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Erklärungen des Auswärtigen Amts in der Regierungs­pressekonferenz vom 16.11.2020

16.11.2020 - Artikel

Lage in Belarus

SEIBERT (BReg): Meine Damen und Herren, schönen guten Tag! Ich möchte kurz etwas zur aktuellen Lage in Belarus sagen. Fast 100 Tage nach der Präsidentschaftswahl vom 9. August sind auch an diesem vergangenen Wochenende Tausende von Menschen in Belarus friedlich, mutig und entschlossen für den Wandel in ihrem Land auf die Straße gegangen und haben demonstriert. Für Ihren Wunsch nach Freiheit und Bürgerrechten müssen sie leider ein großes persönliches Risiko eingehen; denn das Einzige, das das Lukaschenko-Regime bisher als Antwort gibt, ist Repression, ist brutale Polizeigewalt, wie sie in der vergangenen Woche auch zum Tod des Demonstranten Roman Bondarenko führte. Das muss ein Ende finden. Die Bundesregierung erneuert ihren dringenden Appell, dass es einen konstruktiven und offenen Dialog zwischen der Regierung und dem Koordinierungsrat für faire und freie Wahlen geben muss. Wir werden als Bundesregierung nicht vergessen, wie dort Menschen fast täglich auf den Straßen misshandelt werden, und wir werden auch nicht diejenigen vergessen, die fast täglich verschleppt werden und noch schlimmeren Misshandlungen hinter den Gefängnismauern ausgesetzt sind. Das wollte ich dazu sagen.

FRAGE: Herr Seibert, ich hätte ganz gerne gewusst, ob die Bundesregierung angesichts der Vorfälle, die es in den letzten Tagen gegeben hatte, der Meinung ist, dass die Sanktionen, die die EU gegen Belarus verhängt hatte, jetzt noch einmal verschärft werden müssen.

SEIBERT: Vielleicht äußert sich das Auswärtige Amt dazu.

BURGER (AA): Vielleicht darf ich zunächst einmal darauf hinweisen, dass die EU ja bereits 55 Personen mit Einreiseverboten und Konteneinfrierungen belegt hat, darunter auch Herrn Lukaschenko. Die letzte Listungsrunde ist erst letzte Woche, am 13. November, in Kraft getreten. Diese Maßnahmen erfolgten ja nach zum Teil auch intensiven Beratungen zwischen den Mitgliedstaaten.

Das letzte Wochenende ‑ Herr Seibert hat es gesagt ‑ hat erneut und mit zum Teil brutaler Deutlichkeit die fortdauernde Verletzung von Menschen- und Bürgerrechten unterstrichen, zu deren Einhaltung sich Belarus im Rahmen der OSZE selbst verpflichtet hat. Das ist so nicht akzeptabel. Wir als Bundesregierung stehen darüber mit unseren EU-Partnern im Gespräch, auch über die Frage, welche weiteren restriktiven Maßnahmen geeignet sein könnten, den Druck weiter zu erhöhen. Grundsätzlich ist denkbar, dass sich solche Maßnahmen auch gegen Unternehmen richten, die in Menschenrechtsverletzungen verstrickt sind. Bei all solchen Erwägungen achtet die Bundesregierung sehr auf mögliche Auswirkungen, gerade auch auf die für ihre Rechte protestierende Zivilbevölkerung.

ZUSATZFRAGE: Können Sie uns dafür ein Beispiel nennen, wenn Sie von Unternehmen sprechen, die darin verstrickt sein sollen? Was meinen Sie damit, Sicherheitsunternehmen?

BURGER: Wir befinden uns darüber, wie gesagt, in Gesprächen mit unseren EU-Partnern, und ich glaube, es ist zu früh dafür, das jetzt an dieser Stelle weiter zu konkretisieren.

FRAGE: Herr Seibert, in Belarus gibt es massive Proteste für die Demokratie. In Deutschland gibt es Forderungen, die Versammlungsfreiheit einzuschränken. Es gibt auch Beschränkungen. Haben Sie nicht die Befürchtung, dass das Lukaschenko-Regime mit seiner Diktatur das als Alibi verwenden könnte, als Begründung? Dann sagt man: Schaut her, wir schränken jetzt auch ein. Ihr in Deutschland macht das auch. - Gibt es so eine Befürchtung?

SEIBERT: Ich kann hier nicht für das Lukaschenko-Regime sprechen und möchte das auch nicht. Aber die grundgesetzliche Lage und die jedem deutschen Bürger garantierten Freiheiten sind doch etwas vollkommen anderes, sodass wir sie nicht irgendwie in einem Atemzug mit Belarus und der derzeitigen dortigen Realität nennen können.

ZUSATZ: Da bin ich ja völlig bei Ihnen. Die Frage ging ja dahin, ob man fürchtet, ob das genauso eine Vorlage sein könnte, wie die Datenschutzverordnung, das Netzwerkdurchsetzungsgesetz, in der russischen Duma als Vorbild für Einschränkungen der Pressefreiheit in Russland genommen wurde.

SEIBERT: Es bleibt bei meiner Antwort.

Konflikt um Bergkarabach

FRAGE (zum Konflikt um Bergkarabach): Wie bewertet die Bundesregierung die Tatsache, dass Tausende Armenier aus den Gebieten, die an Aserbaidschan zurückgegeben werden, flüchten und dabei ihre Häuser niederbrennen?

BURGER (AA): Ich kann vielleicht auf das verweisen, was wir hier in der letzten Woche schon zur Einordnung der Waffenstillstandsvereinbarung gesagt haben.

Wir haben dazu gesagt, dass es aus unserer Sicht ganz entscheidend ist, die Zivilbevölkerung zu schützen, dass die Regeln des internationalen humanitären Völkerrechts eingehalten werden und jetzt die Voraussetzungen geschaffen werden, all denen zu helfen, die durch den Konflikt in eine humanitäre Notlage geraten sind. Insofern sind alle, die vor Ort Einfluss haben, in der Verantwortung dafür zu sorgen, dass die Regeln des humanitären Völkerrechts eingehalten werden. Das bedeutet natürlich insbesondere auch den Schutz der Zivilbevölkerung vor Vertreibung.

Mögliches Veto von Polen und Ungarn gegen den EU-Haushaltsplan

FRAGE: Es geht um die EU-Finanzen. Ich hätte ganz gern Herrn Seibert gefragt: Ungarn droht mit einem Veto gegen das riesige Finanzpaket, das gerade geschnürt wird. Polen möchte sich dem eventuell anschließen. Gleichzeitig fordert die EU-Kommission, dass Deutschland als EU-Ratspräsidentschaft hier vermitteln und eingreifen muss. Was gedenkt die Bundesregierung gegen dieses Veto zu tun?

SEIBERT (BReg): Wir haben am Freitag über dieses Thema gesprochen. Da habe ich gesagt, dass die Kanzlerin am Donnerstag Videokonferenzen sowohl mit Premierminister Orbán als auch mit Premierminister Morawiecki gehabt hat.

Ich kann Ihnen seit Freitag keinen neuen Stand vermitteln. Das, was wir am Freitag dazu gesagt haben, gilt unverändert fort. Es gibt keinen neuen Stand, den ich Ihnen heute mitteilen könnte.

ZUSATZFRAGE: Die Drohung kommt ja von heute. Gehen Sie deswegen davon aus, dass die Vermittlungsbemühungen der Kanzlerin gescheitert sind?

SEIBERT: Das sind extrem anspruchsvolle Verhandlungen. Sie setzen ein Ergebnis voraus, das sowohl dem Europäischen Parlament ausreicht, sodass es zustimmt, als auch das die Mitgliedstaaten mittragen.

Ich habe es am Freitag so gesagt; ich kann es Ihnen jetzt nicht anders darlegen. Gemeinsam gibt es eine große Verantwortung sicherzustellen, dass die Mittel, auf die ganze Länder warten ‑ Länder, die in ihren Wirtschaften, in ihrem Arbeitsmarkt, sehr stark von Corona beeinflusst bzw. negativ getroffen worden sind ‑, tatsächlich rechtzeitig die Menschen und die Mitgliedstaaten erreichen können. Das ist die gemeinsame Verantwortung, die Europäisches Parlament und Mitgliedstaaten tragen.

Die Bundeskanzlerin ist in einem kontinuierlichen und engen Austausch mit den Akteuren auf der Seite der Mitgliedstaaten wie auf der Seite der europäischen Institutionen.

ZUSATZFRAGE: Ich habe noch eine Frage an das Auswärtige Amt, weil ja der deutsche Botschafter maßgeblich bei den Rechtsstaatsverhandlungen mitverhandelt hat: Gibt es von Seiten des Botschafters oder des Auswärtigen Amtes noch irgendwelche Initiativen, um diesen Konflikt aufzulösen?

BURGER (AA): Ich glaube, es ist genauso, wie Herr Seibert das gerade dargestellt hat. Diese Bemühungen dauern natürlich an. Sie werden so lange wie nötig weitergehen, weil es Verhandlungen sind, in denen es um sehr viel geht.

Besuch des türkischen Präsidenten in Varosha (Nordzypern)

FRAGE: Wie kommentiert die Bundesregierung auch in ihrer derzeitigen Rolle als EU-Präsidentschaft den als Picknick angekündigten gestrigen Besuch des türkischen Präsidenten Erdoğan in Varosha im türkisch besetzten nördlichen Teil Zyperns? Welchen Einfluss wird diese Aktion auf die Beschlüsse der EU zur Türkei im Dezember haben?

BURGER (AA): Ganz grundsätzlich zu Zypern und zur Zukunft Zyperns sind die Resolutionen der Vereinten Nationen, die es dazu gibt, unser Maßstab, und daran halten wir fest. Im VN-geführten Friedensprozess wird über eine bikommunale Lösung mit zwei Zonen verhandelt. Die Bundesregierung unterstützt weiterhin die Vereinten Nationen in diesen Bemühungen. Gleichzeitig gilt, dass wir uns im Rahmen unserer EU-Ratspräsidentschaft weiter um Deeskalation im östlichen Mittelmeer bemühen. Wir sind auch weiterhin bereit, alle sinnvollen Bemühungen zu diesem Zweck zu unterstützen. Wir haben bereits mehrfach unterstrichen, dass eine Lösung der strittigen Fragen im östlichen Mittelmeer nur im Dialog aller Beteiligten zu erreichen ist. Damit solche Gespräche stattfinden können, ist vor allem die Türkei aufgerufen, von einseitigen Provokationen abzusehen.

Lage in Eritrea

FRAGE: An das AA: Was können Ihre Diplomaten über die Lage in Eritrea berichten, nachdem am Samstag in Asmara Raketen aus dem benachbarten Äthiopien einschlugen? Wie bewerten Sie die Situation in dieser Region?

BURGER (AA): Die Lage in Äthiopien gibt uns großen Anlass zur Sorge, insbesondere die Versuche der Tigray People’s Liberation Front, der TPLF, den Konflikt auszuweiten und Nachbarstaaten hineinzuziehen. Die Angriffe auf Flughäfen in der äthiopischen Region Amhara sowie in Eritrea, zu denen sich die TPLF bekannt hat, verurteilen wir auf das Schärfste. Jetzt ist ein politischer Prozess nötig, um die Lage zu beruhigen und Raum für Lösungen zu schaffen. Bislang sind beide Seiten trotz intensiver diplomatischer Versuche nicht dazu bereit.

Wie Sie sicherlich gesehen haben, hatte der Außenminister sich bereits vor über einer Woche dazu geäußert und ebenfalls vor der Gefahr gewarnt, dass der Konflikt sich in der Region ausweiten könnte. Mit der Lage in Eritrea und der Nachbarschaft befassen wir uns auch in Brüssel. Der Außenminister hat dazu auch verschiedene Gespräche geführt ‑ mit seinem äthiopischen Amtskollegen Gedu am 7. November, und in der letzten Woche auch mit seinem emiratischen und seinem saudischen Amtskollegen. Die Bundesregierung hat außerdem beschlossen, unsere humanitäre Hilfe für Äthiopien aufzustocken, um den Schutz der Zivilbevölkerung und den Zugang zu dieser dringend benötigten Hilfe dort in der Konfliktregion sicherzustellen.

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