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Erklärungen des Auswärtigen Amts in der Regierungs­pressekonferenz vom 18.01.2021

18.01.2021 - Artikel

Verhaftung von Alexej Nawalny in Moskau

SEIBERT (BReg): Meine Damen und Herren, guten Tag! Bevor ich tatsächlich zum Thema Corona komme, möchte ich gerne namens der Bundesregierung etwas zu dem sagen, was Alexej Nawalny gestern und heute in Moskau durch die russischen Behörden widerfahren ist. Die Bundesregierung verurteilt die Verhaftung von Herrn Nawalny unmittelbar nach seiner freiwilligen Rückkehr in seine russische Heimat.

Das Urteil, dessen Bewährungsauflagen die Grundlage für diese Verhaftung sein sollen ‑ daran muss man erinnern ‑, ist vom Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte 2017 als willkürlich eingestuft worden, und Russland ist damals zur Zahlung einer Entschädigung an Herrn Nawalny und an seinen Bruder verurteilt worden. Herrn Nawalny die Verletzung von Bewährungsauflagen aus einem willkürlichen Urteil vorzuwerfen, verstößt gegen rechtsstaatliche Prinzipien.

Im Übrigen, wie Sie alle wissen, hielt sich Herr Nawalny seit dem Mordanschlag mithilfe von chemischen Kampfstoffen gegen ihn, also seit seiner Vergiftung mit einem militärischen Nervengift in Russland im vergangenen August, hier in Deutschland zur Rekonvaleszenz auf. Es ist völlig unhaltbar, Herrn Nawalny für diesen Zeitraum die Verletzung von Bewährungsauflagen vorzuwerfen. Es ist außerdem zu missbilligen, dass die richterliche Anhörung heute Vormittag in der Sache äußerst kurzfristig und auf der Polizeistation stattfand.

Die russischen Behörden haben das Opfer eines Mordanschlags mit C-Waffen verhaftet, nicht die Täter. Die Bundesregierung ruft die russische Regierung daher nachdrücklich dazu auf, erstens Herrn Nawalny unverzüglich freizulassen und zweitens die Umstände des Chemiewaffenangriffs auf russischem Boden vollumfänglich aufzuklären. Russland verfügt dafür über alles Notwendige.

FRAGE: Herr Seibert, erwägen die Bundesregierung oder die Bundeskanzlerin im Zusammenhang mit den Vorgängen um Herrn Nawalny auf europäischer Ebene einen Vorstoß für schärfere Sanktionen gegen Russland?

SEIBERT: Zum Thema der Beratungen bzw. Konsultationen mit unseren europäischen Freunden kann sicherlich auch die Kollegin aus dem Auswärtigen Amt einiges beitragen. Es wird ja dazu auch eine europäische Erklärung geben. Verschiedene europäische Funktionsträger haben sich gestern Abend oder heute Morgen schon geäußert. Das heißt natürlich, da das ja kein bilaterales deutsch-russisches Thema ist, sondern ein Thema, an dem alle europäischen Mitgliedstaaten ein gleiches, großes Interesse haben, werden wir über die gesamte Causa Nawalny, den Umgang der Behörden mit ihm und diese aus unserer Sicht zu verurteilende Verhaftung auch mit unseren europäischen Partnern sprechen.

ZUSATZFRAGE: Die Frage war ja, ob die Bundeskanzlerin eine Verhängung von zusätzlichen Sanktionen in solchen Gesprächen befürworten würde. Erwägt die Kanzlerin möglicherweise ein kurzfristiges Telefonat mit Herrn Putin zu dem Fall?

SEIBERT: Über Telefonate berichte ich, falls und wenn sie stattgefunden haben. Über die europäischen Konsultationen, die natürlich im Gange sind und auch noch folgen werden, kann ich hier nichts weiter berichten.

ZUSATZ: Es ging mir nicht um die europäische Haltung, sondern um die Haltung der Kanzlerin dazu, wie sie zu den zusätzlichen Sanktionen steht.

SEIBERT: Ich habe dazu das gesagt, was ich heute zu sagen habe.

FRAGE: Herr Seibert, ich probiere es auch noch einmal. Die Kanzlerin hatte ja mit dem russischen Präsidenten, wenn ich mich nicht täusche, telefoniert, um Herrn Nawalny nach Deutschland in die Charité zu bekommen. Plant sie denn nicht, da sie schon so einen schönen Draht zu dem russischen Präsidenten hat, ihn einmal anzurufen, um jetzt die Freilassung von Herrn Nawalny zu erreichen?

SEIBERT: Sie haben mich doch gerade ‑ ich denke, sehr deutlich ‑ die unverzügliche Freilassung von Herrn Nawalny fordern hören, und zwar im Namen der Bundeskanzlerin und der Bundesregierung.

Im Übrigen verweise ich hinsichtlich Telefonaten ‑ seien sie geplant oder nicht ‑ auf das, was ich Ihrem Kollegen von der dpa gerade gesagt habe.

FRAGE: Herr Seibert, ich muss in dem Zusammenhang jetzt doch noch einmal auf Julian Assange zu sprechen kommen. Er ist ja sozusagen als Washington-Kritiker bekannt geworden. Er ist jetzt seit 648 Tagen, meine ich, in Haft. Das Urteil gegen ihn basierte ja auch auf dem angeblichen Verstoß gegen Bewährungsauflagen. Warum ist die Bundesregierung in diesem Fall nicht ebenso vehement für seine Freilassung eingetreten?

SEIBERT: Ich verstehe, dass es Ihrem Sender wichtig sein muss, von dem Fall Nawalny abzulenken. Wir betrachten aber hier den Fall Nawalny. Zum Fall Assange hatten wir anlässlich des Urteils in London vor Kurzem ja ausführlich Gelegenheit, hier noch einmal die Haltung der Bundesregierung darzulegen. Das, glaube ich, ist heute nicht notwendig. Hier geht es darum, dass wir klar verurteilen, wie die russischen Behörden mit Herrn Nawalny nach seiner Rückkehr nach Moskau umgegangen sind.

ZUSATZ: „Dieser Sender, für den Sie arbeiten“ – das klingt wie ein Déjà-vu-Erlebnis! Ich halte das eher für einen sozusagen einordnenden Vergleich. Ich glaube schon, dass die Frage danach legitim ist, warum sich die Bundesregierung in diesem Fall ja eben nicht mit dieser Vehemenz für eine Freilassung einsetzte, obwohl ja der Sachverhalt so war, dass es um den angeblichen Verstoß gegen Bewährungsauflagen gehen sollte. Ich verstehe jetzt nicht ganz, inwiefern diese Frage illegitim sein sollte.

SEIBERT: Ich habe nicht von Illegitimität gesprochen. Ich habe die Motivation hinter der Frage aus meiner Sicht beurteilt.

Wir haben hier ausführlich über Julian Assange gesprochen, gerade wieder zuletzt, nachdem in London über seine mögliche Auslieferung in die USA verhandelt wurde. Dazu hat sich das Auswärtige Amt geäußert. Das können Sie alles in den Protokollen der vergangenen Woche nachlesen. Einen Zusammenhang mit dem Fall Alexej Nawalny und dem, was diesem Opfer eines versuchten Mordanschlags gestern und heute in seiner Heimat Russland durch die Behörden widerfahren ist, sehe ich nicht.

ADEBAHR (AA): Wenn ich da kurz etwas anfügen darf: Julian Assange ist meiner Kenntnis nach aufgrund der Anklageschrift des US-Justizministeriums in Haft, und die lautet auf Geheimnisverrat und Spionage. Es geht also nicht um einen Verstoß gegen Kautionsauflagen; denn diese Haft hatte er bis Ende September 2019 verbüßt. Das können Sie natürlich selbst bewerten. Aber zu dem Grund, den Sie hier anführen, dass das das Gleiche sei: Das ist juristisch nicht der Fall.

FRAGE: Herr Seibert, das war ja sozusagen eine Verhaftung mit Ansage. Alle Beteiligten und auch Herr Nawalny wussten vorher, dass ihm das so drohen würde. Gab es Beratungen oder Gespräche zwischen der Regierung, Institutionen bzw. deutschen Behörden und Herrn Nawalny oder seinem Team darüber, wie in einem solchen Fall zu verfahren ist und ob es irgendeine Form von Unterstützung oder Beratung geben könnte?

Zum Zweiten, Frau Adebahr: Haben Sie Kenntnis darüber, wie sich das eigentlich genau abspielte? Wir wissen ja bislang nur, dass Herr Nawalny kurz nach der Ankunft in Moskau verhaftet wurde. Dann hieß es, er sei verschwunden und heute vor einem Gericht aufgetaucht. Haben Sie Kenntnis darüber, was in der Zwischenzeit geschehen ist und wo sich Herr Nawalny aufgehalten hat?

SEIBERT: Ich kann dazu nur sagen: Herr Nawalny ist in seinen Entscheidungen frei, auch in der Entscheidung, in seine Heimat Russland zurückzukehren, wo er, wie er gesagt hat, seinen Lebensmittelpunkt und auch den Mittelpunkt seiner politischen Arbeit sieht.

ADEBAHR: Wir wissen im Moment auch nur das, was man über die diversen Twitter-Livestreams und durch die Unterstützer von Herrn Nawalny auch im Internet öffentlich sehen konnte. Ausweislich dieses Twitter-Streams ‑ so hatte ich es wahrgenommen ‑ fand das Gespräch auf einer Polizeistation statt. Insofern sind das die Informationen, die uns auch vorliegen.

ZUSATZFRAGE: Dass Herr Nawalny in seiner Entscheidung frei ist, zieht ja niemand in Zweifel. Die Frage war konkret, ob es vor dem Rückflug Gespräche zwischen Herrn Nawalny und der Regierung oder Regierungsinstitutionen gab, in denen das Drohende diskutiert wurde.

SEIBERT: Mir sind solche Gespräche nicht bekannt. Herr Nawalny hat ja öffentlich begründet, warum er auch angesichts gewisser Risiken und angesichts von Erwartungen, die man gegenüber den russischen Behörden leider haben musste, trotzdem in seine Heimat zurückgekehrt ist.

[…]

FRAGE: Herr Seibert, ich habe gestern mit diversen russischen Oppositionellen gesprochen, unter anderem mit Alfred Koch, dem früheren Vizeregierungschef. Die sagen, die Bundesregierung bzw. die EU hätten viel zu wenige Zeichen nach der Vergiftung gesetzt. Die sagen: Wenn man da wirklich einschneidende Schritte gemacht hätte, dann hätte sich die Regierung in Russland das jetzt nicht getraut. Sie befürchten, dass es sogar wieder zu einer Tötung Nawalnys kommen wird. Wie stehen Sie zu solchen Vorwürfen? Was waren konkret die Schritte, die dem Kreml nach der Vergiftung wehgetan haben?

SEIBERT: Sie halten mir jetzt Elemente aus Gesprächen vor, die Sie geführt haben und die ich hier natürlich nicht kommentieren kann, weil ich diese Aussagen gar nicht kenne.

Die Bundesregierung hat sehr klar vom ersten Tag an Stellung zu dem Charakter dieses Angriffs genommen, nachdem unsere Labore wie auch internationale Labore einwandfrei und ohne Zweifel bekräftigt und bestätigt haben, dass es sich um einen chemischen Nervenkampfstoff aus der Nowitschok-Gruppe handelte. Dazu haben wir sehr klar Stellung genommen. Wir haben von Anfang an die russische Seite aufgefordert, für die notwendige Aufklärung bzw. die notwendige Ermittlungsarbeit zu sorgen. Alles dafür Notwendige liegt ihr vor.

Wir haben gemeinsam mit unseren europäischen Partnern in dem festgelegten rechtlichen Rahmen, den es dafür gibt, auch Sanktionen gegen sechs Personen und eine Einrichtung verhängt und damit ein deutliches Zeichen gegenüber Russland gesetzt, dass der Einsatz von Chemiewaffen inakzeptabel ist.

ADEBAHR: Wir haben darüber hinaus, wenn ich das noch anfügen darf, das richtige Verfahren für diesen internationalen Vorgang gewählt ‑ das ist ja kein bilateraler Vorgang, sondern ein Bruch des Völkerrechts gewesen ‑, nämlich die Organisation für das Verbot chemischer Waffen über diesen Fall in Kenntnis gesetzt. Wir haben dort auch Proben hinbekommen, und die Organisation für das Verbot chemischer Waffen ist mit dem Fall befasst. Das ist auch der Ort, wo das rechtlich und international hingehört. Das heißt, wir haben eigentlich alle Hebel in Bewegung gesetzt, die in einer solchen Situation notwendig und richtig waren.

ZUSATZFRAGE: Sie sprachen jetzt von Sanktionen gegen sechs Personen. Ich kann mir nicht vorstellen, dass das bei Wladimir Putin Zitteranfälle ausgelöst hat. Halten Sie das im Nachhinein für ausreichend, was Sie getan haben und wollen Sie jetzt mehr tun?

SEIBERT: Die Bundeskanzlerin hat mehrfach gesagt ‑ ich glaube, andere Vertreter der Bundesregierung auch ‑, dass natürlich der Umgang Russlands mit diesem Fall Nawalny eine Belastung für unsere Beziehungen darstellt, wie auch andere Ereignisse und Vorkommnisse der vergangenen Zeit. Deswegen wird das immer etwas sein, worüber zwischen Deutschland und Russland auch in allem Ernst zu reden ist.

[…]

FRAGE: Ich hätte in diesem Zusammenhang eine Frage an das Justizministerium. Herr Kall, am Freitag sind ja von der Bundesregierung die Rechtshilfeersuchen der russischen Regierung beantwortet worden. Unter anderem wurden den russischen Behörden da auch Protokolle der Gespräche, die die Staatsanwaltschaft mit Herrn Nawalny geführt hat, übergeben. Ich hätte ganz gern gewusst, ob Sie eigentlich irgendeine Art von Reaktion von russischer Seite bekommen haben? Fanden sie das hilfreich? Haben sie sich beschwert, dass es nicht das ist, was sie wollen? Gibt es da irgendeine Art von Reaktion oder Nachforderung?

KALL (BMJV): Zunächst einmal kann ich auch hier noch einmal bestätigen, dass die vier Rechtshilfeersuchen, die es im Zusammenhang mit dem im Russland verübten Mordanschlag auf Herrn Nawalny gab, am vergangenen Freitag beantwortet worden sind.

Diese Rechtshilfeersuchen konnten soweit beantwortet werden, wie es das internationale Recht, nämlich das europäische Rechtshilfeübereinkommen und das deutsche Recht, zugelassen haben.

Wir haben schon erwähnt: Herr Nawalny ist hier in Deutschland von der Berliner Staatsanwaltschaft als Opfer vernommen worden. Dieses Vernehmungsprotokoll ist der russischen Seite zur Verfügung gestellt worden.

Wir haben Reaktionen ausschließlich aus den Medien, aus Äußerungen der Agenturen vom Wochenende, erhalten. Meines Wissens gibt es jetzt keine unmittelbaren Nachfragen der russischen Generalstaatsanwaltschaft, die für solche Rechtshilfe zuständig ist.

ZUSATZFRAGE: Können Sie uns etwas über den Inhalt der Äußerung sagen, die Herr Nawalny gegenüber der Staatsanwaltschaft gemacht hat? Geht es da um Hinweise, die die russischen Behörden möglicherweise brauchen, um den Giftanschlag aufzuklären?

KALL: Herr Nawalny hat die Fragen beantwortet, die die russische Staatsanwaltschaft, wie das üblich ist, im Rechtshilfeverfahren gestellt hat. Es überlegt sich sozusagen nicht die Staatsanwaltschaft, die dann einem Rechtshilfeersuchen nachkommt, welche Fragen sie in einer Zeugenbefragung stellt, sondern sie stellt tatsächlich die Fragen, die übermittelt worden sind ‑ und diese hat Herr Nawalny auch beantwortet.

Wir nehmen ja zu Inhalten in internationalen strafrechtlichen Zusammenhängen nicht Stellung. Aber es ist sicherlich nicht zu viel gesagt, dass Herr Nawalny dort auch das gesagt hat, was er immer öffentlich zu dem gegen ihn begangenen Giftanschlag geäußert hat.

FRAGE: Ich glaube, meine Frage richtet sich an Herrn Kall. Es gibt eine aktuelle Reaktion von Sergei Lawrow, dem russischen Außenminister. Er hat gerade heute in einer Onlinepressekonferenz die Antwort aus Deutschland als unwürdig bezeichnet. Die Fragen seien nicht beantwortet worden. Er schlägt vor, dass weitere Gespräche sowohl zwischen russischen und deutschen Justizbehörden als auch zwischen Ärzten stattfinden sollen. Ist das eine Perspektive, die Sie haben, dass Sie also mit der russischen Seite in Gespräche auf verschiedenen Ebenen eintreten?

KALL: Nein, ich glaube, das steht jetzt nicht an. Die vier Rechtshilfeersuchen sind beantwortet. Sollte Russland weitere Nachfragen stellen, müsste es ein neues Rechtshilfeersuchen stellen.

FRAGE: Ich wollte vom Justizministerium auch noch wissen, ob denn über dieses Opferprotokoll hinaus noch andere Dinge übergeben wurden. Sie haben ja gesagt, Sie sagen nichts zu Inhalten. Aber wurden im Rahmen des Rechtshilfeersuchens noch andere Dokumente oder Beweisstücke an die russische Seite übermittelt?

KALL: Was jedenfalls nicht übermittelt worden sind, sind Aussagen der Ärztinnen und Ärzte, die Herrn Nawalny an der Charité behandelt haben. Die Ärztinnen und Ärzte sind nicht als Zeugen vernommen worden. Sie unterliegen der ärztlichen Schweigepflicht. Von dieser Schweigepflicht hätte sie auch nur Herr Nawalny befreien können. Insofern sind auch keine medizinischen Befunde übermittelt worden.

Ich kann noch einmal daran erinnern, dass die Daten zur Gesundheit des Opfers eines Verbrechens nach deutschem und auch internationalem Recht besonders geschützt sind.

ZUSATZFRAGE: Aber es ist noch mehr als dieses Opferprotokoll übermittelt worden? Habe ich das falsch verstanden? Oder war es nur das reine Opferprotokoll, das der russischen Seite übermittelt worden ist?

KALL: Das ist das Dokument, das der russischen Seite übermittelt wurde. Dazu wurden vom Bundesamt für Justiz auch Nachfragen der russischen Generalstaatsanwaltschaft beantwortet.

Aber Sie haben Recht: Das ist das wesentliche Dokument ‑ auch für Verfahren hier in Deutschland ‑, das der russischen Seite zur Verfügung gestellt werden konnte.

Ich kann mich nur noch einmal wiederholen: Das ist das, was im Rahmen des europäischen Rechtshilfeübereinkommens und nach dem deutschen Recht zulässig war.

Gaspipeline Nord Stream 2

FRAGE: Herr Seibert, ist die Verhaftung von Herrn Nawalny denn ein Anlass für die Bundeskanzlerin, zumindest noch einmal zu überlegen, ob die Unterstützung des Projektes Nord Stream 2 sinnvoll ist?

SEIBERT (BReg): Die Position der Bundesregierung zum Projekt Nord Stream 2, das ja ein Projekt der Wirtschaft ist, ist hier oft genug dargelegt worden, und sie hat sich nicht geändert.

[…]

FRAGE: Hält die Kanzlerin den Bau der Gaspipeline durch einen russischen Staatskonzern weiter für angebracht?

SEIBERT: Dazu habe ich, denke ich, die Antwort gegeben. Die Haltung der Bundesregierung zu dem Projekt Nord Stream 2 ist unverändert, und wir haben sie hier mehrfach beschrieben.

FRAGE: Denkt die Kanzlerin jetzt über Sanktionen mit Blick auf das Pipeline-Projekt nach?

SEIBERT: Die Frage verstehe ich nicht. Bezieht sie sich auf die extraterritorialen Sanktionen, die gegen Beteiligte am Projekt Nord Stream 2 angedroht wurden?

VORS. DETJEN: Gemeint war wohl die Beendigung von Nord Stream als Teil möglicher Sanktionen.

SEIBERT: Gut, das geht dann zur Antwort auf die erste Frage zurück. Die Haltung ist unverändert.

COVID-19-Pandemie: Beratungen der Staats- und Regierungschefs der EU

FRAGE: Sie haben es nicht gesagt, aber es wird auch über Ausgangsbeschränkungen ‑ meinetwegen zwischen 20 Uhr und sechs Uhr ‑ diskutiert. Was wäre denn da das Ziel? Welche Kontakte sollen in dieser Zeit noch reduziert werden? Gibt es noch so viel Bewegung, dass man Ausgangsbeschränkungen einführen muss? Das würde möglicherweise erhebliche Probleme zum Beispiel beim Einkauf hier in Berlin verursachen, wo viele Supermärkte noch bis 23 Uhr geöffnet haben. Wird das erwogen?

Zieht die Bundeskanzlerin bzw. die Bundesregierung möglicherweise Grenzkontrollen in Erwägung? Das wäre wahrscheinlich eine Frage mit Blick auf die Beratungen am Donnerstagabend mit den anderen Staats- und Regierungschefs der EU.

SEIBERT (BReg): Sie sprechen ja schon den Europäischen Rat im Videokonferenzformat zum Thema Corona an, wo sich die 27 Staats- und Regierungschefs wieder zu diesen verschiedenen Aspekten austauschen werden. Ein Aspekt wird sicherlich die Mutation des Virus sein, mit der ja bereits einige Länder zu kämpfen haben. Ein anderer Aspekt ist natürlich die Frage: Wie können wir gemeinsam gegen diese Mutation vorgehen? Aus unserer Sicht werden wir nur gemeinsam erfolgreich sein, indem wir beiderseits von Grenzen auch vergleichbare Maßnahmen dagegen ergreifen. In diesem Sinne ist die Bundeskanzlerin im Austausch mit europäischen Partnern und wird das sicherlich auch am Donnerstag vertreten.

Das andere: Ich habe hier bewusst nicht ‑ und habe auch um Verständnis darum gebeten ‑ jede Möglichkeit im Detail erörtert. Wir haben Maßnahmen, die im November und Dezember gegolten haben, die jetzt verlängert sind und die uns tatsächlich an den Punkt geführt haben, an dem wir jetzt sind: eine leichte Abflachung, eine vorsichtig positive Tendenz. Aber wir haben eben ein großes Risiko, noch nicht genau zu quantifizieren, und das ist das Risiko der Mutation. In anderen Ländern ‑ ich habe sie genannt ‑ sehen wir schon einen erheblichen Anteil dieser Mutation an dem steilen Anstieg der Zahlen.

Deswegen muss es für uns darum gehen ‑ und aus diesem Grund jetzt diese Beratungen ‑, deutlich schneller auf ein handhabbares Niveau von Infektionen zu kommen, als es nach dem bisherigen Stand möglich wäre, wenn man die bisherigen Maßnahmen nur einfach fortschriebe und sich auch alle weiterhin daran hielten. Es werden also Maßnahmen darüber hinaus beraten werden. Ich werde Ihnen aber jetzt nicht Einzeleinschätzungen geben können.

Weil Sie es sagten und weil wir es am Freitag hier auch besprochen haben: Am Ende wird es immer darum gehen, Kontaktreduzierungen vorzunehmen, Stück für Stück Kontakte weiter zu reduzieren, weil der Kontakt zwischen zwei Menschen die einzige Möglichkeit ist, dass das Virus sich überträgt.

ZUSATZFRAGE Eine Nachfrage zu Donnerstagabend: Ist das Ziel der Kanzlerin bei diesen Beratungen, die Einführung neuer Grenzkontrollen zu verhindern oder zu vermeiden?

SEIBERT: Das Ziel ist, dass wir ein europäisches Bewusstsein dafür bekommen, dass wir uns auch dieser neuen Gefahr, diesem neuen Risiko der Mutation, gemeinsam und mit vergleichbaren Maßnahmen zuwenden sollten.

FRAGE: Herr Seibert, können Sie uns unabhängig von den Einzelmaßnahmen sagen, an was für einen Zeitraum der Verlängerung und auch der Verhängung von neuen Maßnahmen gedacht ist? Es kursieren jetzt von verschiedenen Mitgliedern der Bundesregierung Zahlen wie zwei, drei oder vier Wochen. An welchen Zeitraum denkt die Bundeskanzlerin?

Ich möchte noch zu der Frage von Herrn Blank in Bezug auf die Grenzkontrollen in Richtung BMI nachfragen. Grenzkontrollen sind nach den Erfahrungen der ersten Welle immer ausgeschlossen worden. Ist Ihr Minister jetzt bereit, wie das Markus Söder für Bayern angekündigt hat, im Notfall auch wieder zu nationalen Grenzkontrollen überzugehen?

SEIBERT: Da auch die Frage, wie lange man Maßnahmen ergreift, eine Frage ist, die zu beraten ist, werde ich jetzt hier keine weitere Zahl in den Raum stellen.

ALTER (BMI): Herr Seibert hat vieles schon angesprochen. Im Moment werden unterschiedlichste Maßnahmen diskutiert, die in die weitere Schrittfolge mit einbezogen werden sollen oder können. Dabei geht es um viele Maßnahmen, die innerhalb des Landes stattfinden. Natürlich gibt es aber auch die Überlegung, wie man nicht nur nationale, sondern auch grenzüberschreitende Verkehre in dieses Konzept mit einbinden muss. Insofern sind wir in einer Phase, in der die denkbaren Optionen zumindest auf dem Tisch liegen. Aber ob und inwieweit entsprechende Entscheidungen getroffen werden, bleibt den Beratungen, die noch folgen, vorbehalten.

Herr Seibert hat es eben deutlich gemacht: Es geht ja darum, am Ende Maßnahmen zu ergreifen, die geeignet sind, das Infektionsgeschehen im Griff zu behalten oder ‑ noch besser ‑ in den Griff zu bekommen und potentiellen Risiken, die sich in Deutschland sichtbar zeigen oder die auch außerhalb Deutschlands stattfinden, entsprechend zu begegnen. Aber eine Entscheidung darüber ist noch nicht getroffen.

FRAGE: Herr Seibert, gibt es vor dem morgigen Treffen eine Unterrichtung des Parlaments durch die Kanzlerin oder vielleicht den Chef des Kanzleramtes?

SEIBERT: Für die Bundeskanzlerin kann ich Ihnen das nicht sagen. Das ist meines Erachtens nicht geplant. Die Bundeskanzlerin hat nach den vergangenen Runden zwischen Bund und Ländern immer sofort im Anschluss die Fraktionsvorsitzenden der im Bundestag vertretenen Parteien informiert.

Ich möchte das jetzt hier nicht abschließend sagen. Ich kann Ihnen das für die Bundeskanzlerin sagen. Ich weiß nicht, ob es bis morgen noch andere Kontakte zwischen Bundesregierung, Kanzleramt und Bundestag gibt.

COVID-19-Pandemie: Diskussion über Lockerungen für Geimpfte

FRAGE: Herr Seibert, war die Forderung des Außenministers Thema im Coronakabinett, der ja, obwohl keiner weiß, ob Geimpfte Infektionen weitergeben können, gefordert hat, dass Geimpfte wieder ihre Grundrechte ausüben dürfen?

SEIBERT (BReg): Nein.

ZUSATZFRAGE: Warum nicht?

SEIBERT: Es war nicht Thema im heutigen Coronakabinett. Das Coronakabinett war mit den Themen, die ich Ihnen zu nennen versucht habe, zwei Stunden lang beschäftigt.

Vereidigung des US-Präsidenten

FRAGE: Wird eigentlich irgendein Vertreter der Bundesregierung bei der Vereidigung von Herrn Biden anwesend sein? Die Frage geht an das AA oder an Herrn Seibert.

ADEBAHR (AA): Die Antwort muss ich, ehrlich gesagt, nachreichen. Ich weiß im Moment nicht, wie die Einladungspraxis angesichts der Coronabedingungen ist. Im Grundsatz ist das diplomatische Corps dort, meine ich, immer vor Ort. Aber ich kann Ihnen aus dem Stehgreif nicht sagen, wie es unter diesen besonderen Umständen stattfinden wird.

COVID-19-Pandemie: Impfstoffversorgung in den Palästinensischen Gebieten

FRAGE: Die Gesellschaft Schweiz–Palästina und das Palästina-Forum in Bonn sprechen davon, dass Israel die von ihm völkerrechtswidrig besetzten Gebiete und auch den abgeriegelten Gazastreifen nicht mit Impfstoff versorgt, und nennen das „Gesundheitsapartheid“. Als Besatzungsmacht sei Israel zur Gleichbehandlung mit der eigenen Bevölkerung verpflichtet.

Hat das Auswärtige Amt Kenntnis davon, und gedenkt es als Impfstoffherkunftsland und gegebenenfalls im Verein mit der EU entsprechend tätig zu werden?

ADEBAHR (AA): Ich persönlich habe von diesen konkreten Äußerungen der NGOs keine Kenntnis.

Was das Thema des Impfens anbelangt, habe ich im Kopf, dass Israel gerade gestern angekündigt hat, palästinensische Gefangene mitzuimpfen.

Zum Thema einer Zusammenarbeit zwischen Israel und der palästinensischen Seite beim Impfen hat sich der Außenminister schon geäußert. Alles, was einer Zusammenarbeit dort förderlich ist und auch im Rahmen von COVAX, der internationalen Impfinitiative, eine gerechte Verteilung fördert, begrüßen wir sehr. Wir rufen alle Staaten auf, sich zum Beispiel im Rahmen dieser internationalen Allianz daran zu beteiligen, dass Impfstoffe fair und schnell weltweit verteilt werden.

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