibt es keine Unterschiede. Ich habe die Frage so verstanden, ob es unterschiedliche Berechtigungen für die Betroffenen gibt, wenn sie die Visa erteilt bekommen haben.

Es ist ja so, dass die Antragsberechtigten oder diejenigen, die über die erforderlichen Dokumente verfügen, Visa erteilt bekommen, die für einen Zeitraum von sechs Monaten gültig sind. In diesem Zeitraum können die Ortskräfte dann selbstständig den Zeitpunkt der Ausreise festlegen. Bisher erfolgt das, wie mein Kollege gesagt hat, über Linienflüge.

Ich will daran erinnern ‑ es wird ja immer so getan, dass es, wenn die Bundesregierung die Kosten nicht übernimmt, nicht möglich sei, dass man ausreist ‑, dass seit 2013 insgesamt 4800 Personen nach Deutschland eingereist sind. Das heißt also, es ist nicht eine Sache der Unmöglichkeit. Nichtsdestotrotz stehen wir aber mit den Einreiseberechtigten in Kontakt. Wenn es Schwierigkeiten gibt, Tickets zu beschaffen, bekommen sie auch die entsprechende Unterstützung.

ZUSATZFRAGE: Herr Collatz, bitte reichen Sie das Zahlenwerk für die Ausreisenden schriftlich nach, sodass genau klar ist, auf welche Zahlen wir uns jetzt beziehen.

COLLATZ: In Ergänzung dessen, was ich bereits in vorherigen Pressekonferenzen gesagt habe, ist der aktuelle Stand: 333 ehemalige Ortskräfte sind mit 1342 Angehörigen einreiseberechtigt. Insgesamt sind schon 1675 in Deutschland eingetroffen.

FRAGE: Eine Frage an das Verteidigungsministerium. Fühlt sich die Ministerin mitverantwortlich dafür, dass die Taliban das Land überrennen? Wird Afghanistan wieder zur Terrorzentrale?

COLLATZ: Der Abzug aus Afghanistan ist international abgestimmt. Sie wissen ja, dass die Bundeswehr alleine vor Ort nicht handlungsfähig ist. Das ist ein Einsatz, der gemeinsam begonnen hat. Wir sind dort gemeinsam reingegangen, haben ihn gemeinsam gestaltet und immer wieder neu formiert, um nach besten Möglichkeiten die Ziele, die vorgegeben wurden, politisch zu erreichen. Jetzt ist es so, dass der Abzug aus Afghanistan gemeinsam beschlossen wurde. Damit stellt sich die Frage nach einer singulären Verantwortung nicht.

ZUSATZFRAGE: Wird Afghanistan wieder zur neuen Terrorzentrale?

COLLATZ: Als Bundeswehr sind wir jetzt raus aus Afghanistan und können hier nur noch bedingt zur Lagesituation vor Ort Stellung nehmen. Sicherlich kann ich daran erinnern, dass wir auch militärisch nach Afghanistan gegangen sind, um zu verhindern, dass Afghanistan weltweit zu einem Hort des Terrorismus wird. Da waren wir am Anfang erfolgreich.

FRAGE: Das Stichwort „zivile Entwicklung“ ist schon gefallen. Ich wüsste gerne, ob durch das Vordringen der Taliban mit deutscher Hilfe unterstützte oder geförderte Entwicklungsprojekte gefährdet sind.

Vielleicht ergänzend: Hat das Vordringen Auswirkungen auf die deutschen Hilfszahlungen für Afghanistan?

ADEBAHR: Das ist eine Frage, die sich hauptsächlich an das BMZ richtet, das nicht da ist. Vielleicht kann das von dort beantwortet werden, wo die BMZ-Projekte zum großen Teil verantwortet werden.

Ich habe ja politisch gesagt, dass wir militärisch erzwungene Machverhältnisse nicht akzeptieren. Natürlich ist die Hilfe für ein friedliches demokratisches Afghanistan und für eine Zukunft auch in gewisser Weise davon abhängig, wie sich das Land weiter entwickelt. Das ist, glaube ich, klar.

FRAGE: Kürzlich wurde darüber berichtet, dass auch Verhandlungen mit den Taliban stattgefunden hätten, die Ortskräfte entsprechend zu schützen. Vor dem Hintergrund ist es schwer verständlich, dass die genaue Zahl der nicht Antragsberechtigten Ortskräfte hier im BMVg oder im AA nicht so ganz bekannt ist. Es muss ja eine relevant große Gruppe geben, dass man dort überhaupt mit den Taliban in Verhandlungen tritt.

ADEBAHR: Wenn ich zu den Gesprächen in Doha etwas sagen kann: Das sind Gespräche über die politische Zukunft des Landes. Die zielen darauf ab ‑ das ist auch der Inhalt der Gespräche, die von Herrn Wieck, dem Sonderbeauftragten der Bundesregierung, geführt wurden ‑, eine politische Lösung für das Land zu finden. Ich habe verschiedentlich von „Geheimgesprächen“ oder Ähnlichem gelesen. Das trifft alles nicht zu. Insofern war der große Fokus der, den ich gerade genannt habe. Das Ortskräfteverfahren läuft ja, und es gibt weiterhin Antragsteller. Ich weiß nicht, ob Sie ergänzen wollen, Herr Collatz.

COLLATZ: Ergänzend: Uns sind keine Anträge bekannt. Es gibt keine weiteren Ortskräfte, die nach unserer Kenntnis bisher in diesem Verfahren nicht berücksichtigt werden.

ZUSATZFRAGE: Der Vorsitzende des Patenschaftsnetzwerkes, Herr Grotian, ist immer noch in Diensten der Bundeswehr. Ist das korrekt, Herr Collatz?

COLLATZ: Das nehme ich an. Ich müsste das aber überprüfen.

Noch einmal: Nach den derzeitig geltenden Kriterien, die wir ressortübergreifend abgestimmt haben, handelt es sich um Angestellte von Subunternehmen, die von dem Ortskräfteverfahren ausgeschlossen sind.

FRAGE: Ich habe wegen der schon angesprochenen, sich rasant verändernden Sicherheitslage eine Frage zur Abschiebepraxis an Herrn Alter bzw. das Bundesinnenministerium. Anfang August war ein Abschiebeflug wegen eines Bombenanschlags in Kabul abgesagt worden. Vergangene Woche hieß es dann, der solle zeitnah nachgeholt werden. Könnten Sie uns wissen lassen, ob und wann der nachgeholt werden soll und vielleicht auch, ob sich generell an der Abschiebepraxis angesichts dieser Veränderungen etwas ändern soll?

ALTER: Die Abschiebungen nach Afghanistan erfolgen immer auf der Grundlage einer Lageeinschätzung, die möglichst aktuell sein muss, und auf der Basis einer individuellen Einschätzung, ob die betroffene Person, die abgeschoben werden soll, in Afghanistan einer individuellen Gefährdung unterliegt.

In der vergangenen Woche sollten sechs Personen abgeschoben werden. Dieser Flug wurde kurzzeitig abgesagt, weil sich für uns eine aktuell unklare Lageentwicklung in Kabul ergab. Deswegen ist dieser Flug vorsorglich nicht durchgeführt worden. Im Moment finden Gespräche dazu statt, wann man ihn nachholen kann. Es gibt aber keinen Termin. Abgesehen davon, würden wir zu geplanten Abschiebungen ohnehin nicht öffentlich Stellung nehmen wollen.

ZUSATZFRAGE: Wenn Sie gestatten, noch die Nachfrage: Es ist ja von Frau Adebahr angesprochen worden, dass sich die Sicherheitsanalyse verändern könnte. Werden Sie dann auch über eine Veränderung der Abschiebepraxis nachdenken?

ALTER: Diese Frage ist von den Ergebnissen der Analyse abhängig. Wenn eine Aktualisierung der Lageeinschätzung vorliegt, muss man die künftigen Abschiebungen anhand dieser Lageeinschätzung messen. Das kann aber erst geschehen, wenn die Analyse vorliegt.

FRAGE: Hält die Bundesregierung es eigentlich zurzeit für verantwortbar, dass weitere Abschiebungen nach Afghanistan in diese unsichere Lage geplant sind bzw. durchgeführt werden?

ALTER: Ich kann nur noch einmal wiederholen: Es wird von verschiedenen Seiten immer gesagt, die Lage sei unsicher. Wir beziehen uns aber bei der Einschätzung, was Abschiebungen angeht, nicht auf Medienberichte, sondern auf die behördliche Einschätzung der Situation vor Ort. Die wird uns vom Auswärtigen Amt vorgelegt. Das Auswärtige Amt hat am Wochenende ja schon angekündigt, dass dieser Bericht aktualisiert werden soll. Für uns ist für die Abschiebepraxis wichtig und notwendig, dass wir möglichst aktuelle Informationen haben. Wenn diese Ergebnisse vorliegen, kann man auch über weitere Schritte entscheiden.

FRAGE: Wann wird das zugesagte Ortskräftebüro vor Ort eingerichtet, damit die Menschen eine Anlaufstelle haben?

ADEBAHR: Das Büro in Kabul arbeitet seit dem 2. August.

FRAGE: Herr Alter, da muss ich jetzt aber nachhaken. Das Auswärtige Amt hat am Wochenende bereits bekanntgegeben, dass die Lageeinschätzung auf der Situation vom Mai beruht. Sie sagen, Sie bleiben bei dieser Lageeinschätzung vom Mai selbst dann, wenn in allen Medien über den Vormarsch der Taliban berichtet wird, selbst wenn auf allen verfügbaren Social-Media-Kanälen gerade aus dem Land Kämpfe gezeigt werden und quasi dieses Land brennt. Wäre es nicht eine humanistische, eine menschliche Verantwortung, zu sagen „Wir haben jetzt gerade eine unklare Lage, die sich möglicherweise komplett verändert hat, und setzen dann Abschiebungen aus“?

ALTER: Wenn in einem Land für alle und jeden Folter oder Tod drohen, wird man nicht abschieben. Das ist völlig klar; das wissen Sie. Es gibt ja diesen Fall, dass es einen Abschiebestopp für andere Länder gibt. Für Afghanistan ist es so, dass der letztmalige Bericht bis Mai datiert war. Das heißt, der Bericht, auf den Sie sich beziehen, ist ein Bericht Stand Mai. Aber das Auswärtige Amt hat ja nicht im Mai aufgehört, die Lage zu beurteilen. Wir haben innerhalb der Ressorts eine tägliche Verbindung, und es gibt eine tägliche Abstimmung. Die Lage wird fortlaufend geprüft.

Ich habe es bereits erklärt: Nur wenn es aufgrund der individuellen Situation des Betroffenen und aufgrund der Gesamteinschätzung vertretbar ist, wird auch abgeschoben. Wenn das nicht vertretbar ist, wird auch nicht abgeschoben.

JCPOA-Gespräche in Wien

FRAGE: Macht der deutsche Außenminister eventuell Fortschritte bei den Gesprächen mit dem Iran von der Besetzung des Kabinetts unter dem neuen iranischen Präsidenten Raisi abhängig? Ist Herr Maas noch zuversichtlich?

ADEBAHR (AA): Wir sind nach wie vor davon überzeugt, dass eine Rückkehr in das JCPOA für alle Seiten der beste Schritt ist. Sie haben aber auch den Außenminister gehört. Ich glaube, vergangene Woche hatte er gesagt, das seien eine Option und eine Tür, die natürlich nicht für immer offen stehen. Das heißt, wir sind mit unseren Partnern im E3-Format sehr dafür, sehr, sehr schnell nach Wien zurückzukehren, um da anzuknüpfen, wo man schwierige, aber konstruktive Gespräche vor der iranischen Präsidentschaftswahl gelassen hat. Das wollen wir schnell tun. Wir sehen aber natürlich auch, dass im Iran die Kabinettsbildung noch im Gange ist. Wir hoffen, dass es dann zu einem gegebenen Zeitpunkt schnell nach Wien zurückgehen kann, um weitere Gespräche zu führen. Der Europäische Auswärtige Dienst als Koordinator dieser Gespräche würde einen neuen Termin ankündigen. Das ist bisher noch nicht erfolgt.

FELDHOFF (Vorsitz): Er wollte, glaube ich, wissen, ob die Besetzung des Kabinetts irgendwelche Auswirkungen auf die Gespräche hat, wenn diese Besetzung möglicherweise schwierig ist.

ADEBAHR: Wir sehen, dass im Iran seit der Wahl eben solche Prozesse im Gang sind, und die Kabinettsbesetzung läuft und ist noch nicht abgeschlossen. Es ist auch eine Entscheidung des Iran, wann er, sich in diesen Prozessen befindend, nach Wien zurückkommt. Dass wir und dass die anderen Verhandlungspartner das ganz, ganz schnell machen wollen, habe ich zu sagen versucht.

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