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Erklärungen des Auswärtigen Amts in der Regierungs­­pressekonferenz vom 14.07.2021

14.07.2021 - Artikel

Reise der Bundeskanzlerin in die USA

SEIBERT (BReg): Guten Tag! Ich habe eine Ergänzung zum Programm der Bundeskanzlerin in Washington. Ein Element habe ich Ihnen noch nachzureichen, nämlich dass die Bundeskanzlerin morgen früh Washingtoner Zeit mit der Vizepräsidentin der Vereinigten Staaten, Kamala Harris, zu einem Gedankenaustausch zusammentreffen wird. Alles andere wissen Sie schon.

FRAGE: Herr Seibert, könnten Sie die Hauptthemen nennen, die die Kanzlerin mit Frau Harris besprechen wird?

SEIBERT: Das ist ein Gedankenaustausch in der ganzen Breite der Beziehungen.

FRAGE: Ich habe eine Verständnisfrage zu dem Themenkatalog der Kanzlerin. Angela Merkel liegen ja auch die Menschen- und Völkerrechte immer sehr am Herzen. Werden auch Themen wie die Schließung des Gefangenenlagers Guantánamo oder die Freilassung von Julian Assange Agenden bei diesem Treffen sein?

SEIBERT: Über das Thema Assange haben wir bereits am Montag gesprochen, in der Vergangenheit ohnehin mehrfach. Dem habe ich jetzt nichts hinzuzufügen.

Wir haben einige Themen genannt, von denen man ziemlich sicher sein kann, dass sie Schwerpunkte der mehreren Gespräche, die die Bundeskanzlerin mit dem US-Präsidenten führen wird, sein werden. Solche Listen sind natürlich vor einem Treffen nie vollständig. Manches ergibt sich erst. Ich kann darüber hinaus keine weiteren Themen ansprechen.

ZUSATZFRAGE: Könnten Sie noch sagen, ob Guantánamo ein Thema der Gesprächsagenda ist, ja oder nein?

SEIBERT: Es ist nicht üblich, dass man vorher sagt: Dies und das wird auf jeden Fall drankommen. - Der Gedanke solcher Gespräche ist ja nicht, dass man starr eine Liste abarbeitet, sondern Gott sei Dank gibt es nicht nur das Vieraugengespräch der Bundeskanzlerin, das Delegationsgespräch und das Abendessen. Es gibt eine Reihe von Möglichkeiten und Formaten, um wirklich tiefe und eingehende Beratungen zu führen und einen Meinungsaustausch zu vielen Themen zu haben. Die Bundeskanzlerin und der US-Präsident werden auch eine Pressekonferenz abhalten, in der sie noch weiter über ihre Gespräche berichten.

FRAGE: Ich stelle meine Frage jetzt, weil sie auch einen Bezug zur USA-Reise hat. - Der Bundesaußenminister hat gestern davor gewarnt, dass vor allem China die Versorgung mit Impfstoffen nutzt, um politische Forderungen an unterschiedliche Länder zu stellen. Stimmt die Bundeskanzlerin dem zu, und wird sie dieses Thema bei ihrem Besuch in Washington mit Präsident Biden ansprechen, um eine gemeinsame Linie zu finden?

SEIBERT: Auch wenn ich gerade gesagt habe, man könne dies nicht vorhersagen: Ich denke, dass das Verhältnis sowohl der USA zu China als auch Deutschlands zu China und der Europäischen Union zu China ein Thema sein wird. Das kann man schon einigermaßen sicher vorhersagen. Das hat auch beim G7-Gipfel eine wichtige Rolle gespielt, bei dem sich die Bundeskanzlerin und der amerikanische Präsident das letzte Mal begegnet sind. - So viel dazu.

Für uns ist immer wichtig gewesen, dass klar ist: Die Europäische Union ist einer der wesentlichen Exporteure von Impfstoff. Sie hat von dem, was auf europäischem Territorium hergestellt wurde ‑ ich kenne jetzt nicht die genauen Zahlen der letzten Zeit ‑, im Großen und Ganzen so viel exportiert, wie auch selbst verbraucht wurde. Das ist wichtig. Die Rolle des Exporteurs von Impfstoff hat von vornherein nicht nur China gehabt, sondern auch die Europäische Union. Uns ist das sehr wichtig.

ZUSATZFRAGE: Die Bundeskanzlerin hat am Montag eine Gabe von 1,5 Millionen Dosen Impfstoff an die Ukraine verkündet. Hängt das in irgendeiner Weise mit dem Druck zusammen, den China letzten Monat im UNO-Menschenrechtsrat auf die Ukraine ausgeübt hat, um anders zu stimmen?

SEIBERT: Das hängt mit der engen Partnerschaft zusammen, die wir mit der Ukraine haben, und mit dem Wissen um die Schwierigkeiten der Ukraine, an ausreichend Impfstoff zu kommen. Deswegen hat die Bundeskanzlerin diese Ankündigung gemacht.

FRAGE: Herr Seibert, ich habe nur eine Lernfrage: Was ist der Unterschied zwischen einem Gedankenaustausch und einem Meeting?

SEIBERT: Es ist jedermann überlassen, sich das eine und das andere vorzustellen. Den Begriff „Meeting“ würde ich hier nicht verwenden, weil, wie wir wissen, in der Bundespressekonferenz ‑ ich wurde ja neulich darauf hingewiesen ‑ die Verkehrssprache Deutsch ist. Meeting bedeutet eigentlich nicht mehr, als dass zwei Menschen im gleichen Raum sind. Ein Gedankenaustausch ist das, was man anstrebt, wenn man unter Partnern und Freunden zusammensitzt, zuhört, was den anderen bewegt und was die Interessen des anderen sind, eigene Interessen erklärt, Gemeinsamkeiten herausarbeitet und über Unterschiede spricht. Das ist ein Gedankenaustausch.

ZUSATZ: Ich habe mich nur gewundert, weil Sie sonst nie dieses Wort verwenden. Das Treffen zwischen Frau Harris und Frau Merkel hörte sich nach „zwischen Tür und Angel“ an.

SEIBERT: Das wird mit Sicherheit nicht zwischen Tür und Angel sein. Ich wüsste nicht, dass ich diesen Eindruck gegeben hätte.

Eckpunktepapier deutsche Auslandsschulen

SEIBERT (BReg): Ich komme jetzt zum Kabinett. Das erste Thema, mit dem sich das Bundeskabinett befasst hat, ist das Eckpunktepapier deutsche Auslandsschulen. In den Jahren 2019 und 2020 gab eine umfassende Evaluierung des Auslandsschulgesetzes. Das Eckpunktepapier, das das Kabinett heute verabschiedet hat, beschreibt zentrale Reformschritte.

Man kann grundsätzlich sagen: Die deutschen Auslandsschulen ermöglichen Menschen eine Bildungsbiografie verbunden mit Deutschland. Das ist eine Basis für ein vertieftes Verständnis über kulturelle nationale Grenzen hinweg. Beispielsweise hat sich herausgestellt, dass ein erheblicher Teil der Absolventinnen und Absolventen deutscher Auslandsschulen seine Ausbildung an Universitäten und Fachhochschulen in Deutschland fortsetzt. Diese Schulen sind eine Brücke zwischen unserem Land und vielen anderen Ländern. Sie sind auch für die deutsche Wirtschaft, für deutsche Unternehmen ein wichtiger Standortfaktor im Ausland.

Das Papier spricht sich perspektivisch noch für eine verstärkte Förderung des Inklusionsgedankens an den deutschen Auslandsschulen aus.

Entwurf eines Tätigkeitsberichts der Organisation für das Verbot chemischer Waffen für 2020

FRAGE: Ich habe eine Frage an das Auswärtige Amt. Letzte Woche wurde in Den Haag der Abschlussbericht der OPCW für 2020 vorgestellt. Auffallend war darin eine Passage, in der steht, dass die OPCW bereits am 20. August eine technische Untersuchungsmission auf das Gesuch Deutschlands hin verschickt hatte. Ich glaube, wir alle erinnern uns: Der 20. August war genau der Tag, an dem Nawalny im Flugzeug zusammengebrochen ist. Zahlreiche Diplomaten, aber auch Experten sagen, dass eigentlich auszuschließen sei, dass die OPCW eine Mission direkt am Tag des Vorfalls verschicken kann, ohne dass das Gesuch mindestens einige Tage vorher eingereicht worden ist, inklusive des Verfassens, Abstimmens und Abschickens. Mich würde interessieren: Wie erklärt die Bundesregierung, wie erklärt das Auswärtige Amt diese Unklarheiten um das Datum 20. August und die entsprechende OPCW-Mission?

BREUL (AA): Das müsste ich im Detail nachliefern. Ich kann aber schon jetzt dementieren, dass die OPCW auf Geheiß eines einzelnen Mitgliedslandes Missionen entsenden würde. Das entspricht einfach nicht den Tatsachen. Aber ich liefere das gerne en détail nach. Ich habe den Bericht heute nicht dabei.

ZUSATZFRAGE: Aber der OPCW-Bericht ist sehr klar, und da heißt es: Wir entsandten eine technische Unterstützungskommission am 20. August auf Geheiß der Bundesrepublik Deutschland. Wie gesagt, das wäre ja derselbe Tag, an dem Nawalny ins Flugzeug gestiegen ist. In der „Jungen Welt“ stand auch, es gab eine Anfrage, und es hieß, das Auswärtige Amt sei über den Vorfall informiert. Das heißt, auch wenn Sie als Sprecher des Auswärtigen Amtes hier jetzt vielleicht ein Sonderfall sind, weiß das Auswärtige Amt eigentlich von dem Vorfall. Insofern sollte es doch in der Lage sein, dazu zumindest einen Sprechzettel zu formulieren.

BREUL: Wir haben der „Jungen Welt“ auch schon darauf geantwortet. Wie gesagt, ich habe den Bericht gerade nicht dabei; der ist ja auch nicht von gestern oder vorgestern, sondern von letzter Woche. Das reiche ich gerne nach. Aber so, wie Sie es konstruieren, Herr Warweg, entspricht das nicht den Tatsachen, das kann ich Ihnen schon jetzt vorab sagen.

[…]

BREUL: Der von Ihnen angesprochene Bericht der OVCW ist ein Entwurf eines Berichts, nämlich des Tätigkeitsberichts zur Chemiewaffen­übereinkommen­implementierung 2020. Das ist kein öffentliches Dokument, weil es im Moment ein Entwurf ist. Tatsächlich gab es im ersten Entwurf einen Datumsfehler. Dort war vom 20. August für eine deutsche Eingabe die Rede statt korrekt vom 4. September. Diesen Fehler hat das Sekretariat bereits eingesehen und in der zweiten Entwurfsfassung korrigiert, sodass alle Missverständnisse aus der Welt geschafft sind.

FRAGE: Heißt das, dass es sich bei der Angabe des 20. Augusts ausschließlich um einen Tippfehler handelt?

SEIBERT (BReg): Man muss sich einmal kurz vor Augen führen, was Sie hier gerade als Verdacht in den Raum stellen, nämlich dass irgendwie jemand in Deutschland schon Tage vorher ‑ so haben Sie es ja vorhin gesagt ‑, bevor der Giftwaffenanschlag auf Herrn Nawalny ausgeführt wurde, davon gewusst hätte. Das ist selbst für Ihre Verhältnisse eine ungewöhnlich krause Theorie.

ZUSATZ: Ich habe nicht in meinem Namen gesprochen, ich habe gesagt, dass ‑ ‑ ‑

SEIBERT: Nein, im Namen von Russia Today, das weiß ich auch.

ZUSATZ: Auch nicht im Namen von Russia Today. Wenn schon, dann spreche ich hier in meinem Namen. Die Gleichsetzung machen Sie auch bei keinem anderen.

Aber worum es mir geht: Ich habe gesagt: Diplomaten und Experten, auch renommierte Experten, haben gesagt, dass es eigentlich unmöglich ist. ‑ Die Intention dahinter, das ist Ihre Interpretation. Ich habe lediglich gesagt: Experten sagen: Entsendung am Tag des Vorfalls ist eigentlich unmöglich. ‑ Für das, was Sie dann daraus ziehen, bin ja nicht ich zu „blamen“.

Ich würde Sie auch gern grundsätzlich bitten ‑ das sei jetzt kurz erlaubt, auch ohne dass ich eine Frage stelle ‑: Die Gleichsetzung eines individuellen Journalisten mit seinem Medium ist etwas, was Sie bei keinem anderen Medium tun. Das tun Sie hier, ob mit mir oder anderen Kollegen. Das nervt langsam.

Truppenabzug aus Afghanistan

FRAGE: Herr Seibert, die britische Regierung hat bereits angekündigt, dass sie auch nach einer gewaltsamen Machtübernahme durch die Taliban mit den Taliban zusammenarbeiten würde. Gibt es dazu eine Haltung der Bundesregierung? Wie sieht dann eine mögliche Zusammenarbeit aus? Die Taliban sind ja weiter auf dem Vormarsch. Wie ist es dann mit Hilfszahlungen? Macht man sich darüber schon Gedanken, oder wird das zunächst nur eingefroren?

SEIBERT (BReg): Sie möchten jetzt von mir einen vollkommen hypothetischen Verlauf auf der Basis einer Äußerung einer anderen Regierung zu einem solchen Verlauf kommentiert haben ‑ tut mir leid, das will ich nicht tun.

Wir werden unsere Unterstützung für Afghanistan fortsetzen, so wie sie im Moment läuft. Wir werden sie nicht nur national fortsetzen, sondern auch die NATO wird beispielsweise ihre Unterstützung der afghanischen Streitkräfte fortsetzen. Das heißt also, der Abzug der Bundeswehrsoldaten und ‑soldatinnen aus Afghanistan bedeutet nicht sozusagen das Ende unseres Interesses an einer guten Entwicklung dort.

Unser Interesse ist, dass es eine politische Verständigung der Regierung und der Taliban gibt. Dazu laufen ja Gespräche. Über solche Verläufe, wie Sie sie jetzt hier in den Raum stellen, habe ich heute nichts zu sagen.

ZUSATZ: Offensichtlich scheint die britische Regierung das anders zu sehen, denn die haben ja schon gesagt, dass sie mit den Taliban zusammenarbeiten würden. So vollkommen hypothetisch ist es dann ja auch wieder nicht.

SEIBERT: Das sehe ich jetzt einmal noch nicht als einen Widerspruch. ‑ Ich bin nicht der Sprecher der britischen Regierung. Für die Bundesregierung will ich heute auf hypothetische Verläufe nicht eingehen; vielmehr will ich unseren derzeitigen Stand der Beziehungen mit Afghanistan beschreiben ‑ was wir hier oft getan haben.

ZUSATZFRAGE: Wie ist denn derzeit der Kontakt vielleicht über das Auswärtige Amt mit den Taliban? Hat man da diplomatischen Kontakt, Herr Breul?

BREUL (AA): Wir unterhalten diplomatischen Kontakt zu Regierungen. Die Taliban sind keine Regierung, das wissen Sie.

Zu dem Interview des britischen Verteidigungsministers möchte ich noch sagen: Das ist eine einzelne Interviewaussage. Wie das zur britischen Regierungspolitik passt, müssten Sie bei den Briten nachfragen. Wir sind uns in der internationalen Gemeinschaft einig, dass wir die Regierung unterstützen und Präsidenten unterstützen. Ich hatte hier am Freitag ja noch einmal länger ausgeführt, inwieweit wir das tun und dass das auch nach dem Abzug der Bundeswehr nicht nachgelassen hat.

FRAGE: Herr Breul, der ehemalige US-Präsident George W. Bush hat in einem Interview mit der Deutschen Welle den Abzug aus Afghanistan als Fehler bezeichnet und auch davon gesprochen, dass das unsäglichen Schaden vor allem für Frauen und Mädchen bedeuten würde. Wie schätzt die Bundesregierung das ein? Wie will man diesen unsäglichen Schaden, den er da sieht, verhindern?

BREUL: Auch da gilt: Ich kommentiere nicht einzelne Interviewaussagen. Ich habe hier für das Auswärtige Amt ‑ und ich möchte meinen, für die ganze Bundesregierung ‑ am Freitag noch einmal sehr deutlich dargestellt, wie wir engagiert bleiben. Die Bundeswehr ist aus Afghanistan abgezogen, der internationale Militäreinsatz ist zu Ende ‑ unser Engagement für Afghanistan ist es nicht. Wir engagieren uns massiv mit konkreter Hilfe mit unseren Partnern vor Ort, und das haben wir auch bis zum Jahr 2024 zugesagt. Auch darüber hinaus werden wir uns engagieren.

Der Eindruck, der jetzt teilweise aufkommt, mit dem Abzug der Bundeswehr zöge sich die Bundesregierung aus dem Engagement für Afghanistan zurück, ist also falsch. Wir bleiben fest an der Seite der afghanischen Regierung.

ZUSATZFRAGE: Aber sehen Sie denn einen Zusammenhang zwischen der Bedrohung von Frauen und Mädchen in Afghanistan und der veränderten Lage durch den Abzug?

BREUL: Es ist unbestritten, dass die Lage in Afghanistan nicht einfach ist. Es finden heftige Kämpfe zwischen der Regierung und den Taliban statt. Das betrifft natürlich auch die Zivilbevölkerung und das betrifft in den eroberten Gebieten, wie wir hören, auch stark Frauen und Mädchen.

Aus unserer Sicht ist entscheidend, dass es weitergeht im politischen Dialog und dass man eine Form findet ‑ was die afghanische Regierung ja auch anstrebt ‑, mit den Taliban eine Lösung zu finden, die dazu führt, dass Frieden in das Land kommt. Ziel unseres Engagement bleibt selbstverständlich weiterhin ‑ das haben wir immer wieder deutlich gemacht ‑, die Rechte insbesondere der Frauen und Kinder in dem Land zu schützen. Dieses Thema ist jetzt also nicht von unserer Agenda verschwunden.

FRAGE: Zur Ehrung der deutschen Soldaten: Es gab auch von der Ministerin die Mitteilung, dass es ein Gedenken für die Gefallenen am Ehrenmal der Bundeswehr, einen Appell im Bendlerblock mit dem Bundespräsidenten, einen Empfang im Parlament durch den Bundestagspräsidenten sowie den Großen Zapfenstreich vor dem Bundestag geben wird. Bisher habe ich aber nichts davon gelesen, wie der afghanischen Opfer des Krieges gedacht werden soll. Können Sie uns das sagen?

HELMBOLD (BMVg): Erst einmal haben wir ja eine Pressemitteilung dazu herausgegeben. Außerdem gab es gestern Zitate der Verteidigungsministerin dazu. Mit Blick auf den Auftrag, den wir hatten, werden wir uns natürlich auf das beziehen, was wir hier nach dem Rückzug, nach dem Abzug der Bundeswehr aus Afghanistan vor uns haben. Das bedeutet, dass wir auf 20 Jahre Einsatz der Bundeswehr zurückblicken ‑ natürlich auch im Zusammenhang mit denjenigen, die an unserer Seite gestanden haben, und natürlich im Kontext Afghanistan insgesamt. Diese Veranstaltung am 31. August bezieht sich auf den Einsatz der Bundeswehr in Afghanistan insgesamt.

ZUSATZFRAGE: Wann wird es denn ein staatliches Gedenken an die afghanischen Opfer der Bundeswehr, des Krieges, an dem die Bundeswehr teilgenommen hat, geben? Herr Seibert, sind die afghanischen Opfer für die Kanzlerin ein Thema?

SEIBERT: Wir haben nach dem 11. September 2001 ‑ und Sie kennen die gesamte Herleitung und den Rahmen der internationalen Solidarität mit den USA im Rahmen von Artikel 5 ‑ eine Militärmission in Afghanistan geführt. Diese hat jetzt beendet. Es war eine Militärmission, die sehr viel mehr war als eine Militärmission, weil da auch sehr viel im vernetzten Ansatz, im Bereich von Entwicklung usw., geschehen ist. Aber natürlich heißt „Militärmission“, dass auch gekämpft wurde und dass es auch zu Opfern gekommen ist. Bedauerlicherweise ‑ das weiß jeder, beispielsweise wenn man an den Kundus denkt ‑ ist es auch zu Opfern unter unbeteiligten Zivilisten gekommen. Der Charakter eines solchen 20-jährigen Einsatzes ist jedem bekannt.

FRAGE: Eine Verständnisfrage: Sie hatten anfänglich von Rückzug gesprochen. Rückzug assoziiert man ja meistens mit Niederlage. Sieht man diesen Militäreinsatz jetzt in der Rückschau aus militärstrategischer Perspektive sozusagen eher als eine Niederlage?

HELMBOLD: Auch diese Frage haben wir hier ja schon häufig bekommen. Ich kann nur immer wieder betonen: Die Bundeswehr ist nach Afghanistan mit einem Auftrag gegangen ‑ mit einem Auftrag, den sie vom Bundestag bekommen hat, und zwar einmal im Rahmen von ISAF und hinterher im Rahmen von „Resolute Support“ mit jeweils sehr unterschiedlichen Aufgaben. Die Bundeswehr hat die Aufgaben, die man ihr gegeben hat, erfüllt. Von daher haben wir auch gesagt, dass die Soldatinnen und Soldaten mit Stolz auf das blicken können, was sie dort geleistet haben. Dass die Aufträge, die es vonseiten des Bundestages gab, erfüllt sind, ist für uns eine zentrale Nachricht.

Tätigkeit deutscher Konzerne in Weißrussland

FRAGE: An Herrn Seibert, Herrn Breul und gegebenenfalls Herrn Wagner. Es geht um Wirtschaft. Deutsche Konzerne wie Siemens, BASF, VW und Bayer sind immer noch in Belarus aktiv, arbeiten mit dem Regime zusammen und verdienen dort also Geld. Mercedes liefert immer noch Luxusautos an den Fuhrpark von Herrn Lukaschenko, und Siemens beliefert weiterhin Kraftwerke des belarussischen Regimes in Belarus mit Gasturbinen.

Warum wird das nicht sanktioniert? Warum wird das nicht unterbunden? Warum dürfen deutsche Unternehmen weiterhin mit diesem belarussischen Regime Profit machen?

BREUL (AA): Ich kann gern anfangen. Wie Sie wissen, sind die Sanktionsregime europäischer, nicht nationaler Natur. Dabei wird auch nicht nach Nationalität der Wirtschaftspartner vorgegangen und nicht gesagt: „Das Unternehmen aus Land X darf dies nicht mehr, und das aus Land Y darf jenes nicht mehr“, sondern es geht darum, bestimmte Sektoren zu treffen und möglichst gezielt Sanktionen zu verhängen, die diejenigen treffen, die sich an der Repression beteiligen. Dabei geht es um bestimmte Einzelpersonen. Im letzten Sanktionsregime geht es auch um bestimmte staatliche Unternehmen. All das ist öffentlich einsehbar. Dies muss für Wirtschaftsunternehmen, die im Ausland tätig sind, nachvollziehbar sein. Es gibt keine Anrufe bei Unternehmen X oder Y, denen man sagen würde: „Ihr dürft jetzt nicht mehr Produkt A, B, C verkaufen“, sondern das ist ein rechtsförmiges Verfahren. Die Sanktionen sind so ausgestaltet, dass wir damit maximalen Druck auf diejenigen entfalten, die für die Lage verantwortlich sind.

WAGNER (BMWi): Ich kann nicht viel ergänzen. Der Kollege hat schon ausgeführt, wie das Sanktionsregime funktioniert und welche Sanktionen es gibt. Ich kann vielleicht noch etwas zu den Handelszahlen ergänzen, die tatsächlich rückläufig sind. Das Handelsvolumen der deutschen Exporte nach Belarus lag im vergangenen Jahr bei 1,9 Milliarden Euro. 2018 hatte es noch bei 2,1 Milliarden Euro gelegen. Es ist also insgesamt rückläufig. Für 2021 haben wir natürlich noch keine aktuellen Zahlen.

ZUSATZFRAGE: Die Bundesregierung könnte sich auf europäischer Ebene dafür einsetzen, das Sanktionsregime anzupassen, sodass zum Beispiel deutsche Unternehmen keinen Profit mehr mit dem belarussischen Regime machen.

Planen Sie das, oder finden Sie es in Ordnung, dass deutsche Unternehmen dort weiterhin Geld machen können?

BREUL: Profit können wir nicht verbieten. Eine solche Möglichkeit hat man mit einem Sanktionsregime so nicht. Man kann wirtschaftliche Aktivitäten in bestimmten Sektoren einschränken. Wie Sie wissen, haben gerade wir uns für die aktuelle Verschärfung eingesetzt.

Sie haben vielleicht noch unsere Aussage aus der vergangenen Woche im Ohr, dass wir sehr kritisch beobachten, wie das Regime den Kurs der Repression fortsetzt. Die Meldungen reißen leider auch in dieser Woche nicht ab. Heute haben wir mit Erschütterung die neuerlichen Nachrichten über Festnahmen, Durchsuchungen, Schikanen, die zahlreiche Menschenrechtsorganisationen in Belarus getroffen haben, zur Kenntnis genommen. Das verurteilen wir auf das Schärfste. Die Sanktionsdebatte ‑ so hat es auch der Außenminister wiederholt gesagt ‑ ist nicht zu Ende. Wie es weitergeht, liegt in den Händen des weißrussischen Regimes.

Lage in Südafrika

FRAGE: Könnten Sie uns eine Einschätzung der Lage in Südafrika geben? Dort gibt es massive Proteste nach der Festnahme des Ex-Präsidenten Zuma. Was berichtet vielleicht Herr Schäfer als deutscher Botschafter?

BREUL (AA): Die Ausschreitungen in Südafrika geben uns Anlass zur Sorge. Wir bedauern die schweren Gewaltausbrüche und Plünderungen, die wir seit dem vergangenen Freitag in Südafrika beobachten. Wie Sie den Medien entnehmen können, kam es kurz nach der Inhaftierung des ehemaligen Staatspräsidenten Zuma zu massiven Ausschreitungen. Gegen Zuma werden, wie Sie ebenfalls wissen, schwere Korruptionsvorwürfe erhoben. Die gewaltsamen Proteste konzentrieren sich gegenwärtig auf die Provinzen Gauteng und KwaZulu-Natal.

Wir rufen die an den Protesten Beteiligten dazu auf, von gewaltsamen Ausschreitungen abzusehen. Es ist jetzt wichtig, dass Südafrika den Weg der Korruptionsbekämpfung weitergeht, da die Korruption das Land in seiner Entwicklung seit Jahren hemmt.

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