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Erklärungen des Auswärtigen Amts in der Regierungs­pressekonferenz vom 02.09.2020

02.09.2020 - Artikel

Kabinettssitzung (Leitlinien zum Indo-Pazifik)

DEMMER (BReg): [… Dann hat das Kabinett heute die Leitlinien zum Indo-Pazifik beschlossen. Hintergrund ist, dass sich im 21. Jahrhundert die ökonomischen und politischen Gewichte zunehmend in den indopazifischen Raum verschieben. Die Region nimmt eine Schlüsselstellung in der Ausgestaltung der internationalen Ordnung im 21. Jahrhundert ein. Mit China, Japan und den USA sind die drei größten Volkswirtschaften der Welt Pazifikanrainer. 20 von 33 Megastädten weltweit befinden sich in genau dieser Region. Die Leitlinien definieren nun die Interessen und Prinzipien, von denen sich die Bundesregierung in ihrer Politik im Indo-Pazifik leiten lässt, und beschreiben Initiativen in den zentralen Gestaltungsfeldern. Sie enthalten Angebote an die Partner im indopazifischen Raum und können als Grundlage für eine zukünftige EU-Gesamtstrategie dienen.

Ziel der Leitlinien ist, den zahlreichen politischen Maßnahmen der Bundesregierung im indopazifischen Raum einen strategischen Rahmen zu geben, im Sinne einer regionalen und thematischen Diversifizierung unserer Beziehungen Anknüpfungspunkte für eine engere Zusammenarbeit mit unseren Partnern im indopazifischen Raum zu schaffen, auch im Bereich der Sicherheitspolitik, den gemeinsamen Willen der Bundesregierung zu dokumentieren, sich noch stärker als gestaltender Akteur und Partner im indopazifischen Raum zu engagieren und zur Aufrechterhaltung der regelbasierten Ordnung beizutragen, sowie auf Basis unserer Leitlinien gemeinsam unter anderem mit Frankreich einen Anstoß für eine europäische Indo-Pazifik-Strategie zu geben.

[…]

FRAGE: Herr Burger, Frau Demmer sprach von den Partnern im Indo-Pazifik. Wer sind denn dort die Partner Deutschlands?

BURGER (AA): Das sind natürlich zunächst einmal die ganz vielen verschiedenen Staaten in der Region. Natürlich haben wir auch Beziehungen zu zivilgesellschaftlichen Akteuren in vielen Ländern. Natürlich haben wir ‑ das ist auch Teil dessen, was Sie in diesen Leitlinien finden werden ‑ zu einigen Ländern in der Region, mit denen wir gemeinsame Werte teilen und mit denen wir auch ein gemeinsames Verständnis von Demokratie und einem regelbasierten Miteinander teilen, besonders enge Partnerschaften. Gleichzeitig ist es so, dass wir ein Interesse daran haben, zu allen Staaten in dieser Region gute Beziehungen zu haben und dabei mitzuwirken, dass die regionalen Beziehungen, die es auch in der Region gibt, friedlich und regelbasiert verlaufen.

ZUSATZFRAGE: Können Sie die Partner bzw. die Länder nennen?

BURGER. Ich habe das gerade differenziert darzustellen versucht, und dabei bleibe ich auch.

FRAGE: Die USA finden ja auch eine sehr harte Sprache, wenn es um den Indo-Pazifik geht, gerade in Hinsicht auf China. Wird die EU dort mit den USA zusammenarbeiten, oder wird das eine separate EU-Sache sein?

BURGER: Das sind zunächst einmal die Indo-Pazifik-Leitlinien der Bundesregierung. Wir haben die natürlich so formuliert, wie es unseren Interessen und unseren Werten entspricht und wie es auch unserem Blick auf die bestmögliche Ausgestaltung der internationalen Beziehungen entspricht. Das bedeutet, dass wir multilaterale Strukturen stärken möchten und dass wir für ein regelbasiertes Miteinander eintreten.

Frau Demmer hat es ja in Ihrer Darstellung gesagt: Zu den indopazifischen Akteuren gehören eben auch die USA. Die sind ein Pazifikanrainer. Deswegen gehören natürlich auch die USA zu den Staaten, mit denen wir auch in dieser Region die Zusammenarbeit suchen.

Situation in Venezuela

FRAGE: Frau Demmer, Herr Burger, gibt es eine offizielle Stellungnahme der deutschen Regierung zu den letzten Ereignissen in Venezuela, zum einen zu der Freilassung hunderter oppositioneller Politiker vonseiten Maduros und zum anderen zu der Spaltung der Opposition? Ein Teil will jetzt nicht mehr an den parlamentarischen Wahlen im Dezember teilnehmen, und ein anderer Teil hat mit der Regierung über eine Freilassung verhandelt und will doch teilnehmen. Auf welcher Seite steht die deutsche Regierung jetzt, immer noch hinter Guaidó?

DEMMER (BReg): Das müssten wir gegebenenfalls nachreichen.

Waffenstillstandsverstöße in Libyen

FRAGE: Herr Burger, zu Libyen und dem Waffenstillstand: Ein Sprecher von General Haftar hat gesagt, dass sich seine Gruppe nicht mehr dem Waffenstillstand verpflichtet fühle. Es kommt weiterhin zu Waffenstillstandsverstößen in Libyen. Wie betrachten Sie momentan die Situation in dem Land?

BURGER (AA): Wir fordern General Haftar und die LNA auf, sich klar und deutlich zu der Waffenruhe zu bekennen. Aus unserer Sicht ist sie ein ganz wichtiger Schritt bzw. ein ganz wichtiger Bestandteil dessen, eine weitere Eskalation in Libyen zu verhindern und überhaupt erst die Möglichkeiten dafür zu schaffen, die Arbeit auf dem Weg zu einer politischen Lösung fortzusetzen. In diesem Sinne wirken wir auf alle Parteien ein, und in diesem Sinne führen wir auch die Gespräche mit den verschiedenen internationalen Unterstützern der Parteien. Daran, an ihrem konkreten Verhalten, messen wir die Konfliktparteien.

Deutsch-russische Beziehungen

FRAGE: Ich habe eine umfangreichere Frage zum Komplex Russland, nämlich zum Verhältnis zu Russland. Herr Burger, Wolfgang Ischinger spricht im Interview mit dem „SPIEGEL“ von einem Ende der Idee einer strategischen Partnerschaft. Ist Russland aus Sicht der Bundesregierung aktuell ein strategischer Partner? Wenn ja, wie drückt sich das konkret aus?

BURGER (AA): Ich würde Sie dazu gerne auf die Pressekonferenz verweisen, die der Außenminister gegeben hat, als er vor ungefähr vor zwei Wochen in Moskau war und sich dort mit seinem russischen Amtskollegen Lawrow getroffen hat. Dort wurde sehr deutlich, dass uns mit Russland eine sehr vielschichtige historische Beziehung verbindet, dass wir ein Interesse daran haben, vernünftige Beziehungen zu Russland zu haben, dass wir in den letzten Jahren allerdings auch eine ganze Reihe von Ereignissen zu verzeichnen haben, die diese Beziehungen belasten. Dazu gehört zuletzt der Tiergarten-Mord; dazu gehört der Bundestagshack; dazu gehört die russische völkerrechtswidrige Annexion der Krim.

Das Verhältnis zu Russland war auch eines der Themen beim informellen Treffen der EU-Außenminister letzte Woche in Berlin. Auch dazu hat sich der Außenminister in der anschließenden Pressekonferenz kurz geäußert und hat gesagt, dass wir natürlich ein Interesse daran haben, diese Beziehungen zu Russland weiter zu entwickeln. Aber dafür muss Russland eben auch die entsprechenden Voraussetzungen schaffen.

ZUSATZFRAGE: Frau Demmer, sieht die Bundeskanzlerin das genauso?

DEMMER (AA): Ich kann mich dem nur anschließen. Wie Sie wissen, steht die Bundeskanzlerin in einem regelmäßigen telefonischen und persönlichen Dialog mit Präsident Putin zu allen wichtigen anstehenden bilateralen und internationalen Fragen - und das seit vielen Jahren. Es ist völlig unbestritten, dass die Bundesregierung Russland als einen der wichtigen Akteure in der internationalen Politik sieht und mit Russland in einem intensiven Austausch steht. Aber wir beobachten leider in den vergangenen Jahren ein Muster russischen Handelns, das der Entwicklung eines vertrauensvollen Verhältnisses entgegensteht und Anlass zu Sorge bereitet. Herr Burger hat Details ausgeführt.

Regierungsbildung im Libanon

FRAGE: Eine Frage zum Libanon, Herr Burger: Der französische Präsident Emmanuel Macron hat der neuen libanesischen Regierung ein Ultimatum gesetzt, um neue Reformen einzuleiten, und hat in diesem Zusammenhang sogar mit Sanktionen gedroht. Wie steht die Bundesregierung dazu?

BURGER (AA): Die erneute Reise von Präsident Macron nur einen Monat nach der Explosion in Beirut zeigt sein und im Prinzip das gesamte europäische Interesse an der Zukunft Libanons. Auch beim informellen Treffen der EU-Außenminister in der vergangenen Woche hier in Berlin wurde über Libanon gesprochen, und Außenminister Maas hatte in der abschließenden Pressekonferenz auch erwähnt, dass die Mitglieder der Europäischen Union und wir weiter fest an der Seite der Bürgerinnen und Bürger Libanons stehen. Aus unserer Sicht sind echte politische Veränderungen und Wirtschaftsreformen aber mehr als überfällig, und davon werden auch Wirtschafts- und Wiederaufbauhilfen, die über die jetzt geleistete humanitäre Hilfe hinausgehen sollen, abhängen.

Bei dem Treffen der EU-Außenminister wurde vereinbart, dass man innerhalb der EU zu Libanon auch im Dialog bleiben möchte ‑ möglicherweise schon zum nächsten formellen Außenministerrat am 21. September. Ich hatte hier am Montag schon auf die Erklärung der International Support Group for Lebanon hingewiesen, der wir angehören und der wir uns anschließen. ‑ Das vielleicht zu unserem Blick auf die Ereignisse im Libanon.

ZUSATZFRAGE: Unterstützt die Bundesregierung Sanktionen gegen die neue Regierung?

BURGER (AA): Ich werde jetzt nicht im Einzelnen die Äußerungen von Herrn Macron bewerten. Ich glaube, grundsätzlich gibt es eine große Einigkeit, eine große Übereinstimmung, dass es die Notwendigkeit zu einem grundlegenden strukturellen Wandel im Libanon hin zu mehr Transparenz, Partizipation und Rechenschaftspflicht der politisch Verantwortlichen gibt.

Belarus/Waffenexporte

FRAGE: Noch eine Frage zum Thema Belarus, gegebenenfalls an Herrn Burger oder an das BMWi. Es geht um Waffenexporte. Es gibt jetzt Berichte, Bildmaterial und Dokumente, die belegen, dass die Polizeieinheiten des belarussischen Regimes im Besitz von MP5-Maschinenpistolen von Heckler & Koch sind, Pistolen von SIG Sauer benutzen sowie Streifenwagen und Truppentransporter von VW. Wie erklärt sich die Bundesregierung das? Es gibt ja seit 2011 ein Waffenembargo. Wie kann das sein?

EICHLER (BMWi): Genau darauf kann ich nur verweisen: Es gibt ein Waffenembargo, und das gilt.

ZUSATZFRAGE: Offenbar wurde dann durch Drittstaaten an Belarus geliefert. Sie sind doch verantwortlich dafür, zu überprüfen, wo die Waffen, die man irgendwohin exportiert, am Ende hingelangen?

EICHLER: Mir liegen zu dem Fall, den Sie jetzt geschildert haben, keine Erkenntnisse vor; deshalb müsste ich mir das erst einmal anschauen, bevor ich dazu irgendetwas Weiteres sagen kann.

BURGER (AA): Ich kann das vielleicht kurz ergänzen. ‑ Ich glaube, was die Kollegin gesagt hat, trifft absolut zu: Es hat in den letzten Jahren keine Genehmigungen von Waffenlieferungen nach Belarus gegeben. Wenn dort jetzt trotzdem Kleinwaffen gefunden werden, dann ist das ein Hinweis darauf, dass Kleinwaffen, wie wir schon seit vielen Jahren feststellen, besonders proliferationsriskant sind, das heißt, dass bei diesen Arten von Waffen das Risiko, dass sie unkontrolliert in falsche Hände weitergegeben werden, besonders groß ist. Deswegen ist eine der Neuerungen in der Rüstungsexportpolitik in den vergangenen Jahren unter dieser Bundesregierung gewesen, die Exporte von Kleinwaffen extrem restriktiv zu fassen, sodass wir bei Lieferungen und Genehmigungen von Kleinwaffen in Drittstaaten im vergangenen Jahr, glaube ich, fast bei null angekommen sind. Die präzisen Zahlen können wir Ihnen gerne nachliefern.

ZUSATZFRAGE: Bemühen Sie sich denn um Aufklärung dieses Sachverhalts?

BURGER: Mir ist der Sachverhalt im Einzelnen nicht bekannt. Wenn ich Ihnen dazu etwas mitteilen kann, dann liefere ich es gerne nach.

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