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Erklärungen des Auswärtigen Amts in der Regierungs­pressekonferenz vom 23.10.2020

23.10.2020 - Artikel

Grenzschließungen in Dänemark

FRAGE: Ich habe eine Frage an das BMI und an das Auswärtige Amt zum Stichwort Dänemark und den Grenzschließungen, die für deutsche Touristen ab Samstag gelten. Was ist der Stand der Dinge bei Ihnen? Inwiefern haben die jeweiligen Minister schon mit ihren Pendants in Dänemark geredet? Haben Sie vielleicht auch ausgedrückt, dass Sie das nicht gut finden oder finden Sie das gut? […]

GRÜNEWÄLDER (BMI): Ich kann Ihnen erstens dazu sagen, dass wir mit der dänischen Regierung in einem ständigen und vertrauensvollen Austausch stehen, auch was die Maßnahmen zur Bekämpfung der Pandemie angehen.

Zweitens kann ich Ihnen sagen, dass jedes Land aus seiner Perspektive beurteilen muss, welche Maßnahmen erforderlich sind. Das haben wir als Deutschland zu (akustisch unverständlich)

FRAGE: Was das Thema Grenzschließungen von Dänemark angeht, würde mich interessieren, wie das Auswärtige Amt das sieht. Der Minister hatte ja betont, dass Grenzschließungen im Frühjahr eigentlich der falsche Weg waren.

SASSE (AA): Richtig. Wir können uns zum einen den Ausführungen des Kollegen aus dem Bundesinnenministerium anschließen. Zum anderen haben Sie gerade selbst erwähnt, was der Minister zu diesem Thema gesagt hat, dass wir nämlich im Frühjahr gesehen haben, dass Grenzschließungen nicht in unser aller Sinn sind, weil sie verschiedene Folgen haben, was den Fluss des Warenverkehrs und den Verkehr insgesamt ‑ zum Beispiel Verkehrsstörungen ‑ angeht. Das war beispielsweise an der Grenze zu Polen oder mit Blick auf Frankreich der Fall. Der Minister hat sich selbst dazu ausführlich letzte Woche während seiner Reise in Paris geäußert. Diese Äußerungen gelten natürlich weiterhin.

Es ist so, wie der Kollege aus dem Innenministerium bereits gesagt hat: Es ist letztlich Sache der einzelnen europäischen Länder, hier die Maßnahmen zu ergreifen, die sie für richtig erachten.

Was die Frage der Kollegin zu Kontakten des Ministers angeht, müsste ich die Antwort nachreichen.

ZUSATZFRAGE: Gibt es, da Deutschland von Risikogebieten umzingelt ist, eine bestimmte Schwelle, ab der auch Sie wieder Grenzschließungen in Erwägung ziehen würden?

GRÜNEWÄLDER: Dazu kann ich Ihnen sagen, dass es diesbezüglich keinen neuen Stand gibt. Die Wiederanordnung von vorübergehenden Grenzschließkontrollen wird derzeit nicht erwogen.

Tödlicher Messerangriff auf Touristen in Dresden / Abschiebestopp nach Syrien

FRAGE: Rückt nach der tödlichen Messerattacke in Dresden ein Ende des Abschiebestopps für Syrer näher, wie es etwa der bayerische Innenminister fordert?

SEIBERT (BReg): Ich möchte grundsätzlich zu dem entsetzlichen Fall von Dresden etwas sagen.

Ich würde gerne für die Bundesregierung sagen, dass am 4. Oktober ein grauenvolles Verbrechen verübt worden ist. Eines der Opfer des Angriffs ist tragischerweise seinen schweren Verletzungen erlegen. Im Namen der Bundeskanzlerin und der Bundesregierung möchte ich sagen: Wir trauern um den Ermordeten. Unsere gesamte aufrichtige Anteilnahme gilt seiner Familie und seinen Freunden.

Nun ist vergangenen Dienstagabend ein Tatverdächtiger verhaftet worden. Da es den Verdacht eines radikal islamistischen Hintergrundes gibt, hat der Generalbundesanwalt die Ermittlungen in diesem Fall übernommen. Sollte sich dieser Verdacht bewahrheiten, würde uns das leider noch einmal vor Augen führen, wie gefährlich gewaltbereite islamistische Fanatiker sind.

Dass wir uns davon als demokratische Wertegemeinschaft nicht einschüchtern lassen dürfen, ist klar. Wir werden im Kampf gegen diesen extremistischen islamistischen Terror mit ganzer Kraft auf allen staatlichen Ebenen zusammenarbeiten und dafür arbeiten, dass alles Menschenmögliche für unsere Sicherheit im Land getan wird, um solche Taten zu verhindern.

GRÜNEWÄLDER (BMI): Ich kann zunächst einmal darauf hinweisen, dass sich der Bundesinnenminister Mittwochabend zu dem Fall geäußert und ebenfalls betont hat, dass diese schreckliche Tat erneut die Gefährlichkeit von islamistischer Gewalt vor Augen führt. Der Bundesinnenminister hat gesagt:

„Egal welche Form von Extremismus und Terrorismus, es ist höchste Wachsamkeit angezeigt. Unsere Sicherheitsbehörden müssen ihre Arbeit optimal ausüben können. Dafür verdienen sie die vollste Unterstützung der Politik und alle dafür notwendigen Instrumente.“

Zu Ihrer konkreten Frage: Auch dazu hat sich der Bundesinnenminister gestern am Rande der Tarifverhandlungen in Potsdam geäußert. Er hat darauf hingewiesen, dass es aus Sicht des Bundesinnenministeriums grundsätzlich zu begrüßen ist, wenn Straftäter und auch Gefährder abgeschoben werden können, dass dies aber natürlich nur dann geschehen kann, wenn sie nicht mit Gefahr für Leib und Leben bedroht ist.

Vor diesem Hintergrund hat die Innenministerkonferenz zuletzt im Juni dieses Jahres den Abschiebestopp nach Syrien zunächst bis Ende dieses Jahres, also bis zum 31.12 2020, verlängert. Grundlage dafür ist ein Lagebericht des Auswärtigen Amtes zur Situation in der Arabischen Republik Syrien, sodass im Moment Abschiebungen nicht möglich sind, obwohl sie aus unserer Sicht durchaus wünschenswert wären.

FRAGE: Erste Frage: Der Fall in Dresden hat ja gezeigt, dass zumindest der Verdacht im Raum steht, dass die Behörden hier ‑ ich sage es einmal sehr diplomatisch ‑ nicht ideal agiert haben und dass es hier viele Fehler gab. Inwieweit wollen Sie das auf Ebene der Bundesregierung untersuchen und versuchen, hier zu testen, ob die gesetzlichen Regelungen ausreichen oder ob man hier auf institutioneller Ebene etwas machen kann?

Zweite Frage: In Frankreich gab es ja eine sehr scharfe Reaktion ‑ man hat, wenn ich richtig informiert bin, danach über 200 Gefährder ausgewiesen. Man hat also den Eindruck, dass in Frankreich sehr heftig reagiert wird; in Deutschland hat man zumindest diesen Eindruck nicht. Sie sprachen gerade von Äußerungen zu Abschiebungen in Gebiete, in denen Leib und Leben in Gefahr sind. Nun nehme ich nicht an, dass alle Gefährder, die hier registriert sind, aus Gebieten sind, in denen Leib und Leben in Gefahr sind. Gerade im Hinblick auf die französische Erfahrung: Haben Sie vor, da härter vorzugehen?

GRÜNEWÄLDER: Die Länder sind dafür verantwortlich, Personen als Gefährder einzustufen. Sie haben die genauen Erkenntnisse vor Ort, und aufgrund dieser Erkenntnisse wird eine Gefahreneinschätzung vorgenommen, nach der dann eine Person als Gefährder eingestuft wird. Im Moment haben die Länder etwa 620 Personen als islamistische Gefährder eingestuft. Davon befanden sich zum Stand Ende Juni rund 350 in Deutschland. Es sind also nicht alle in Deutschland.

Abschiebungen werden vorgenommen, sofern das möglich ist, gerade von Gefährdern, aber vor allem auch von Straftätern, zum Beispiel auch nach Afghanistan ‑ dort gibt es ja befriedete Gebiete, in die eine Abschiebung möglich ist. Für den konkreten Fall, für Syrien, ist das nach dem aktuell noch geltenden Lagebericht des Auswärtigen Amtes aber noch nicht möglich. Wir müssen sehen, ob sich die Situation bis Ende des Jahres geändert hat, sodass die Innenministerkonferenz sich möglicherweise dafür entscheidet, den Abschiebestopp nicht zu verlängern.

Der Unterschied zum Fall Frankreich liegt möglicherweise auch darin, dass hier weniger Syrer betroffen sind, sondern eher andere Landsmänner und -frauen, sodass man das nicht unmittelbar vergleichen kann.

ZUSATZFRAGE: Ich hatte im ersten Teil der Frage noch nach den institutionellen Problemen gefragt. Zieht man aus dem angeblichen Versagen der Behörden in Dresden irgendwelche Schlüsse?

GRÜNEWÄLDER: Diese Bewertung mache ich mir nicht zu eigen. Ich gehe davon aus und bin mir sicher, dass die Sicherheitsbehörden in Sachsen das ihnen Mögliche getan haben, um diese Person zu überwachen. Die Möglichkeiten der Führungsaufsicht wurden ausgeschöpft. Dazu gab es gestern ja auch eine Pressekonferenz der Behörden in Sachsen, die, glaube ich, alle Fragen beantwortet hat. Aus meiner Sicht gibt es da im Moment also keinen Handlungsbedarf auf Bundesebene. Man muss vor Ort weiter untersuchen, ob wirklich alles getan worden ist. Nach unserem Eindruck ist das der Fall, aber das kann man aus Berlin auch nicht abschließend von heute auf Morgen beurteilen.

FRAGE: Frau Sasse, wir hören ja gerade, dass der Bundesinnenminister es wünschenswert fände, wenn Abschiebungen nach Syrien wieder möglich sind, und das gerne prüfen lassen möchte. Hat sich an der bisherigen Einschätzung des Auswärtigen Amts, dass dafür nicht ausreichend sichere Gebiete vorhanden sind, denn etwas geändert?

SASSE (AA): Das Stichwort Lagebericht ist an dieser Stelle jetzt schon mehrfach gefallen. Wir erstellen diese Lageberichte als Auswärtiges Amt in regelmäßigen Abständen. Das betrifft auch Syrien. Zu Details der Lageberichte kann ich an dieser Stelle nichts sagen, weil es sich um Verschlusssachen handelt. Insgesamt ist es aber so ‑ das haben wir an dieser Stelle auch in der Vergangenheit schon mehrfach erläutert ‑, dass die Lage in Syrien weiterhin sehr komplex, sehr volatil ist. Die humanitäre Lage ist katastrophal; es gibt weiterhin zahlreiche Gefahren, denen die Syrer aus unterschiedlichen Richtungen ausgesetzt sind ‑ auch vom Regime selbst, das weiterhin rücksichtslos gegen die eigenen Staatsbürger vorgeht. Diese Beobachtungen fließen in unsere Lageberichte ein. Aber wie gesagt, die Details können wir nicht nennen, weil die Berichte selber als Verschlusssache eingestuft sind.

FRAGE: Ist es möglich, in Syrien eine Sicherheitszone, wie sie der Bundesinnenminister wohl ins Gespräch gebracht hat, einzurichten, in die dann eine Abschiebung möglich wäre? Gibt es diese Möglichkeit, und gibt es sozusagen auch Gespräche darüber?

Inwieweit müssten eigentlich diplomatische Beziehungen zu Syrien aufgenommen werden, sollte man sich dazu entscheiden, wieder nach Syrien abzuschieben? Oder wäre auch eine Abschiebung in die nicht von Assad beherrschten Gebiete möglich?

SASSE: Die Antwort auf diese beiden Fragen muss ich nachreichen.

FRAGE: Ich habe vorhin noch einmal ins Jugendstrafgesetz geschaut. Darin steht, dass es theoretisch auch für einen jugendlichen Täter die Möglichkeit der Sicherheitsverwahrung gibt. Warum ist es in diesem Fall nicht dazu gekommen?

Mindestens einer der Innenminister der Länder hat ja die Abschiebehaft ins Gespräch gebracht. Was sind da die theoretischen Voraussetzungen bzw. gibt es diese theoretischen Voraussetzungen überhaupt?

GRÜNEWÄLDER: Zur ersten Frage müssten Sie sich an die Behörden in Sachsen wenden; da sind Sie hier beim falschen Ansprechpartner. Zu möglichen Maßnahmen in Sachsen kann ich Ihnen, wie eben ausgeführt, wenig sagen. ‑ Ich weiß nicht, ob das BMJV das tun kann?

BÖNNIGHAUSEN (BMJV): Vielleicht ganz allgemein zu den Sachen im Jugendgerichtsgesetz, in dem Sie nachgeschaut haben: Es ist natürlich so, dass ich den konkreten Fall nicht kenne; deswegen kann ich dazu tatsächlich nur sehr allgemeine Aussagen machen. Im Jugendgerichtsgesetz gibt es, wie Sie gesagt haben, durchaus die Möglichkeit der Sicherheitsverwahrung. Allerdings muss eine gewisse Art von Straftaten begangen worden sein, damit überhaupt die Möglichkeit einer Sicherungsverwahrung in Betracht kommt. Ich kann jetzt aber nicht sagen, ob entsprechende Straftaten von dieser Person tatsächlich begangen wurden oder nicht. Das ist das, was ich Ihnen dazu jetzt mitteilen kann.

ZUSATZFRAGE: Gibt es die rechtlichen Voraussetzungen zur Abschiebehaft?

GRÜNEWÄLDER: In der Tat gibt es die Möglichkeit, Abschiebehaft anzuordnen, allerdings nur unter sehr engen Voraussetzungen. Sie finden dazu etwas in § 62 Absatz 3 des Aufenthaltsgesetzes. Danach kann das unter bestimmten Voraussetzungen angeordnet werden. Ich gehe davon aus, dass diese Voraussetzungen in diesem Fall nicht vorliegen. Wie gesagt, das ist vor Ort zu entscheiden. Außerdem gibt es nach § 62 Absatz 4 Satz 1 des Aufenthaltsgesetzes eine Möglichkeit, Abschiebehaft anzuordnen, allerdings nur für sechs Monate. All das muss ja auch verfassungsrechtlichen Erwägungen standhalten. Sie können nicht einfach jemanden, der als Gefährder eingestuft ist, für unbestimmte Zeit in Haft nehmen, bis sein Abschiebestopp ausläuft. Auch wenn das aus mancher Sicht möglicherweise wünschenswert wäre, ist das mit unserer Verfassung einfach nicht vereinbar.

FRAGE: Noch einmal zum Lagebericht: Das übermittelte Zitat des Ministers ist ja, dass er sich dafür ausgesprochen hat, zu überprüfen, ob man nicht nach Syrien in die befriedeten Gebiete abschieben kann. Deswegen ist jetzt die Frage: Sieht der bisherige Lagebericht überhaupt befriedete Gebiete? Gibt es nach Ihrer Ansicht befriedete Gebiete in Syrien?

SASSE: Wie gesagt, auf Details des Lageberichts kann ich an dieser Stelle nicht eingehen, weil er als Verschlusssache eingestuft ist. Wann und wohin abgeschoben wird, ist aber auch nicht etwas, was das Auswärtige Amt beurteilt. Wir stellen in diesem Bericht tatsächlich nur die Fakten dar, die sich sozusagen „on the ground“ vor Ort ergeben.

Demokratiebewegung in Hongkong

FRAGE: An das Auswärtige Amt zur Demokratiebewegung in Hongkong: Deutschland hat Berichten zufolge einer 22-jährigen Aktivistin, die dort verurteilt worden war, Asyl gewährt, woraufhin dann der deutsche Generalkonsul in Hongkong zum Gespräch gebeten wurde. Mögen Sie das kommentieren?

SASSE (AA): Ich kann an dieser Stelle nur bestätigen, dass es ein solches Gespräch tatsächlich gegeben hat.

ZUSATZFRAGE: Und keine weiteren Kommentare dazu? ‑ Wäre es ganz grundsätzlich gesprochen denn möglich, dass die Bundesrepublik noch weiteren Aktivistinnen und Aktivisten aus Hongkong Asyl gewährt?

SASSE: Die Kollegen des BMI werden sicherlich im Detail darauf eingehen. Es ist aber natürlich so, dass wir uns zu Details asylrechtlicher Einzelfälle schon aus Gründen des Persönlichkeitsschutzes nicht äußern.

GRÜNEWÄLDER (BMI): Da kann ich Ihnen leider nur mit dem Standardsatz helfen, dass das Asylrecht ein individuelles Recht ist, das individuell geprüft wird und je nach dem individuellen Fall gewährt oder nicht gewährt wird. Wir können ja nicht nach Regionen und nach Ländern unterscheiden.

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