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Erklärungen des Auswärtigen Amts in der Regierungspressekonferenz vom 02.07.2021
- Reise des Bundesaußenministers nach Madrid
- Medienberichte über ein mögliches gewaltsames Vorgehen der libyschen Küstenwache in internationalen Gewässern
- Kontakte zwischen der Bundesregierung und der Regierung der Vereinigten Arabischen Emirate bezüglich Menschenrechtsverletzungen in den Vereinigten Arabischen Emiraten
- Äußerungen des belarussischen Präsidenten zu geheimdienstlichen Aktionen seitens Deutschland gegen Belarus
- Aufnahme von Ortskräften aus Afghanistan in Deutschland/Abzug der Bundeswehr aus Afghanistan
Reise des Bundesaußenministers nach Madrid
SASSE (AA): Ich möchte Ihnen eine Reise von Außenminister Maas ankündigen. Er wird am Montag nach Madrid reisen, um dort zusammen mit seinen Amtskolleginnen aus Schweden und aus Spanien am vierten Außenministertreffen der sogenannten Stockholm-Initiative teilzunehmen. Weitere Außenminister werden virtuell zugeschaltet sein.
Diese sogenannte Stockholm-Initiative ‑ ich hatte es, meine ich, an dieser Stelle schon einmal im Januar erwähnt ‑ wurde 2019 von Schweden ins Leben gerufen und zielt darauf ab, der nuklearen Abrüstung neue praktische Impulse zu geben, vor allem im Vorfeld der anstehenden Überprüfungskonferenz des Nichtverbreitungsvertrags.
Außenminister Maas wird in Madrid außerdem auch ein bilaterales Gespräch mit seiner spanischen Amtskollegin führen.
FRAGE: Frau Sasse, es gibt Berichte darüber, dass China sein Atomwaffenarsenal zurzeit massiv ausweiten könnte. Es werden ganz viele Silos gebaut. Wie passt das zu der Initiative, und wie besorgt ist die Bundesregierung, dass China mehr Atomwaffen baut?
SASSE: Wir haben diese Meldungen selbstverständlich zur Kenntnis genommen. Eines der Elemente der Stockholm-Initiative sind 22 ganz konkrete Vorschläge, die im Rahmen dieser Initiative gemacht wurden und die sich an die Kernwaffenstaaten richten. Dazu zählt auch China. Wir fordern, dass die Kernwaffenstaaten weitere entschiedene Schritte in Richtung Abrüstung unternehmen. Dazu gehört natürlich auch, dass die Kernwaffenbestände verringert und nicht ausgebaut werden und dass der Grundstein für eine neue Generation von Rüstungskontrollvereinbarungen gelegt werden kann.
Medienberichte über ein mögliches gewaltsames Vorgehen der libyschen Küstenwache in internationalen Gewässern
FRAGE JUNG: Frau Sasse, da das Thema der libyschen Küstenwache schon angesprochen wurde: Hat das Auswärtige Amt etwas zu den Schüssen auf dieses Migrantenboot zu sagen? Das ist ja in internationalen Gewässern passiert, wo Malta für Such- und Rettungseinsätze verantwortlich ist. Wir als EU unterstützen aber die libysche Küstenwache. Wie bewerten Sie diese Schüsse auf Menschen?
SASSE (AA): Eine Antwort darauf würde ich Ihnen gern nachreichen.
FIETZ (BReg): Ich kann Ihnen dazu grundsätzlich sagen, dass wir die Berichte in den Medien darüber zur Kenntnis genommen haben. Eigene Berichte darüber liegen uns nicht vor.
Aber ich möchte wiederholen, dass wir schon immer gesagt haben, dass Deutschland das Ziel der EU unterstützt, die libysche Küstenwache und Marine zu befähigen, selbstständig gegen das Geschäftsmodell der Schleuser vorzugehen und die Verantwortung zur Seenotrettung eigenständig wahrnehmen zu können, und zwar ‑ das möchte ich hier ausdrücklich betonen ‑ unter Einhaltung der völkerrechtlichen und menschenrechtlichen Standards.
ZUSATZFRAGE: Wie versucht die Bundesregierung, für Aufklärung zu sorgen? Fragt man jetzt einfach bei der libyschen Küstenwache nach? Was die sagen wird, ist ja erwartbar.
FIETZ: Ich kann Ihnen in diesem Moment zu diesem aktuellen Fall nicht mehr sagen als das, was ich gesagt habe. Wie gesagt, liegen uns aktuell keine eigenen Erkenntnisse vor.
Aber die Bundesregierung hat immer wieder darauf hingewiesen, dass die allgemein sehr angespannte Situation in Libyen und damit auch die der Migranten und Flüchtlinge dort dringend gelöst werden muss. Dafür setzt sich die Bundesregierung auf europäischer und internationaler Ebene ein. Beispielsweise finanziert Deutschland gemeinsam mit der EU und der Internationalen Organisation für Migration die freiwillige Rückkehr und Reintegration von Migranten aus Libyen in ihre Herkunftsländer. Es gibt also Alternativen zu den seeuntüchtigen Booten krimineller Schlepper.
FRAGE: Sie sagten, Sie verfügten über keine eigenen Erkenntnisse. Es gibt ja nicht nur Presseberichte, sondern es gibt veröffentlichtes Bild- und Tonmaterial. Der Funkverkehr mit dem libyschen Marineschiff ist dokumentiert. Das heißt, dass es eine etwas andere Sachlage ist, als wenn man nur irgendwo einen Artikel hätte.
Darf man davon ausgehen, dass die Bundesregierung, das Auswärtige Amt oder wer auch immer, dieses Material auswertet und dann eine eigene Position dazu bezieht? Denn Schlepperorganisationen sind die eine Sache; wenn aber durch Aktionen der Küstenwache, von der EU unterstützt, Menschen zu Tode kommen, ist das eine andere Dimension.
FIETZ: Ich habe vorhin betont, dass wir die Berichte zur Kenntnis genommen haben.
Grundsätzlich möchte ich noch einmal sagen, dass jeder Verlust von Menschenleben von Flüchtlingen oder Migranten auf dem Mittelmeer, die auf ein besseres Leben in Europa gehofft haben und von Schleppern und Verbrechern auf diese gefährliche Fahrt gelockt wurden, entsetzlich ist.
SASSE: Selbstverständlich nehmen wir solche Berichte zur Kenntnis, und sie fließen natürlich in unsere tägliche Arbeit ein. Das heißt, dass wir die entsprechenden Nachforschungen dazu anstellen.
Kontakte zwischen der Bundesregierung und der Regierung der Vereinigten Arabischen Emirate bezüglich Menschenrechtsverletzungen in den Vereinigten Arabischen Emiraten
FRAGE: Es geht um die Vereinigten Arabischen Emirate. Gibt es Kontakte zwischen der Bundesregierung und der Regierung der Vereinigten Arabischen Emirate bezüglich Menschenrechtsverletzungen in den Vereinigten Arabischen Emiraten? Vor wenigen Tagen ist in London eine junge emiratische Menschenrechtsaktivistin bei einem Autounfall ums Leben gekommen. Berichte der emiratischen Opposition bestätigen, dass der Vorfall erfunden war.
SASSE (AA): Zu diesen konkreten Meldungen kann ich an dieser Stelle keine Stellung nehmen.
Ich kann Ihnen aber, was die Frage angeht, grundsätzlich sagen: Natürlich thematisieren wir in allen Gesprächen mit den Emiraten ‑ ebenso wie mit allen anderen Ländern – die Menschenrechtslage da, wo es Besorgnis gibt. Das tun wir regelmäßig und auf allen Ebenen.
FRAGE: Frau Sasse, Stichwort „Sorge“: Sind Sie über die Menschenrechtslage in den Vereinigten Arabischen Emiraten so, wie sie jetzt ist, besorgt?
SASSE: Ich kann Ihnen nur noch einmal sagen, dass wir die Menschenrechtslage mit den Vereinigten Arabischen Emiraten regelmäßig in Gesprächen ansprechen.
Äußerungen des belarussischen Präsidenten zu geheimdienstlichen Aktionen seitens Deutschland gegen Belarus
FRAGE: Wie bewertet die Bundesregierung die schweren Vorwürfe von Alexander Lukaschenko gegen Deutschland, deutsche Geheimdienste bereiten angeblich einen Anschlag in Belarus vor?
SASSE (AA): Zu diesen Vorwürfen möchten wir an dieser Stelle keine Stellung nehmen. Die hat Herr Lukaschenko so in den Raum gestellt. Wir können dazu nichts beitragen.
WEFERS (Vorsitz): Auch nicht, dass er gegen die Bundeskanzlerin oder jemanden von der deutschen Regierung Anspruch erheben wird? Das fragt Insaf Basirow von RIA Novosti.
SASSE: Anspruch erheben wird?
WEFERS: So hat er sich wohl ausgedrückt. Ich verstehe das so.
SASSE: Vielleicht kann er die Frage noch einmal präzisieren und wir liefern die Antwort gegebenenfalls nach.
WEFERS: Dann präzisiere ich sie jetzt noch einmal: Alexander Lukaschenko hat heute angekündigt, dass belarussische Sicherheitsbehörden eine antiterroristische Operation durchgeführt haben sollen. Lukaschenko hat dazu gesagt, dass Minsk gegen die Bundeskanzlerin oder jemanden von der deutschen Regierung Anspruch erheben wird. Wie kann das die Bundesregierung kommentieren?
Dann habe ich noch die Frage von Vladimir Esipov von der Deutschen Welle wiederum mit Bezug auf Lukaschenko: Es hat wohl einen breit angelegten Antiterroreinsatz in Belarus gegeben und es wurde angedeutet, dass die Bundesregierung terroristische Aktivitäten in Belarus unterstützt. Frage: Gab es in den letzten 72 Stunden Festnahmen der deutschen Staatsbürger in Belarus? Was ist über diesen Antiterroreinsatz den belarussischen Behörden bekannt?
SASSE: Noch einmal: Die Äußerungen von Herrn Lukaschenko kommentieren wir an dieser Stelle nicht.
Über Festnahmen deutscher Staatsangehöriger kann ich Ihnen an dieser Stelle nichts berichten.
FRAGE: Frau Sasse, nicht kommentieren ist eine Sache. Aber Herr Lukaschenko hat massive Vorwürfe erhoben. Er hat gesagt, Deutschland bereite Geheimdienstaktionen gegen Belarus vor. Das dementieren Sie noch nicht einmal?
SASSE: Ich sage an dieser Stelle, dass wir die Äußerungen von Herrn Lukaschenko nicht kommentieren.
ZUSATZ: Ja, aber damit dementieren Sie es auch nicht.
SASSE: Herr Jessen, ich kann doch an dieser Stelle für das Auswärtige Amt nicht zu geheimdienstlichen Operationen oder Ähnlichem Stellung nehmen und auch nicht zu ähnlichen Kommentaren von Herrn Lukaschenko, die er einfach so in Raum stellt.
ZUSATZFRAGE: Verstehe. Könnten dann entweder Frau Fietz für die Dienste oder Frau Vick dazu Stellung nehmen? Können Sie den Vorwurf dementieren, dass es geheimdienstliche Aktionen seitens Deutschland gegen Belarus gibt?
FIETZ (BReg): Ich kann mich den Worten von Frau Sasse nur anschließen.
VICK (BMI): Ich habe dem auch nichts hinzuzufügen.
Aufnahme von Ortskräften aus Afghanistan in Deutschland/Abzug der Bundeswehr aus Afghanistan
FRAGE: Eine Frage zu den afghanischen Ortskräften an das Auswärtige Amt. Wann wird das versprochene Ortskräftebüro in Masar-e-Scharif eröffnet? Es ist klar, dass es Sicherheitsbedenken gibt.
Eine Frage an Innenministerium, Auswärtiges Amt oder Verteidigungsministerium: Was entgegnen Sie der wachsenden Kritik, man hätte die afghanischen Ortskräfte ausfliegen sollen, wie die USA das ja vorhaben?
SASSE (AA): Vielleicht fange ich an und die Kollegen ergänzen bei Bedarf.
Fragen zum Ortskräfteverfahren hatten wir ja schon am Mittwoch an dieser Stelle. Ich möchte vielleicht grundsätzlich etwas zum Verfahren sagen: Der erste Schritt ist immer, dass der oder die Betroffene eine Gefährdungsanzeige stellt. Dann wird das Ganze von den Ressorts geprüft, gegebenenfalls eine Aufnahmezusage ausgesprochen, und im Anschluss daran kann ein Visum beantragt werden. Diese Unterscheidung ist wichtig für das Verständnis, was wir genau tun. In Kabul hat die Anlaufstelle für Gefährdungsanzeigen gestern, also am 1. Juli, den Betrieb aufgenommen.
Was die Frage von Herrn Küstner zum Büro in Masar-e-Scharif angeht, kann ich an dieser Stelle auch nur sagen, dass das noch nicht in Betrieb ist. Es geht auch da um die Gefährdungsanzeigen, also um eine Stelle, die Gefährdungsanzeigen in Empfang nimmt. Es ist so, wie Herr Küstner bereits angedeutet hat, dass sich der beauftragte Dienstleister vor dem Hintergrund der aktuellen Lageentwicklung entschieden hat, das Büro zum Schutz seiner Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zunächst noch nicht zu eröffnen. Einen genauen Zeitpunkt kann ich an dieser Stelle noch nicht in den Raum stellen. Diese Entscheidung bedauern wir natürlich. Aber weil es um Sicherheitsinteressen geht, ist sie aus unserer Sicht nachvollziehbar. Gleichwohl arbeiten wir daran, dass auch dieses Büro natürlich schnell den Betroffenen als Anlaufstelle zur Verfügung steht.
WEFERS (Vorsitz): Die Frage nach dem Ausfliegen der Ortskräfte ist noch offen. Wer kann sich dazu äußern? Das Verteidigungsministerium? ‑ Sie äußern sich nicht dazu.
FRAGE: Bleibt das BMI dabei, dass die afghanischen Ortskräfte keine Umzugskostenhilfe erhalten sollen?
Frau Sasse, wo wird denn heute eine Gefährdungsanzeige für eine afghanische Ortskraft gestellt werden können? Wo können die das heute machen?
SASSE: Wie gesagt, die Anlaufstelle in Kabul hat ihren Betrieb gestern aufgenommen. Das heißt, in Kabul kann eine Anzeige gestellt werden.
VICK (BMI): Wir haben an dieser Stelle ja auch schon mehrfach vorgetragen, dass wir der Auffassung sind, dass sich das bisherige Verfahren und somit auch die eigenverantwortliche Ausreise der Ortskräfte bewährt hat.
FRAGE: Das passt ganz gut dazu, weil es um einen konkreten, wenn auch keinen Einzelfall geht. Es gibt einen Mann, der Ahmad Jawid Sultani heißt und von 2009 bis 2018 Übersetzer der Bundeswehr war. Er ist Vorsitzender der Vereinigung deutsche Ortskräfte und damit eben kein Einzelfall. Er hat den Abflug der letzten deutschen Maschinen beigewohnt, ihnen hinterhergeschaut. Er ist jetzt in Masar-e-Scharif eingeschlossen und hofft ‑ so sagt er ‑, dass, wenn die Taliban kommen, sie ihn gleich erschießen und nicht foltern und zur Schau stellen. Er kommt offenbar nicht nach Kabul, weil aus Masar-e-Scharif kein Rauskommen ist - es sei denn, er hätte ein eigenes Flugzeug. Was kann man solchen betroffenen Ortskräften eigentlich raten? Was will man konkret tun, um in Masar-e-Scharif zu helfen?
SASSE: Ich habe heute an dieser Stelle ‑ und auch schon am Mittwoch ‑ geschildert, was wir konkret tun. Wir kennen natürlich die Interviews mit Herrn Sultani und die Berichte über die Lage. Da er Übersetzer der Bundeswehr ist, kann vielleicht Herr Collatz noch etwas ergänzen, wenn er möchte, oder auch nicht.
Was wir genau tun, habe ich dargelegt. Ich kann Ihnen darüber hinaus an dieser Stelle leider nicht mehr darstellen.
ZUSATZFRAGE: Gibt es vielleicht eine Ergänzung vom BMVg dazu? Das ist ein bisschen der Widerspruch, der ja auch schon am Mittwoch schon aufkam. Was kann man ihm raten? Sich gut zu verstecken?
SASSE: Für die Ortskräfte des Auswärtigen Amtes kann ich Ihnen mitteilen – das habe ich bereits am Mittwoch erwähnt ‑, dass wir mit Hochdruck daran arbeiten, dass wir diejenigen, die betroffen sind – das ist ein mittlerer zweistelliger Bereich von Ortskräften, die für das Auswärtige Amt gearbeitet haben ‑, nach Kräften unterstützen und auch Visa erteilt haben.
COLLATZ (BMVg): Zu der Frage, wie sich einzelne Menschen vor Ort verhalten sollen, kann ich hier keinen Beitrag leisten. Wir sind ja, wie Sie wissen, nicht mehr vor Ort in Afghanistan. Sie wissen auch, dass es unser Interesse war, das Ortskräfteverfahren so großzügig wie möglich zu halten und auch im Einvernehmen mit den anderen beteiligten Ressorts zu erweitern. Das ist geschehen. Es konnten also auch diejenigen Ortskräfte rückwirkend bis 2013 ihre Gefährdungsanzeige nach dem jetzt vereinfachten Verfahren stellen. Auch das war möglich. Alle, die dort Berücksichtigung finden konnten, haben auch Berücksichtigung gefunden.
FRAGE: Frau Fietz, am Mittwoch ist hier diskutiert worden, warum die Verteidigungsministerin nicht bei der Rückkehr der letzten Soldaten aus Afghanistan anwesend war, als sie in Empfang genommen wurden. Können Sie uns sagen, warum die Kanzlerin keine Notwendigkeit verspürte, in Wunstorf zu sein?
FIETZ (BReg): Die Sprecherin des Verteidigungsministeriums hat ja in dieser Woche sehr deutlich gemacht, worum es in erster Linie geht, wenn Einsatzkräfte aus dem Ausland nach Hause zurückkehren können. Ich glaube, das ist sehr verständlich und nachvollziehbar. Deshalb hat es zu diesem Zeitpunkt kein Ereignis gegeben, an dem die Politik direkt beteiligt war.
COLLATZ: Ich würde gerne ergänzen und die Gelegenheit dazu ergreifen. Ich kann das nur unterstützen. Es ist ja nicht so, dass wir nicht bei der Truppe gefragt hätten, wie sie sich das denn wünscht. Die Ministerin und auch die anderen Regierungsvertreter haben dem Wunsch entsprochen und haben am Tag der Rückkehr eines Teilkontingents – des letzten, das zu dem Gesamtkontingent gehört – nicht noch zu einer Verzögerung der Heimkehr geführt. Das ist Teil des Entscheidungsprozesses gewesen.
Es ist ja nicht so, dass wir die Heimkehr versteckt hätten, sondern sie ist öffentlich gemacht worden. Wir haben auch unter Coronabedingungen deutlich die Öffentlichkeit beteiligt, indem wir einen Livestream ermöglicht haben. Die Würdigung des Einsatzes insgesamt muss natürlich sortiert erfolgen, und das wird auch geschehen. Ich denke, es hat sich schon herumgesprochen, dass wir seitens des BMVg zum 31. August einen Rückkehrerappell und einen Appell für den Gesamteinsatz „Zwanzig Jahre Afghanistan“ unter Beteiligung des Bundespräsidenten abhalten werden, was ja an sich schon eine Würdigung ist.
Nach allem, was ich weiß, ist es sehr wohl in der Truppe honoriert worden, dass zum einen eine schnelle Heimkehr zu den Familien und Angehörigen ermöglicht wurde und zum anderen noch ein Appell stattfinden wird. Das dazu.
Eine Anmerkung sei mir auch erlaubt: Wenn hochrangige Politiker vor Ort noch diese Zeremonie erweitert hätten, wäre natürlich die Frage gekommen, warum denn die Belange der Truppe nicht berücksichtigt wurden und ob die Truppe hier wieder als Kulisse missbraucht worden wäre. Ich glaube, die Entscheidung, den Belangen der Truppe hier zu entsprechen, ist genau so, wie sie getroffen worden ist, gut und richtig gewesen.
Die Ministerin äußert sich für ihren Verantwortungsbereich schon seit geraumer Zeit, was eine Würdigung des Einsatzes angeht. Ich erinnere daran, dass sie immer deutlich gemacht hat, wie stolz die Männer und Frauen sein können, dass sie jeden Auftrag, den sie vom Parlament für Afghanistan bekommen haben, auch erfüllt haben.
Natürlich wird es noch zu einer gesamtstaatlichen Evaluation kommen. Aber für den Anteil der Bundeswehr ist das ihre Würdigung. Das wird noch einmal bei dem zentralen Afghanistan-Appell am 31. August hier in Berlin Berücksichtigung finden.
ZUSATZFRAGE: Eine Nachfrage, Herr Collatz, weil Sie das jetzt betont haben: Ist es das normale Vorgehen, dass die politische Führung bei der Truppe nachfragt, was sie gerne hätte? Wenn die Politik und die Bundesregierung die Notwendigkeit gesehen hätten, durch die Anwesenheit ein politisches Zeichen zu setzen, dann hätte man das ja machen können. Offensichtlich hat man das nicht gesehen. Das ist ja die Debatte. Ist es normal, dass Sie vor politischen Entscheidungen in der Bundeswehr nachfragen, ob das dort so gewünscht wird?
COLLATZ: Ich sehe die politische Entscheidung nicht. Ich sehe auch nicht, wie die Wahrnehmung entstehen kann, dass die Truppe hier einen Mangel an Wahrnehmung fühlt. Im Gegenteil. Natürlich ‑ ich kann das auch aus eigener Heimkehrsituation aus Afghanistan feststellen ‑ wird gefragt: Wie soll es denn laufen? Dabei wird natürlich auch das Interesse der Truppe berücksichtigt.
Noch einmal: Selbstverständlich wird der Notwendigkeit einer Würdigung dieses zwanzigjährigen Einsatzes, der die Bundeswehr ja ganz wesentlich mitgeprägt hat, entsprochen. Das wird sortiert geschehen, unter Beteiligung aller Gruppen, die in den letzten zwanzig Jahren hier auch zu berücksichtigen sind, und nicht nur eines kleinen Teilkontingents, des letzten Kontingents. Wir haben insgesamt – das wissen Sie auch – etwa 160 000 Männer und Frauen in Afghanistan gehabt. Das muss Berücksichtigung finden; nicht die letzten Heimkehrer des letzten Kontingents.
FRAGE: Herr Collatz, Sie sagten eben, dass Ortskräfteverfahren sei so großzügig wie möglich ausgestaltet worden. Fällt es unter Ihre Vorstellung von Großzügigkeit, wenn seitens der Bundesregierung den Ortskräften keine Umzugsbeihilfe gewährt wird?
Frau Sasse, finden auch Sie, dass sich dieses Verfahren, sozusagen keine Unterstützung bei einem möglichen Wechsel nach Deutschland zu gewähren, bewährt hat?
COLLATZ: Was meinen Teil der Frage betrifft, haben wir hier schon deutlich gemacht, dass seitens des BMVg eine so großzügige Anwendung wie möglich gewünscht ist. Wir haben die Möglichkeiten in der gemeinsamen Diskussion erweitern können. Das ist meine Bewertung der Möglichkeiten.
SASSE: Ich möchte an dieser Stelle noch einmal etwas zurückweisen: Wir bemühen uns sehr darum ‑ das habe ich, glaube ich, deutlich genug gemacht ‑, die Ortskräfte, die betroffen sind, zu unterstützen. Herr Collatz hat ausgeführt, dass wir die Regelungen noch erweitert haben. Es gilt natürlich auch für das Auswärtige Amt, dass wir unterstützen und die Leute nicht alleine lassen.
ZUSATZ: Der Hintergrund der Frage ist ja folgender: Wenn man sagt „Wir unterstützen euch“, aber aufgrund der materiellen Verhältnisse, zu denen auch finanzielle gehören, Reisemöglichkeiten von Masar-e-Scharif nach Kabul nicht möglich sind, dann widerspricht sich das doch in sich selbst.
SASSE: Vielleicht noch einmal zum Verfahren: Die Visumserteilung steht ja erst am Ende des Verfahrens. Die Visumserteilung ‑ das hatten wir am Mittwoch dargestellt ‑ findet tatsächlich persönlich an der Botschaft in Kabul statt. Aber dem sind ja die Gefährdungsanzeigen vorgeschaltet. Ich hatte erläutert, dass die Gefährdungsanzeigen per Mail gestellt werden können und dass wir in Masar-e-Scharif eben diese Anlaufstelle zeitnah in Betrieb nehmen werden. Dafür, dass ich an dieser Stelle keinen genauen Zeitpunkt nennen kann, habe ich die Gründe dargestellt. Aber das ändert ja nichts daran, dass Gefährdungsanzeigen erst einmal gestellt werden müssen und dann in der entsprechenden Dringlichkeit von uns auch bearbeitet werden.
[…]
FRAGE: An das Verteidigungsministerium: Genau wie viele Bundeswehrsoldaten waren in Afghanistan im Einsatz? Es wurde immer eine Formulierung von mehr als 150 000 benutzt, aber es war auch von ungefähr 160 000 zu lesen. Können Sie das präzisieren oder verifizieren?
COLLATZ: Bisher haben wir 150 000 kommuniziert. Es waren jetzt aber noch ein paar Kontingente zu berücksichtigen. Da es natürlich auch Menschen gibt, die doppelt und dreifach im Einsatz waren, ist die Zählung nicht ganz einfach. Es wird also zwischen 150 000 und 160 000 gewesen sein. Ich glaube, näher kommen wir da nicht an die korrekte Zahl heran.