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Erklärungen des Auswärtigen Amts in der Regierungs­pressekonferenz vom 09.10.2020

09.10.2020 - Artikel

Militärischer Konflikt zwischen Armenien und Aserbaidschan um die Region Bergkarabach

FRAGE: Frau Adebahr, eine Frage zum Konflikt zwischen Armenien und Aserbaidschan. Der Minister hat, glaube ich, vorgestern mit seinem aserbaidschanischen Kollegen gesprochen. Können Sie dazu Näheres sagen?

ADEBAHR (AA): Ich kann Ihnen sagen, dass der Außenminister in diesem Telefonat mit seinem aserbaidschanischen Kollegen noch einmal unsere Haltung dargelegt hat, nämlich, dass es ganz dringend darum geht, zu einer sofortigen Waffenruhe ohne Vorbedingungen zu kommen, und wir beide Seiten dazu auffordern, an den Verhandlungstisch im Minsker Format zurückzukehren. Das Minsker Format gibt es ja, um genau diesen Konflikt zu beraten und zu lösen. Die Co-Vorsitzenden der Minsk-Gruppe versuchen, dort substantielle Verhandlungen auf den Weg zu bringen. Wir sehen beide Seiten des Konflikts gleichermaßen in der Pflicht dazu beizutragen. Diese Haltung hat der Außenminister in dem Telefonat noch einmal dargelegt.

ZUSATZFRAGE: Sah der Minister irgendwelche Ansätze, dass Aserbaidschan doch zu einer Waffenruhe einlenkt?

ADEBAHR: Was ich Ihnen über das Telefonat berichten kann, ist die Position des Ministers, also dass er noch einmal eindringlich Waffenruhe gefordert hat. Wir hoffen, dass es da Fortschritte gibt ‑ von aserbaidschanischer Seite als auch von armenischer.

FRAGE: Heute treffen sich ja in Moskau auf Einladung des russischen Außenministers die Außenminister von Aserbaidschan und Armenien. Gibt es eine Absprache zwischen der deutschen und der russischen Seite über die Inhalte? Sehen Sie dieses Treffen auf Einladung der russischen Regierung sozusagen in Konkurrenz zum Minsker Format, oder korrespondiert es miteinander?

ADEBAHR: Die russische Seite hat in den letzten Tagen ja auch gesagt, dass sie daran interessiert ist, dass dieser Konflikt beruhigt wird und es zu einem Waffenstillstand kommt. Insofern ist das eine Position, die wir teilen. Russland ist ja auch Mitglied der OSZE und über diesen Kanal sozusagen in die Bemühung der Minsk-Gruppe in der OSZE eingebunden.

Insofern kann ich dem Treffen heute nicht vorgreifen. Aus unserer Sicht wäre es natürlich wünschenswert, wenn alle Bemühungen, die es über die Minsk-Gruppe und die OSZE gibt, miteinander konform und kompatibel wären und alle darauf hinwirken würden, dass es eine Waffenruhe, die man verstetigen muss, und einen Waffenstillstand gibt.

ZUSATZFRAGE: Einen direkten Austausch zwischen dem Auswärtigen Amt und dem russischen Außenministerium über Inhalte oder Strategien hat es aber nicht gegeben?

ADEBAHR: Ich kann Ihnen von einem solchen hier nicht berichten. Es trifft aber zu, dass es innerhalb der OSZE Gespräche, auch mit unseren Botschaften, über die Strategie gibt, wie die Minsk-Gruppe dort vorangehen soll. Russland ist Teil dieser Organisation und dieses Gefüges und bringt sich da auch ein.

Politische Aktivitäten des thailändischen Königs von deutschem Boden aus

FRAGE: Am Mittwoch hat sich der Außenminister zu den Protesten gegen die thailändische Regierung und den möglichen Konsequenzen von politischen Aktivitäten des thailändischen Königs auf deutschem Boden geäußert. Herr Maas sagte, man würde entgegenwirken wollen, wenn ein fremdes Staatsoberhaupt von deutschem Boden aus Politik betreiben würde. Hat der Außenminister konkrete Hinweise darauf, dass König Rama X. von deutschem Boden aus Politik betrieben hat?

ADEBAHR (AA): Ich kann Ihnen noch einmal sagen, dass es, wie der Minister das gesagt hat, unsere Auffassung ist, dass ausländische Staatsgeschäfte nicht von deutschem Boden aus erfolgen sollten. Wir haben diese Haltung auch gegenüber dem thailändischen Botschafter schon mehrfach zum Ausdruck gebracht.

Die thailändische Seite versichert uns, dass die Regierungsgeschäfte in Thailand von dem dortigen Premierminister geführt werden und dass der König, der das Oberhaupt einer konstitutionellen Monarchie in Thailand ist, sich privat in Deutschland aufhält.

Insofern ist der Stand, dass wir unsere Position sehr klar gemacht haben. Die thailändische Seite hat uns ihre Position dargelegt. Falls es Anhaltspunkte geben sollte, dass der König Regierungsgeschäfte von hier aus führt, und das eine Reaktion von uns erforderlich macht, dann müsste man das in dieser Situation beurteilen, wenn sie denn eintritt.

Medienberichte über eine bevorstehende Reise des Außenministers nach Griechenland

FRAGE: Ich habe eine Frage an das Auswärtige Amt. Frau Adebahr, in Athen kursiert die Meldung, dass Außenminister Maas für nächste Woche einen Besuch in Athen, Ankara und Nikosia plant. Ist eine solche Reise im Auswärtigen Amt in Planung?

ADEBAHR (AA): Ich kann Ihnen hier und heute keinen solchen Termin ankündigen. Wie Sie wissen, kündigen wir Besuche oder Reisen des Außenministers dann an, wenn sie ganz spruchreif sind ‑ im Übrigen auch in der Regierungspressekonferenz, die unmittelbar vor einem möglichen Besuch liegen wird.

ZUSATZFRAGE: Daraus kann ich daraus also schließen, dass dieser Besuch durchaus am Montag hier angekündigt werden könnte? ‑ Okay, danke.

Wiedereröffnung eines Strandabschnitts des türkisch kontrollierten Stadtteils Varosha in Famagusta in Zypern

FRAGE: Ich habe eine Zusatzfrage: Außenminister Maas hat sich gestern sowohl mit seinem türkischen Kollegen als auch mit dem griechischen Kollegen getroffen. Meine Frage ist, ob dabei die Frage von Öffnung von Varosha in Zypern zur Sprache gekommen ist. Wie hat eigentlich die türkische Seite, der türkische Außenminister, auf die deutsche Position reagiert?

ADEBAHR (AA): Es trifft zu, dass der Bundesaußenminister gestern mit seinem türkischen Kollegen in Bratislava auf einer Konferenz, die dort stattfand, gesprochen hat. Dabei sind alle Themen, die uns im Moment mit der Türkei beschäftigen, besprochen worden. Ich kann Ihnen aber an dieser Stelle aus dem vertraulichen Gespräch keine weiteren Einzelheiten nennen.

ZUSATZFRAGE: Okay, den Inhalt will ich nicht. Mich würde aber Ihre Einschätzung oder die Einschätzung des Ministers interessieren, ob dieser Schritt der Türkei die Bemühungen der deutschen Regierung beeinflusst hat, Deeskalation und Entspannung im östlichen Mittelmeer zu erreichen.

ADEBAHR: Ich glaube, zu Varosha hat Herr Seibert in der letzten Regierungspressekonferenz schon ausgeführt?

DEMMER (BReg): Da müsste ich dann aber auf das Protokoll verweisen, das kann ich jetzt nicht auswendig rezitieren.

ADEBAHR: Wir freuen uns, dass beide Seiten angekündigt haben, dass es die Bereitschaft zur Wiederaufnahme des bilateralen Dialogkanals gibt; das hat die griechische Seite gestern ja auch noch einmal in einer kurzen Videobotschaft bestätigt. Unser Ziel ist es, dass alle strittigen Fragen im Mittelmeer dort von den beiden Seiten besprochen werden.

Zur Frage von Varosha hat Herr Seibert, wie gesagt, in der letzten Regierungspressekonferenz etwas ausgeführt ‑ haben Sie das am Mittwoch mitbekommen?

ZUSATZ: Ja, klar.

ADEBAHR: Dann habe ich dem nichts hinzuzufügen.

Was ich heute noch sagen kann, ist, dass es zu dieser Frage auf britischen Antrag heute auch im Sicherheitsrat der Vereinten Nationen eine Diskussion geben wird. Das sind geschlossene Konsultationen. Wie wird Deutschland in diese Sicherheitsratsbefassung gehen? Wir werden beide Seiten auffordern, ihre Streitigkeiten friedlich zu lösen und sich im Friedensprozess zu Zypern unter der Ägide der Vereinten Nationen zu engagieren. Wir sind nicht der Auffassung, dass einseitige Schritte, die dort unternommen werden, hilfreich sind, um in diesem Friedensprozess der Vereinten Nationen voranzukommen. Ansonsten kann ich der heutigen Sitzung noch nicht vorgreifen, aber das ist die deutsche Position dazu.

US-Sanktionen gegen den iranischen Finanzsektor

FRAGE: Frau Adebahr, die US-Regierung hat gestern Finanzsanktionen gegen Iran und den gesamten iranischen Bankensektor verhängt, was die Einfuhr von humanitären Gütern noch mehr erschweren wird. Dazu hätte ich gerne eine Stellungnahme Ihres Hauses.

ADEBAHR (AA): Sie haben recht, das erschwert die Einfuhr von humanitären Gütern noch weiter, und das ist aus unserer Sicht in Zeiten von Corona kein gutes Zeichen. Wir sehen diese Sanktionen kritisch, da sie eben genau aus diesem Grunde nach unseren bisherigen Erfahrungen womöglich zu einem zusätzlichen weiteren Rückgang in dem Handel im sogenannten humanitären Kanal führen werden, und dieser humanitäre Kanal ist in Zeiten von Corona gerade auch für ein Land wie Iran, das da schwer getroffen ist, bedeutsam. Deswegen ist das hochproblematisch.

Grundsätzlich wissen Sie, dass wir die Politik des maximalen Drucks der US-Administration nicht teilen und uns gegenüber der US-Regierung auch regelmäßig gegen die Anwendung extraterritorialer Sanktionen aussprechen. Dabei betonen wir auch immer wieder ‑ und das ist gerade in diesen Zeiten besonders wichtig ‑, dass es unter jedwedem Sanktionsregime möglich sein muss, humanitären Handel durchzuführen und zu handhaben, weil das eben wichtig ist.

Tweet des US-Präsidenten zum Abzug von Soldaten aus Afghanistan

FRAGE: Frau Adebahr, ich hätte gerne eine Stellungnahme zu den Äußerungen des US-Präsidenten, der gesagt hat, dass er die Truppen noch vor Weihnachten aus Afghanistan abziehen werde.

ADEBAHR (AA): Unsere Grundhaltung dazu kennen Sie. Für uns ist es ganz wichtig, dass die Verhandlungen, die es derzeit gibt, auf einem guten Wege sind, und für uns ist es ganz wichtig, dass wir innerhalb der NATO gemeinsam vorgehen. Jetzt, im Herbst, stehen auch Konsultationen innerhalb der NATO an. Vielleicht kann das BMVg etwas zur Frage des Truppenabzugs und der dortigen Entwicklung ergänzen. Insofern ist das ein Thema, das uns im Kontakt mit der amerikanischen Seite immer beschäftigt.

Jetzt haben wir diesen Tweet des US-Präsidenten zur Kenntnis genommen. Wenn es konkrete Planungen der US-Seite eben sollte, dann würden wir erwarten, dass man die mit uns teilt und dass man das bespricht. Im Moment liegt uns nur diese kurze Information auf dem Kurznachrichtendienst vor. Deshalb möchte ich das hier an dieser Stelle noch nicht weiter bewerten. Ich glaube, unsere Grundposition ist unverändert.

THIELS (BMVg): So ist es. Damit ich diesen Platzwechsel jetzt nicht umsonst vollzogen habe, kann ich Ihnen noch sagen: Es gab ja Äußerungen des NATO-Generalsekretärs zu diesem Thema, und er hat auch bekräftigt, dass die NATO gemeinsam über zukünftige Anpassungen entscheiden werde. Für uns gilt weiterhin der Grundsatz „Gemeinsam rein, gemeinsam raus“. Wir gehen auch davon aus ‑ das hat die Ministerin ja auch schon in anderem Zusammenhang mehrfach gesagt ‑, dass solche Entscheidungen nur gemeinsam innerhalb der Allianz getroffen werden können und dass unsere amerikanischen Freunde uns auch eng in einen solchen Prozess einbeziehen.

ZUSATZFRAGE: Gab es irgendwelche Vorgespräche mit Ihrem Ministerium oder mit Ihrer Ministerin oder irgendwelche Vorwarnungen vonseiten der Amerikaner, dass sie ihre Truppen von dort abziehen?

THIELS: Ich habe darüber keine Erkenntnisse.

DEMMER: Wie gesagt: Wie Frau Adebahr gesagt hat, liegen uns offizielle Informationen dazu nicht vor.

Verleihung des Friedensnobelpreises an das Welternährungsprogramm der Vereinten Nationen (WFP)

DEMMER (BReg): Ich würde gerne noch etwas Positives zum Wochenende sagen:

Der Friedensnobelpreis ist verliehen worden. Die Bundesregierung hat mit großer Anerkennung von der Verleihung des diesjährigen Friedensnobelpreises an das Welternährungsprogramm erfahren. Wir gratulieren dem Welternährungsprogramm ganz herzlich zu dem Preis.

Weltweit leiden heute über 820 Millionen Menschen an Hunger und Mangelernährung, die auch Grund für Gesundheitsrisiken sind. Die Coronapandemie hat diese Situation weiter verschärft. Die Auszeichnung hebt die überaus verdienstvolle Arbeit des Welternährungsprogramms gerade in schwierigen Zeiten der Coronapandemie hervor.

ADEBAHR (AA): Der Außenminister hat dem Welternährungsprogramm gerade auch schon auf Twitter gratuliert und hat gesagt:

„Ich gratuliere dem WFP-Direktor und dem Exekutivdirektor David Beasley von Herzen zum hochverdienten Friedensnobelpreis. Das Welternährungsprogramm steht für die Verantwortung der Weltgemeinschaft für jedes einzelne Menschenleben. Sein unermüdlicher Einsatz rettet jeden Tag Millionen Menschen vor Hunger und Mangelernährung. Seine Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sind an den gefährlichsten Orten der Welt Vorkämpfer der Menschlichkeit. Wir sind stolz, dass Deutschland weltweit als zweitgrößter Geber ein Partner des Welternährungsprogramms ist.“

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