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Erklärungen des Auswärtigen Amts in der Regierungs­pressekonferenz vom 18.09.2020

18.09.2020 - Artikel

Festakt anlässlich des 75-jährigen Jubiläums der Gründung der Vereinten Nationen, hochrangige Woche der UN-Generalversammlung

SEIBERT (BReg): […] Auch die sogenannte hochrangige Woche der UN Generalversammlung ist in diesem Jahr aufgrund der Pandemie eine virtuelle Sache. Die Kanzlerin und auch verschiedene Bundesminister und -ministerinnen werden sich an verschiedenen Veranstaltungen in dieser Woche mit Videobeiträgen beteiligen. Die Bundeskanzlerin beispielsweise wird auf diese Weise am Biodiversitätsgipfel am 30. September und an der Veranstaltung zum 25. Jubiläum der Pekinger Frauenrechtskonferenz am 1. Oktober teilnehmen. Außerdem wird sie eine Botschaft für das am Rande dieser UN-Woche tagende hochrangige Treffen der Open Government Partnership übersenden.

FRAGE: […] Dann zur Videobotschaft der Kanzlerin: Wenn ich richtig informiert bin, steht sie auf der Rednerliste auf Platz 110. Wird sie das live machen, oder wird das vorher aufgezeichnet? Wann wird das sein?

SEIBERT: Die Rednerliste der Vereinten Nationen kenne ich nicht.

Ich werde Ihnen nachreichen, ob es sich um eine vorher aufgezeichnete Videobotschaft oder eine Live-Videobotschaft handelt. Ich rechne mit Ersterem.

ZUSATZ: Dann wäre es nett, wenn Sie nachreichen könnten, ob diese Videobotschaft dann auch verschriftlicht geben wird, und wenn Sie auch sagen könnten, wann die Frau Bundeskanzlerin sich denn per Videobotschaft an die UN-Vollversammlung wenden wird.

SEIBERT: Das wiederum hängt ja von der Rednerliste ab, die ich nicht kenne.

ADEBAHR (AA): Was das Auswärtige Amt betrifft: Die Rednerliste befindet sich noch ein bisschen im Fluss. Der Außenminister wird zum Beispiel nach momentanem Stand am 29. September sprechen. In seinem Falle wäre das eine vorab aufgezeichnete Botschaft, weil das, glaube ich, dort technisch so eingespeist wird. Aber ich denke, da gibt es noch Bewegung.

FRAGE: Haben sich die Mitglieder der Bundesregierung die jeweiligen Teilnahmen an den Videokonferenzen ausgesucht, oder wurden sie speziell eingeladen?

ADEBAHR: Die sogenannte hochrangige Woche der VN-Generalversammlung findet jedes Jahr in der letzten Septemberwoche statt, und sie besteht aus einer Generaldebatte, bei der zu sprechen alle Staaten eingeladen sind. Dafür wird eine Gesamtrednerliste erstellt. Dann ist es so, dass es in New York eigentlich Tausende sogenannter Side Events gibt. Das heißt, alle Staaten der VN organisieren eigene Veranstaltungen, bei denen sie ihre Themen hochrangig bespielen oder bei denen sie darauf aufmerksam machen möchten. Die Generalversammlung und auch das VN-Sekretariat können selbiges tun. Das heißt, das ist ein großer Kreis ganz verschiedener Veranstaltungen mit verschiedenen Organisatoren.

Deutschland organisiert selbst sogenannte Side Events. In diesem Jahr wird es zum Beispiel für das Auswärtige Amt eine Veranstaltung im Rahmen der Allianz für den Multilateralismus geben. Zum Thema des Jemen haben wir im Vorgriff auf die nächste Woche schon gestern eine hochrangige Videoveranstaltung durchgeführt. Aber man kann auch an anderen Veranstaltungen teilnehmen. Das ist ein Prozess, der sich jedes Jahr so abspielt.

[…]

SEIBERT: Ja; das geht schnell. Die Videobotschaft der Kanzlerin an die Vereinten Nationen ist eine Aufzeichnung.

ZURUF: (ohne Mikrofon; akustisch unverständlich)

SEIBERT: Nein, ich kann Ihnen nicht sagen, wann.

FRAGE: Dann habe ich eine weitere Zusatzfrage. Wenn Sie das aufzeichnen ‑ Sie machen das ja auch bei den Podcasts so ‑, wird das dann auch verschriftlicht und uns mitgeteilt?

SEIBERT: Auf jeden Fall werden Sie im Anschluss erfahren, was die Bundeskanzlerin wörtlich gesagt hat.

Jemen-Konflikt

FRAGE: Zum Thema des Jemen: Wird es da Selbstkritik auch von deutscher Seite geben? Man wollte ja keine Waffen mehr an Staaten exportieren, die am Jemen-Krieg teilnehmen.

ADEBAHR (AA): Herr Jung, ich glaube, weil Sie jetzt das Wort haben, wechseln Sie zu einem Politikthema. Wir waren bei den Terminen der Kanzlerin.

ZUSATZ JUNG: Nö. Selbstkritik auf UN-Ebene ist doch etwas, das einer deutschen Regierung vielleicht guttun würde.

FELDHOFF (Vorsitz): Ist das eine Frage?

SEIBERT (BReg): Nein.

ZUSATZFRAGE: Frau Adebahr hat ja gerade die Frage abgeräumt, aber ich habe sie nur daran erinnert, dass das eine Frage ist. Wird es Selbstkritik in Sachen Jemen-Krieg geben, wenn Sie das schon erwähnen, Frau Adebahr?

ADEBAHR: Herr Feldhoff, wollen Sie diese Diskussion jetzt an dieser Stelle führen?

FELDHOFF: Sie können ja einmal sagen, ob es Selbstkritik gibt oder nicht. Ich weiß noch nicht, wohin das hier führt, aber ‑ ‑ ‑

ADEBAHR: Also: Ich kann dann über die gestrige Veranstaltung zum Jemen berichten, dass das die erste Veranstaltung im Rahmen eines Side Events für die diesjährige Generalversammlung war. Wir haben zu dem Treffen gemeinsam mit Großbritannien, Schweden und Kuwait eingeladen. Der UN-Generalsekretär Herr Guterres und der Jemen-Sondergesandte Martin Griffiths haben beide auch teilgenommen.

Wir haben dabei noch einmal zum Ausdruck gebracht, dass die Lage im Jemen unbefriedigend ist, dass wir unser ziviles Engagement aufstocken und auch alle Geber dazu auffordern, dies zu tun. Wir haben für das Jahr 2020 eine Gesamtsumme von 312 Millionen Euro für den Jemen eingeplant. Das beinhaltet humanitäre Hilfe, Stabilisierungs- und Entwicklungszusammenarbeit. Alle waren sich einig, dass die humanitäre Lage im Jemen katastrophal ist, und waren sich auch einig, dass es darauf ankommt, unter der Leitung des Sondergesandten Martin Griffiths die Bemühungen um eine landesweite Waffenruhe, vertrauensbildende Maßnahmen und eben den politischen Prozess intensiv fortzuführen, damit man dort zu Verbesserungen kommt. Es gibt ein gemeinsames Kommuniqué, das im Anschluss veröffentlicht wurde. Das können Sie auch einsehen.

Sondertagung des Europäischen Rats / Fall Alexej Nawalny

SEIBERT (BReg): Am 24. und 25. September werden sich die Staats und Regierungschefs der EU in Brüssel zu einer Sondertagung des Europäischen Rats treffen. Das wird am Donnerstagnachmittag wie üblich mit einem Zusammentreffen mit dem Präsidenten des Europäischen Parlaments, Herrn Sassoli, beginnen. Auf der Tagesordnung dieser Sondertagung des Rats stehen die Themen Binnenmarkt, Industriepolitik und Digitales. Das sind Themen, die die Staats- und Regierungschefs schon im März bei ihrem Europäischen Rat besprechen wollten. Nun erfolgt das also im September. Außerdem stehen außenpolitische Fragen auf der Tagesordnung. Das Verhältnis der EU zur Türkei und das Verhältnis der Europäischen Union zu China stehen im Fokus.

Um Ihnen die Vorbereitung auf diesen Gipfel zu erleichtern, wird am Mittwoch nächster Woche um 14.30 Uhr hier in diesem Saal das übliche Briefing zum Europäischen Rat stattfinden.

FRAGE: Sie hatten die Schwerpunkte Türkei und China als außenpolitische Schwerpunkte genannt, nicht Russland. Gehen Sie davon aus oder geht die Kanzlerin davon aus, dass der Fall Nawalny und Reaktionen darauf dort noch keine Rolle spielen wird?

SEIBERT: Nein. Ich habe Ihnen jetzt einmal die angemeldeten Themen genannt, und wie es bei einem Europäischen Rat üblich ist, muss das eine Woche vorher nie eine abschließende Aufzählung sein. Wie immer bei einem solchen Gipfeltreffen können auch ganz andere Themen erörtert werden. Aber welche das im Detail sein werden, kann ich jetzt noch nicht sagen; das wird man sehen.

ZUSATZFRAGE: Hat die Kanzlerin denn vor, das Thema anzusprechen?

Gibt es mittlerweile schon irgendeine Form von Antwort auf die Aufforderung der Bundesregierung an Moskau, sich zu den Vorgängen um Herrn Nawalny zu äußern?

SEIBERT: Gut, jetzt sind wir also bei diesem Thema.

FELDHOFF: Wir sind jetzt beim Thema „Nawalny“.

SEIBERT: Alles klar. Es geht heute munter hin und her. – Wir stehen hinsichtlich dieser Frage, und das ist auch noch nicht abgeschlossen, mit unseren europäischen Partnern und Freunden in Kontakt, und mehr kann ich Ihnen dazu nicht sagen.

ZUSATZFRAGE: Sie könnten aber vielleicht sagen, ob eine Antwort aus Moskau vorliegt oder nicht. Das, nehme ich an, würden Sie wissen.

SEIBERT: Wir haben Russland dringend gebeten und aufgefordert, sich zu dem Vorgang zu erklären, und diese Aufforderung besteht weiterhin.

FRAGE: Ich müsste jetzt auch nachfragen. Ich hätte eine Frage direkt zu Nawalny, nicht unbedingt im Kontext des EU-Gipfels. Sind wir jetzt thematisch bei Nawalny?

FELDHOFF: Wir sind jetzt beim Thema Nawalny, weil ich auch noch zwei andere Fragen zu dem Komplex habe.

ZUSATZFRAGE: Das Nawalny-Team hat ja jetzt eine neue Version präsentiert, laut derer die Vergiftung nicht durch Tee am Flughafen erfolgte, sondern durch Wasserflaschen in seinem Hotelzimmer, die das Team dann entwendet und nach Deutschland geschmuggelt hat. Laut Darlegung des Cinema-for-Peace-Geschäftsführers erfolgte dieser ‑ nennen wir es ‑ Schmuggel in demselben Charterflugzeug wie die Überführung von Nawalny.

Da würde mich interessieren: Kann die Bundesregierung diese Version des Nawalny-Teams bestätigen? Befinden sich diese drei Wasserflaschen im Besitz der Bundesrepublik Deutschland, und erfolgte der Transport dieser Wasserflaschen in dem benannten Charterflugzeug, das Nawalny nach Berlin und dann in die Charité brachte?

SEIBERT: Die Bundesregierung hat das Video, das das Team von Herrn Nawalny ins Netz gestellt hat, zur Kenntnis genommen. Zu Fragen, die dieses Video betreffen, müssten Sie sich an das Team von Herrn Nawalny richten. Alles, was wir zu diesem Thema zu sagen haben, haben wir in den Pressemitteilungen und bisherigen Stellungnahmen, u. a. auch von der Bundeskanzlerin, ausgedrückt. Dem habe ich hier nichts hinzuzufügen.

ZUSATZFRAGE: Jetzt sind die Wasserflaschen ja ein potenzielles Beweismittel in dem Kriminalfall. Kann die Bundesregierung vielleicht noch einmal bestätigen, ob die Bundesregierung im Besitz dieser Wasserflaschen ist und ob sie plant, diese potentiellen Beweisstücke auch an die russischen Ermittler zu übergeben?

SEIBERT: Ich habe den bisherigen Stellungnahmen dazu, was die Toxikologen in Deutschland und im Übrigen inzwischen unabhängig davon in Frankreich und Schweden über den Charakter und die Herkunft des Giftes gesagt haben, nichts hinzuzufügen.

FRAGE: Die OVCW hat ja nun die Proben von Herrn Nawalny untersucht. Wurde die Bundesregierung bereits über die Ergebnisse informiert?

ADEBAHR (AA): Unserer Erkenntnis nach dauert die Untersuchung durch die OVCW noch an. Es ist bei uns noch kein Ergebnis eingegangen. Das ist der Stand.

FRAGE: Die Frage bezieht sich auf das zweite Rechtshilfeersuchen. Es ist ja am Mittwoch hier bestätigt worden, dass es das gibt. Ist dieses bereits bearbeitet worden? Ist die Bearbeitung abgeschlossen worden? Hat man die Ersuchen an die Berliner Verwaltung für Justiz weitergeleitet?

KALL: Ja, wir haben den Eingang des zweiten Rechtshilfeersuchens der russischen Generalstaatsanwaltschaft vom 14. September, von Montagabend dieser Woche, beim Bundesamt für Justiz am Mittwoch ‑ wie Sie hier schon gesagt haben ‑ bestätigt. Wir haben auch gesagt, dass dieses zweite Rechtshilfeersuchen in der Sache nun von der Bundesregierung geprüft wird. Insofern ist der Stand unverändert. Es wird geprüft. Es wurde bislang nicht an die Berliner Landesjustiz weitergeleitet.

FRAGE: Zurückkommend auf die OPCW: Mich würde interessieren, wieso die Bundesregierung darauf verzichtet hat, die Anforderung des Paragraphen 2 Artikel 9 des Chemiewaffenübereinkommens einzusetzen?

Ich zitiere kurz: Die Vertragsstaaten sollten sich nach Möglichkeit zuerst bemühen, durch Informationsaustausch und Konsultationen untereinander alle Fragen zu klären und zu lösen, die Zweifel an der Einhaltung dieses Übereinkommens aufkommen lassen.

SEIBERT: Die Bundesregierung hat die Organisation für das Verbot chemischer Waffen, die OVCW, in die Analyse von Beweismitteln im Fall Nawalny einbezogen. Diese Einbindung der OVCW basiert auf Artikel VIII 38 (e) des Übereinkommens, das allen Vertragsstaaten die Möglichkeit eröffnet, die technische Unterstützung durch die OVCW zu erhalten.

ZUSATZFRAGE: Dazu hätte ich jetzt auch eine Frage. Wieso beziehen Sie sich explizit auf diesen Paragraphen 38 (e), der sich ja ausschließlich auf technische Hilfe begrenzt und es der OPCW nicht erlaubt, eigenständige Untersuchungen und eigenständige Rückschlüsse zu formulieren und zu veröffentlichen?

ADEBAHR: Artikel VIII 38 (e) ist, wie schon gesagt, das Verfahren, das die Möglichkeit eröffnet, bei einem Verstoß gegen das Chemiewaffenübereinkommen ‑ ein solches steht hier in Rede ‑ mit technischer Unterstützung zu helfen. Deswegen haben wir uns auf diesen Artikel VIII 38 (e) konzentriert, der diese Möglichkeit eröffnet, im Rahmen der Überprüfung eines Verstoßes gegen das Chemiewaffenübereinkommen die OPCW anzurufen.

FRAGE: Ich weiß nicht, wer das beantworten kann ‑ vielleicht auch das Verteidigungsministerium. Ist es richtig, dass das Labor der Bundeswehr, das diese Spuren nachgewiesen hat, ein Referenzlabor der OVCW ist? Ist es also richtig, dass dieses Labor in Bayern ein Teil dieser Organisation in Den Haag ist? Oder wie kann man das einordnen?

ADEBAHR: Es ist so, dass die OVCW mit verschiedenen Laboren zusammenarbeitet, von denen sie sagt: Das sind die Standards, die die OVCW braucht. ‑ Zu der Frage, welche Labore das sind, müsste die OVCW, denke ich, Stellung nehmen.

ZUSATZFRAGE BLANK: Aber Sie werden doch wissen, ob ‑ ‑ ‑

SEIBERT: Das macht das Labor aber nicht zu einem Teil der OVCW.

ADEBAHR: Nein.

SEIBERT: Das ist ein Teil der Bundeswehr.

ZUSATZFRAGE: Ist es ein Referenzlabor? Oder wird es von denen als Referenzlabor genannt? Stimmt das?

SEIBERT: Ich weiß nicht, ob die Frage das Verteidigungsministerium beantworten kann. Es ist das zuständige Labor der Bundeswehr für toxikologische Untersuchungen.

COLLATZ (BMVg): Sie können das auch den Seiten der OVCW sowie den Seiten des Instituts entnehmen. Es gibt DIN-Normen, die erfüllt sein müssen, damit Labore als Maßstab genommen werden können, und an den Untersuchungen beitragen können. In München handelt es sich um ein solches Labor.

ADEBAHR: Noch einmal, um das klarzustellen: Das heißt aber nicht, dass das Teil der OVCW ist.

SEIBERT: So ist es.

FRAGE: Mich würde aber trotzdem noch einmal interessieren, wieso die Bundesregierung explizit einen Paragraphen wählt, der es der OPCW nicht erlaubt, eigenständig und unabhängig zu untersuchen und auch eigene Schlüsse zu formulieren, sondern das alles nach wie vor in der Hand der Bundesrepublik bleibt?

ADEBAHR: Ich glaube, wir haben die Begründung genannt, warum wir diesen Weg gehen, der aus unserer Sicht für dieses Verfahren der vorgesehene und richtige ist. Die OVCW überweist die Proben an Labore und bietet so den Einstieg in dieses Verfahren, was dann in der OVCW nach den Regeln des Chemiewaffenübereinkommens fortgeführt wird. Die Bundesregierung agiert hier absolut auf dem Boden des Chemiewaffenübereinkommens und nach den Regeln und Verfahren, die die OVCW eröffnet.

ZUSATZFRAGE: Noch eine grundsätzliche Verständnisfrage: Die Analysen der OPCW ‑ das haben Sie ja selbst gesagt ‑ dauern noch an. Es ist ja eigentlich auch weltweit die Referenzinstitution dafür. Aus welcher Motivation heraus hat sich die Bundesregierung entschieden, vor dieser OPCW-Untersuchung auf zwei Militärlabore in Schweden und Frankreich zurückzugreifen? Wieso haben Sie sich also für diese zusätzliche Untersuchung durch zwei Militärlabore entschieden und nicht dafür, die Untersuchung per se in den Händen der OPCW lassen?

SEIBERT: Das Eine ist vom anderen unabhängig. Die Funde, die unabhängig voneinander in Frankreich und Schweden gemacht wurden und die den Nervenkampfstoff aus der Nowitschok-Gruppe bestätigen, präjudizieren ja in keiner Weise, was nun die von der OVCW beauftragten Referenzlabore herausfinden.

ADEBAHR: Im Übrigen hat die Bundesregierung darauf hingewiesen, dass es Speziallabore sind.

SEIBERT: Richtig.

FRAGE: Eine simple Lernfrage: Sind die Speziallabore in der Lage, durch die eventuelle detaillierte Zusammensetzung des gefundenen Nowitschoks festzustellen, aus welchem Labor sie mutmaßlich stammen? Das ist bei anderen chemischen Untersuchungen häufig der Fall, dass man die Herkunft bis zum tatsächlichen Ursprung dieser Charge zurückverfolgen kann. Ist das prinzipiell auch hier gegeben?

SEIBERT: Das ist eine Frage, die ich nicht beantworten kann.

ADEBAHR: Ich könnte sie auch nicht beantworten. Wenn eines dieser Labore über derlei Fragen, die Sie stellen, Auskunft geben möchte, dann wird es dies tun.

ZUSATZFRAGE: Vielleicht könnten Sie aber doch nachreichen, ob es prinzipiell möglich ist?

SEIBERT: Nein.

ADEBAHR: Ich glaube nicht, dass ich das nachreichen kann.

ZURUF: Warum nicht?

ADEBAHR: Weil das ein Labor in einem Land ist, das Untersuchungen vornimmt, und weil das Labor darüber kommunizieren würde, was es kann oder nicht kann und wie es dazu steht, wenn es das wollte.

ZUSATZFRAGE: Aber ein Bundeswehrlabor ist ja sozusagen unter Kontrolle oder Regie, wenn man so will, der Bundesregierung. Deswegen könnten Sie doch vielleicht eruieren, ob es prinzipiell mit verfeinerter Labortechnik möglich ist, die Spur einer Charge bis zum Ursprungsort zurückzuverfolgen. Das ist doch eigentlich im Rahmen der Regierungsverantwortung.

ADEBAHR: Herr Jessen, ich glaube, wir können hier aus verschiedenen Gründen das sagen, was wir zum Bundeswehrlabor gesagt haben. Eine Prinzipienfrage, wie Sie sie da aufwerfen, können wir, zumindest hier, nicht beantworten.

Lage in Belarus

FRAGE: Noch einmal die Frage an Frau Adebahr, wie weit man bei den Vorbereitungen ist. Herr Röttgen hat heute gefordert, dass auch Herr Lukaschenko auf die Liste gesetzt werden soll, gerade nach der jetzigen Ankündigung der Grenzschließung zu Litauen und Polen. Ist die Bundesregierung dafür, dass Herr Lukaschenko auf die Liste kommt, und wird die Liste der Personen, die man im Auge hat, möglicherweise am Montag noch sehr weit ausgeweitet werden?

ADEBAHR (AA): Sie haben Recht, Herr Rinke: Die Frage, wie es mit den Sanktionen gegen Belarus, für die wir uns auch einsetzen, vorangeht, wird am Montag zu besprechen sein. Sie wird in diesen Tagen, also auch jetzt, beraten.

Ich möchte Sie gern noch einmal auch auf Äußerungen des Außenministers verweisen, der gestern oder vorgestern ‑ nageln Sie mich nicht fest ‑ im Bundestag gesagt hat, dass er sieht, dass Herr Lukaschenko weiter mit Gewalt gegen die Demonstranten vorgeht. Er hat auch gesagt:

„Wenn die Gewalt gegen die friedliche Opposition nicht aufhört, dann werden diese Maßnahmen auf erheblich mehr Personen auszuweiten sein, und dann wird es dabei auch darum gehen, über Herrn Lukaschenko zu reden.“

ZUSATZFRAGE: Nur damit ich es nicht falsch interpretiere: Ich interpretiere das so, dass er für diese Sanktionen gegen Herrn Lukaschenko ist. Ist das ein richtiger Schluss aus dem, was Sie gerade vorgetragen haben?

ADEBAHR: Er hat mit Bezug auf die Debatte in der EU gesagt, dass, wenn sich nichts ändert, über die Frage zu reden sein wird. Das ist der Stand.

FRAGE: Der albanische Premier Rama ist ja zurzeit in Berlin. Ist auch ein Treffen mit der Kanzlerin geplant? Wenn nicht, haben die beiden miteinander kommuniziert? Herr Rama als der derzeitige Vorsitzende der OSZE wäre ja möglicherweise ein wichtiger Gesprächspartner in Sachen Belarus.

SEIBERT: Über einen Termin der Bundeskanzlerin mit Ministerpräsident Rama kann ich jetzt nichts berichten. Aber die Bundesregierung unterstützt ausdrücklich die Bemühungen der OSZE und ihres amtierenden Vorsitzenden ‑ das ist der albanische Ministerpräsident ‑, Gespräche zur Lösung der Krise in Belarus zu fördern.

Absage der Europareise des iranischen Außenministers

FRAGE: Ich habe eine Frage an Frau Adebahr zu der abgesagten Europareise des iranischen Außenministers. Die iranische Seite sagt, das erfolgte aus logistischen Gründen. Gibt es von deutscher Seite auch Gründe, warum das nicht stattfand? Gab es Signale, auch nach der Hinrichtung des iranischen Ringers, dass man das vielleicht im Moment nicht machen sollte? Gibt es Planungen, wann das nachgeholt werden könnte?

ADEBAHR (AA): Von unserer Seite hätte es keine Gründe gegeben, einen Termin nicht wahrzunehmen. Wir sind mit Iran zu verschiedenen Themen im Gespräch. Gerade auch, was die Frage der Menschenrechte angeht, ist es wichtig, das Gespräch zu suchen.

Die iranische Seite hat diesen Grund kommuniziert. Insofern ist es das von der iranischen Seite, was man dazu weiß und annehmen darf und sollte.

ZUSATZFRAGE: Es gibt jetzt aber noch keine weiteren Planungen, wann man das eventuell nachholen kann?

ADEBAHR: Nein, das habe ich Ihnen hier nicht mitzuteilen.

Pläne für eine zweite internationale Konferenz über Libyen

FRAGE: Es ist bekanntgeworden, dass Anfang Oktober eine zweite internationale Konferenz über Libyen im Rahmen einer Vereinbarung zwischen der Bundesregierung und den Vereinten Nationen stattfinden soll. Es wird darauf hingewiesen, dass der französische Präsident eine Konferenz über Libyen einberufen hat, an der Fayez Al-Sarraj und sein Gegner, Herr Haftar, teilnehmen sollen. Ist die Konferenz, die die Bundesregierung mit den Vereinten Nationen vereinbart hat, gleichbedeutend damit, Herrn Macron, der Haftar unterstützt, den Teppich unter den Füßen wegzuziehen?

SEIBERT (BReg): Ich glaube, es gab da eine Meldung einer Nachrichtenagentur, die ein bisschen missverständlich war. Wir gehen davon aus, dass sie sich auf ein virtuelles Treffen zu Libyen am Rande der Generalversammlung der Vereinten Nationen bezieht. Zu dem lädt nach meinen Informationen der Generalsekretär der UN, Herr Guterres, ein. Die Details dazu ‑ vielleicht wissen Sie mehr ‑ sind, glaube ich, im Abstimmungsprozess.

ADEBAHR (AA): Herr Guterres lädt für den 5. Oktober ‑ Thema Generalversammlungswoche der Vereinten Nationen ‑ zu einem Treffen zu Libyen ein. Wir begrüßen das natürlich und werden uns auch daran beteiligen. Das Ziel ‑ so die Vereinten Nationen ‑ ist es, eben acht Monate nach der Berliner Libyen-Konferenz eine Bestandsaufnahme mit den internationalen Akteuren vorzunehmen. Da wir als Bundesregierung an diesem Thema selbstverständlich weiter intensiv arbeiten, ist das eine gute Sache, an der wir gern teilnehmen.

FRAGE: Noch einmal einen Verweis auf das französische Treffen oder das von Macron geplante Treffen: Ist das mit der Bundesregierung abgestimmt, oder laufen da mittlerweile zwei parallele Verhandlungsstränge?

ADEBAHR: Wir sind mit den französischen Partnern zum Thema Libyen immer in einem engen Gespräch. Was ein mögliches Treffen oder eine Konferenz in Frankreich angeht, dazu müsste Frankreich kommunizieren. Am 5. Oktober handelt es sich um eine Einladung des UN-Generalsekretärs, der ja den Prozess leitet, auch im Rahmen der Berliner Konferenz.

ZUSATZFRAGE: Vielleicht kann ich die Frage einfach anders herumdrehen. Sorgen Sie sich, dass, wenn es zu viele Gesprächskanäle zu demselben Thema gibt, das möglicherweise kontraproduktiv ist, gerade wenn der französische Präsident sich jetzt auch bemüht, allein den innerlibyschen Prozess voranzubringen?

SEIBERT: Ich glaube, das Entscheidende ist, dass alle Akteure das gleiche Ziel verfolgen ‑ das heißt, den politischen Prozess zu unterstützen und zu kräftigen, der von den Vereinten Nationen und UNSMIL geleitet wird.

Unsere Bemühungen, insbesondere der Berliner Konferenz, dienen genau diesem Ziel, nämlich zu helfen, dass dieser von der UN geleitete Prozess erfolgreich sein kann.

Lage in Venezuela

FRAGE: Unterstützt die deutsche Regierung die Forderung des EU-Außenbeauftragten, die Wahl in Venezuela zu verschieben, um EU-Wahlbeobachter entsenden zu können?

Würde die deutsche Regierung nach den Berichten der Mission des EU-Menschenrechtsrates über die Verbrechen gegen die Menschlichkeit in Venezuela weitere EU-Sanktionen gegen das Maduro-System unterstützen?

Erwägt die deutsche Regierung nach der Schwächung von Herrn Guaidó innerhalb der venezolanischen Opposition, die Unterstützung für ihn zu überdenken?

ADEBAHR (AA): Zur Fact Finding Mission der Vereinten Nationen würde ich gern sagen, dass den Vereinten Nationen große Anerkennung und Dank für diese umfangreiche, systematische und gut recherchierte Darstellung der Menschenrechtsverletzungen, die wir leider in Venezuela sehen, gebührt. Die Bundesregierung verurteilt die schweren Menschenrechtsverletzungen, die der Bericht der Fact Finding Mission belegt. Wir fordern das Maduro-Regime nachdrücklich auf, die Menschenrechte in Venezuela zu respektieren.

Derzeit findet in Genf die 45. Sitzung des Menschenrechtsrats statt. Auch in diesem Gremium wird sich die Bundesregierung für eine Verlängerung und Erweiterung dieses Mandats der Vereinten Nationen einsetzen.

Was das Thema der Wahlen angeht, möchte ich Sie gern auf eine heute Morgen veröffentlichte Stellungnahme der International Contact Group on Venezuela verweisen. Ich zitiere am besten kurz: The

„ICG members concluded that conditions are not met, at the moment, for a transparent, inclusive, free and fair electoral process. All obstacles to political participation must be removed in order for a meaningful electoral process to take place.“

Weiterhin wird gesagt, dass der momentane Zeitplan für eine Entsendung der EU-Beobachtungsmission nicht ausreicht. Insofern wird dazu aufgerufen, die Bedingungen für eine freie und faire Wahl herzustellen. Das ist die Meinung der internationalen Kontaktgruppe, in der die EU und auch Deutschland Mitglied sind.

Habe ich alles beantwortet?

FELDHOFF (Vorsitz): Es wurde noch gefragt, ob die Schwächung Herrn Guaidós die Bundesregierung dazu bringt, die Unterstützung für ihn überdenken.

ADEBAHR: Nein, unsere Haltung zu Herrn Guaidó ist unverändert.

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