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Erklärungen des Auswärtigen Amts in der Regierungs­­pressekonferenz vom 04.08.2021

04.08.2021 - Artikel

Geplanter Abschiebungsflug von Deutschland nach Afghanistan

FRAGE: Ich habe noch eine Frage ‑ ich glaube, an Herrn Alter ‑, und zwar geht es um den Abschiebeflug, der gestern von München in Richtung Afghanistan über Wien geplant war. Der wurde abgesagt. Warum? Gibt es Pläne, den doch noch zu wiederholen oder ihn überhaupt durchzuführen?

ALTER (BMI): Ja, gestern war ein Abschiebungsflug nach Kabul geplant. Der Flug mit insgesamt sechs ausreisepflichtigen afghanischen Männern und dem Begleitpersonal der Bundespolizei sollte gestern am späteren Abend von Deutschland aus starten. Vor der Abschiebung wird ständig überprüft, ob die Durchführung der Abschiebung sicher und ohne jede Einschränkung erfolgen kann, und vor dem Abflug haben uns Informationen über mehrere Detonationen in der afghanischen Hauptstadt Kabul erreicht. Wir waren nicht in der Lage, bis zum Abflug die Situation so weit aufzuklären, dass die sichere Prognose möglich gewesen wäre, dass die Übernahme der Personen am heutigen Morgen in Kabul reibungslos hätte funktionieren können. Wir wissen heute, dass es sich offenbar um einen gezielten Angriff auf den afghanischen Verteidigungsminister handelte. Diese Angriffe fanden in der Nähe der Botschaft, aber auch in der Nähe des Flughafens in Kabul statt.

Da es bei jeder Abschiebung ‑ egal in welches Land ‑ zu den grundlegenden Voraussetzungen gehört, dass wir vorher prüfen, ob der geplante Ablauf reibungslos funktioniert, sodass keine Gefahr für die Abzuschiebenden, für das Begleitpersonal und auch für die Flugbesatzung entsteht, wurde dieser Flug gestern nicht durchgeführt. Er soll aber zeitnah nachgeholt werden.

Im Übrigen ist es auch ein Gebot der guten Zusammenarbeit mit den afghanischen Behörden, dass wir in einer solchen Situation die Behörden nicht mit einer verschiebbaren Abschiebung belasten.

FRAGE: Herr Alter oder vielleicht auch Frau Adebahr, heißt das, die gestrige Attacke und auch die Eilmaßnahme des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte tragen nicht dazu bei, dass Sie Ihre Einschätzung bezüglich Abschiebungen nach Afghanistan ändern?

ALTER: Nein. Wir wollen den ursprünglich gestern geplanten Flug so zeitnah nachholen, wie es möglich ist. Die Lageeinschätzung hat sich ja nicht grundlegend verändert. Wir müssen ja zur Kenntnis nehmen, dass es in Afghanistan und Kabul immer wieder einmal solche Angriffe auf Regierungsvertreter oder Sicherheitskräfte gibt.

Ich habe es an dieser Stelle mehrfach gesagt und will es wiederholen: Es gibt einerseits die allgemeine Lageeinschätzung, die ständig aktualisiert wird, und es gibt natürlich auch in jedem individuellen Fall die Prüfung, ob die betreffende Person, die abgeschoben werden soll, einer individuellen Gefährdung in Afghanistan unterliegt. Wenn diese beiden Fragen mit Nein beantwortet werden können, dann steht einer Abschiebung nichts entgegen.

Die Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs bezieht sich auf einen Fall in Österreich, der sich nicht auf deutsche Verfahren auswirkt.

FRAGE: Der Bundesaußenminister hat sich Anfang Juli geäußert. Er halte die Abschiebepraxis nach Afghanistan nach wie vor für vertretbar. Wie müsste sich die Sicherheitslage vor Ort verändern oder wie müsste sie aussehen, damit die Bundesregierung Abschiebungen nach Afghanistan für nicht mehr vertretbar halten würde?

ADEBAHR (AA): Wir beobachten die Sicherheitslage in Afghanistan natürlich ganz genau. Das Auswärtige Amt ist an diesem Prozess, den Herr Alter korrekt dargestellt hat, insofern durch die Erstellung eines Asyllageberichts beteiligt. Darin fließen Erkenntnisse über die Sicherheitslage ein. Wir beobachten die Sicherheitslage natürlich täglich und fortlaufend. Dass sich die Sicherheitslage in den letzten Wochen verschlechtert hat, nehmen auch wir zur Kenntnis. Wir werden das weiterhin sehr, sehr genau beobachten. Genau in die Zukunft hineinschauen kann ich an dieser Stelle auch nicht.

FRAGE: Mich würde, daran anknüpfend, noch einmal ganz konkret interessieren, Frau Adebahr: Wird denn aktuell an einer Aktualisierung des Lageberichts gearbeitet?

ADEBAHR: Wir beobachten die Sicherheitslage, wie ich schon gesagt habe, ja täglich und fortlaufend. Es hat in der Vergangenheit ad hoc sogenannte Ad-hoc-Aktualisierungen gegeben. Falls es für diesen Asyllagebericht eine solche geben sollte, dann würden wir Ihnen das mitteilen, wenn sie denn vorgenommen werden würde.

ZUSATZFRAGE: Der Stand ist ja jetzt aus dem Mai. Sind Sie denn der Meinung, dass der Bericht die heutige Lage im Land korrekt wiedergibt, wenn Sie sagen, Sie beobachteten das aktuell?

ADEBAHR: Ich habe dazu in den letzten Regierungspressekonferenzen schon ausgeführt, dass dieser Lagebericht auf der Einschätzung verschiedener Stellen beruht und am 15. Juli vorgelegt wurde. Natürlich sind darin, weil es auch um ganz bestimmte Bevölkerungsgruppen in Afghanistan, um Regionen und Sachverhalte geht, Studien und Erkenntnisse eingeflossen, die schon älter, aber natürlich noch aktuell sind, aber es sind vor der Veröffentlichung am 15. Juli auch ganz, ganz aktuelle Erkenntnisse darin eingeflossen.

Wir können, da das ein eingestuftes Dokument ist, das unter anderem den Behörden als Entscheidungsgrundlage für einen Einzelfall ‑ eine solche Abschiebefrage ist immer eine Einzelfallentscheidung ‑ dient, hier nicht daraus zitieren. Aber das ist das Allgemeine, das ich Ihnen dazu sagen kann.

FRAGE: Mit Bezug auf die gestrige Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte meinten Sie, Herr Alter, das hätte irgendwie nichts mit der deutschen Abschiebung zu tun. Das ist in dem Fall ja nicht richtig, weil der österreichische Asylbewerber in einer gemeinsamen Aktion mit Deutschland nach Afghanistan heute hätte abgeschoben werden sollen. Das hat also sehr wohl etwas damit zu tun. Der Gerichtshof hat ja auch darauf hingewiesen, dass Afghanistan die EU-Staaten Mitte Juli ‑ das war hier auch ein Thema ‑ gebeten hatte, Abschiebungen für drei Monate auszusetzen. Es geht also natürlich nicht nur um den österreichischen Fall, sondern generell um Abschiebungen nach Afghanistan aus der EU. Warum wissen Sie es jetzt besser?

ALTER: Der Europäische Gerichtshof hat in einem Einzelfall entschieden. Dieser Einzelfall geht auf einen Antragsteller zurück, der aus Österreich nach Afghanistan abgeschoben werden sollte. Aus dieser Einzelfallentscheidung kann man keine unmittelbaren Bezüge zu deutschen Verfahren herstellen. Aber selbstverständlich werden die Behörden in Deutschland dieses Urteil auch im Hinblick auf die deutsche Abschiebepraxis auswerten und daraus Schlüsse ziehen. Aber es bleibt dabei, dass es keine allgemeingültige Entscheidung gibt, die für ganz Europa gilt.

ZUSATZFRAGE: Stimmt es, dass es überhaupt gar keine Landeerlaubnis in Kabul gegeben hatte? Das war ja eine Konsequenz der sogenannten Bitte der afghanischen Regierung, keine Abschiebeflüge mehr nach Afghanistan zu schicken. Gab es eine Landeerlaubnis?

ALTER: Der gestrige Flug war mit der afghanischen Regierung abgestimmt und hätte stattfinden können, einschließlich der Landung. Die Entscheidung, das nicht zu tun, war eine Entscheidung des deutschen Innenministeriums.

FRAGE: War geplant, im Flug über Wien andere abzuschiebenden Personen aufzunehmen? Ist es gängige Praxis, dass EU-Länder bei diesen Flügen durch gemeinsame Abschiebungen kooperieren?

ALTER: Es ist keine Besonderheit, dass Abschiebungen im europäischen Verbund stattfinden, häufig auch durch Frontex koordiniert. Das ist mit Bezug auf Afghanistan bei den Abschiebungsflügen, die wir in der Vergangenheit durchgeführt haben, bisher eher nicht der Fall gewesen. Aber es gab Überlegungen im Vorfeld des gestrigen Flugs, das gegebenenfalls mit Österreich zusammenzuführen. Das hat aber dann nicht stattgefunden. Der Flug hätte gestern von Deutschland aus direkt nach Kabul stattgefunden.

FRAGE: Habe ich es richtig verstanden, dass es sich um fünf Männer handelte? Können Sie noch einmal ein paar Einzelheiten zu denen nennen?

ALTER: Es waren sechs ausreisepflichtige afghanische Männer, alle erwachsen, die jeweils aus der Haft zum Flughafen geführt wurden und dementsprechend nach der Verschiebung des Abschiebungsflugs auch wieder in Haft zurückgeführt wurden. Nähere Angaben dazu habe ich jetzt nicht; die müssten bei den Bundesländern erfragt werden.

FRAGE: Können Sie noch einmal etwas erklären, Herr Alter oder auch Frau Demmer? Es gab ja die Bitte von der afghanischen Seite, die Abschiebungen eben bis zum Oktober, glaube ich, auszusetzen. Norwegen, Schweden und Finnland sind dem nachgekommen. Warum kommt die Bundesregierung diesem Wunsch der afghanischen Behörden nicht nach?

ALTER: Zunächst einmal kann ich Ihnen sagen, dass Sie ja auch an dem gestrigen geplanten Flug erkennen, dass wir mit der afghanischen Seite in einem engen Austausch stehen. Losgelöst von Afghanistan ist es so, dass man keine Abschiebung gegen den Willen des Staates durchführen kann, in dem das jeweilige Flugzeug landen soll. Das heißt, Abschiebungen sind darauf angelegt, dass die beiden betroffenen Staaten miteinander kooperieren. Das wäre für den gestrigen Flug der Fall gewesen.

Nach wie vor steht die Bitte der afghanischen Seite im Raum, für drei Monate das Abschiebegeschehen auszusetzen. Wir haben auch von Anfang an gesagt, dass es uns wichtig ist, dass wir da einen Kompromiss finden, weil es für die deutsche Seite wichtig ist, dass Straftäter bzw. Inhaftierte weiterhin abgeschoben werden können.

FRAGE: Frau Adebahr, befindet sich Afghanistan aus Sicht des AA im Kriegszustand bzw. im Bürgerkriegszustand? Unterstützt Minister Maas die Abschiebungen? Steht er hinter ihnen?

ADEBAHR: Minister Maas steht hinter der Beschreibung der Lage und der Haltung der Bundesregierung, wie sie hier zum Ausdruck gekommen ist. Afghanistan befindet sich nach dem Abzug der internationalen Kräfte in einer schwierigen Lage, und wir sehen, dass sich die Sicherheitslage in den letzten Wochen auch verschlechtert hat. Ich würde das nicht mit den Begriffen beschreiben, die Sie verwendet haben, aber, ja, Afghanistan befindet sich in einer schwierigen Sicherheitslage. Die ist volatil ‑ das ist auch nach wie vor so ‑, und sie ist regional nach wie vor unterschiedlich. Wir beobachten als Auswärtiges Amt fortlaufend, wie sich die Lage entwickelt.

ZUSATZFRAGE: Muss sich die Lage erst in einen echten, wirklichen Bürgerkrieg verwandeln, bevor Sie „Keine Abschiebungen mehr“ sagen?

ADEBAHR: Das ist eine Suggestivfrage und keine Frage nach einem außenpolitischen Punk. Es ist eine Meinung, die Sie vertreten oder analysieren können, aber keine Frage, die so zu beantworten ist.

Jahrestag der Explosion im Hafen von Beirut

FRAGE: Frau Adebahr, zum Jahrestag dieser folgenschweren Detonation in Beirut: Gibt es eine Art von Absprache oder Abstimmung zwischen Berlin und Paris darüber, wer dort ‑ ich sage es einmal sehr salopp ‑ die Nase vorne haben soll, um diesem gebeutelten Land wieder auf die Sprünge zu helfen?

Ist es möglicherweise so, weil man heute in der Nachrichtenlage mehr von und über Initiativen aus Frankreich gehört hat, aber durchaus auch gestern schon Herrn Maas zitiert bekam, dass diese deutsche Haltung, die ja an der Regierung im Libanon beteiligte Hisbollah-Bewegung unisono als Terrororganisation zu klassifizieren, ein bisschen Intentionen des AA im Wege steht, diesem Land nicht nur finanziell, sondern auch inhaltlich unter die Arme zu greifen?

ADEBAHR (AA): Das ist eine sehr komplexe, lange Frage gewesen, die auch auf das komplexe Geflecht, wie ich es einmal nenne, der politischen Meinungsbildung und Partizipation der verschiedenen religiösen und säkularen Gruppen im Libanon anspielt. Ich will es einmal kurz so versuchen: Zur Stunde nimmt Bundesaußenminister Minister Maas an einer virtuellen Geberkonferenz für den Libanon unter Leitung Frankreichs teil. Präsident Macron hat, bevor ich hierherkam, dort gesprochen. Der Minister müsste zur Minute dort sprechen. Die Vereinten Nationen sind vor Ort.

Was haben wir in dieser Konferenz bisher gehört? Was wird der Minister sagen? Was haben Sie aus seinem O-Ton von gestern wahrgenommen? Die Lage nach einem Jahr Explosion im Libanon ist unbefriedigend. Die Reformen, die versprochen wurden und dringend nötig sind, sind nicht angegangen worden. Die Lage für die Bevölkerung hat sich massiv verschlechtert, bis hin zu einer wirklichen Nahrungsmittelknappheit.

Die Forderungen danach, jetzt dort endlich zu einer raschen Regierungsbildung zu kommen, sind auch in der Konferenz heute noch einmal sehr, sehr stark zum Ausdruck gekommen. Warum? Weil der Libanon eine handlungsfähige Regierung braucht. Natürlich ist allen bewusst ‑ das ist bei den Franzosen der Fall; das ist bei uns der Fall ‑, dass das ein geschichtlich schwieriges und komplexes Geflecht ist, aus dem sich die libanesische Regierung traditionell zusammensetzt.

Ja, wir rufen den Libanon dazu auf, diesen Stillstand zu durchbrechen und jetzt zu einer Regierung zu kommen. Herr Mikati ist im Moment damit beauftragt, diese Regierung zu bilden. Insofern hoffen und wünschen wir, dass es ihm gelingt, eine solche Regierung zu bilden. Der libanesische Staatspräsident Herr Aoun hat vorhin auf der Konferenz gesprochen und hat a) noch einmal gesagt, dass der Libanon die Vorfälle des letzten Jahres aufklären will ‑ das sind sie immer noch nicht ‑ und hat b) versprochen, alles dafür zu tun, dass jetzt eine Regierung gebildet wird, die diesen Deadlock überwindet.

ZUSATZFRAGE: Wird Deutschland bzw. das AA in Beirut gehört, speziell auch von der Hisbollah, die dort ja nicht ganz unbedeutend beteiligt ist oder wird dort gesagt „Das ist kein guter Berater, der uns ausschließt“?

ADEBAHR: Ich glaube schon, dass wir gehört werden. Wenn Sie den Twitteraccount des deutschen Botschafters dort in den letzten Wochen verfolgen, dann sehen Sie ‑ ‑ ‑

ZURUF: Das konnte ich nicht!

ADEBAHR: Dann empfehle ich das ‑ die sozialen Medien sind ja dieser Tage vielleicht allseits zum Gemeingut geworden ‑, und dann werden Sie sehen, dass es eine größere Diskussion um einen Tweet des deutschen Botschafters gab, der ziemlich explizit zu Reformen aufgefordert hat. Das zeigt uns, das zeigt dem Auswärtigen Amt: Ja, wir werden dort, glaube ich, gehört.

Verurteilung einer Deutsch-Iranerin in Iran

FRAGE: Im Iran ist eine Deutsch-Iranerin wegen ihres Einsatzes für Menschenrechte zu zehn Jahren Haft verurteilt worden. Ist Ihnen dieser Fall bekannt? Wie reagieren Sie auf dieses Urteil?

ADEBAHR (AA): Da bräuchte ich erst einmal einen Namen. Die Haftfälle von deutschen Personen im Iran sind uns grundsätzlich bekannt. Es sind oft Doppelstaatlerinnen oder Doppelstaatler. Vielleicht können Sie den Namen nachreichen, und dann reiche ich gerne eine Antwort nach.

[…]

FRAGE: Frau Adebahr, ich kann den Namen verurteilten Deutsch-Iranerin nachreichen. Es ist Frau Nahid Taghavi.

ADEBAHR: Die Frage war noch einmal?

ZUSATZ: Diese Deutsch-Iranerin wurde wegen ihres Einsatzes für Menschenrechte zu zehn Jahren Haft verurteilt. Ist Ihnen dieser Fall bekannt? Wie reagieren Sie auf dieses Urteil?

ADEBAHR: Uns ist der Fall natürlich bekannt. Wir haben uns für Frau Taghavi immer wieder eingesetzt. Frau Taghavi ist Doppelstaatlerin. Aus iranischer Sicht sind Doppelstaatler iranische Staatsbürger. Deswegen ist es für uns in solchen Fällen oftmals nicht möglich, eine konsularische Betreuung vorzunehmen. Wir haben uns aber so gut wir konnten für Frau Taghavi eingesetzt.

Illegale Grenzübertritte zwischen Belarus und Litauen

FRAGE: Eine Frage an Frau Demmer und/oder Herrn Alter. Es gibt seit Wochen hunderte von illegalen Grenzübertritten zwischen Belarus und Litauen. Wir würden gerne wissen: Wie wird die Bundesregierung auf diese offensichtliche Provokation Lukaschenkos reagieren?

Zweitens. Kann sich die Bundesregierung vorstellen, einen Teil dieser Flüchtlinge aufzunehmen?

DEMMER (BReg): Wir verfolgen die Entwicklungen an der belarussisch-litauischen Grenze sehr genau. Die litauische Regierung hat aufgrund der aktuellen Lage eine sehr schwierige Situation zu bewältigen, bei der sie auf die Unterstützung der europäischen Partner zählen kann. Sie arbeitet intensiv an Lösungen. Klar ist auch, dass Lösungen im Einvernehmen mit europäischem und internationalem Recht stehen müssen.

Es laufen bereits eine Reihe von Gesprächen mit den Herkunftsländern der Flüchtlinge. Es geht darum, wie man gemeinsam diese Form der irregulären Migration besser unterbinden kann. Das ist ein Kurs, den die Bundesregierung unterstützt. Denn Sie wissen, dass die illegale Migration von Belarus nach Litauen ein Problem ist, dass europäisch gelöst werden muss.

Eine entsprechende Anfrage Litauens, ob wir Flüchtlinge aufnehmen, nach der Sie gefragt haben, liegt unseres Wissens nicht vor. Daher stellt sich im Moment die Frage nicht. Aber sobald eine konkrete Anfrage vorliegt, werden die EU und die Mitgliedstaaten diese Anfrage natürlich prüfen.

ADEBAHR (AA): Die Gespräche, die Frau Demmer erwähnt hat, finden namentlich mit der irakischen Regierung statt.

ALTER (BMI): Ich kann vielleicht noch ergänzen, dass sich der Bundesinnenminister in der vergangenen Woche gemeinsam mit seinem österreichischen Amtskollegen Nehammer zu dieser Thematik geäußert hat. In der vergangenen Woche hat Litauen eine Anzahl illegaler Grenzübertritte festgestellt, die in dieser Region dort bislang noch nicht vorkamen. Das ist eine besorgniserregende Entwicklung. Der Bundesinnenminister hat deutlich gemacht, dass eine funktionierende Außengrenze für das Schicksal der Europäischen Union wichtig ist. Deswegen muss Litauen beim Schutz der Außengrenze unterstützt werden. Es gibt auch schon Anträge für eine Unterstützung durch Frontex. Dort beteiligt sich Deutschland und stellt Personal zur Verfügung. Die Unterstützung Litauens muss sich auch auf den Schutz der Außengrenze beziehen und darf sich nicht nur auf diejenigen beziehen, die schon im Land untergebracht sind.

ADEBAHR: Ich verweise gerne noch auf eine EU-Erklärung von gestern, in der das noch einmal ausdrücklich gesagt wurde. Bundesaußenminister Maas hat sich dazu geäußert und hat gesagt: Flüchtlinge als politisches Druckmittel einzusetzen, ist zynisch und menschenverachtend und richtet sich gegen die EU als Ganzes. Deshalb sind wir diesbezüglich auch auf EU-Ebene in Gesprächen.

[…]

FRAGE: Ich habe noch eine Nachfrage zu Litauen. Frau Adebahr, Sie sagten, die Gespräche mit dem Irak dazu fänden statt. Wer führt diese Gespräche? Die Bundesregierung oder die EU-Kommission?

ADEBAHR: Für die EU-Kommission müssten Sie dort nachfragen. Wir haben solche Gespräche über unsere Botschaft und auch in Berlin geführt.

VORS. WOLF: Das heißt, sowohl die EU-Kommission als auch die Bundesregierung?

ADEBAHR: Das weiß ich nicht genau. Das müssten Sie noch einmal nachfragen.

Entsendung der Fregatte „Bayern“

FRAGE: Ich habe eine Frage zur Fregatte „Bayern“. Das Kriegsschiff soll laut Verteidigungsministerin Kramp-Karrenbauer auf der Fahrt nach Asien die deutschen Werte und Interessen repräsentieren. Ist ein deutsches Kriegsschiff aus Sicht der Bundesregierung tatsächlich ein geeignetes Mittel, um deutsche Werte und Interessen zu repräsentieren?

COLLATZ (BMVg): Die Marine präsentiert insofern natürlich auch deutsche Staatlichkeit und deutsches Engagement in dieser Region. Insofern ist es sehr gut geeignet.

ZUSATZFRAGE: Die Bundesregierung hat gegenüber der Volksrepublik einen Besuch der Fregatte angeboten, um im Dialog zu bleiben, wie die Verteidigungsministerin gesagt hat. Wie hat Peking darauf reagiert?

COLLATZ: Die Antwort steht noch aus. Wir sind in ständigen Verhandlungen darüber und erwarten rechtzeitig eine Antwort, bevor die Fregatte die Region verlässt.

ADEBAHR (AA): Ich kann noch anfügen, dass die Entsendung der Fregatte eine Umsetzung der Indopazifik-Leitlinien der Bundesregierung ist, die auch ein sicherheitspolitisches Element hat. Das ist die Unterstützung der regelbasierten freiheitlichen Regeln auf dem Meer und der freien Schifffahrt. Auch in diesem Sinne ist die Fregatte ein sichtbares Zeichen dafür, wie sich Deutschland mit den Indopazifik-Leitlinien zu dieser Region, die immer wichtiger wird, weltpolitisch aufstellt.

FRAGE: Eine einzelne Fregatte kann ja nicht so viele Aufgaben auf einmal erfüllen. Wie würden Sie übergeordnet den Sinn beschreiben? Ist das ein Training? Ist das ein Teil eines Manövers, sicherlich abgesprochen mit der NATO? Aber es ist ja kein Schiff drumherum. Ist das vielleicht sogar eine promotionorientierte Waffenschau? Wir haben diese pittoresken Bilder gesehen. Der Sinn erschließt sich mindestens mir ‑ vielleicht auch dem einen oder der anderen ‑ nicht so recht.

COLLATZ: Solche Präsenz- und Ausbildungsfahrten finden sehr regelmäßig und ständig statt. Jede Besatzung braucht eine Ausbildung. Sie muss die Seemannschaft lernen. Dazu dient natürlich diese Fahrt auch, die Frau Adebahr eben ausgeführt hat. Das Ganze hat aber eine politische Konnotation, die sich in den indopazifischen Leitlinien der Bundesregierung wiederfindet. Dabei spielt diese Fregatte sehr wohl eine sehr wirksame Rolle.

FRAGE: Können Sie erläutern, welche Werte dieses Kriegsschiff repräsentiert?

COLLATZ: Die Fregatte „Bayern“ ist Teil der Bundeswehr. Die Bundeswehr hat den Auftrag, ihren Teil dazu beizutragen, natürlich die freiheitlich-demokratische Grundordnung nach außen zu verteidigen. Wie das als Anteil des indopazifischen Engagements der Bundesregierung geschieht, können Sie in den Indopazifik-Leitlinien nachlesen.

ZUSATZFRAGE: Wie wird denn die deutsche freiheitliche Grundordnung im Indopazifik damit konkret verteidigt?

Die Ministerin sprach auch von den „Wertepartnern“ in der Region. Wer sind die?

COLLATZ: Freiheit der Bewegung auf den Weltmeeren ist ein Teil davon; Wohlstand in Deutschland ist ein Teil davon. Da, wie Sie wissen, auch der deutsche Wohlstand sehr wesentlich von der Freiheit der Bewegung auf den Weltmeeren abhängig ist, weil unsere Güter ja oft von dort kommen, ist das sehr wohl Teil des politischen Engagements.

ZURUF (akustisch unverständlich)

COLLATZ: Das sind Werte, die wir gemeinsam mit unseren gesamten Partnern teilen und verteidigen.

VORS. WOLF: Die Nachfrage war: Welche Wertepartner?

COLLATZ: Die Fregatte wird auf ihrem Weg in den Indopazifik an verschiedenen Vorhaben seitens der NATO teilnehmen ‑ zum Beispiel im Mittelmeer ‑, aber auch beispielsweise an der Überwachung des Embargos gegen Nordkorea. Auch dort werden sie sich einloggen und dann mit den Partnern, die vor Ort zusammen dieses Embargo wahrnehmen, gestalten.

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