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Erklärungen des Auswärtigen Amts in der Regierungs­pressekonferenz vom 03.05.2021

03.05.2021 - Artikel

Veranstaltung zum Gedenken an das Ende der Besatzung der Niederlande durch das nationalsozialistische Deutschland

FRAGE: Herr Seibert, warum und mit welchen Zielen kommt die Bundeskanzlerin der Einladung zur Teilnahme am Befreiungstag der Niederlande am 5. Mai., 75 Jahre nach 1945, nach?

SEIBERT (BReg): Am Befreiungstag gedenken die Niederlande alljährlich des Endes der Besetzung und auch der Gräuel durch das nationalsozialistische Deutschland in den Niederlanden. Wenn eine deutsche Bundeskanzlerin zum Gedenken dieses wichtigen nationalen Feiertages in den Niederlanden eingeladen wird, dann ist das für Sie ‑ so empfindet es die Bundeskanzlerin ‑ eine besondere Ehre. Aber natürlich erinnert uns das auch erneut an die Verantwortung, in der wir alle hier in Deutschland stehen ‑ nicht die Schuld, aber die Verantwortung ‑, dafür, dass das, was an Verbrechen, an Gräueltaten im deutschen Namen in unseren Nachbarländern verübt wurde, nie in Vergessenheit gerät, dass wir die Verantwortung daran wachhalten und dass wir, auf diese Erinnerung aufbauend, unseren Beitrag zu einem friedlichen und gedeihlichen europäischen Miteinander leisten.

In diesem Sinne ist die Bundeskanzlerin dankbar für die Einladung durch den Ministerpräsidenten, und in diesem Sinne wird sie an dieser Veranstaltung teilnehmen. Besonders schön ist, dass sie nicht nur eine Rede hält, sondern dass sie auch die Gelegenheit hat, zusammen mit dem Ministerpräsidenten mit jungen Niederländern und Niederländerinnen über den Begriff der Freiheit zu diskutieren.

Truppenabzug aus Afghanistan

FRAGE: An das BMVg: Herr Helmbold, dieser Tage beginnt der Abzug aus Afghanistan. Das Thema der afghanischen Ortskräfte ist schon mehrfach angesprochen worden. Seit 14 Tagen ist die Frage offen, wie viele afghanische Ortskräfte die Bundeswehr seit Beginn des Einsatzes beschäftigt hat, wie viele von denen im Land verblieben sind und wie vielen von denen ein Angebot gemacht wurde, nach Deutschland zu kommen. Warum sind diese Zahlen so schwer zu ermitteln? Die Ministerin nimmt zu diesem Thema ja des Öfteren Stellung, so auch erst gestern im TV wieder.

HELMBOLD (BMVg): Auch hier haben wir uns dazu schon geäußert. Ich habe einmal auf die datenschutzrechtlichen Fragestellungen hingewiesen. Hinter jedem datenschutzrechtlichen Fall steckt natürlich der Schutz der Person, und das ist uns gerade bei Ortskräften besonders wichtig. Sie haben die Äußerung der Ministerin erwähnt: Der Ministerin ist es sehr, sehr wichtig, dass wir unserer Verantwortung gegenüber den Ortskräften gerecht werden; das hat sie wiederholt geäußert, zuletzt gestern. Auch auf die von Ihnen gestellte Fragen hat sie schon geantwortet, und zwar im Interview mit dem Deutschlandfunk, auf das ich Sie auch verweisen möchte.

ZUSATZFRAGE: Den Hinweis auf den Bereich Datenschutz verstehe ich in diesem Zusammenhang nicht. Es geht wirklich nur um die Anzahl und darum, dass man einen Eindruck bekommt, wie viele Mitarbeiter in dem Land verbleiben und möglicherweise einer Gefahr ausgesetzt sind. Falls Sie die Zahl parat haben ‑ Sie sind ja Pressesprecher ‑: Welche Zahl fiel da denn heute?

HELMBOLD: Bitte? Das habe ich nicht verstanden.

ZUSATZFRAGE: Welche Zahl wurde heute in dem Deutschlandfunk-Interview, auf das Sie verweisen, genannt?

HELMBOLD: Schauen Sie sich das Interview im Deutschlandfunk gerne an. Dort wurde eben keine spezifische Zahl genannt, und das wurde begründet mit dem Schutz. Wir wollen eben vermeiden, dass die Taliban die Möglichkeit haben, Listen abzuarbeiten, und wir auf diese Weise durch unsere Art der Berichterstattung hinterher tatsächlich noch eine zusätzliche Gefährdung verursachen.

FRAGE: Zu Afghanistan an das Innenministerium: Wenn jetzt einerseits die Zivilkräfte oder die Hilfskräfte, die die Bundeswehr hatte, nach Deutschland geholt werden, kommt dann umgekehrt auch ein Abschiebestopp für abgelehnte Asylbewerber nach Afghanistan zum Zuge? Denn in den letzten Wochen hat es ja immer noch neue Abschiebungen gegeben. Werden die jetzt gestoppt oder werden die weitergeführt?

LAMMERT (BMI): Vielen Dank für die Frage. ‑ Der Grundsatz des Innenministeriums für Abschiebungen nach Afghanistan bleibt unverändert: Rückführungen sind unter Berücksichtigung des aktuellen Lagebilds des Auswärtigen Amtes grundsätzlich weiterhin möglich. Das BAMF beobachtet die Lage, aktualisiert asylrelevante Lagebewertungen laufend und berücksichtigt all das bei seinen Entscheidungen. Jeder Einzelfall wird sorgfältig geprüft und unter Berücksichtigung aller Umstände entschieden. Auch im Asylverfahren ist es ja so, dass das BAMF in jedem Einzelfall sorgfältig prüft, ob Anspruch auf Schutz in Deutschland besteht. Es gilt also weiterhin der Grundsatz, dass sich keine pauschalen Aussagen über die Gefährdung Einzelner in Afghanistan treffen lassen. Vielmehr muss die individuelle Bedrohung unter Berücksichtigung regionaler und lokaler Gegebenheiten sowie unter Einbeziehung sämtlicher individueller Aspekte ‑ das heißt im Einzelfall also: Wohnort, Herkunft, ethnische Zugehörigkeit ‑ bewertet werden.

ZUSATZFRAGE: An das Auswärtige Amt: Wird der Lagebericht möglicherweise aufgrund des Abzugs angepasst?

ADEBAHR (AA): Das wäre mir nicht bekannt, das kann ich hier im Moment nicht mitteilen. Falls ich darüber noch etwas mitzuteilen habe, dann reiche ich das nach.

FRAGE: Herr Helmbold, wann können wir denn mit den Zahlen endlich rechnen? Das kann ja nicht so lange dauern.

Herr Seibert, unterstützt die Kanzlerin Abschiebungen nach Afghanistan, wenn jetzt die westlichen Armeen abziehen und ein Bürgerkrieg und Angriffe von Taliban drohen?

HELMBOLD: Ich beginne einmal mit den Zahlen: Die Zahlen können wir dann liefern, wenn wir dadurch, dass wir sie Ihnen zur Verfügung stellen, nicht noch afghanische Ortskräfte in Gefahr bringen.

SEIBERT (BReg): Die bisherige Praxis, nach Afghanistan abzuschieben, ist eine Praxis, die die gesamte Bundesregierung teilt. Wir werden die Situation aber natürlich weiterhin sehr genau verfolgen und daraus dann wiederum die nötigen Schlüsse ziehen. Da will ich mich jetzt aber nicht auf Spekulationen mit Ihnen einlassen.

FRAGE: Das BMVg hatte ja in der Vergangenheit von 300 gesprochen. Das war eine sehr konkrete Zahl. Warum steckte in der Zahl keine Gefährdung, in der anderen Zahl dann aber doch? Mitunter demonstrieren die Afghanen ja auch sehr offen vor dem Camp in Masar-e Scharif, also sind sie auch sichtbar und setzen sich auch einer Gefährdung aus, weil sie bisher nicht nach Deutschland geholt wurden.

HELMBOLD: Das bezieht sich auf einen Teil der Ortskräfte vor Ort. Es muss dann natürlich jeder für sich selbst entscheiden, welcher Gefährdung er sich vor Ort aussetzt. Uns ist einfach wichtig, dass wir die Gefährdung nicht noch zusätzlich anheizen, und uns ist es wichtig, dass wir unserer Verantwortung gerecht werden. Dazu haben wir genug gesagt, und weitere Ergänzungen habe ich im Moment für Sie nicht.

Reise des Bundesaußenministers zum Treffen der G7-Außenminister in London

ADEBAHR (AA): Ich möchte Ihnen gerne ankündigen, dass Außenminister Maas heute zu einem dreitägigen Treffen der G7-Außenminister nach London reisen wird. Dieses Format findet erstmals seit 2018 wieder in vollständiger Besetzung und physisch statt. 2019 war der amerikanische Außenminister Pompeo nicht anwesend, ab 2020 war es virtuell. An dem Treffen werden am Mittwoch zudem die Entwicklungsministerinnen und ‑minister der G7-Staaten teilnehmen. Herr Bundesminister Müller wird virtuell an dem Treffen teilnehmen.

Die Reise und die Inhalte, die in London auf der Agenda stehen, können Sie dem Abflugstatement entnehmen, das wir für den Minister gerade schon veröffentlicht haben. Es ist auch ein großes Kommuniqué über die Themen in Arbeit. Das ist eine große Tour d'Horizon, von COVID über Klima bis hin zu Desinformation. Weltweite politische Fragen ‑ besonders auch die Bekämpfung der COVID-Krise ‑ wirtschaftliche Fragen, offener Handel und Klimafragen werden die Agenda bestimmen. Auf Einladung der britischen Regierung wird der Kreis bei diesem Treffen auch erweitert um die Außenminister weiterer Teilnehmerstaaten besonders aus dem asiatischen Raum, genauer gesagt aus Australien, Korea und Indien. Aber auch Südafrika wird dieses Mal an dem Treffen teilnehmen.

FRAGE: Frau Adebahr, der britische Außenminister hat als Ziel dieses G7-Außenministertreffens erklärt, dass es ihm vor allem um eine Allianz gegen Länder wie Russland und China gehe. Ist das auch das Ziel, das der deutsche Außenminister mitbringt?

Eine organisatorische Frage ‑ ich weiß nicht, ob Sie die beantworten können ‑: Nun stellt sich ja gerade mit dem indischen Außenminister möglicherweise die Frage nach Coronasicherheit. Wird der auch anreisen und physisch teilnehmen, oder ist der virtuell zugeschaltet?

ADEBAHR: Mein Verständnis ist, dass er physisch anreist. Insofern sind die britischen Kollegen bei diesem Treffen sicherlich um höchste Hygiene- und COVID-Standards bemüht.

Zu Ihrer ersten Frage: Ich persönlich habe Herrn Raab so verstanden, dass es ihm auch besonders darum geht, eine verstärkte Kooperation zwischen den G7-Staaten ins Leben zu rufen, um mit ausländischer Desinformation umzugehen ‑ also ein wenig konkreter als die allgemeine Formulierung, die Sie gerade gebraucht haben. Das ist eine Initiative von Außenminister Raab, die wir sehr begrüßen; denn wir haben im G7-Kreis ja bereits seit 2018 ‑ das war die kanadische Präsidentschaft ‑ den Rapid Response Mechanism ins Leben gerufen, den wir jetzt nach einer gewissen Pause wieder revitalisieren und aktivieren wollen. Dieser Mechanismus arbeitet auch eng mit dem europäischen Mechanismus, dem Rapid Alert System im Bereich der strategischen Kommunikation der EU, der StratCom, zusammen. Das sind gute Initiativen, um beispielsweise Desinformationskampagnen und Fake News, egal aus welcher Richtung sie kommen, zu begegnen. Wir begrüßen sehr, dass das Thema auf der Agenda in London sein wird.

Mutmaßliche Anschläge russischer Geheimdienste in Europa

FRAGE: Zu den Vorgängen in der Republik Tschechien und auch in Bulgarien: Nach den Anschlägen von Salisbury 2018 auf Sergei Skripal und seine Tochter hat Deutschland Diplomaten ausgewiesen. Jetzt hat sich herausgestellt, dass der russische GRU mutmaßlich verantwortlich ist für die Anschläge in der Republik Tschechien, bei denen immerhin zwei Menschen ums Leben kamen, und mutmaßlich auch verantwortlich ist für die Anschläge auf die Waffendepots und die Munitionslager in Bulgarien sowie einen Nowitschokanschlag auf den entsprechenden Waffenhändler, der damals die Waffen an die Ukraine liefern wollte. Welche diplomatischen Konsequenzen zieht Deutschland aus diesen Anschlägen? Es ist ja schon ein bisschen her, dass das bekannt geworden ist. Bisher gibt es keine Konsequenzen, keine Ausweisungen, gar nichts.

ADEBAHR (AA): Das stimmt so nicht. Ich verweise Sie gerne auf mehrere Äußerungen des Bundesaußenministers, der kürzlich, auch in einer der letzten Pressekonferenzen ‑ wir können das gerne auch noch einmal schriftlich nachreichen ‑ gesagt hat: Wir haben uns auf EU-Ebene zu diesem Sachverhalt geäußert und wir haben uns mit Tschechien solidarisch erklärt. Ganz besonders Deutschland ‑ das hat der Außenminister mehrfach ausgeführt ‑ sieht diese Solidaritätsbekundung auch darin, dass wir helfen, die Arbeitsfähigkeit der tschechischen Botschaft in Moskau sicherzustellen, die aufgrund der Vorgänge leidet, also sicherzustellen, dass die Tschechen in Moskau mit ihrer Botschaft ihrer diplomatischen Aufgabe vollumfänglich nachgehen können. Dazu gibt es Gespräche zwischen unserer Botschaft und der tschechischen Botschaft, um zu schauen, wie wir da unter die Arme greifen können, um Tschechien dort eben politisch-diplomatisch in die Lage zu versetzen, weiter eine, wie wir finden, wichtige Arbeit zu tun. Das ist das, was Deutschland dort im Moment tut.

ZUSATZFRAGE: Jetzt habe ich Ihnen zugehört, aber von Konsequenzen habe ich in dem, was Sie gerade gesagt haben, nichts gefunden. Die Solidarität ist ja unter EU- und unter NATO-Partnern selbstverständlich; dass man einer Botschaft, die in Not gerät, hilft, auch. Aber das ist ja keine Konsequenz gegenüber Russland. Sind da Konsequenzen geplant?

ADEBAHR: Das ist Ihre Wertung. Wir zeigen uns solidarisch, äußern das ganz klar politisch, und als Konsequenz helfen wir auch ganz praktisch der tschechischen Botschaft in Moskau.

Bericht von Human Rights Watch zum Umgang Israels mit Palästina

FRAGE: An das AA: Es geht um den Bericht von Human Rights Watch zu Israel und Palästina, der in der letzten Woche herausgekommen ist. Human Rights Watch hat festgestellt, dass die israelischen Behörden Verbrechen gegen die Menschlichkeit begehen, nämlich Apartheid und Verfolgung. Sie konnten uns zu dem Bericht aber noch keine Einschätzung geben. Was sagen eigentlich das Auswärtige Amt und die Kanzlerin zu dem Bericht, Herr Seibert?

SEIBERT (BReg): Ich fange vielleicht einmal an. Wir haben als Bundesregierung die Veröffentlichung dieses Berichtes von Human Rights Watch zur Kenntnis genommen. Ich will nur so viel sagen: Die in dem Bericht vertretene Auffassung, Israel begehe das Völkerrechtsverbrechen der Apartheid, macht sich die Bundesregierung ausdrücklich nicht zu eigen.

ZUSATZFRAGE: Warum?

SEIBERT: Weil wir das nicht für eine richtige Bewertung halten.

ZUSATZFRAGE: Die andere Bewertung von Human Rights Watch ist Verfolgung. Das ist ja auch ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit. Das machen Sie sich zu eigen, wenn Sie Apartheid ablehnen.

SEIBERT: Hier sind vor allem völkerrechtliche Fragen berührt, die vielleicht auch das Auswärtige Amt beantworten sollte.

Nur so viel: Der Bericht geht von einem einzigen Rechtsraum zwischen Mittelmeer und dem Jordan aus, also quasi einem Ein-Staaten-Regime. Das ist explizit nicht die rechtliche Auffassung der Bundesregierung. Ich will jetzt mehr dazu nicht sagen, weil das wirklich tief ins Völkerrechtliche reicht und da vielleicht das Auswärtige Amt befugter ist.

ADEBAHR (AA): Wir können ja auch noch zu anderen Besatzungsfragen kommen.

Es gelten also dort, wie Herr Seibert gerade schon gesagt hat, die Schutzbestimmungen des humanitären Völkerrechts und insbesondere die der Vierten Genfer Konvention. Diese Verpflichtungen sind zu beachten. Die Bundesregierung setzt sich gegenüber Israel auch durchgängig dafür ein.

Politisch sind wir unverändert der Auffassung, dass eine verhandelte Zweistaatenlösung zwischen Israel und den Palästinensern geeignet ist, um dauerhaft Frieden und Würde und die Verwirklichung der Menschenrechte für Israelis und Palästinenser gleichermaßen zu verwirklichen. Auch dafür setzen wir uns ein.

Das vielleicht noch einmal zur politischen, völkerrechtlichen Einordnung.

Zum Apartheidsvorwurf und zum Verfolgungsvorwurf hat Herr Seibert gesagt, was dazu zu sagen ist.

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