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Erklärungen des Auswärtigen Amts in der Regierungs­­pressekonferenz vom 16.07.2021

16.07.2021 - Artikel

COVID-19-Pandemie

FRAGE: Ich habe eine Frage zum Thema Corona, genauer gesagt zu den steigenden Inzidenzen in den Niederlanden: Wie geht die Bundesregierung damit um? Warum sind die Niederlande nicht wieder zum Hochinzidenzgebiet erklärt worden? Werden sie demnächst möglicherweise wieder zum Hochinzidenzgebiet erklärt?

HAJEBI (BMG): Zu den steigenden Inzidenzzahlen: Es ist tatsächlich so, dass seit Anfang Juli ein leichter Anstieg der Fallzahlen zu beobachten ist. Aktuell steigt die Sieben-Tage-Inzidenz auf niedrigem Niveau, und dies auch in nahezu allen Altersgruppen. Das ist natürlich auf die Deltavariante zurückzuführen.

Zu den Niederlanden: Natürlich beobachten wir auch, wie sich die Inzidenzzahlen in den Nachbarländern und in Europa insgesamt bewegen. Es ist so, dass das BMI, das Auswärtige Amt und das BMG gemeinschaftlich die Gebiete analysieren und dann auch das RKI die Risikogebiete bzw. die Hochinzidenzgebiete und die Virusvariantengebiete auf seiner Internetseite veröffentlicht. Da kann ich jetzt auch nicht vorwegnehmen, wie sich da noch etwas entwickeln könnte.

BREUL (AA): Ich kann vielleicht nur ganz kurz ergänzen: Wir beobachten natürlich sehr genau, was in unseren Nachbarländern passiert und was global passiert. Das BMG hat es gerade schon erwähnt: Die Sitzungen dazu geschehen laufend. Wir achten da auf die Zahlen, wir achten auch darauf, ob es einen stabilen Trend in die eine oder andere Richtung gibt, und nehmen dann entsprechend Umstufungen vor. Sobald eine solche Entscheidung getroffen ist, findet sich das dann auch unverzüglich beim RKI. In der Regel wird diese Liste dann am Freitagnachmittag aktualisiert ‑ heute ist ja Freitag.

FRAGE: Es gab jetzt Berichte, dass Mallorca die höchsten Zahlen seit Ausbruch der Pandemie überhaupt gemeldet hat. Wird Mallorca heute zum Hochinzidenzgebiet eingestuft?

BREUL: Dazu kann ich nur sagen, dass wir dem natürlich nicht vorgreifen. Sobald es da einen Beschluss gibt, wird das vom RKI veröffentlicht. Ich kann Sie allerdings darauf hinweisen, dass man bei der Kategorie von Hochinzidenz keine regionalen Unterschiede trifft. Es zählt dann also sozusagen das gesamte Land.

FRAGE: Zu den steigenden Infektionszahlen und der Dynamik: Können Sie nachvollziehen, warum das RKI bei einem wöchentlichen Anstieg der Infektionszahlen von über 50 Prozent immer noch von einem leichten Anstieg spricht, von einem niedrigen Niveau der Sieben-Tage-Inzidenz und einer nur leicht steigenden Tendenz?

HAJEBI: Wie gesagt: Wie Sie schon erwähnen, ist ein Anstieg zu beobachten. Es wird auch weiterhin beobachtet, wie sich die Zahlen entwickeln. Mehr kann ich dazu nicht sagen. Da müssten Sie sich auch an das RKI wenden, wenn Sie noch eine wissenschaftliche Begründung haben möchten.

ZUSATZFRAGE: Aber hier geht es doch um exponentielles Wachstum. Selbst bei kleineren Zahlen ist doch die Gefahr schon zu bannen. Wenn das jetzt bei einem fünfzigprozentigen wöchentlichen Anstieg immer noch kleingeredet wird, ist man sich der Gefahr nicht bewusst, auch nicht in Ihrem Haus?

HAJEBI: Wir beobachten kein exponentielles Wachstum, sondern einen Anstieg, wie gesagt. Die Situation hat sich ja im Vergleich zum letzten Jahr geändert. Es gibt die Impfung. Sie wirkt. Wir appellieren immer wieder an die Bürgerinnen und Bürger sich zu impfen, sich zweimal zu impfen. Natürlich gibt es auch Tests, die weiterhin durchgeführt werden sollten. Auch an die AHA+L-Regeln sollte man sich weiterhin richten, um die Infektionszahlen nicht steigen zu lassen.

FIETZ (BReg): Ich kann nur noch einmal bekräftigen, dass der Bundesregierung bewusst ist, dass steigende Zahlen auch eine große Gefahr darstellen können. Nicht zuletzt macht ein Blick auf unsere Nachbarländer klar, wie schnell sich Zahlen wieder ändern können. Deshalb dürfen wir uns absolut nicht in Sicherheit wiegen. Die Situation kann sich auch hierzulande wieder verschärfen, und deshalb müssen wir wachsam bleiben.

Mit unserem Verhalten können wir die weitere Entwicklung beeinflussen. Es geht darum, die weitere Ausbreitung des Virus in Deutschland so weit wie möglich auszubremsen. Da sind wir wieder bei der Einhaltung der Abstands-, Hygiene- und Maskenregelungen, der Nutzung der Testinfrastruktur sowie der steigenden Impfquote, die es dem Virus natürlich schwerer machen kann, sich weiter auszubreiten. Ziel bleibt es, Ansteckungen zu mindern, damit das Risiko einer hohen Welle im Herbst erspart bleibt.

FRAGE: Es sollen ja neben der Inzidenz auch andere Kriterien zur Beurteilung der Lage hinzugezogen werden. Ist diese neue Matrix fertig, und wie sieht sie aus?

HAJEBI: Es ist so, dass nicht nur die Inzidenzzahlen beobachtet werden, sondern auch die Hospitalisierungszahlen und der R-Wert. Es werden da mehrere Aspekte beobachtet. Die Hospitalisierungsverordnung haben wir durchgebracht. Sie wurde diese Woche im Bundesanzeiger veröffentlicht und ist in Kraft getreten. Darauf möchte ich auch noch einmal verweisen.

BREUL: Vielleicht kann ich dazu kurz ergänzen, dass wir schon jetzt qualitative Aspekte mit einfließen lassen. Dazu gehört die Belastbarkeit der veröffentlichten Zahlen insgesamt. Dazu gehören auch die Anzahl der Testungen relativ zur Bevölkerungszahl, die sogenannte Positivrate der durchgeführten Tests sowie die Möglichkeit einer verlässlichen Sequenzierung von Virusvarianten im Land. Dieser qualitative Aspekt ist jetzt also nichts Neues.

Gaspipeline Nord Stream 2

FRAGE: Beschränken Beschlüsse des US-Kongresses zu Nord Stream 2 bzw. die Meinung des US-Präsidenten die Zuständigkeit des Bundestages bzw. die Regierungsmeinung ein, oder beschneiden sie die deutsche Souveränität?

BREUL (AA): Im Moment laufen ja die Gespräche zwischen der US-Regierung und der deutschen Bundesregierung. Sie sind noch nicht abgeschlossen. Insofern kann ich da Ergebnissen nicht vorgreifen.

Was das Thema extraterritoriale Sanktionen angeht ‑ das kann man im weitesten Sinne, glaube ich, noch in diese Frage einfassen ‑, haben wir uns ja hier auch schon häufig geäußert und unsere Ablehnung klar deutlich gemacht.

ZUSATZFRAGE: Wie viele EU-Mitgliedsländer haben gegen die Pipeline gestimmt?

BREUL: Mir wäre nicht bewusst, dass es eine Abstimmung über die Pipeline gegeben hätte.

Vorwürfe gegen Frontex im Zusammenhang mit illegalen Zurückweisungen von Flüchtlingen in der Ägäis

ZUSATZFRAGE: Ich hätte noch eine andere Frage, mehr oder weniger zu diesem Komplex. Gestern wurde im Europaparlament der Bericht zur Untersuchung der Vorwürfe gegen Frontex im Zusammenhang mit illegalen Zurückweisungen in der Ägäis vorgestellt. Mich würde interessieren, wie das Bundesinnenministerium das bewertet und welche Konsequenzen man angesichts der Vorwürfe gegen Frontex für die Beteiligung der Bundespolizei an diesen Einsätzen zieht?

LAWRENZ (BMI): Die Bundesregierung hat sich immer für eine transparente Aufklärung der Vorwürfe eingesetzt und sie auch unterstützt. Wir begrüßen daher den Bericht des Europäischen Parlaments und haben ihn zur Kenntnis genommen. Der Bericht stellt aber auch eindeutig fest, dass zum Beispiel Pushbacks, die ja immer wieder in den Raum gestellt werden, nicht belegt werden können.

ZUSATZFRAGE: Er wirft aber vor, dass Frontex von diesen Pushbacks und Grundrechtsverletzungen wusste und dem nicht nachgegangen ist. Reicht nicht diese Schwelle, dass das Konsequenzen für Sie hat?

LAWRENZ: Wir haben, wie gesagt, den Bericht zur Kenntnis genommen und arbeiten jetzt daran, die Empfehlungen im Bericht auszuwerten. Dann werden wir uns weiterhin konstruktiv an der Lösung der Probleme beteiligen.

BREUL (AA): Ich möchte das aus unserer Sicht ergänzen: Wir sind uns einig, dass die internen Kontrollen bei Frontex künftig verstärkt werden müssen. Darüber besteht in der EU weitgehend Konsens. Das wird jetzt weiter beraten. Dabei geht es um verbesserte Verfahren bei der Meldung und Aufarbeitung von Berichten über Rechtsverstöße und um eine Stärkung der Rolle der Grundrechtsbeauftragten. Zu guter Letzt müssen jetzt endlich die restlichen Menschenrechtsbeobachterinnen und Menschenrechtsbeobachter eingestellt werden.

[…]

FRAGE: Entschuldigung, ich muss zu Frontex noch einmal kurz nachfragen. Herr Breul, Sie hatten gesagt, Sie seien sich einig, dass die internen Kontrollen bei Frontex verstärkt werden müssen. Ist das eine Einigkeit innerhalb der Bundesregierung? Das frage ich auch mit Blick auf das Innenministerium.

BREUL: Selbstverständlich sind wir uns innerhalb der Bundesregierung einig. Jetzt gilt es natürlich noch, die Einigkeit innerhalb der EU herbeizuführen.

Wie gesagt: Da laufen die Gespräche. Wir haben das Gefühl, dass wir da auf einen Konsens zusteuern. Ich kann Ihnen allerdings nicht aus dem Ärmel sagen, wann da die nächsten Sitzungen oder Abstimmungen anstehen.

LAWRENZ: Ich kann gerade nichts hinzufügen. Wir sind uns einig.

FRAGE: Im Bericht des EU-Parlaments wird ja insbesondere der Frontex-Chef Leggeri herausgehoben. Dieser hat ‑ Zitat ‑ „einen Mangel an Kooperationsbereitschaft“ gezeigt, gerade in Fragen der Menschenrechte. Vertraut die Bundesregierung eigentlich noch dem Frontex-Chef?

BREUL: Ich glaube nicht, dass es Sinn macht, hier Personalien in der Bundespressekonferenz zu diskutieren. Es macht auch keinen Sinn, dass einzelne EU-Mitgliedstaaten sich zu EU-Spitzenpersonal äußern. Wir haben uns in der Sache geäußert und werden uns intensiv in den Beratungen einbringen. Aber zu Personalien ‑ da bitte ich hier um Verständnis ‑ möchte ich jetzt an der Stelle nichts sagen.

ZUSATZFRAGE: Aber kann ein Mann Chef einer Frontex-Organisation sein, der bei Fragen von Menschenrechten, die sehr in seinem Arbeitsbereich liegen, einfach wegschaut und nicht kooperiert?

BREUL: Ich habe zu den Inhalten und zum Personal gesagt, was ich zu sagen habe.

Beschuss von Flüchtlingsbooten durch die libysche Küstenwache

FRAGE: Vor ein paar Wochen war hier auch das Thema libysche Küstenwache und wie diese im Mittelmeer auf Booten von Geflüchteten schießt. Sie hatten, als wir gefragt haben, nur die Medienberichte und die Videos dazu. Haben Sie sich mittlerweile ein eigenes Bild dieser Vorfälle machen können, und wie bewerten Sie, dass die libysche Küstenwache, die durch die EU finanziert und ausgebildet wird, auf Boote von Geflüchteten schießt?

BREUL (AA): Ich kann dazu gern etwas sagen. Das liegt ja jetzt schon ein bisschen zurück. Die libysche Küstenwache hat unmittelbar am Tag, nachdem die Vorwürfe bekannt wurden, dazu Stellung genommen und diese aufs Schärfste verurteilt. Sie angekündigt, dass dieser Fall intern aufgearbeitet wird und die entsprechenden Konsequenzen gezogen werden.

Dieses Statement haben wir zur Kenntnis genommen. Es ist genau der Kurs, den wir von der libyschen Küstenwache erwarten, dass, wenn solche Verstöße auftreten, die natürlich vollkommen inakzeptabel sind, diese intern aufgearbeitet werden und Konsequenzen gezogen werden. Genau das ist unser Ansatz als EU, die libysche Küstenwache dabei zu ertüchtigen, dass gerade die internationalen Standards, die Menschenrechtsstandards, eingehalten werden.

ZUSATZFRAGE: Sanktionen gibt es für die Küstenwache nicht?

BREUL: Die Küstenwache hat erst einmal diesen Vorfall bedauert. Sie hat gesagt, er sei inakzeptabel, und hat angekündigt, ihn intern aufzuarbeiten. Wo es mit der Aufarbeitung steht, das vermag ich Ihnen jetzt spontan nicht zu sagen. Da kann ich mich gern noch einmal schlau machen. Aber letztlich ist es natürlich, wenn es zu solchen Zwischenfällen kommt, was wir nicht hoffen, der richtige Ansatz, das dann aufzuarbeiten.

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