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Erklärungen des Auswärtigen Amts in der Regierungs­pressekonferenz vom 13.11.2020

13.11.2020 - Artikel

COVID-19-Pandemie (Patientenverlegungen zwischen EU-Mitgliedstaaten)

FRAGE: Ich will mich nach der Coronalage in Griechenland bzw. nach dem Verhältnis der Bundesregierung zu Griechenland vor dem Hintergrund erkundigen, dass dort fast 70 Prozent der COVID-19-Intensivbetten belegt sind. Hat die griechische Regierung um Unterstützung gebeten, zum Beispiel darum, dass mit einem Spezialflugzeug der Bundeswehr COVID-Patienten nach Deutschland ausgeflogen werden könnten?

BURGER (AA): Ich kann allgemein etwas zu den Verfahren sagen, die für diese Fragen in den letzten Monaten eingerichtet worden sind. Seit dem Frühjahr hat es umfassende Vorbereitungen für mögliche erneute Patientenverlegungen zwischen EU-Mitgliedstaaten gegeben. Transporte können jetzt über das Frühwarn- und Reaktionssystem EWRS und den EU-Katastrophenschutzmechanismus auf EU-Ebene koordiniert werden. Die EU hat dafür außerdem Finanzmittel verfügbar gemacht. Aus dem Emergency Support Instrument stehen 220 Millionen Euro für die Koordinierung und den grenzüberschreitenden Transport von medizinischer Ausrüstung, Patienten und medizinischem Personal zur Verfügung.

Ich habe ja am Mittwoch darüber informiert, dass wir in einer Reihe von Fällen bereits Patienten aus Nachbarstaaten Deutschlands zur Behandlung in Deutschland aufgenommen haben. Das funktioniert in aller Regel über direkte Absprachen zwischen grenznahen Bundesländern und den entsprechenden Nachbarstaaten und hat sich insofern auch ganz gut eingespielt. Unsere Auslandsvertretungen und wir als Bundesregierung bemühen uns, bei der Koordinierung zu helfen. Im Moment ist das der Fall, was die Niederlande, Belgien und Frankreich angeht. Mir ist derzeit kein entsprechendes Ersuchen aus Griechenland bekannt. Wenn es dazu etwas nachzutragen gäbe, würde ich das gerne tun.

Äußerungen des russischen Außenministers zur Verhängung von Sanktionen gegen leitende Beamte der Regierungen von Deutschland und Frankreich

FRAGE: Herr Seibert, gestern hat Moskau offiziell erklärt, dass Russland auch Sanktionen gegen Spitzenbeamte in Deutschland und Frankreich wegen der Causa Nawalny verhängt. Mich würde interessieren, wie Sie diese Entscheidung bewerten.

SEIBERT (BReg): Die Bundesregierung hat die Äußerungen von Außenminister Lawrow zur Kenntnis genommen.

Vielleicht rekapituliere ich noch einmal: Ein russischer Staatsangehöriger wurde auf russischem Boden Opfer eines Angriffs mit einem militärischen Nervenkampfstoff. Der Einsatz eines solchen Nervenkampfstoffs ist ein schwerer Verstoß gegen das Chemiewaffenübereinkommen und damit gegen das Völkerrecht. Russland verfügt über alles Notwendige, um dieses Verbrechen aufzuklären. Stattdessen kündigt der russische Außenminister an, Sanktionen gegen Beamte anderer Staaten zu verhängen.

Ein solcher Schritt ist aus Sicht der Bundesregierung selbstverständlich ungerechtfertigt und unangemessen. Er missachtet das internationale Interesse an der Aufklärung dieses Falles. Er trägt ein russisches Problem in die bilateralen Beziehungen zu Deutschland und Frankreich.

ZUSATZFRAGE: Herr Burger, gab es schon einmal den Fall, dass nicht Diplomaten quasi als Ausdruck einer Missgunst ausgewiesen wurden, sondern Spitzenbeamte der Bundeskanzlerin oder des französischen Präsidenten? Gibt es so ein diplomatisches Instrument wie Sanktionen gegen Regierungsbeamte und nicht gegen Diplomaten?

BURGER (AA): Ich kenne die Äußerungen des russischen Außenministers, wie sie gestern berichtet wurden. Über diese Pläne hinaus sind mir keine weiteren Details bekannt, und deswegen kann ich das jetzt auch nicht weiter im Detail kommentieren.

Entscheidend ist doch genau das, was Herr Seibert gerade gesagt hat. Es gibt aus unserer Sicht keine Rechtfertigung für solche Schritte, denn der Verstoß gegen das Chemiewaffenübereinkommen, der eingetreten ist, ist in Russland eingetreten. Deswegen hat Russland das zu verantworten und ist in der Pflicht, sich dazu zu erklären. Das ist die Erwartung, die wir formuliert haben, die die Europäische Union formuliert hat, die die G7 formuliert haben. Deswegen gibt es aus unserer Sicht für solche Maßnahmen auch keine Rechtfertigung.

FRAGE: Ist die Bundesregierung über die Sanktionen informiert worden? Wie wird die Bundesregierung darauf reagieren?

BURGER: Diese Ankündigung kommt jetzt nicht völlig überraschend; es ist auch nicht das erste Mal. Ich glaube, die russische Seite hat sich schon, als die EU ihre Sanktionen beschlossen hat, in dieser Weise geäußert. Insofern kommt das nicht überraschend. Wie gesagt, aus unserer Sicht ist es trotzdem nicht gerechtfertigt. Ich habe aber, wie gesagt, über das hinaus, was der russische Außenminister dazu gestern öffentlich mitgeteilt hat, keine weiteren Informationen dazu.

WEFERS (Vorsitz): Die Frage war, wie die Bundesregierung darauf reagieren wird.

BURGER: Das haben Sie gerade gehört.

FRAGE: Ist Ihnen schon klar, Herr Burger, wen es betrifft? Vielleicht Sie persönlich, weil Sie ja auch leitender Beamter des Außenministeriums sind? Ist schon mitgeteilt worden, wen das betrifft? Herr Seibert, vielleicht Herrn Röller? Mit was rechnen Sie? Wer wird von diesen Sanktionen betroffen sein?

BURGER: Ich kann es nur noch einmal sagen: Wir kennen die Aussagen von Herrn Lawrow von gestern. Darüber hinaus ist uns nichts weiter bekannt.

Situation in Libyen

FRAGE: Herr Burger, ich habe eine Frage zu Libyen. Die UN sprechen von Fortschritten bei den Friedensgesprächen. Es wird jetzt auch über Modalitäten für mögliche Wahlen gesprochen. Wie bewertet das Auswärtige Amt im Moment die Lage?

BURGER (AA): Wir verfolgen die Beratungen, die derzeit in Tunesien stattfinden, natürlich mit großer Aufmerksamkeit. Wir haben uns seit Beginn des Berliner Prozesses sehr intensiv dafür eingesetzt, Voraussetzungen dafür zu schaffen, dass solche Gespräche über eine politische Zukunft des Landes zwischen den libyschen Konfliktparteien wieder möglich werden und die Voraussetzungen dafür geschaffen werden. Insofern begrüßen wir es natürlich sehr, dass solche Gespräche zwischen den unmittelbar betroffenen Parteien und auch unter Einbindung einer ganzen Bandbreite von Akteuren aus der libyschen Gesellschaft nun tatsächlich stattfinden.

Ich möchte von dieser Stelle aus über Zwischenstände dieser Verhandlungen keine Bewertung abgeben. Eine solche Bewertung werden wir Ihnen gerne nachliefern, wenn diese Gesprächsrunde tatsächlich abgeschlossen ist und wir Schwarz auf Weiß sehen, worauf man sich einigen konnte und worauf man sich vielleicht auch noch nicht einigen konnte. Aus unserer Sicht ist es jedenfalls so, dass mit diesen Gesprächen ‑ und auch mit den begonnenen Gesprächen des Zehnerkomitees ‑ zum ersten Mal seit Langem tatsächlich Bewegung in die richtige Richtung kommt, nämlich in Richtung einer politischen Lösung für die Zukunft Libyens statt der militärischen Logik.

Staatliche Gewalt gegen Demonstranten in Belarus

FRAGE: Herr Seibert oder Herr Burger, in Minsk, in Weißrussland, wird heute ein weiteres Opfer der staatlichen Gewalt zu Grabe getragen. Wie kommentieren Sie das? Hat die Bundesregierung eine Idee, wie man die Gewalt in diesem Land begrenzen kann?

BURGER (AA): Wir kennen die Berichte, nach denen gestern ein Mann in Minsk zu Tode geprügelt wurde, und zwar den Berichten zufolge von vermummten Sicherheitskräften. Seiner Familie, seinen Freunden und der belarussischen Bevölkerung drücken wir unser Mitgefühl aus. Diese Tat ist bestürzend, und sie muss dringend unabhängig aufgeklärt werden.

Das Ausmaß der staatlichen Gewalt und Repressionen in Belarus ist schockierend. Ich möchte noch einmal unterstreichen, was hier bereits mehrfach zu Belarus gesagt wurde, nämlich, dass die Bundesregierung diese andauernde Gewalt und Repression auf das Schärfste verurteilt. Wir beobachten mit größter Sorge, dass das Niveau der staatlichen Gewaltanwendung und Repressionen gegen friedlich Demonstrierende zuletzt wieder zugenommen hat. Dieser gestrige Vorfall unterstreicht das auf traurigste Art und Weise.

Auch sonst sprechen die Zahlen für sich. Es gab allein am vergangenen Sonntag über 1000 Festnahmen. Hunderte Strafverfahren wurden wegen nichts anderem als der Teilnahme an friedlichen Protesten eingeleitet. Das ist nicht akzeptabel, und das steht in klarem Widerspruch zu Verpflichtungen, die Belarus im Rahmen der OSZE eingegangen ist.

Insofern ist unser Aufruf an Belarus derselbe, wie er das schon seit geraumer Zeit ist, dass Belarus endlich die Angebote zum Dialog, die es von verschiedener Seite gibt, annimmt, die belarussische Führung sich auf einen Dialog mit ihrer Bevölkerung einlässt und die andauernden Menschenrechtsverletzungen unabhängig aufgeklärt und auch verfolgt werden.

ZUSATZFRAGE: Aber die Zeit zeigt doch, dass das Regime offensichtlich nicht zu einem Dialog bereit ist. Wie viele Menschen müssen denn dort noch sterben, damit die Europäer etwas tun, als die Lage nur mit Worten zu verurteilen?

BURGER: Ich glaube, Sie wissen sehr gut, dass das längst nicht das Einzige ist, was wir tun. Wir haben bereits im Rahmen der Europäischen Union die zweite Runde von Sanktionen gegen das belarussische Regime in Kraft gesetzt, die jetzt auch Präsident Lukaschenko umfassen. Wir werden weiter unsere Möglichkeiten nutzen, den Druck auf die belarussische Führung zu erhöhen.

Aber das Ziel dieses Drucks ‑ das wollte ich noch einmal betonen; der Druck ist ja kein Selbstzweck‑ ist es, das belarussische Regime dazu zu bringen, sich endlich auf diesen Dialog, der von vielen Seiten angeboten worden ist, einzulassen.

Präsidentschaftsübergang in den USA

FRAGE: Eine Frage an das Auswärtige Amt: Wer sind derzeit eigentlich Ihre Gesprächs- und Verhandlungspartner in den USA? Die Kanzlerin hat mit Joe Biden, den President-elect, gesprochen. Gibt es vergleichbare Gespräche mit dessen sich vielleicht abzeichnender Administration? Sind Sie im Wesentlichen noch mit ‑ sagen wir einmal ‑ der Mannschaft des „president-reject“ im Gespräch, oder fahren Sie da doppelgleisig? Wie hat man sich das praktisch vorzustellen?

BURGER (AA): Das ist in demokratischen Staaten ja ein völlig normaler Vorgang, dass nach einer Wahl, bei dem Übergang von einer Regierung zu einer anderen, eine Zeitlang noch die bisherige Regierung im Amt bleibt. Das ist in Deutschland nach einer Bundestagswahl ja auch nicht anders. Insofern ist das jetzt keine ungewöhnliche Situation, dass wir mit der im Amt befindlichen amerikanischen Regierung auch weiterhin Arbeitskontakte haben.

ZUSATZFRAGE: Man hat von außen den Eindruck, dass die „transition“ in den USA derzeit nicht ganz so gewöhnlich ist wie das üblicherweise stattfindet. Das bedeutet, Sie haben keine Kontakte vorbereitender Art mit denjenigen, die dann in Zukunft, wenn es bei den bisher bekannten Ergebnissen bleibt, die Regierung übernehmen werden?

SEIBERT (BReg): Der Praxis aus den früheren Jahren folgend wird es natürlich so sein, dass im Verlauf der „transition“, die ja jetzt erst beginnt ‑ Sie sagen zu Recht, dass sie unter ungewöhnlichen Umständen beginnt ‑, auf verschiedenen Ebenen auch Kontakte mit dem „transition team“ des Wahlsiegers aufgenommen und gepflegt werden.

FRAGE: Herr Seibert, daran anschließend mit Blick auf den G20-Gipfel: Rechnet denn die Bundesregierung damit, dass der amerikanische Präsident leibhaftig an der Videoschalte teilnimmt? Laufen die Vorbereitungen auf den G20-Gipfel auch so routiniert wie in früheren Jahren, wie Herr Burger das gerade geschildert hat, trotz der doch interessanten Situation in den USA?

SEIBERT: Sie werden verstehen, dass ich nicht in der Lage bin, über die Teilnahme anderer Länder am G20-Gipfel hier Auskunft zu geben. Das müsste dann in den jeweiligen Ländern bzw. beim diesjährigen saudischen Vorsitz erfragt werden.

Es gibt selbstverständlich die intensive Arbeit der Sherpas an einer möglichen Gipfelerklärung, die in diesem Jahr eben virtuell stattfindet. Diese Verhandlungen gehen jetzt in die Endphase. Das sind Verhandlungen, deren Ergebnis ich hier nicht vorgreifen kann. Es wird diese ausführlichen Beratungen der G20-Teilnehmer am Samstag und Sonntag der kommenden Woche geben.

ZUSATZFRAGE: Ich hatte Sie ja auch nicht gefragt, Herr Seibert, ob Sie das bestätigen können, dass der amerikanische Präsident teilnimmt, sondern ob Sie damit rechnen?

SEIBERT: Ich habe dazu nicht mehr zu sagen. Die Bundeskanzlerin wird daran teilnehmen. Wie es bei G20-Gipfeln üblich ist, ist auch der Bundesfinanzminister eingeladen, am Gipfel teilzunehmen.

FRAGE: Herrn Seibert, da die Kanzlerin mit Joe Biden gesprochen hat: Dürfen wir davon ausgehen, dass Joe Biden, wenn aus dem President-elect ein amtierender Präsident geworden ist, dann eine Einladung nach Deutschland zu einem physischen Besuch, wenn das coronamäßig möglich ist, erhält? Oder wurde sie schon ausgesprochen?

SEIBERT: Amerikanische Präsidenten sind in Deutschland immer als Besucher willkommen. Das Gespräch war jetzt in einer frühen Phase. Der President-elect hat jetzt bis zum 20. Januar sicherlich ganz andere Aufgaben. Alles Weitere wird sich zeigen.

FRAGE: Herr Seibert, ich probiere es auch noch einmal zu G20. Würde die Kanzlerin es denn begrüßen oder für sinnvoll halten, wenn der neu gewählte Präsident, also Herr Biden, möglicherweise auch in irgendeiner Form an diesem G20-Gipfel teilnehmen könnte? Das macht ja schon Sinn, wenn er dann nächstes Jahr in den USA das Amt des Präsidenten übernimmt.

Noch eine kleine Wissensfrage im Anschluss: Sie sagten, es sei normal, das dann Kontakte zum „transition team“ gesucht werden. Bestehen sie schon?

SEIBERT: Ich habe nicht von „gesucht“ gesprochen. Ich habe gesagt: Es ist ganz normal, dass es im Laufe der „transition“ auch Kontakte geben wird.

ZUSATZFRAGE: Mit anderen Worten: Sie bestehen noch nicht?

SEIBERT: Schauen Sie, wir haben eine unheimlich tüchtige Botschaft in Washington; über die Ihnen Herr Burger noch sehr viel mehr sagen kann. Die Aufgabe einer Botschaft ist es ohnehin immer, in dem Land, in dem sie ist, für die Bundesrepublik Deutschland Kontakte in alle politischen Lager zu halten.

Unsere herausragende Botschafterin in den USA und ihr Team haben das sicherlich auch in den vergangenen Monaten schon längst getan. Darauf aufbauend wird es, wenn die „transition“ in Gang kommt, wie in früheren Wahljahren die nötigen Kontakte zwischen dem „transition team“ des Wahlsiegers und Vertretern der Bundesregierung geben.

BURGER: Ich will dem vielleicht hinzufügen, dass es nach amerikanischen Vorstellungen gewisse Regeln gibt, ab welchem Zeitpunkt so etwas statthaft ist, und es insofern in erster Linie in den Händen des „transition teams“ selbst liegt, wann der richtige Zeitpunkt für solche Kontakte ist.

SEIBERT: Es ist an den USA zu bestimmen, wer am G20-Gipfel teilnimmt. Üblicherweise nehmen diejenigen, die in Amt und Würden sind, teil. Das wird am nächsten Samstag und Sonntag in den USA Präsident Donald Trump sein.

Über seine Teilnahme kann ich nichts sagen. Aber er ist Präsident.

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