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Erklärungen des Auswärtigen Amts in der Regierungs­pressekonferenz vom 07.04.2021

07.04.2021 - Artikel

Lage in der Ostukraine

FRAGE: An Herrn Burger und an Frau Demmer: Wie beunruhigt sind der Bundesaußenminister und die Bundeskanzlerin über die Lage in der Ostukraine. Es gibt ja Berichte über russische und ukrainische Truppenaufmärsche und Verstöße gegen die Waffenruhe.

DEMMER (BReg): Vielleicht mache ich kurz den Anfang. ‑ Wie Sie wissen, haben sich in den vergangenen Tagen die NATO, die EU und viele Partner besorgt über die russischen Truppenverstärkungen geäußert. Die Bundesregierung teilt diese Sorge und hat dies auch Moskau mitgeteilt. In einer am Samstag, dem 3. April, veröffentlichten Erklärung des Auswärtigen Amts und des Quai d'Orsay heißt es:

„Deutschland und Frankreich sind besorgt über die steigende Zahl der Waffenstillstandsverletzungen, nachdem sich die Situation in der Ostukraine seit Juli 2020 stabilisiert hatte. Wir beobachten die Situation, insbesondere die Bewegungen russischer Truppen, sehr aufmerksam und rufen die Parteien zur Zurückhaltung und sofortigen Deeskalation auf.“

ZUSATZFRAGE: Inwiefern stellt sich die Frage möglicher zusätzlicher Sanktionen?

BURGER (AA): Ich habe vielleicht erst noch einmal den Verweis auf eine Äußerung des Außenministers gestern in einer großen deutschen Tageszeitung hinzuzufügen, wo er auch noch einmal unterstrichen hat, dass wir die Entwicklung dort genau im Blick haben und dazu auch mit den Partnern in den letzten Tagen in intensivem Kontakt waren. Er hat auch darauf hingewiesen, dass wir ganz fest zur territorialen Integrität der Ukraine stehen und das natürlich auch in den Gesprächen mit der ukrainischen Seite zum Ausdruck gebracht haben.

Insofern geht es jetzt aus unserer Sicht in erster Linie darum, dass es Schritte zur Deeskalation gibt. Die unterstützen wir und sind wir bereit zu unterstützen ‑ in den Formaten, die wir dafür geschaffen haben. Das ist einerseits das Normandie-Format, und das ist zum anderen die ganz wichtige Funktion der OSZE-Beobachtungsmission SMM, die ja den Auftrag hat, dort Transparenz herzustellen. Aus unserer Sicht ist es gerade in einer solchen Phase ganz entscheidend, dass die SMM sich dort frei bewegen kann und dass die Einschränkung der Bewegungsfreiheit der SMM in den nicht regierungskontrollierten Gebieten beendet wird, damit sie ihre Aufgabe im Einklang mit ihrem Mandat erfüllen kann.

FRAGE: Ich weiß nicht, ob an Frau Demmer oder Herrn Burger: Der ukrainische Präsident hat gestern gesagt, dass die Spannungen überhaupt nur aufhören, wenn die Ukraine in die NATO aufgenommen wird. Deswegen hätte ich von Ihnen ganz gerne gewusst, ob Sie einen ukrainischen NATO-Beitritt befürworten würden. Sind Verhandlungen darüber jetzt hilfreich oder nicht?

DEMMER: Deutschland unterstützt ebenso wie die EU und die NATO-Partner die Souveränität und die territoriale Integrität der Ukraine. Das hat für die NATO zuletzt auch noch einmal Generalsekretär Jens Stoltenberg in einem Telefonat mit Präsident Selensky am Dienstag ausdrücklich unterstrichen.

Wie für alle NATO-Mitgliedstaaten gilt auch für Deutschland: Die Ukraine ist ein geschätzter und langjähriger Partner der NATO. Erst im vergangenen Jahr wurde der Ukraine der Status als Enhanced Opportunities Partner zuerkannt. Das markiert also eine besonders enge Partnerschaft. Wie Sie wissen, verfolgt die NATO bei der Aufnahme neuer Mitglieder grundsätzlich eine Politik der offenen Tür. Die Ukraine hat das Recht der freien Wahl ihrer politischen Bedürfnisse. Allerdings stehen weitere Schritte hin zu einer Mitgliedschaft derzeit nicht an.

FRAGE: An das Auswärtige Amt: Die ukrainische Seite hat erklärt, sie akzeptiere die Stadt Minsk nicht mehr als Standort für die Verhandlungen zur Lage in der Ostukraine. Wie bewertet die Bundesregierung diese Erklärung? Welche alternativen Standorte kommen infrage? Sind Berlin oder Wien als Standorte vorstellbar?

BURGER: Ich habe diese Äußerung in den Medien gesehen. Ich möchte das an dieser Stelle nicht kommentieren oder über weitere Schritte spekulieren.

FRAGE: Herr Burger, Anfang letzten Jahres, als es ebenfalls Unruhen im Grenzgebiet gegeben hat, hat der Bundesaußenminister erklärt, man müsse, um so etwas künftig zu verhindern, eigentlich zu einer konsequenten Umsetzung des Minsker Abkommens kommen. Könnten Sie uns noch einmal auf den Stand bringen? Wie weit sind die Verhandlungen gediehen, damit solche Situationen zukünftig nicht noch einmal vorkommen?

BURGER: Ja, ganz genau das ist aus unserer Sicht der Prozess, der dazu geschaffen wurde und der auch der von beiden Seiten akzeptierte Prozess ist, um zu einer friedlichen Lösung der Lage in der Ostukraine zu kommen. Zu diesem Zweck finden auch weiterhin und regelmäßig Verhandlungen statt. Auch der Außenminister hat immer wieder mit seinem russischen Amtskollegen telefoniert, um zu Fortschritten bei der Umsetzung zu kommen, gerade auch in Bezug auf die Schlussfolgerungen des Normandie-Gipfels von Paris. Ich kann dazu auch sagen, dass wir Russland wiederholt zu Gesprächen im Normandie-Format auf Ebene der Außenminister aufgefordert haben, weil die Pariser Gipfelschlussfolgerungen ja auch eine aktive Rolle der Außenministerien vorsehen.

ZUSATZFRAGE: Darf ich aus der Lage an der ukrainisch-russischen Grenze umgekehrt schlussfolgern, dass die Minsker Gespräche keinen Fortschritt erbringen, eher im Gegenteil?

BURGER: Ich glaube, wir alle können aus der Lage folgern, dass die Fortschritte bei der Umsetzung der Minsker Vereinbarung jedenfalls nicht so weit gediehen sind, dass wir damit zufrieden sein könnten.

FRAGE: Wird die Bundeskanzlerin die Initiative ergreifen und gemeinsam mit anderen westlichen Partnern wie den USA und Frankreich gegenüber Präsident Putin ihre Haltung deutlich machen?

DEMMER: Ich habe es ja eben schon gesagt. Die Bundesregierung hat ihre Haltung deutlich zum Ausdruck gebracht. Selbstverständlich gibt es, wie ja auch Herr Burger gerade gesagt hat, hinsichtlich dieses Themas auf allen Ebenen Kontakte.

Menschenrechtssituation in den Vereinigten Arabischen Emiraten

FRAGE: Herr Burger, es gibt Kritik vonseiten der Grünenfraktion an der Situation der Menschenrechte in den Vereinigten Arabischen Emiraten. Es gibt auch eine Kleine Anfrage mit mehreren Fragen an Ihr Haus. Wie bewertet die Bundesregierung die aktuelle Menschenrechtssituation in den Vereinigten Arabischen Emiraten, speziell, was die Pressefreiheit, die Meinungsfreiheit und die Versammlungsfreiheit betrifft? Welche Anstrengungen unternimmt die Bundesregierung zur Verbesserung der Menschenrechtslage in dem Land?

BURGER (AA): Mir liegt die Anfrage bzw. die Kritik, auf die Sie sich beziehen, nicht vor. Ich glaube, um jetzt nicht sozusagen am Kern eines Themas vorbeizureden, den Sie vielleicht ganz konkret im Kopf haben, möchte ich diese Antwort gerne nachreichen, einfach deshalb, um auch wirklich auf das eingehen zu können, was Sie interessiert.

Medienberichte über ein geplantes Zwei-plus-Zwei-Treffen zwischen Deutschland und Japan

FRAGE: Wird am 14. April erstmals ein Zwei-plus-Zwei-Treffen zwischen Deutschland und Japan stattfinden? Wird das möglicherweise virtuell der Fall sein? Können Sie Angaben zur Agenda machen?

BURGER (AA): Ich muss an dieser Stelle um Verständnis dafür bitten, dass ich hier und heute noch keine Terminankündigung zu machen habe. Es ist richtig, dass wir mit Japan vereinbart haben, unseren Dialog über außen- und sicherheitspolitische Fragen zu intensivieren. Wir werden Sie darüber gerne in den nächsten Tagen auf dem Laufenden halten.

Tagung der Joint Commission der JCPOA-Teilnehmer

FRAGE: Herr Burger, ich hätte gerne eine Einschätzung, was die gestrigen Gespräche in Wien betrifft. Wie bewertet Ihr Haus die Gespräche? Gab es dabei Fortschritte? Wie sehen Sie die Prospekte für eine (akustisch unverständlich) zwischen den USA und Iran?

BURGER (AA): Sie haben gesehen, dass die sogenannte Joint Commission der JCPOA-Teilnehmer am Karfreitag virtuell und gestern Nachmittag dann auch noch einmal physisch auf Ebene der Politischen Direktoren bzw. der Vizeaußenminister in Wien getagt hat. Dort haben sich alle JCPOA-Teilnehmer dazu bereit erklärt, eine vollständige Rückkehr der USA in die Vereinbarung zu unterstützen. Genau darauf arbeiten wir jetzt in den konkreten Gesprächen hin, die seit gestern Abend ebenfalls in Wien auf Expertenebene fortgesetzt werden. Der Außenminister hat sich am Wochenende auch dazu geäußert und das sehr begrüßt. Er hat auch darauf hingewiesen, dass ein wieder vollumfänglich respektiertes Abkommen ein Plus an Sicherheit für die ganze Region und auch die beste Grundlage für Gespräche über andere wichtige Fragen der regionalen Stabilität wäre.

Es ist also aus unserer Sicht positiv, dass sowohl die USA als auch Iran grundsätzlich die Bereitschaft signalisiert haben, das JCPOA wieder vollständig umzusetzen. Dazu muss Iran seine nukleartechnischen Verpflichtungen wieder einhalten, und die USA müssen wie im JCPOA vorgesehen Sanktionen in einem bestimmten Umfang wieder abbauen. Der mögliche Umfang dieser Schritte und die genaue Schrittfolge sind schon seit geraumer Zeit Gegenstand von intensiven diplomatischen Gesprächen, und daran wird jetzt auch in Wien gearbeitet. Ganz wichtig ist aus unserer Sicht, dass keiner der beteiligten Staaten während der laufenden Gespräche weitere eskalatorische Schritte unternimmt. Das haben die E3 bereits im Vorfeld bekräftigt.

Ich kann sagen, dass sich aus unserer Sicht aktuell alle Delegationen konstruktiv verhalten. Es gibt aus unserer Sicht eine reale Chance dafür, das JCPOA zu bewahren und eine Rückkehr der USA in die Vereinbarung zu erreichen. Dabei werden uns jetzt aber Maximalforderungen nicht weiter bringen, sondern technischer Sachverstand und Kompromissbereitschaft sind jetzt am meisten gefragt. Es steht uns harte Arbeit bevor.

ZUSATZFRAGE: Die Frage war, ob Sie direkte Gespräche als hilfreich ansehen. Sollte es direkte Gespräche geben, oder glauben Sie, dass dieser Weg so okay ist?

BURGER: Sie haben es mitbekommen: Der Modus, auf den man sich im Moment verständigt hat, ist, dass diese Gespräche im Format der JCPOA-Teilnehmer geführt werden und dass sich gleichzeitig eine US-Delegation vor Ort in Wien befindet, die iranische Seite diese im Moment aber nicht treffen möchte. Deshalb vermitteln die JCPOA-Teilnehmer zwischen den beiden Delegationen. Das ist der Weg, auf den sich im Moment alle Seiten verständigen konnten.

Situation von Alexej Nawalny

FRAGE: Wie bewerten Sie die Situation von Alexej Nawalny in russischer Haft? Gibt es Kontakte auf diplomatischer Ebene bezüglich seines Gesundheitszustandes und eines eventuellen Besuchs deutscher Ärzte bei ihm?

BURGER (AA): Ich kann Ihnen sagen, dass die Berichte über einen verschlechterten Gesundheitszustand von Herrn Nawalny aus Sicht der Bundesregierung sehr beunruhigend sind. Herr Nawalny wurde vor sieben Monaten in Russland mit einer Chemiewaffe vergiftet und ist jetzt widerrechtlich und im Widerspruch zu einer Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte in einem Straflager inhaftiert. Unsere Erwartung ist ganz klar, dass Herr Nawalny freizulassen ist. Das ist eine internationale Verpflichtung Russlands im Rahmen des Europarats und im Rahmen seiner Verpflichtungen, die es im Rahmen der Europäischen Menschenrechtskonvention eingegangen ist. Deshalb ist die Haft zu beenden. Insofern möchte ich an dieser Stelle jetzt auch keine weitere Bewertung der Haftzustände vornehmen.

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