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Erklärungen des Auswärtigen Amts in der Regierungspressekonferenz vom 14.10.2020
Reise des Außenministers nach Paris
BURGER (AA): Außenminister Maas wird morgen nach Paris reisen. Die Ankunft dort ist für etwa 9 Uhr geplant. Er wird im französischen Außenministerium an einem Treffen im Format des sogenannten Weimarer Dreiecks teilnehmen, also gemeinsam mit seinem französischen und seinem polnischen Amtskollegen. Nach dem Gespräch ist um etwa 11.30 Uhr eine gemeinsame Pressekonferenz der drei Außenminister geplant. Nach der Pressekonferenz ist noch ein Arbeitsmittagessen der drei Außenminister angesetzt, bevor es zurück nach Berlin geht. Hier ist die Ankunft für etwa 15.30 Uhr geplant.
Antrittsbesuch des polnischen Außenministers in Berlin
BURGER (AA): Auch der polnische Außenminister Rau wird aus Paris nach Berlin weiterreisen und hier von Außenminister Maas zu seinem bilateralen Antrittsbesuch in der Villa Borsig empfangen. Vor dem Gespräch mit Außenminister Rau ist eine gemeinsame Pressebegegnung geplant, die Sie auf dem Twitter-, Facebook- und Instagram-Account des Auswärtigen Amtes in deutscher Sprache und auf unserem englischsprachigen Twitter-Account auch in polnischer Sprache verfolgen können.
Fall Nawalny
FRAGE: Herr Seibert oder Herr Burger, ich hätte gerne einen Kommentar zu zwei Aussagen des russischen Außenministers. Er hat gestern gedroht, den Dialog mit europäischen Persönlichkeiten bzw. Politikern ganz abzubrechen, weil er durch die Aussage von Frau von der Leyen beleidigt ist, die Russland die Fähigkeit zu einer Partnerschaft abgesprochen hat. Wie bewertet die Bundesregierung diese Drohung von Herrn Lawrow? ‑ Die zweite Drohung folgte heute mit der Ankündigung von spiegelbildlichen Antworten auf die angedrohten EU-Sanktionen im Fall Nawalny.
BURGER (AA): Ich möchte die Äußerungen des russischen Außenministers nicht kommentieren. Die Haltung der Bundesregierung zu diesem Vorgang haben wir in den letzten Tagen immer wieder deutlich gemacht. Es hat eine große Einigkeit beim Treffen der EU-Außenminister am Montag gegeben, dass der Einsatz eines Nervenkampfstoffs gegen Herrn Nawalny in Russland nicht ohne Konsequenzen bleiben kann. Auf dieser Basis laufen jetzt in Brüssel die Beratungen zur Umsetzung dessen, was dort vorgeschlagen wurde, nämlich gezielte Sanktionen gegen Einzelpersonen. Die Ergebnisse dieser Beratungen werden Sie sehr zügig sehen.
ZUSATZFRAGE: Die Bundesregierung ist doch immer wieder dafür, den Dialog mit Russland aufrechtzuerhalten. Was passiert jetzt, wenn Russland einfach auf stumm schaltet?
BURGER: Ich möchte Sie auf ein Interview hinweisen, das Außenminister Maas gegeben hat und das gestern von der russischen Agentur RIA Novosti veröffentlicht wurde. In diesem Interview sagt der Außenminister unter anderem:
„Jedenfalls ändert er [der Fall Nawalny] nichts an der Geografie und deshalb auch nichts an unserem fundamentalen Interesse an einem guten oder zumindest einem vernünftigen Verhältnis zu Russland.“
Er sagt dort auch:
„Schon deshalb wollen wir mit all unseren Nachbarn gute Beziehungen, die auf klaren Regeln und gegenseitigem Respekt aufbauen. Und dafür haben wir in den letzten Jahren auch einiges an Arbeit investiert.“
Der Außenminister sagt, er habe kaum einen Amtskollegen öfter getroffen als Sergej Lawrow. Er sagt weiter:
„Unsere Gesellschaften sind eng verbunden. Es gibt einen regen Austausch der Zivilgesellschaft, von Studenten, Wissenschaftlern, Künstlern, der Wirtschaft. Aber es ist kein Geheimnis, dass unser zwischenstaatliches Verhältnis durch eine Reihe von Vorfällen ‑ angefangen beim Bundestagshack bis hin zur Ermordung eines Georgiers in Berlin, die aktuell in Deutschland vor Gericht verhandelt wird ‑ belastet wird.“
Ich glaube, Sie werden in allen Äußerungen der Bundesregierung und auch des Außenministers über die letzten Wochen hinweg eine große Kontinuität feststellen. Wir bemühen uns und haben uns in der Vergangenheit um ein vernünftiges Verhältnis zu Russland bemüht, auch im Interesse, mit Russland gemeinsam an der Lösung internationaler Krisen zu arbeiten. Gleichzeitig müssen wir aber feststellen, dass bestimmte Vorfälle das bilaterale Verhältnis belasten. Wir müssen auch dafür Sorge tragen ‑ da sind wir uns im europäischen Rahmen einig ‑, dass ein Verstoß gegen das Chemiewaffenübereinkommen ‑ das Verbot der Chemiewaffen ist immerhin eine der am weitesten akzeptierte Norm des Völkerrechts ‑ nicht ohne Konsequenzen bleiben kann.
ZUSATZFRAGE: Herr Seibert, die Beziehungen scheinen jetzt auf dem tiefsten Punkt angekommen zu sein. Man ist jetzt in einer Sackgasse. Wäre es jetzt nicht an der Zeit, dass die Kanzlerin eingreift und einmal ein Gespräch mit dem russischen Präsidenten sucht?
SEIBERT (BReg): Ich denke, dass Herr Burger das gerade schon sehr klargemacht hat. Es war immer die Politik der Bundesregierung, auch dieser Bundeskanzlerin, die Gesprächsbereitschaft nie abreißen zu lassen und gleichzeitig sehr klar zu benennen, wenn Russland Regeln bzw. Völkerrecht gebrochen hat. Das eine schließt das andere nicht aus. Das ist ein Fall von Ehrlichkeit. Das wird es sicherlich auch weiterhin geben.
FRAGE: Ich habe eine Frage zum Thema Sanktionen. Ich weiß, dass es ziemlich unwahrscheinlich ist, dass wir die Namen der sanktionierten Personen heute bekommen. Aber vielleicht könnten Sie, Herr Seibert, sozusagen das Niveau der Politiker nennen, die im Zusammenhang mit dem Fall Nawalny sanktioniert werden. Sind das Minister? Wer ist das?
SEIBERT: Zunächst einmal sind wir froh darüber, dass der Europäische Rat schon frühzeitig einstimmig und sehr deutlich den Mordversuch an Herrn Nawalny durch einen chemischen Kampfstoff der Nowitschokgruppe verurteilt hat. Nun sind wir auch dankbar dafür, dass der EU-Außenministerrat am Montag die Vorschläge für Strafmaßnahmen, die Deutschland und Frankreich gemeinsam eingebracht haben, konsentiert und in den internen Abstimmungsprozess zwischen den Mitgliedsstaaten eingebracht hat. Wenn diese Sanktionen verabschiedet würden, dann wäre das ein sehr deutliches Zeichen gegenüber Moskau, dass der Einsatz von Chemiewaffen, zumal gegenüber Bürgern, inakzeptabel ist.
Es gibt dazu eine französisch-deutsche Ministererklärung. Ich denke, an der Stelle übernimmt am besten der Kollege Burger. Denn sie sagt Ihnen zwar nicht Namen, aber sozusagen die Ratio, warum bestimmte Menschen auf dieser Liste stehen.
BURGER: Genau. Wir haben sie in einer Pressemitteilung am 7. Oktober veröffentlicht. Darin heißt es:
„Die Vorschläge werden auf Einzelpersonen abzielen, die aufgrund ihrer offiziellen Funktion als verantwortlich für dieses Verbrechen und den Bruch internationaler Rechtsnormen gelten, sowie auf eine Einrichtung, die in das Nowitschok-Programm eingebunden ist.“
Das ist das, was wir Ihnen zum jetzigen Zeitpunkt über die Sanktionen, die sich jetzt, wie gesagt, im europäischen Abstimmungsprozess befinden, sagen können. Darüber hinausgehende Informationen werden wir dazu erst geben können, wenn der Beschluss gefasst sein wird.
ZUSATZFRAGE: Bei den Sanktionen geht es wahrscheinlich auch darum, den Personen, die an der Arbeit an dem Nowitschokprogramm teilgenommen haben, die Einreise in die EU-Staaten zu verbieten und beispielsweise auch deren Finanzaktivitäten einzufrieren. Aber es ist relativ wahrscheinlich ‑ auch ich selbst bin Russin ‑, dass die Personen, die an diesem Programm teilgenommen haben, ihrer dortigen Positionen wegen sowieso nicht aus Russland ausreisen dürfen.
Ist es überhaupt sinnvoll, diese Personen zu sanktionieren?
BURGER: Zu dem Personenkreis oder dem Kreis von Einrichtungen, um die es geht, kann ich jetzt nichts weiter sagen als das, was ich eben aus der Pressemitteilung der gemeinsamen deutsch-französischen Ministererklärung zitiert habe.
Sie haben recht; in der Regel umfassen Sanktionen, die die Europäische Union gegen Personen oder einzelne Entitäten erlässt, unter anderem ein Einreiseverbot. Aber sie umfassen eben auch andere restriktive Maßnahmen. Es gibt ein sogenanntes Bereitstellungsverbot, also ein Verbot der Bereitstellung wirtschaftlicher Güter, des Zugriffs auf wirtschaftliche Ressourcen usw.
INF-Vertrag
FRAGE: Gibt es Bestrebungen der Bundesregierung, den INF-Vertrag wiederzubeleben?
BURGER (AA): Am INF-Vertrag war die Bundesrepublik ja nicht als Vertragspartner beteiligt, sondern das war ein Vertrag, der damals zwischen den USA und der Sowjetunion geschlossen wurde. Wir haben uns in den vergangenen zwei Jahren intensiv dafür eingesetzt, dass dieser Vertrag erhalten wird. Das ist nicht gelungen, maßgeblich deshalb, weil Russland den Vertrag durch die Entwicklung und Stationierung neuer Mittelstreckenraketen seit einigen Jahren verletzt hat und nicht die notwendigen Schritte ergriffen hat, um wieder zur Vertragstreue zurückzukehren.
Es gibt derzeit ‑ das werden Sie der Medienberichterstattung entnommen haben ‑ Beratungen darüber, das New-START-Abkommen, das ebenfalls ein wichtiges Abkommen zwischen den USA und Russland zur Begrenzung nuklearer Rüstung ist, zu verlängern. Das ist aus Sicht der Bundesregierung ein sehr, sehr wichtiges Ziel, weil alles, was dazu beiträgt, nukleare Rüstung zu begrenzen, sie berechenbarer zu machen und dafür möglichst verbindliche Regeln zu schaffen, hilft, die Gefahr zu reduzieren, dass es ungewollt zu einer nuklearen Eskalation kommt.
Selbstverständlich setzt sich die Bundesregierung in den Gremien, die dafür geeignet sind ‑ das sind aus Sicht der Bundesregierung insbesondere die Konferenzen zur Überprüfung des Nichtverbreitungsvertrages ‑, dafür ein, das nukleare Rüstungskontroll- und Abrüstungsregime wieder zu stärken und Anstöße für neue Regelwerke zu geben, um den gefährlichen Trend der letzten Jahre, dass eben immer mehr Vertragswerke gekündigt und abgebaut werden, anstatt neue Regeln zur Rüstungsbegrenzung einzuführen, umzukehren.
Konflikt im östlichen Mittelmeer
FRAGE: Herr Burger, eine Frage zur Krise im östlichen Mittelmeer. Der Außenminister war gestern in Zypern und Griechenland. Was sind die nächsten Schritte? Gibt es irgendwelche Pläne für Reisen in die Türkei, um Gespräche mit türkischen Offiziellen zu führen?
BURGER (AA): Vielen Dank für die Frage. Sie haben es richtig erwähnt: Der Außenminister ist gerade auf der Rückreise von einem Besuch in Griechenland und Zypern. Aus Gesprächen, die er dort geführt hat, wurde die Enttäuschung seiner Gesprächspartner vor Ort über die einseitigen Schritte der Türkei deutlich. Es wurde aber auch deutlich, dass es weiterhin eine grundsätzliche Bereitschaft zu einem Dialog mit der Türkei gibt und dass das Paket, das beim Europäischen Rat vor zwei Wochen für die europäische Türkeipolitik beschlossen wurde, zumindest bis zum Rat im Dezember die Leitschnur für das Handeln aller EU-Partner bleibt.
Insofern werden wir dieses Thema zu gegebener Zeit selbstverständlich auch mit der Türkei erörtern müssen. Wie der Außenminister gestern gesagt hat, ist es jetzt vor allem an der Türkei, verlorenes Vertrauen wiederherzustellen und eine Atmosphäre zu schaffen, in der solche Sondierungsgespräche erfolgversprechend sein können. Dafür muss die türkische Seite von einseitigen Provokationen absehen.
ZUSATZFRAGE: Sie haben die Dialogbereitschaft angesprochen. Sind irgendwelche Gespräche mit der türkischen Seite geplant? Wird der Minister nach Ankara reisen, um diesen Gesprächsfaden nicht abreißen zu lassen?
BURGER: Der Minister hat sich zuletzt mit seinem türkischen Kollegen vor nicht einmal einer Woche am Rande einer internationalen Konferenz in Bratislava getroffen. Insofern besteht dieser Gesprächsfaden. Ich habe Ihnen jetzt aber keine konkreten neuen Reisetermine anzukündigen.