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Erklärungen des Auswärtigen Amts in der Regierungs­pressekonferenz vom 28.09.2020

28.09.2020 - Artikel

Fall Alexej Nawalny

FRAGE: Herr Seibert, können Sie den „SPIEGEL“-Bericht bestätigen, wonach die Bundeskanzlerin den russischen Oppositionellen Alexej Nawalny an seinem Krankenbett in der Berliner Charité besucht hat?

SEIBERT (BReg): Ja, das kann ich.

FRAGE KÜSTNER: Das ist ein Besuch von hoher Symbolkraft. Hätte man das daher nicht auch öffentlich machen können statt eines geheimen Besuchs?

SEIBERT: Das Wort „geheim“ trifft hier überhaupt nicht zu. Nicht alles, was kein öffentlicher Termin ist, ist geheim. Es war eine persönliche Begegnung der Bundeskanzlerin mit Herrn Nawalny. Insofern ist daran nichts geheim. Aber es ist eben auch nicht öffentlich. Nun ist es öffentlich. Auch gut.

Es war ein Besuch bei einem erkrankten Menschen, der bei uns in Deutschland nach einem Nervengiftanschlag ärztlich behandelt wird.

ZUSATZFRAGE: Herr Nawalny wird offenbar noch ein paar Wochen in Deutschland zubringen. Können Sie sich vorstellen, dass die Kanzlerin ihn möglicherweise erneut besuchen wird?

SEIBERT: Da kann ich Ihnen überhaupt keinen Ausblick geben.

FRAGE: Wann war denn das Treffen zwischen Frau Merkel und Herrn Nawalny? Können Sie vielleicht sagen, worin es bei dem Gespräch ging?

SEIBERT: Nein, das kann ich nicht. Es ist eine Begegnung gewesen, bei der die Unterhaltung, die da geführt wurde, vertraulich ist. Es war ein persönlicher Besuch bei Herrn Nawalny im Krankenhaus in der vergangenen Woche.

FRAGE: Das ist ja ein Besuch mit einer hohen Symbolkraft, auch wenn er nicht angekündigt war. Können Sie uns vielleicht einen Zwischenstand zu den Bemühungen Deutschlands geben, Russland dazu zu bewegen, diesen Fall genauer zu untersuchen? Welche Antworten der russischen Seite stehen aus deutscher Sicht noch aus?

SEIBERT: Das hat ja nun mit diesem persönlichen Besuch erst einmal nichts zu tun. Ich kann Ihnen heute am Montag keinen anderen Stand geben, als wir ihn Ende der vergangenen Woche auch gegeben haben. Sie wissen, dass das Bundeswehrspeziallabor zweifelsfrei die Identität des verwendeten Nervenkampfstoffs festgestellt hat. Sie wissen, dass dies unabhängig voneinander von zwei Laboren, einem in Schweden und einem in Frankreich, bestätigt worden ist. Sie wissen, dass auch die OVCW Proben geholt hat und diese nun analysiert. Zu dem gesamten Komplex erwarten wir weiterhin, dass Russland sich erklärt.

ZUSATZFRAGE: Herr Nawalny hat gesagt, dass er allein schon aufgrund seiner medizinischen Situation noch in Deutschland bleiben wird. Gibt es irgendwelche Gespräche über die Zeit danach? Gibt es eventuell eine Art Asylgesuch oder irgendetwas in der Richtung? Wie weit sind die Gespräche über die Zukunft da gediehen, und was speziell kann Deutschland dazu beitragen?

SEIBERT: Wie Herr Nawalny sich seine Zukunft nach seiner hoffentlich vollständigen Genesung vorstellt, muss ich Sie bitten, ihn oder seine Sprecher selber zu fragen.

ZUSATZFRAGE: Die Frage ist, ob bei Ihnen in irgendeiner Form eine Bitte um Unterstützung eingegangen ist.

ADEBAHR (AA): Da ist mir nichts bekannt.

FRAGE: Herr Seibert, ganz generell: Sie sagen, der Besuch von Herrn Nawalny sei ein Privatbesuch, aber die Bundesregierung war ja von Anfang an, seit seiner Einreise, mit eingebunden. Sein Stabschef hat gestern gesagt, er werde bewacht. Insofern kann man seinen Besuch hier ja nicht als einen rein persönlichen Aufenthalt sehen. Wie stehe die Bundesregierung grundsätzlich dazu, dass Herr Nawalny, ein sehr hoher, angesehener Oppositionspolitiker aus Russland, sich hier in der Bundesrepublik aufhält?

SEIBERT: Das haben wir vom ersten Tag an ganz klar benannt: Herr Nawalny ist es aus humanitären Gründen ermöglicht worden, nach dem Giftanschlag, der auf ihn verübt worden war, hier in Deutschland in der Charité behandelt zu werden.

FRAGE: Herr Seibert, Privatbesuche können ja in sehr unterschiedlichen Rahmen stattfinden. Können Sie etwas darüber sagen, ob es sozusagen ein Vier-Augen-Privatbesuch war oder ob die eine wie die andere Seite begleitet war?

Zum Zweiten: Können Sie etwas über die Zeitdauer dieses Gesprächs sagen? Waren das zehn Minuten, war das eine halbe Stunde?

SEIBERT: Ich habe für Sie keine weiteren Informationen über diese persönliche Begegnung der Bundeskanzlerin mit Herrn Nawalny.

ZUSATZFRAGE: Mit Verlaub, aber warum nicht? Wir fragen nicht nach dem Inhalt von Gesprächen, aber das Format, der Rahmen, ist doch durchaus von öffentlichem Interesse und Sie würden kein Geheimnis verraten.

SEIBERT: Es ist bereits bekannt, dass der Rahmen das Krankenhaus war. Mehr habe ich dazu nicht zu sagen.

FRAGE: An das Auswärtige Amt: Am Freitag hat das Außenministerium Russlands ein Statement veröffentlicht, in dem Moskau das Vorgehen der deutschen Behörden in Bezug auf den Fall Nawalny kritisiert und das gesamte Geschehen als Inszenierung charakterisiert. Ist dem Auswärtigem Amt dieses Statement bekannt, und wie kommentieren Sie das?

ADEBAHR: Das Statement ist uns bekannt. Ich möchte das Statement nicht kommentieren. Ich glaube, wir haben hier mehrfach zum Ausdruck gebracht ‑ Herr Seibert hat das auch heute wieder getan ‑, wie wir diesen Fall betrachten. Wir haben geschildert, welche Labore Proben entnommen haben und zu welchen Ergebnissen sie gekommen sind. Wir haben die OVCW, die dafür zuständige internationale Organisation, eingeschaltet, weil es sich hier nicht um einen bilateralen Fall handelt, sondern um einen internationalen, und wir arbeiten jetzt mit der OVCW zusammen, um den Fall weiter aufzuklären. Was wir von Russland erwarten, haben wir auch hier mehrfach deutlich gemacht.

Ich will vielleicht noch einmal sagen, dass es allerdings nicht so ist, wie man manchmal lesen konnte, nämlich dass das Auswärtige Amt den konsularischen Zugang der russischen Botschaft zu Herrn Nawalny in irgendeiner Weise eingeschränkt hat. Das Auswärtige Amt hat mit einer Note vom 23. September eben auch mitgeteilt, dass man Herrn Nawalny über diesen Wunsch des konsularischen Zugangs in Kenntnis setzt. Das ist also seinen ganz normalen diplomatischen Weg gegangen; denn die Bundesregierung hält sich da strikt an das Wiener Übereinkommen über konsularische Beziehungen. Es ist aber natürlich so, dass es Herrn Nawalny freisteht, diesen konsularischen Besuch zu empfangen, ob er das möchte oder nicht. Das heißt, ob man konsularisch betreut werden möchte, ist eine Entscheidung desjenigen, der eventuell betreut werden soll. Diesen Hinweis gibt es noch von uns, und hinsichtlich der Frage, wie wir den weiteren Fortgang in dieser Sache sehen und was wir erwarten, gilt ansonsten das, was Herr Seibert und wir hier auch verschiedentlich ausgeführt haben.

FRAGE: Herr Seibert, es ist ja klar, dass die Bundesregierung sich eine europäische Reaktion auf die Vergiftung von Alexej Nawalny wünscht. Nun gibt es in dieser Woche einen EU-Gipfel. Wird das auf diesem Gipfel selbst oder am Rande ein Thema sein?

SEIBERT: Sie waren ja lange als Korrespondent in Brüssel, deswegen wissen Sie, dass am Rande mancherlei passieren kann, was nicht auf der Tagesordnung steht. Ich möchte dazu jetzt aber auch gar keine Vorhersagen machen. Richtig bleibt aber das, was Sie am Anfang gesagt haben: Wir werden mit unseren europäischen Partnern darüber sprechen, wie darauf zu reagieren ist, und dabei werden wir die Erklärungen, die Einlassungen, die Reaktionen ‑ wie auch immer man es nennen will ‑ einbeziehen, die die russische Regierung zu diesem bemerkenswerten und traurigen Fall abgibt.

Kämpfe zwischen Armenien und Aserbaidschan um die Region Bergkarabach

FRAGE: Es geht um den Konflikt in Bergkarabach. Meine Frage an Frau Adebahr und Herrn Seibert: Steht die Bundesregierung mit den Konfliktparteien in Armenien und Aserbaidschan in Kontakt? Sind auch eventuell diesbezügliche Gespräche mit der Türkei geplant?

ADEBAHR (AA): Wir stehen über unsere Botschaften vor Ort mit beiden Seiten in Kontakt. Wenn es noch weitere Gespräche oder Kontakt internationale Art oder mit den beiden Konfliktparteien geben sollte, würde ich natürlich hernach darüber informieren, soweit ich es kann.

SEIBERT (BReg): Ich will vielleicht noch hinzufügen, wenn ich darf, dass die Bundesregierung in diesem neuerlichen Ausbruch des Konflikts zwischen Armenien und Aserbaidschan eine sehr gefährliche Entwicklung der Lage sieht und dass wir beide Seiten zum sofortigen Waffenstillstand sowie zur Rückkehr zu Verhandlungen aufrufen. Es gibt dafür ein geeignetes Forum. Das ist die Minsk-Gruppe der OSZE. Das ist unser dringender Appell an beide Seiten.

ADEBAHR: Was die OSZE betrifft, so sind wir in Wien aktiv und werden dort auch besprechen, inwieweit das eben in dieser Minsk-Gruppe, deren Mitglied wir auch sind, jetzt weiter bearbeitet wird oder wie die OSZE dort eventuell aktiv werden kann.

ZUSATZFRAGE: Liegen der Bundesregierung eigene Erkenntnisse darüber vor, dass die Türkei angeblich Kämpfer aus Syrien und Libyen nach Aserbaidschan gebracht haben soll, die sich an diesem Konflikt beteiligen sollen?

ADEBAHR: Wir kennen die Medienberichterstattung, aber eigene Erkenntnisse dazu liegen uns nicht vor.

FRAGE: Hat die Bundesregierung, Frau Adebahr, eigene Erkenntnisse darüber, von wem die aktuellen Konflikte ausgegangen sind?

ADEBAHR: Wir nehmen zur Kenntnis, dass es darüber verschiedene Berichte von verschiedenen Seiten gibt, haben an diesem Morgen aber auch hinsichtlich dieser Frage keine eigenen Erkenntnisse.

Demonstrationen in Ägypten

FRAGE: Frau Adebahr, ich hatte am Freitag schon einmal nach den Protesten gegen die Regierung in Ägypten gefragt. Dort kam es zu Massenverhaftungen und auch zu Todesfällen. Gibt es dazu eine Stellungnahme von Ihrer Seite?

ADEBAHR (AA): Unserer Botschaft in Kairo und uns sind die Berichte ägyptischer Menschenrechtsorganisationen bekannt, wonach es seit letzter Woche immer wieder Proteste gegeben hat, zum Teil mit ungefähr hundert oder weniger Teilnehmerinnen und Teilnehmern, die sich in den Vororten von Kairo und auf dem Land abgespielt haben. Das vielleicht als Kontext.

Wir entnehmen den Berichten darüber, dass sich die Proteste gegen wirtschaftliche Not und neue Maßnahmen der Regierung gegen illegalen Wohnungsbau richten. Wir hören auch, dass ca. 200 Personen verhaftet worden sind und die Polizei ‑ oder die Sicherheitskräfte ‑ Tränengas und Gummigeschosse eingesetzt hat.

Grundsätzlich gilt das, was die Bundesregierung auch im Dialog mit der ägyptischen Seite immer wieder deutlich macht, dass wir dem Recht auf freie Meinungsäußerung und Demonstrationsfreiheit höchste Bedeutung bemessen. Natürlich ist es so, dass wir auch von der Ägypten erwarten, dass es diese Rechte ‑ dazu gehört eben das Recht auf Demonstrationsfreiheit ‑ respektiert.

Wir sind, wie gesagt, mit der ägyptischen Seite im Gespräch und in einem regelmäßigen Austausch über Menschenrechtsfragen. Das beinhaltet auch den Austausch über das Recht auf freie Meinungsäußerung und bürgerliche Rechte, wie sie in den entsprechenden internationalen Pakten, zu denen sich Ägypten ja auch verpflichtet hat, niedergelegt sind.

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