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Erklärungen des Auswärtigen Amts in der Regierungs­pressekonferenz vom 06.01.2021

06.01.2021 - Artikel

Stellungnahme der Menschenrechtsbeauftragten der Bundesregierung zum Fall Assange

FRAGE: Frau Adebahr, an den vergangenen Sitzungstagen war mehrfach die Stellungnahme der Menschenrechtsbeauftragten der Bundesregierung zur Causa Assange hier verhandelt worden. Dabei hat das Auswärtige Amt nicht Stellung bezogen, und zwar mit Hinweis darauf, das Statement spreche für sich selbst. Nun gehört es aber zu den Aufgaben der Menschenrechtsbeauftragten, dass sie der auswärtigen Politik und dem Außenministerium Vorschläge für die Ausgestaltung von Menschenrechtsfragen in ihrem Bereich macht. Das Statement deutet ja darauf hin, dass sie Handlungsbedarf sieht.

Meine konkrete Frage: Welche Anregung zieht das Außenministerium bzw. der Außenminister persönlich aus dem Statement von Frau Kofler für die Gestaltung der auswärtigen Politik in dieser Causa?

ADEBAHR (AA): Ich glaube, Frau Sasse hat sich hier ausführlich auch zu dem Statement von Frau Kofler eingelassen und unsere Haltung dazu ausgeführt.

ZUSATZFRAGE: Pardon, wenn ich da direkt nachhaken darf: Sie hat gesagt, sie werde dazu keine Stellung nehmen, sondern das Statement stehe für sich selbst. Es soll ja nicht bestritten werden, dass das für sich selbst steht; die Frage ist vielmehr: Wie steht das Auswärtige Amt dazu? Es ist die Aufgabe der Menschenrechtsbeauftragten, das Außenministerium in dieser Causa zu beraten, und ein Statement hat da schon einen Empfehlungscharakter. Welcher ist das, was nehmen Sie daraus wahr?

ADEBAHR: Frau Sasse hat ja auch darauf hingewiesen ‑ wie Frau Kofler das auch getan hat ‑, dass Großbritannien an die Europäische Menschenrechtskonvention gebunden ist. Sie hat auch erwähnt, dass Julian Assange als australischer Staatsbürger von uns nicht konsularisch betreut werden kann und dass die Bundesregierung dazu keine eigenen Erkenntnisse hat, und bei dieser Einschätzung bliebe es weiterhin. Das heißt, sie hat schon ein bisschen mehr als „kein Kommentar“ gesagt.

Ich kann gern noch einmal wiederholen, was wir hier für das Auswärtige Amt zu diesem Fall Assange sagen, nämlich dass das ein Verfahren ist, das bei der britischen Justiz liegt, und dass es für diese Stelle hier dabei bleibt, dass wir den Prozessverlauf nicht öffentlich kommentieren und Entscheidungen der britischen Justiz nicht bewerten. Das ist auch heute noch die Sachlage. Wie Sie wissen, besteht in diesem Verfahren weiterhin die Möglichkeit von Rechtsmitteln, und Herr Assange ist frei, diese Möglichkeit wahrzunehmen. Das ist die Position des Auswärtigen Amtes, die ich Ihnen hier verkünden kann.

FRAGE: Teilt die Bundesregierung die Auffassung der UNO, dass es sich bei der fortdauernden Haft für Assange unter anderem um psychische Folter handelt? Falls ja: Was sind geplante Schritte dagegen bzw. was wird zur Aufklärung unternommen?

ADEBAHR: Dazu verweise ich auf das, was ich eben schon gesagt habe.

ZUSATZFRAGE: Könnte die Bundesrepublik, zumal wegen des Brexit keine Verwicklungen mit dem Vereinigten Königreich denkbar wären, ähnlich wie Mexiko dem Whistleblower Asyl anbieten?

ADEBAHR: Das ist, glaube ich, eine spekulative asylrechtliche Frage, die im Bereich des BMJV oder des BMI läge. Ich glaube aber nicht, dass wir uns hier dazu äußern.

GRÜNEWÄLDER (BMI): Genau. Asyl bietet man nicht an, sondern Asyl wird erbeten, und dann wird das personenbezogen auf den jeweiligen Fall bezogen geprüft. Insofern bliebe das abzuwarten.

FRAGE: Frau Demmer, wie verfolgt die Kanzlerin den Fall Assange? Geht es da für sie um Pressefreiheit oder um Geheimnisverrat?

DEMMER (BReg): Herr Seibert hat hier ja am Montag dazu Stellung genommen. Dem habe ich nichts hinzuzufügen.

ZUSATZFRAGE: Welche Stellung hat er da übernommen?

DEMMER: Herr Seibert hat gesagt, dass wir das Urteil zur Kenntnis genommen haben. Ansonsten schließe ich mich den Bewertungen und Aussagen von Frau Adebahr hier und heute auch noch einmal an.

Aktivitäten des belarussischen Geheimdiensts in Deutschland

FRAGE: Ist der Bundesregierung ‑ und ich meine damit das Auswärtige Amt und das Innenministerium ‑ bekannt, dass der weißrussische Geheimdienst bereits vor acht Jahren ‑ 2012 war das ‑ geplant hat, belarussische Oppositionelle auf deutschem Boden zu ermorden und deswegen auch die Berliner Polizei aktiv geworden ist?

ADEBAHR (AA): Mir sind solche Berichte im Moment nicht bekannt.

GRÜNEWÄLDER (BMI): Dem BMI ist so etwas auch nicht bekannt.

Nord Stream 2

FRAGE: Wie kürzlich bekannt geworden ist, plant das Land Mecklenburg-Vorpommern die Gründung einer landeseigenen Stiftung, die den Weiterbau von Nord Stream 2 sicherstellen soll. Wie bewertet das AA diesen Vorgang? Überschreitet Schwerin damit aus Ihrer Sicht die Grenzen der eigenen Zuständigkeit, da diese Maßnahme auch außenpolitisch Wirkung entfalten dürfte?

ADEBAHR (AA): Ich weiß nicht, ob das nicht auch eine Frage an das Wirtschaftsministerium wäre. Ich kann für das Auswärtige Amt nur sagen, dass die Haltung zu Nord Stream 2 in der gesamten Bundesregierung unverändert ist. ‑ Ich weiß nicht, ob Frau Demmer das ergänzen will. Ansonsten kann ich mögliche Beschlüsse eines Landes hier nicht kommentieren.

DEMMER (BReg): Ich kann nur ergänzen: Wir haben die Berichterstattung natürlich zur Kenntnis genommen. Es bleibt aber, wie Frau Adebahr gesagt hat, dabei, dass es bei Nord Stream 2, wie wir an dieser Stelle immer wieder betont haben, um ein Projekt der Wirtschaft geht. Insofern haben wir keine Veranlassung, die aktuelle Diskussion zu kommentieren. Unsere grundsätzliche Haltung hat sich nicht verändert. Das gilt auch für unsere Haltung zu den extraterritorialen Sanktionen, die sich gegen deutsche und europäische Unternehmen richten.

Bei der in Rede stehenden Stiftung handelt es sich ja um eine Initiative des Landes Mecklenburg-Vorpommern; insofern sollte man Fragen dort stellen.

WAGNER (BMWi): Zu Nord Stream 2 kann ich auch nichts weiter hinzufügen; in der Tat würden wir da auch nur auf das zuständige Land verweisen.

Unterbringungsbedingungen von Flüchtlingen in Bosnien-Herzegowina

FRAGE: Ich habe eine Frage an das BMI und an das AA zu den Flüchtlingen, die meines Wissens unter noch immer desaströsen Bedingungen in Bosnien sitzen und keine anständigen Unterkünfte haben: Gedenkt die Bundesregierung, da irgendwie zu helfen, oder überlässt man das jetzt den Bosniern?

GRÜNEWÄLDER (BMI): Die Bundesregierung verfolgt die Migrationslage in Bosnien-Herzegowina sehr konzentriert und steht im engen Austausch nicht nur mit der bosnischen Regierung, sondern auch mit der EU-Delegation vor Ort. Wie Sie wissen, hat die EU-Kommission sich hierzu in den letzten Tagen geäußert und auch eine Pressemitteilung veröffentlicht. Es ist zu konstatieren, dass die Kommission seit dem Jahr 2018 Finanzmittel zur Unterbringung und zur Versorgung der Flüchtlinge und Migranten in Bosnien-Herzegowina zur Verfügung gestellt hat. Für die Bundesregierung ist es unabdingbar, dass die Unterbringung vor Ort angemessen stattfindet und dass die Schutzsuchenden angemessen versorgt werden. Insofern haben wir ein Interesse daran, dass diese Gespräche, diese Bemühungen fortgesetzt werden. Wir sind mit den Verantwortlichen im Gespräch und appellieren an sie, umgehend vor Ort eine tragfähige Lösung für die Schutzsuchenden zu finden, sodass die Situation vor Ort sich schnellstmöglich verbessern kann.

ADEBAHR (AA): Ich kann vielleicht noch ergänzen, dass es gestern ein Treffen des EU-Sonderbeauftragten mit den zuständigen Ministern in Bosnien-Herzegowina gab und wir auch dort noch einmal unsere Haltung zum Ausdruck gebracht haben, dass es von bosnischer Seite ernsthafte Schritte zur Verbesserung der Lage geben muss ‑ gemeinsam mit den Organisationen und IOM, das dort aktiv ist. Das wurde auch zugesagt, was wir natürlich begrüßen. Wir wollen jetzt auch verfolgen, ob tatsächlich die Umsetzung akzeptabler Unterbringungsverhältnisse ermöglicht wird.

Wir engagieren uns weiterhin gegenüber der bosnischen Regierung ‑ bilateral genauso wie über die EU-Kommission, EU-Partner und die Vereinten Nationen ‑, und setzen uns dafür ein, dass die Menschen in Lipa vorübergehend auf Einrichtungen verteilt werden und eine Unterkunft bekommen. Das THW steht meiner Kenntnis nach auch zur sofortigen Unterstützung bereit ‑ das BMI mag dazu ergänzen. Aus dem AA könnten wir im Moment 700 000 Euro für eine mögliche Unterstützung zur Verfügung stellen, und jetzt wollen wir schauen, wie diese Hilfe umgesetzt werden kann. Aus Brüssel kam soeben auch die Meldung, dass die EU weitere 3,5 Millionen Euro für die unmittelbare Versorgung bereitgestellt hat.

ZUSATZFRAGE: Wie hoch war die Summe, die Bosnien-Herzegowina 2018 für die Unterbringung zugesprochen wurde?

GRÜNEWÄLDER: Sie meinen die Kommissionsmittel? Das können Sie auf der Seite der Kommission nachlesen. Wie gesagt, ist eine Pressemitteilung veröffentlicht worden; die habe ich jetzt aber nicht parat.

DEMMER (BReg): Ich habe hier Zahlen vorliegen: Insgesamt hilft die EU Bosnien-Herzegowina seit 2018 mit über 88 Millionen Euro bei der Bewältigung der Migrationslage.

Annäherung zwischen Katar und den anderen Golfstaaten

FRAGE: Frau Adebahr, mich hat Ihre Pressemitteilung zu Katar interessiert, in der Sie zwar die Öffnung der See- und Landesgrenzen begrüßen und immer wieder sagen, wie schön die Öffnung der Grenzen ist, aber in der Sie mit keinem Wort erwähnen, warum die Grenzen jetzt geöffnet werden. Sie sprechen also nicht über das Embargo von Saudi-Arabien, Bahrain und den Vereinigten Arabischen Emiraten. Warum tun Sie das nicht?

ADEBAHR (AA): Ich würde sagen, in der Pressemitteilung sprechen wir davon, dass die Maßnahmen, die es aufgrund der Spannungen zwischen Mitgliedern des Golf-Kooperationsrats gab ‑ wie Sie gerade geschildert haben, waren das Grenzschließungen und Verzögerungen im Handelsverkehr ‑, jetzt aufgehoben werden, und sagen, dass das ein gutes Zeichen und ein guter Schritt für die Region und vor allen Dingen für die Menschen der Region ist, die jetzt wirtschaftlich davon profitieren, wenn der Flugverkehr wieder möglich ist, die Grenzen wieder offen sind und der Handel fließt.

ZUSATZFRAGE: Jetzt haben Sie selber schon wieder vermieden, im Zusammenhang mit den Maßnahmen der Saudis, der Bahrainer usw. das Wort Embargo ‑ oder Erpressung, wie es andere Beobachter ja nennen ‑ zu benutzen. Warum tun Sie das? Der Begriff Krise würde ja besagen, dass da irgendwie zwei Seiten schuldig sind, aber das war ja eine ganz klares dreieinhalbjähriges Embargo, ein vollständiges Embargo, das die beteiligten Staaten jetzt quasi zurückgezogen haben. Warum reden Sie da nicht von einem Embargo?

ADEBAHR: Sie stellen Ihre Meinung und Ihre Wortwahl zu einem Sachverhalt dar, und ich habe meine Wortwahl und meine Darstellung hier gerade vorgetragen. Ich glaube, das muss man so hinnehmen.

Situation in Venezuela

FRAGE: An Frau Adebahr: Gestern hat in Venezuela ein neues, von der Europäischen Union nicht anerkanntes Parlament seine Arbeit aufgenommen. Heute kam eine Erklärung vom Hohen Vertreter Herrn Borrell, in der steht, dass die bisherige Strategie fortgesetzt werde. Juan Guaidó wird darin namentlich genannt, aber nicht als Interimspräsident. Das alte Parlament wird auch als abgehendes ‑ „outgoing“ ‑ Parlament genannt. Ist Juan Guaidó für die Bundesregierung immer noch Interimspräsident von Venezuela? Wie werden das alte Parlament und seine Beschlüsse von der Bundesregierung wahrgenommen?

ADEBAHR (AA): Wir stehen hinter der EU-Erklärung, die heute Vormittag veröffentlicht wurde, die Sie offenbar schon kennen. Unsere Haltung hat sich nach wie vor nicht geändert. Wir haben uns im EU-Kreis schon dazu ausgetauscht und darauf verständigt, dass wir das Wahlergebnis eben nicht anerkennen und dass wir das Parlament, das gestern seine Arbeit aufgenommen hat, nach wie vor als illegitim ansehen. Die Parlamentswahlen im Dezember waren weder frei noch fair, und sie genügten auch nicht internationalen Mindeststandards, noch war der Wahlprozess inklusiv. Wir denken, dass die Krise in Venezuela nicht auf diese Weise überwunden werden kann, sondern eben nur durch faire, freie und glaubwürdige Parlaments- und Präsidentschaftswahlen gelöst werden kann. Ansonsten ist unsere Haltung unverändert.

Verhaftungswelle in Hongkong

FRAGE: Auch an das Auswärtige Amt: In Hongkong hat es eine Verhaftungswelle gegen Demokratieaktivisten gegeben. Laut Berichten sind 53 Personen inhaftiert worden. Wie besorgt sind Sie, dass das der Auftakt zu einer noch größeren Verhaftungswelle sein könnte? Sieht die Bundesregierung das gerade nach dem Abschluss des Investitionsabkommens zwischen der EU und China als unfreundlichen Akt an?

ADEBAHR (AA): Aus Sicht der Bundesregierung sind die Verhaftungen in Hongkong ein nächster Baustein in einer Reihe von sehr besorgniserregenden Entwicklungen, die wir in den letzten Monaten gesehen haben. Sie bestätigen auch unsere Befürchtung, muss man sagen, dass das Gesetz über die nationale Sicherheit zu einer Erosion der vom „Basic Law“ für die Hongkongerinnen und Hongkonger garantierten Freiheiten, Rechte und der Rechtsstaatlichkeit führt. Deswegen sehen wir diese neuesten Entwicklungen als sehr besorgniserregend an.

Unserer Medienkenntnis nach handelt es sich im Moment um den größten Schwung von Verhaftungen seit Inkrafttreten des Gesetzes über die nationale Sicherheit. Wir sind nach wie vor der Ansicht, dass die chinesische Regierung alles zur Einhaltung ihrer internationalen Verpflichtungen bezüglich Hongkongs tun sollte, und sind auch nach wie vor der Ansicht ‑ und möchten das unterstreichen ‑, dass aus unserer Sicht die im „Basic Law“ garantierten Freiheiten und Rechte der Hongkonger Bevölkerung geachtet werden müssen.

ZUSATZFRAGE: Ich möchte den zweiten Teil der Frage wiederholen: Sehen Sie das als unfreundlichen Akt an, gerade nachdem die EU und China jetzt ein Investitionsabkommen abgeschlossen haben?

ADEBAHR: Ich bewerte diesen Vorgang im Moment so, wie ich ihn jetzt bewertet habe. Darüber hinaus möchte ich jetzt keine Äußerungen oder Spekulationen tätigen. Ich habe mich zu diesen Verhaftungen erst gestern geäußert.

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