Willkommen auf den Seiten des Auswärtigen Amts

Erklärungen des Auswärtigen Amts in der Regierungs­pressekonferenz vom 05.10.2020

05.10.2020 - Artikel

Morgiges Treffen der Bundeskanzlerin mit der belarussischen Oppositionsführerin Tichanowskaja

FRAGE: Herr Seibert, mit Blick auf das morgige Treffen der Kanzlerin mit Frau Tichanowskaja: Frau Tichanowskaja hat ja in der vergangenen Woche erklärt, sie hoffe auf Unterstützung der Kanzlerin und eine Vermittlung durch sie, was eine Neuwahl angeht. Wird die Kanzlerin morgen auf den Wunsch von Frau Tichanowskaja eingehen, oder wird sie sie enttäuschen?

SEIBERT (BReg): Dann gilt beiden die Antwort, die Sie auch erwarten, dass ich natürlich hier nicht Gesprächen vorgreife.

Ich will Folgendes zur Entwicklung in Belarus sagen: Wir hatten ja da den Entzug von Akkreditierungen für ausländische Journalisten durch Herrn Lukaschenko und seinen Machtapparat. Da muss man für die Bundesregierung ganz klar sagen, dass wir das scharf verurteilen und dass niemand glauben soll, mit dem Entzug von Akkreditierungen könnte man die kritische Berichterstattung über das, was tagtäglich in Belarus auf den Straßen geschieht, unterbinden. Das Wochenende hat uns das ja auch wieder gezeigt.

Offensichtlich möchte Herr Lukaschenko auf diese Art und Weise verhindern, dass die Wahrheit über das, was an Repression, Gewalt und Missachtung von Menschen und Bürgerrechten geschieht, an das Licht der Öffentlichkeit gelangt. Das tut es aber dennoch. Wir haben am Wochenende wieder die Bilder von Hunderttausenden von Menschen gesehen, die wirklich unerschrocken für ihre demokratische Teilhabe und für politische Veränderung in ihrem Land demonstriert haben. Das lässt sich eben nicht unterdrücken, auch nicht durch Schikanen gegen Journalisten und Journalistinnen.

Im Übrigen freut sich die Bundeskanzlerin auf die Begegnung mit Frau Tichanowskaja. Ich möchte jetzt dieser Begegnung nicht vorgreifen. Ich kann noch einmal auf das verweisen, was der Europäische Rat am Freitag zum Thema Belarus beraten hat. Die Sanktionen, die er beschlossen hat, sind nach unserer Überzeugung ein deutliches Signal in den Machtapparat hinein.

ZUSATZFRAGE: Wird es morgen nach dem Gespräch eine Art von Information geben?

SEIBERT: Nicht im Sinne von Pressestatements. Es ist ein Arbeitsbesuch. Da ist das auch gar nicht üblich. Ich kann Ihnen das jetzt noch nicht sagen.

ZUSATZFRAGE: Wird es eine schriftliche Information geben?

SEIBERT: Wenn es sie geben sollte, dann würden wir Sie das rechtzeitig wissen lassen.

FRAGE: Wird es vielleicht einen Fototermin nach der Begegnung geben?

SEIBERT: Ich bin jetzt nicht ganz im Bilde, was da vorgesehen ist. Das werden wir versuchen nachzureichen.

ZUSATZFRAGE: Meine eigentliche Frage war ein bisschen anders. Als wen empfängt denn die Kanzlerin Frau Tichanowskaja?

SEIBERT: Die Bundeskanzlerin empfängt Frau Tichanowskaja als die ‑ wenn Sie so wollen ‑ führende Person und Leitfigur der belarussischen Opposition und all derjenigen auf den Straßen von Belarus, die gegen Wahlfälschung, Wahlbetrug und Misshandlungen von friedlichen Demonstranten auf die Straße gehen.

ZUSATZFRAGE: Zum Termin im Auswärtigen Amt: Frau Tichanowskaja ist ja morgen auch bei Ihnen, Frau Sasse. Ist da etwas geplant? Wenn ja, gibt es dort eine Möglichkeit für die Presse, ein Bild zu machen oder eine Frage zu stellen?

SASSE (AA): Außenminister Maas wird Frau Tichanowskaja am Mittwochmorgen treffen. Wir haben bis jetzt keinerlei Pressetermine geplant. Aber wenn wir bezüglich des Termins etwas zu veröffentlichen haben, werden wir Sie darüber informieren.

FRAGE: Herr Seibert, welches Signal möchte die Kanzlerin mit dem Treffen mit Frau Tichanowskaja aussenden?

SEIBERT: Sie hören ja von uns seit Wochen ‑ seit dem Versuch, das Wahlergebnis zu fälschen ‑ ganz klar die Überzeugung der Bundesregierung, dass diese Wahl grundsätzlich demokratischen Maßstäben nicht Stand gehalten hat. Sie hören seit Wochen von uns, wie beeindruckt wir von dem friedlichen Protest von Hunderttausenden von Belarussen und Belarussinnen sind. Das hat die Bundeskanzlerin auch selbst ausgedrückt. Sie hat gerade auch auf die Rolle von Frauen bei diesem friedlichen Protest hingewiesen, auf den enormen Mut, den Menschen haben, wenn man bedenkt, dass ständig auch Menschen misshandelt werden, in Gefängnisse verschleppt werden und man nicht genau weiß, wie es mit ihnen weitergeht.

Den Respekt vor dieser Bürgerrechtsbewegung, die klare Verurteilung der Art und Weise, wie die Wahlen durchgeführt werden – all das drückt sich in diesem Besuch aus. Aber auch unsere Unterstützung dafür, was ja die Opposition auch fordert, dass es einen Dialog gibt, dass man versucht, miteinander ins Gespräch zu kommen. Auf andere Weise kann doch diese Kluft, die sich zwischen Machtapparat und Bevölkerung aufgetan hat, gar nicht überbrückt werden.

Libyen-Konferenz

FRAGE: Frau Sasse, eine Frage zu der Libyen-Konferenz, die heute stattfinden soll. Mit welchen Erwartungen geht die Bundesregierung in die Gespräche? Wer wird die libysche Seite vonseiten der Regierung und der Opposition vertreten? Können Sie Näheres dazu sagen?

SASSE (AA): Was die Erwartungen bezüglich der Libyen-Konferenz angeht, haben wir uns schon vielfach an dieser Stelle dahingehend geäußert, dass wir einen inklusiven Dialog möchten und diesen Dialog auch fördern. Dazu haben wir mit der Berliner Konferenz beigetragen, und an diese Berliner Konferenz wollen wir anknüpfen. Wir wollen alle Akteure, die im Libyen-Dossier, im Libyen-Konflikt eine Rolle spielen, wieder an einen Tisch bringen und sichtbare Fortschritte erreichen, was die Einbeziehung der externen Unterstützer auf dem Weg hin zu einem nationalen Dialog und zur Demilitarisierung angeht. All diese Fragen sind Gegenstand der laufenden Gespräche zu Libyen und werden heute Nachmittag auch Thema sein.

Im Übrigen wird es im Anschluss an diese Konferenz einen Pressetermin geben, zu dem wir eingeladen haben.

ZUSATZFRAGE: Wer wird von libyscher Seite vonseiten der Regierung und der Opposition dabei sein?

SASSE: Die Antwort auf diese Frage müsste ich Ihnen nachreichen.

ZUSATZFRAGE: Es finden zeitgleich auch in Marokko Gespräche zum Thema Libyen statt. Sehen Sie das Treffen heute als eine Ergänzung zu diesem Treffen an? Wie bewerten Sie die Gespräche in Marokko? Dort geht es ja auch um einen nationalen Dialog und um die nächste Regierung in Libyen.

SASSE: Zunächst einmal blicken wir heute auf die Libyen-Konferenz als solche, die von den VN gemeinsam mit uns organisiert wird. Diese sehen wir, wie gesagt, als Fortsetzung des Berliner Prozesses an.

Ja, parallel gibt es Gespräche in Marokko. Aber es ist an dieser Stelle nicht an uns, diese Gespräche zu bewerten. Wir sind zwischen den innerlibyschen Konfliktparteien und möchten die Gespräche an dieser Stelle nicht bewerten.

Konflikt zwischen Armenien und Aserbaidschan um die Region Bergkarabach

FRAGE: Meine Frage bezieht sich auf den Konflikt um Bergkarabach. Herr Seibert hat eine Pressemitteilung herausgegen, in der steht, dass die Kanzlerin mit dem armenischen Ministerpräsidenten telefoniert hat. Mich würde interessieren, ob auch geplant ist, mit der aserbaidschanischen Seite zu reden. Herr Seibert, hat die Kanzlerin dies schon getan?

SEIBERT (BReg): Ja, sie hat auch schon mit Staatspräsident Aliyev gesprochen. Auch darüber hatten wir eine Pressemitteilung herausgegeben.

FRAGE: Warum reagiert die Bundesregierung eigentlich erst so spät auf diesen Konflikt? Ich habe den Eindruck, dass erst durch die Verschärfung und durch das Übergreifen des Konflikts auf die Zivilbevölkerung eine Reaktion von deutscher Seite erfolgt ist. Die Frage richtet sich an den Regierungssprecher oder die Sprecherin des Außenministeriums.

SEIBERT: Wir haben jetzt die Situation einer plötzlichen und sehr jähen Eskalation mit Kriegshandlungen und vielen Toten, was es eine schlimme Entwicklung ist. Der grundsätzliche Konflikt ist der Bundesregierung nicht nur seit Jahrzehnten bekannt, sondern er ist auch immer wieder Gegenstand der Gespräche, die wir mit Armenien und Aserbaidschan haben. Es gibt jetzt nicht ein plötzliches Erwachen, sondern es gibt eine plötzliche und schlimme Eskalation des Konflikts.

Noch einmal zurück zu den Schlussfolgerungen auch des Europäischen Rates am Freitag: Ein sofortiger Waffenstillstand ist notwendig. Das fordert die EU; das fordert der Europäische Rat und natürlich auch die Bundesregierung. Nur von dort aus kann es dann zu einer friedlichen Lösung dieses Konflikts kommen. Es ist wichtig, dass Aserbaidschan und Armenien ohne Vorbedingungen in substanzielle Verhandlungen eintreten.

Wir unterstützen die Ko-Vorsitzenden der Minsk-Gruppe der OSZE. Wir bitten auch den Hohen Vertreter, eine weitere Unterstützung der Europäischen Union für diesen Verhandlungsprozess zu prüfen. Es ist sehr zu begrüßen, dass Armenien seine Bereitschaft erklärt hat, im Rahmen der Minsk-Gruppe der OSZE zu verhandeln. Wir fordern Aserbaidschan auf, dieses Gesprächsangebot nun aufzugreifen.

FRAGE: Die Gespräche der Kanzlerin mit Führern der Konfliktparteien ist für mich doch Anlass, noch einmal beim Auswärtigen Amt nachzufragen. Können Sie uns Anhaltspunkte dafür geben, von welcher völkerrechtlichen Einschätzung der Zugehörigkeit Bergkarabachs die Kanzlerin wohl ausgegangen sein mag?

SASSE (AA): Zu den Annahmen der Kanzlerin kann ich mich an dieser Stelle nicht äußern. Es ist Aufgabe von Herrn Seibert, hierauf einzugehen.

Was den völkerrechtlichen Status von Bergkarabach angeht ‑ das hatten wir ja schon am Freitag und auch am vergangenen Montag angesprochen ‑, muss ich noch einmal zum Gesamtkonflikt, auf den Herr Seibert ja gerade schon eingegangen ist, ausführen. Es ist so, dass es sich hier um einen Konflikt handelt, der ‑ auch das haben wir bereits in der vergangenen Woche ausgeführt ‑ bereits seit Jahrzehnten andauert. Es geht im Rahmen dieser neu eskalierten Kämpfe darum, dass täglich Menschen ums Leben kommen. Das ist das, was uns derzeit zum Handeln bewegt.

Um auf die Frage Ihres Kollegen einzugehen: Im Übrigen ist es natürlich nicht so, dass wir uns jetzt erst engagieren, sondern Deutschland ist als Teil der OSZE-Minsk-Gruppe natürlich bereits seit der Schaffung dieser Gruppe an den Vermittlungsbemühungen beteiligt.

Zurück zu der Frage von Herrn Jessen bezüglich des völkerrechtlichen Status: Ich habe bereits mehrfach ausgeführt, dass der Konflikt zwischenstaatlicher Natur ist, bereits seit Jahrzehnten andauert und ein sehr komplexer Konflikt ist, in den viele völkerrechtliche und geschichtliche Aspekte hineinspielen. Dabei geht es um die ehemaligen Sowjetrepubliken; dabei geht es um die Resolution des Sicherheitsrats. Sie wissen, in Sachen Bergkarabach gibt es vier Sicherheitsratsresolutionen, die 1993 verabschiedet wurden. Es gibt die OSZE-Minsk-Gruppe, die sich verschiedentlich geäußert hat und sich um Vermittlung bemüht.

Unser Handeln im Moment ist darauf ausgerichtet, tatsächlich zu verhindern, dass weitere Menschen in der Konfliktregion ums Leben kommen. Wir versuchen, einen Gesprächseinstieg für die Konfliktparteien zu schaffen, um auf der Grundlage zu verhindern, dass der Konflikt weiter eskaliert und dazu beizutragen, dass er möglichst gelöst werden kann.

SEIBERT: Wenn ich ganz kurz hinzufügen darf: Genau das bewegt natürlich auch die Bundeskanzlerin. Dabei arbeiten ja Außenministerium und Kanzleramt sehr eng zusammen.

Ich will noch eines gerade auch dem unter dem Eindruck der sehr beunruhigenden Bilder, die uns am Wochenende aus der Konfliktregion erreicht haben, hinzufügen: Die Bundesregierung verurteilt scharf und insbesondere die Angriffe auf zivile Ziele. Wir erinnern beide Konfliktparteien daran, dass die Zivilbevölkerung im internationalen bewaffneten Konflikt den allgemeinen Schutz vor den Gefahren genießt, die von den Kriegshandlungen ausgehen. Die Zivilbevölkerung darf nicht das Ziel militärischer Angriffe sein. Dieser Appell ist an beide Konfliktparteien gerichtet.

ZUSATZFRAGE: Hat die Bundesregierung eigene Kenntnis davon oder Kenntnis von Berichterstattung, der zufolge Aserbaidschan Clustermunition, also Streubomben, einsetzen würde? Das wären auch Verstöße gegen diverse Vorschriften und Verbote.

SEIBERT: Von eigenen Kenntnissen kann ich hier jetzt nicht berichten. Berichterstattung darüber haben wir zur Kenntnis genommen.

FRAGE: Frau Sasse, Sie haben die Resolution des Sicherheitsrats angesprochen. Es wurde in drei Erklärungen bestätigt, dass Bergkarabach zum aserbaidschanischen Gebiet gehört. Ist das auch für die Bundesregierung der völkerrechtliche Status?

SASSE: Wie gesagt, zum völkerrechtlichen Status habe ich jetzt an dieser Stelle mehrfach ‑ zum dritten Mal ‑ ausgeführt. Ich habe auch gerade eben ausgeführt, dass das eine sehr komplexe völkerrechtliche Frage ist, die sich im Zusammenhang mit Bergkarabach stellt und in die verschiedene völkerrechtliche Aspekte hineinspielen, die bereits 1993 eine Rolle gespielt haben und auch jetzt weiter eine Rolle spielen. Teilweise wurden diese Faktoren durch weitere Aspekte ergänzt. Ich kann Ihnen sagen, dass die völkerrechtliche Zuordnung und der völkerrechtliche Status weiterhin Gegenstand der Vermittlungsbemühungen in diesem zwischenstaatlichen Konflikt sind.

ZUSATZFRAGE: Ich höre jetzt nicht heraus, dass Sie sich diesen Erklärungen des UN-Sicherheitsrats anschließen, dass Bergkarabach zu Aserbaidschan gehört?

SASSE: Ich habe Ihnen eben erläutert, dass die vier Sicherheitsratsresolutionen von 1993 Teil der Bemühungen sind, auf die wir bei der Lösung des Konfliktes aufbauen. Sie bilden auch eine der Grundlagen bei der Lösung dieses Konfliktes.

Weitere Informationen

Schlagworte

nach oben