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Erklärungen des Auswärtigen Amts in der Regierungs­pressekonferenz vom 24.08.2020

24.08.2020 - Artikel

Reise des Bundesaußenministers nach Griechenland und der Türkei/Lage im östlichen Mittelmeer

BURGER (AA): Außenminister Maas wird morgen nach Athen und Ankara reisen. Die Ankunft in Athen ist für etwa 10.30 Uhr deutscher Zeit vorgesehen. Außenminister Maas wird dort zu politischen Gesprächen mit dem griechischen Ministerpräsidenten Herrn Mitsotakis, dem Vorsitzenden der Partei Syriza Herrn Tsipras und dem Außenminister Herrn Dendias zusammentreffen. Im Anschluss daran wird der Außenminister nach Ankara weiterreisen. Die Ankunft dort ist für etwa 16 Uhr deutscher Zeit vorgesehen. In Ankara wird der Außenminister seinen Amtskollegen Herrn Çavuşoğlu zu einem Gespräch im türkischen Außenministerium treffen. In beiden Hauptstädten sind auch Pressebegegnungen geplant, die Sie jeweils auf dem Instagram-Account des Auswärtigen Amtes im Livestream verfolgen können. Genaueres zum Timing werden wir Ihnen zeitnah noch mitteilen. Am Abend gegen 20 Uhr wird der Außenminister wieder in Berlin eintreffen.

Zu den Themen der Reise: Neben den üblichen außenpolitischen Themen, die uns hier in den letzten Wochen immer wieder beschäftigt haben, wird es natürlich vor Allem auch um die Situation im östlichen Mittelmeer und die Spannungen zwischen Griechenland und der Türkei in Bezug auf die Gasexploration dort gehen. ‑ Vielen Dank.

FRAGE: Herr Burger, würden Sie die bisherigen Bemühungen um die Aufnahme eines Dialogs zwischen Ankara und Athen, die ja schon seit vielen Wochen laufen, als erfolgreich bezeichnen? Eventuell ist das auch eine Frage für Herrn Seibert.

BURGER: Jedenfalls sind diese Bemühungen aus unserer Sicht notwendig, und sie bleiben auch weiterhin notwendig. Deswegen reist der Außenminister. Aus unserer Sicht bleibt es dabei, dass ein unmittelbarer Dialog und beiderseitige Schritte zur Deeskalation notwendig sind, um zu einer Lösung der Spannungen zu finden. Deswegen reist der Außenminister.

SEIBERT (BReg): Ja, genau so würde ich es auch charakterisieren, nämlich als notwendig, dass Deutschland mit beiden Seiten im Gespräch ist und bleibt. In der Region des östlichen Mittelmeers brauchen wir Stabilität und keine Spannungen. Deswegen hat sich die Bundesregierung dafür eingesetzt und wird sich weiter dafür einsetzen, dass die Türkei und Griechenland direkt miteinander sprechen und ihre strittigen Fragen miteinander direkt beraten.

ZUSATZFRAGE: Am Freitag auf dem informellen Treffen der EU-Außenminister wird Herr Borrell wegen türkischer Bohrungen in der ausschließlichen Wirtschaftszone Zyperns und der Erkundungen des türkischen Forschungsschiffs Oruç Reis in der ausschließlichen Wirtschaftszone Griechenlands wahrscheinlich Vorschläge über Sanktionsmaßnahmen gegen die Türkei unterbreiten. Welche Position hat die Bundesregierung dazu? Stimmt sie Sanktionen zu?

BURGER: Sie sprechen über das geplante informelle Treffen der EU-Außenminister. Es ist kein Geheimnis, dass dieses Treffen in Berlin stattfinden wird. Deutschland hat in diesem Halbjahr den Ratsvorsitz in der EU.

Die Besonderheit beim Rat der Außenminister ist aber, dass aufgrund des Lissaboner Vertrags der Hohe Vertreter im Rat der Außenminister den Vorsitz führt. Deswegen will ich es auch dem Hohen Vertreter überlassen, dieses Treffen offiziell anzukündigen und das zu sagen, was er zur Tagesordnung dieses Treffens zu sagen hat.

Sicherlich ist es richtig, dass das Verhältnis zur Türkei dort eine Rolle spielen wird. Sie haben Vermutungen darüber geäußert, welche Vorschläge der Hohe Vertreter dort unterbreiten könnte. Ich bitte um Verständnis dafür, dass ich mich zu diesen Vermutungen jetzt nicht äußern werde.

FRAGE: Herr Burger, könnte man das, was Herr Maas morgen mit seiner Reise unternimmt, als Vermittlungsmission bezeichnen?

Herr Seibert, ein Nachtrag zu dem Treffen der Kanzlerin mit dem französischen Präsidenten: Dort sind von beiden ja durchaus auch unterschiedliche Ansätze beider Länder in Bezug darauf, wie man in diesem Konflikt agiert hat, eingeräumt worden. Würden Sie sagen, dass Frankreich und Deutschland jetzt an einem Strang ziehen, oder gibt es nach den Gesprächen immer noch verschiedene Ansätze, wie man diesen Konflikt zu lösen versucht?

BURGER: Der Außenminister führt in Athen und in Ankara Gespräche mit dem Ziel, dabei zu helfen, den Dialog, den wir für notwendig halten, in Gang zu bringen. Vor welchem Hintergrund das stattfindet, habe ich gerade skizziert.

SEIBERT: Die Bundeskanzlerin ist zusammen mit dem französischen Präsidenten in Bregançon auf genau diese Frage eingegangen und hat gesagt, es gebe verschiedene Möglichkeiten des Handelns. Wichtig ist, dass man handelt, und zwar unter Ausnutzung der verschiedenen Möglichkeiten, aber doch auf das gleiche Ziel hin. Genau das kann jetzt, denke ich, über die deutsch-französische Abstimmung in genau dieser Frage des Konflikts zwischen Griechenland und der Türkei gesagt werden.

FRAGE: Herr Burger, wird es konkrete Vorschläge von der deutschen Seite geben?

BURGER: Diesen Satz werden Sie bestimmt schon erwartet haben: Wie üblich kann ich am Vortag einer solchen Reise den Inhalten der Gespräche nicht im Detail vorgreifen.

ZUSATZFRAGE: Wird es in dieser Woche außer dem informellen Gespräch noch weitere Gespräche in Berlin zwischen Griechenland, der Türkei und Deutschland geben?

BURGER: Das, was ich Ihnen an Terminen zur Reise des Ministers gesagt habe, ist das, was ich Ihnen zum jetzigen Zeitpunkt mitteilen kann. Sie haben mitbekommen, dass es in dieser Woche hochrangige politische Gespräche in Berlin geben wird. Ob sich am Rande dieser Gespräche Gelegenheit zu weiteren Gesprächen ergibt, auch dem kann ich jetzt leider nicht vorgreifen.

FRAGE: Jetzt war wieder von der Aufforderung zum direkten Dialog die Rede. Hält die Bundesregierung es denn für möglich oder sinnvoll, dass womöglich andere, dritte Institutionen eingeschaltet werden, um bei der Beilegung des Streits grundlegend voranzukommen?

BURGER: Ich denke, dass man nichts dagegen wird haben können, wenn sich die Beteiligten dies wünschen. Aus unserer Sicht ist aber, wie gesagt, das Entscheidende, dass es einen direkten Dialog zwischen beiden Seiten gibt. Dazu versuchen wir Beiträge zu leisten. Vor diesem Hintergrund engagieren wir uns ja nun schon seit vielen Wochen.

FRAGE: Für wie groß hält die Bundesregierung die Gefahr, dass es dort tatsächlich zu kriegerischen Auseinandersetzungen zwischen zwei NATO-Bündnispartnern kommt?

BURGER: Wir nehmen die Spannungen, die es dort gibt, sehr ernst und haben die große Sorge, dass, wenn diese Spannungen, die ohnehin schon die Beziehungen zwischen der EU und der Türkei belasten, weiter zunehmen, eine weitere Eskalation noch schwerwiegendere Folgen haben könnte.

FRAGE: Herr Burger, vor etwa sechs Wochen hat hier in Berlin bei dem außenpolitischen Berater der Bundeskanzlerin Herrn Hecker ein Treffen mit Beratern des türkischen und des griechischen Ministerpräsidenten stattgefunden. Meinten Sie, als Sie sagten, am Rande des EU-Treffens am Freitag könnten sich Gespräche ergeben, ein solches Format?

BURGER: Ich habe gesagt, dass ich heute keine weiteren Termine anzukündigen habe. Dabei bleibt es.

FRAGE: Wie beurteilen das Auswärtige Amt und die deutsche Ratspräsidentschaft die Entscheidung der Türkei, die „Naftex“ für die Untersuchungen im östlichen Mittelmeer bis zum 27. August, dem Tag der informellen Tagung der EU-Außenminister, zu verlängern?

BURGER: Für das Auswärtige Amt kann ich sagen, dass wir die Ankündigung der Türkei, die Dauer der seismischen Erkundungen des türkischen Schiffs dort zu verlängern, bedauern. Das ist aus unserer Sicht in der aktuellen Situation ein Schritt in die falsche Richtung. Denn was wir jetzt brauchen, sind Signale zur Deeskalation.

Möglicher Besuch des chinesischen Außenministers in Berlin

FRAGE: Können Sie bestätigen, dass der chinesische Außenminister diese Woche nach Berlin kommt?

BURGER (AA): Ich habe alle Terminankündigungen, die ich heute zu machen hatte, gemacht.

COVID-19-Pandemie (mögliches Gespräch des Bundesaußenministers mit dem indischen Außenminister über die Impfstoffherstellung)

FRAGE: Können Sie bestätigen, dass der indische Außenminister mit Heiko Maas über die Zusammenarbeit bei der Impfstoffherstellung gesprochen hat?

BURGER (AA): Die Information darüber, ob solch ein Telefonat in den letzten Tagen stattgefunden hat, muss ich Ihnen nachreichen.

Lage in Belarus

FRAGE: Es gibt Nachrichten, nach denen zwei zentrale Führer der belarussischen Opposition vor einer Stunde festgenommen worden seien. Sieht das Auswärtige Amt darin eine Verschärfung der Lage in Belarus?

Wie sollte die weitere Entwicklung Ihrer Meinung nach stattfinden?

SEIBERT (BReg): Da Sie das Thema Belarus ansprechen, darf ich vielleicht ganz kurz dazu Stellung nehmen. Dann wird der Kollege aus dem AA sicherlich noch präzisieren.

Ich will noch einmal auch auf die extrem beeindruckenden Bilder des Wochenendes zurückkommen. Die Menschen in Belarus zeigen weiterhin sehr viel Mut. Sie haben am Wochenende wieder in sehr großer Zahl ihren friedlichen Protest auf die Straße getragen. Sie müssen die Möglichkeit haben, die Geschicke ihres Landes mitzubestimmen. Die Behörden sind aufgerufen, die Rechte auf Meinungs- und Versammlungsfreiheit zu wahren.

Aus unserer Sicht ist es der falsche Weg, dass jetzt ganz offenkundig der Repressionsgrad des Regimes, der Führung in Minsk, wieder spürbar steigt. Das gilt für die Entlassung Streikender in den Betrieben; das gilt auch für die sehr martialische Drohkulisse, die Herr Lukaschenka am Wochenende aufgebaut hat. Wir alle haben ja am Wochenende die entsprechenden Bilder gesehen und die Äußerungen gehört.

Ich will außerdem noch hinzufügen, dass die Bundesregierung darüber erschüttert ist, dass Berichten zufolge im Zuge der Proteste und der Inhaftierungen friedlicher Menschen auch Menschen umgebracht worden seien. Es gibt jetzt Berichte über einzelne Funde von Leichen. Das muss lückenlos aufgeklärt werden.

Ein Dialog zwischen der Staatsführung und der belarussischen Gesellschaft ist angesichts dieser Situation dringlich. Wir wiederholen noch einmal unsere Überzeugung, dass die OSZE diesen Dialog vermitteln könnte, und begrüßen es deshalb, dass der amtierende OSZE-Vorsitzende, Ministerpräsident Rama aus Albanien, die Bereitschaft der OSZE zu einer Vermittlung in einem Brief an Herrn Lukaschenka bekräftigt hat.

BURGER (AA): Ich kann vielleicht zu den aktuellen Meldungen, auf die Sie sich beziehen, ergänzen. Auch wir verfolgen die Meldungen, dass Mitglieder des Koordinierungsrats festgenommen worden sein sollen, sehr, sehr aufmerksam. Das wäre aus unserer Sicht inakzeptabel. Daher auch hier noch einmal unser dringender Aufruf, dass es keine Gewalt gegen friedliche Demonstranten geben darf, die Rechte der Opposition gewährleistet werden müssen und alle Gefangenen, also die Menschen, die nur aufgrund der Ausübung ihrer demokratischen Rechte gefangen gehalten werden, unverzüglich freigelassen werden sollen.

Behandlung des russischen Oppositionspolitikers Alexej Nawalny in der Berliner Charité

FRAGE: Welche Rolle spielt die Bundesregierung bei der Untersuchung bzw. der Aufklärung einer möglichen Vergiftung, bzw. welche Rolle wird sie dabei spielen? Bietet Deutschland konkrete Unterstützung, bzw. wird Deutschland konkrete Unterstützung bieten? Wenn ja, wie und in welcher Form?

SEIBERT (BReg): Zunächst einmal ist abzuwarten, wie die Untersuchungen und die Diagnose der Ärzte in der Charité ausfallen. Ausschließlich die behandelnden Ärzte und die Familie des Patienten können Auskunft über die Gesundheit und das, was tatsächlich vorgefallen ist, geben.

Da ein sehr schwerwiegender Verdacht, nämlich der Verdacht auf einen Giftanschlag, im Raum steht, bleibt unsere Forderung bestehen, dass das in voller Transparenz bis ins Letzte aufgeklärt werden muss. Aber jetzt wollen wir erst einmal abwarten, was die behandelnden Ärzte feststellen.

FRAGE: Meine Frage geht an Herrn Seibert und an das BMI. Am Wochenende war zu hören und zu sehen, dass Herr Nawalny unter dem Schutz von Beamten des BKA steht. Es wurde auf § 6 des BKA-Gesetzes verwiesen, der es ermöglicht, ausländische Gäste, wie es dort heißt, unter einen besonderen persönlichen Schutz zu stellen.

Welchen Status hat Herr Nawalny? Ist er als Privatperson in der Bundesrepublik, oder kann man ihn als Gast der Bundesregierung bezeichnen?

SEIBERT: Vielleicht erinnere ich noch einmal daran, was die Bundeskanzlerin Seite an Seite mit dem französischen Staatspräsidenten auf der Pressekonferenz in Bregançon gesagt hat. Dort hat sie nämlich gesagt: „Wenn das gewünscht wird, gilt das, was für Frankreich gilt,“ ‑ zuvor war ja der französische Präsident am Mikrofon gewesen ‑ „auch für Deutschland, dass wir ihm“ ‑ Herrn Nawalny ‑ „natürlich auch in deutschen Krankenhäusern alle gesundheitliche Hilfe zuteilwerden lassen. Das muss aber natürlich … gewünscht werden.“

Über diese Erklärung von Bregançon hinaus gibt es keine förmliche Einladung der Bundeskanzlerin oder der Bundesregierung. Aber es war, wie für jeden ersichtlich ist, aus humanitären Gründen notwendig, Herrn Nawalny auf Wunsch seiner Familie die Einreise nach Deutschland schnell zu ermöglichen. Der Transport von Omsk nach Berlin wurde von privater Seite organisiert, ebenso die Unterbringung in der Charité.

Es war klar, dass nach seiner Ankunft hier Schutzmaßnahmen getroffen werden mussten. Schließlich handelt es sich um einen Patienten, auf den mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit ein Giftanschlag verübt worden ist. Im Gespräch der Fachbehörden wurde dann entschieden, der Schnelligkeit halber erst einmal den Bund diese Aufgabe übernehmen zu lassen, also das BKA. Dafür gibt es eine rechtliche Grundlage im BKA-Gesetz.

WOLF (Vorsitz): Wollen Sie noch ergänzen?

GRÜNEWÄLDER (BMI): Nein, ich habe dem nichts hinzuzufügen.

FRAGE: Herr Seibert, können Sie sagen, wer Herrn Nawalnys Behandlungskosten trägt?

SEIBERT: Nein, das kann ich Ihnen nicht sagen.

ZUSATZFRAGE: Kommt die Bundesregierung dafür also nicht auf? Vielleicht kann das Gesundheitsministerium etwas dazu sagen. Irgendjemand muss ja zahlen.

SEIBERT: Ich habe keine Informationen darüber für Sie.

ZUSATZFRAGE: Können Sie das vielleicht noch nachtragen? Denn die Transportkosten sind ja von einem Mäzen übernommen worden.

SEIBERT: Genau. Ich würde mich jetzt zunächst einmal auch an die private Seite richten, die den Transport organisiert hat, bzw. an die Familie. Ich weiß nicht, ob ich Ihnen dazu etwas werde nachreichen können.

ZUSATZFRAGE: Hat das Gesundheitsministerium auch keine Erkenntnis?

EWALD (BMG): Mir liegen dazu keine Informationen vor.

FRAGE: Mich würden die protokollarischen Grundlagen des Transports von Herrn Nawalny im Bundeswehrintensivtransporter, begleitet von schwarzen Limousinen mit Blaulicht und Polizeimotorradeskorte, interessieren. Solche Bilder kennt man eher von Staatsbesuchen.

Können Sie noch einmal genau ausführen, auf welchen protokollarischen Grundlagen das erfolgte?

SEIBERT: Unsere Staatsbesuche fahren wir nicht im Rettungswagen vor. Es ist ‑ ‑

ZUSATZ: Minus Rettungswagen!

SEIBERT: ‑ ganz offensichtlich, dass es aus humanitären Gründen notwendig war, dem Wunsch der Familie zu entsprechen und Herrn Nawalny nach Deutschland in die Berliner Charité zu transportieren. Dass dann der Transport so organisiert wurde, dass er dem im Koma liegenden Patienten möglichst wenig Schaden zufügt und er möglichst schnell und sicher in die Charité kommt, das, denke ich, versteht sich.

ZUSATZFRAGE: Wenn ich Ihre Antwort auf die Frage des Kollegen von der ARD richtig verstanden habe, dann haben Sie den Status von Nawalny als Kanzlerinnengast bestätigt. Dazu würde mich interessieren ‑ ‑ ‑

SEIBERT: Dann haben Sie es falsch verstanden.

ZUSATZFRAGE: Das hat beispielsweise auch das ZDF explizit so berichtet. Sie wollen das also dementieren? Herr Nawalny hat nicht den Status als Gast der Kanzlerin?

SEIBERT: Ich habe es doch gerade ganz deutlich gesagt: Die Bundeskanzlerin hat, wie auch der französische Präsident, in ihrer ersten Reaktion in Brégançon gesagt: Wenn es den Wunsch der Familie gibt, wird Deutschland bereitstehen, um die notwendige medizinische Versorgung dieses Mannes, auf den mutmaßlich ein Giftanschlag verübt worden ist, sicherzustellen.

Der Wunsch der Familie bestand. Die Reise von Omsk nach Berlin wie auch die Unterbringung in der Charité sind von privater Seite organisiert worden. Aus unserer Sicht war es klar, dass es eine Notwendigkeit gab, Herrn Nawalny während seines Aufenthalts in der Charité Schutz zukommen zu lassen. In der schnelle Absprache unter den Fachbehörden ist man übereingekommen, dass das zunächst einmal vonseiten des Bundes, sprich des BKA, gemacht werden muss.

FRAGE: Herr Seibert, wie läuft jetzt eigentlich die Kommunikation mit dem Krankenhaus? Läuft sie über das Bundeskanzleramt oder über das Gesundheitsministerium?

SEIBERT: Nein. Ich habe es vorhin gesagt und sage es gerne noch einmal: Es ist ausschließlich Sache der behandelnden Ärzte der Charité und/oder der Familie, über den Zustand des Patienten, die Untersuchungen und die Diagnosen Auskunft zu geben. Das werden Sie von uns nicht hören.

ZUSATZFRAGE: Sie können uns auch nicht sagen, wann man mit einem ersten Bericht rechnen kann? Das läuft alles über das Krankenhaus, und die Bundesregierung ist nicht involviert?

SEIBERT: Richtig.

FRAGE: Ich habe eine Frage zu der Verzögerung des Abflugs. Kreml-Medien verbreiten die Information, dass die große Verzögerung des Abflugs der Maschine angeblich wegen der deutschen Piloten aufgrund der Ruhezeit zwischen den Flügen entstanden sei. Die Opposition in Russland behauptet, dass der Geheimdienst FSB und Ärzte Schuld seien, um mehr Zeit zu haben, damit möglicherweise das Gift im Körper zerfalle. Welche Erkenntnisse über diese Verzögerung hat die Bundesregierung? Woran lag es?

BURGER (AA): Ich habe dazu keine Erkenntnisse mitzuteilen.

SEIBERT: Ich kann nur wiederholen: Der Transport von Omsk nach Berlin ist von dieser Nichtregierungsorganisation privat organisiert worden. Was die zeitlichen Abläufe betrifft, müssten Sie sich an diese wenden.

FRAGE: Es gab Meldungen über eine Sendung, in der der finnische Präsident Niinistö gesagt haben soll, er habe einen Anruf von der Bundeskanzlerin zum Fall Nawalny bekommen und daraufhin habe er Wladimir Putin angerufen. Das klingt ein bisschen nach einer Vermittlerrolle des finnischen Präsidenten in dieser Angelegenheit. Ich möchte genau wissen, was die Bundesregierung an diesem Freitag, an dem sich der Flug nach Berlin verzögert hat, aktiv gemacht hat und warum die Bundeskanzlerin zum Beispiel nicht direkt Herrn Putin angerufen hat.

Zweitens. Die Sprecherin von Herrn Nawalny hat am Freitag mitgeteilt, sie würde um 18 Uhr sagen, was genau alles passiert ist. Es gab ja diesen etwas beunruhigenden Bericht in einer russischen Zeitung, der ganz genau den Ablauf des Aufenthalts von Herr Nawalny in Sibirien beschrieben hat. Das wurde gestrichen. Sie haben eben so stark betont, dass nur die Familie und nur die Charité über den Gesundheitszustand von Herrn Nawalny berichten sollten. Gab es eine Art „moral suasion“ von der Bundesregierung, was die Sprecherin bzw. das Team von Herrn Nawalny angeht?

SEIBERT: Erstens habe ich die Worte des finnischen Staatspräsidenten nicht zu kommentieren und habe Ihnen hier auch keine weiteren Auskünfte über Gespräche der Kanzlerin zu geben.

Ihre zweite Frage habe ich nicht ganz verstanden. Es erscheint mir doch beinahe vollkommen logisch, dass über den Zustand des Patienten und über die Ergebnisse der Untersuchungen nicht die Bundesregierung, sondern die behandelnden Ärzte und das Krankenhaus informieren. Mehr kann ich Ihnen dazu nicht sagen. Wir sollten diese Information abwarten. Sie wird kommen.

ZUSATZFRAGE: Herr Bizilj von der Initiative Cinema for Peace hat gestern gesagt, dass es Herrn Nawalny sehr, sehr schlecht gehe und er in den nächsten Monaten keine politischen Aktivitäten fortführen könne. Danach haben sich alle gefragt, ob das stimmt oder ob das nicht stimmt. Dann gab es einen Tweet der Sprecherin von Herrn Nawalny, dass um 18 Uhr alles geklärt werden sollte, aber das passierte dann nicht. Alles war also ein bisschen geheimnisvoll.

SEIBERT: Aber das scheint sich mir doch zwischen der Sprecherin oder der Familie von Herrn Nawalny und dem Chef dieser Nichtregierungsorganisation abzuspielen. Das kann ich nicht kommentieren.

FRAGE: Meine Frage bezieht sich auf die Einschätzung von Herrn Nawalny in seiner Rolle als politischer Oppositionspolitiker. Im Moment wird kommuniziert ‑ und wohl auch wesentlich bewertet ‑, dass er der wichtigste Oppositionsführer sei, dass er Kritiker von Kreml und Oligarchen sei. Gleichwohl ‑ und das ist ja kein Geheimnis ‑ ist Herr Nawalny in der Vergangenheit immer wieder durch rassistische und rechtsnationalistische Positionen aufgefallen, aufgetreten. Meine Frage: Spielt das bei der Bewertung der Aktionen in irgendeiner Weise noch eine Rolle, oder tritt das jetzt alles hinter die humanitären Aspekte zurück?

BURGER: Ich würde in diesem Fall einfach sagen: letzteres.

Ich glaube, Herr Seibert hat es am Freitag auch ausgeführt: Es geht in der jetzigen Situation überhaupt nicht um eine politische Bewertung des innenpolitischen Handelns einzelner Persönlichkeiten, sondern es geht jetzt um den Gesundheitszustand von Herrn Nawalny.

ZUSATZFRAGE: Ich stelle die Frage schlicht und einfach deswegen: Wenn man die Diskussionen in den sozialen Medien verfolgt, wird dort zunehmend einfach gefragt ‑ ‑ ‑ Über andere ist gesagt worden, sie seien keine lupenreinen Demokraten. Das trifft vielleicht für Herrn Nawalny auch zu. Das ist der Bundesregierung alles bekannt, spielt aber im Moment keine Rolle. Sehe ich das so richtig?

BURGER: Der Grund, warum sich Herr Nawalny in Berlin befindet und warum die Bundesregierung diese, wie gesagt, private Initiative unterstützt, ist ein humanitärer Grund. Und das ist sein Gesundheitszustand.

FRAGE: Ich möchte noch einmal die Frage von Herrn Jessen aufgreifen. Das ist jetzt schon ein relativ exemplarischer Fall. Wir hatten ja schon die entsprechenden Limousinen und die Begleitung angesprochen. Wäre die Bundesregierung denn bereit, im Fall von Edward Snowden ebenso mit einem Entgegenkommen zu agieren, wenn dieser sich in Moskau ernsthaft vergiften würde, und würde das BKA dann einen Zugriff der CIA verhindern und auch entsprechende Kräfte vor die Charité stellen?

SEIBERT: Wenn ich Sie korrigieren darf: Der Verdacht ist ja nicht, dass Herr Nawalny sich ernsthaft vergiftet hat, sondern dass jemand Herrn Nawalny ernsthaft vergiftet hat, wofür es leider in der jüngeren russischen Geschichte den einen oder anderen Beispielfall gibt. Deswegen nimmt die Welt, denke ich, diesen Verdacht sehr ernst.

Im Übrigen würde ich jetzt nicht spekulieren und hypothetische andere Fälle aufmachen.

FRAGE: Ich habe eine Frage an das Bundesinnenministerium. Bleiben die Sicherheitsmaßnahmen an der Charité für die gesamte Dauer seines Aufenthalts im Krankenhaus aufrechterhalten oder lassen Sie eine Situation zu, wo diese Maßnahmen abgebaut werden?

GRÜNEWÄLDER: Sie haben sicher Verständnis dafür, dass wir öffentlich zu operativen Einsätzen, insbesondere was Schutzpersonen angeht, keine Auskünfte erteilen.

FRAGE: Die „BILD“-Zeitung hat berichtet, dass nach ihren Informationen deutsche Sicherheitskräfte angeblich die Information manipuliert hätten, dass Herr Nawalny in Schönefeld ankommen sollte. Das wurde öffentlich verlautbart, de facto soll er aber auf dem militärischen Teil des Flughafens Tegel gelandet sein. Ich möchte vom BMI wissen, ob Sie diese Berichterstattung bestätigen können.

GRÜNEWÄLDER: Deutsche Sicherheitskräfte haben in der Vergangenheit keine Informationen manipuliert und machen das in der Gegenwart und auch in der Zukunft nicht.

Einsatz der Bundeswehr in Mali

FRAGE: Ist Mali nach den neuesten Entwicklungen und dem Wunsch des Militärs einer Übergangszeit von drei Jahren noch ein Partner, mit dem die Bundesregierung und die Bundeswehr zusammenarbeiten wird?

Wie lange bleibt die Bundeswehr noch an ihren Stützpunkten in Mali?

ROUTSI (BMVg): Das ist eine Frage, die in erster Linie eine politische Frage ist. Deswegen würde ich gleich kurz ein Update geben, was uns angeht, dann aber hauptsächlich an das Auswärtige Amt übergeben. Die Ministerin hat sich beim E3+3-Treffen in Saarlouis auch dazu eingelassen.

Es ist so, dass wir die Situation laufend beobachten. Wir sind dort im Rahmen zweier gültiger Mandate tätig. Wir haben unsere Leute entsprechend der Mission EUTM in den Kasernen behalten, und die Mission MINUSMA wird weitergeführt. Wir werden das jetzt weiter beobachten. Was dann mit der Bundeswehr passiert, hat das Parlament zu entscheiden.

BURGER (AA): Ich kann von meiner Seite aus die Einschätzung abgeben, dass sich die Sicherheitslage in Mali seit dem Militärputsch am vergangenen Dienstag beruhigt hat. Es ist aber noch nicht klar, in welche Richtung sich die politische Lage weiterentwickelt. Aus Sicht der Bundesregierung ist es jetzt wichtig, zu einer verfassungsmäßigen Ordnung zurückzukommen, die sich auf demokratische Strukturen stützt. Deshalb unterstützen wir die Bemühungen von ECOWAS, vor Ort zu vermitteln.

FRAGE: Frau Routsi, Sie haben gesagt, die Weiterverwendung in den beiden Missionen obliege dann dem Parlament. Gibt es Ihrer Meinung nach einen konkreten Anlass dafür, das Parlament quasi über die Verlängerung bzw. über das Weiterbestehen der Mission abstimmen zu lassen?

ROUTSI: Das ist ja erst jüngst erfolgt. Wir sind Ende Mai darüber informiert worden, dass beide Mandate für die kommenden zwölf Monate verlängert wurden. Das ist der ganz normale parlamentarische Prozess, und den habe ich für das BMVg auch nicht zu kommentieren. Dieser politische Prozess ist wichtig, und nicht nur das BMVg ist ein Teil davon, sondern eben auch die gesamte Bundesregierung, wie Herr Burger schon sagte. Das steht bei allen im Moment natürlich im Fokus.

ZUSATZFRAGE: Das klang eher so, als wären Sie über die Sicherheitslage besorgt und würden die Missionen prinzipiell infrage stellen, oder habe ich Sie falsch verstanden?

ROUTSI: Es ist natürlich so, dass, wenn Soldatinnen und Soldaten entsandt werden, man sich selbstverständlich immer mit der Sicherheitslage befasst; das ist keine Frage. Aber wir haben bestehende Mandate, wir haben alle Maßnahmen getroffen, um unsere Frauen und Männer entsprechend zu schützen, und jetzt schauen wir einmal, wie sich der politische Prozess weiter gestalten wird.

FRAGE: Was ist denn jetzt Ihre politische Referenz in Mali? Sie sind dabei ja nicht vom rechtlichen Raum losgelöst. Ist das die De-facto-Putsch-Regierung, oder wer ist gerade Ihr malischer Ansprechpartner?

ROUTSI: Wir sind dort, gebunden an ein EU-Mandat und ein VN-Mandat. Beide Mandate können Sie entsprechend nachlesen. Für Weiteres verweise ich auf das Auswärtige Amt.

BURGER: Ich habe ja gerade darauf verwiesen: Im Moment laufen vor Ort Vermittlungsbemühungen der ECOWAS mit dem Ziel, dort wieder zu Stabilität auf Basis demokratischer Strukturen zu finden. Diese Vermittlungsbemühungen unterstützen wir. Das ist dort derzeit unsere wichtigste politische Referenz.

FRAGE: Meine Frage war ja: Wer ist der aktuelle Ansprechpartner in Mali auf Ebene der Exekutive und Legislative für die Bundeswehr? Die operiert ja nicht frei von der malischen Verfassung. Deswegen würde ich ganz gerne wissen, wer aktuell auf dieser Ebene Ansprechpartner für die deutsche Bundesregierung und die dort befindlichen deutschen Soldaten ist.

BURGER: Wie gesagt: Dort laufen im Moment Vermittlungsbemühungen, geführt von der Regionalorganisation ECOWAS, just mit dem Ziel, Klarheit darüber zu schaffen, wie der Übergang dazu, zu demokratisch legitimierten verfassungsmäßigen Strukturen zurückzukommen, aussehen kann.

COVID-19-Pandemie (Staus an der österreichisch-slowenischen Grenze)

FRAGE: Ist die Bundesregierung angesichts der langen Staus an der österreichisch-slowenischen Grenze, die auch viele Deutsche betroffen haben, der Meinung, man müsse Grenzkontrollen besser und länderübergreifend koordinieren?

BURGER (AA): Grundsätzlich sind wir der Meinung, dass in Europa alle Maßnahmen zur Eindämmung von Corona, sofern sie die Reisefreiheit betreffen, so gut wie möglich miteinander abgestimmt werden sollen, damit Reisende wissen, was sie erwartet, und weil die Maßnahmen dann am wirksamsten sind, wenn sie gut koordiniert sind.

GRÜNEWÄLDER (BMI): Dem habe ich nichts hinzuzufügen.

JCPoA

FRAGE: Herr Burger, ich habe eine Frage zum Iran bzw. zur USA. Die Vereinigten Staaten wollen ja bis zum 19. September die „Snapback“-Sanktionen einleiten. Was tut die Bundesregierung, um das zu verhindern?

Ich habe eine zweite Frage dazu. Am 1. September wird sich der gemeinsame Ausschuss des JCPoA in Wien treffen. Was ist das Ziel des Treffens?

BURGER (AA): Zu Ihrer ersten Frage: Dazu haben sich die Außenminister Deutschlands, Frankreichs und des Vereinigten Königreichs ja schon in ihrer Erklärung vom vergangenen Donnerstag geäußert. Frau Adebahr hat hier am Freitag, glaube ich, auch schon darüber gesprochen.

Ich kann Ihnen sagen: Die USA haben ja am 8. Mai 2018 ihren Rückzug aus der Wiener Nuklearvereinbarung erklärt, und seither sind sie auch nicht mehr in diesem Rahmen tätig geworden. Deshalb sind sie nach unserer Ansicht seit diesem Zeitpunkt auch nicht mehr als Teilnehmerstaat des JCPoA im Sinne der Sicherheitsratsresolution 2231 anzusehen, und deshalb können die USA auch diesen „Snapback“-Mechanismus nicht nutzen, um die Wiedereinführung von UN Sanktionen, die 2015 durch die Resolution 2231 ausgesetzt wurden, wieder zu erzwingen und das JCPoA zu beenden.

Das sehen die meisten Mitglieder des Sicherheitsrats genauso wie wir. Mittlerweile haben 13 Sicherheitsratsmitglieder in diesem Sinne an den indonesischen Sicherheitsratsvorsitz geschrieben, und einige haben auch wie wir öffentliche Erklärungen dazu abgegeben.

Wir stimmen natürlich mit den USA überein, dass dem Iran der Weg zu Nuklearwaffen verwehrt bleiben muss. Aber wir sagen, dass wir dafür das JCPoA erhalten und den Iran wieder dazu bringen möchten, seine Verpflichtungen einzuhalten. Dem dienen alle Schritte, auch im Rahmen des JCPoA.

Was das Thema der Joint Commission angeht, bin ich mir nicht sicher, ob es dazu schon eine offizielle Ankündigung vonseiten des EAD gibt.

ZUSATZ: Die gab es schon. Deswegen habe ich gefragt.

BURGER: Okay, dann muss ich Ihnen die Antwort dazu nachreichen.

[…]

BURGER: Ich habe noch eine Nachreichung zu der Frage nach dem angekündigten Treffen der Joint Commission im Rahmen der Wiener Nuklearvereinbarung.

Das nächste Treffen der Joint Commission findet am 1. September auf Ebene der Politischen Direktoren bzw. Vizeaußenminister in Wien statt. Wir wollen dort auch beim Thema Streitbeilegung vorankommen. Wir glauben nämlich, dass das JCPoA weiterhin den besten Rahmen bietet, um mit Irans Verstößen gegen seine Verpflichtung umzugehen. Wir haben dafür im Januar den sogenannten Streitschlichtungsmechanismus ausgelöst, und wir halten es für notwendig, die trotz aller iranischen Verletzungen nach wie vor gültigen Transparenz- und Kontrollinstrumente aufrechtzuerhalten.

Die Transparenz, die Irans Zusammenarbeit mit der IAEO schafft, ist von großer Bedeutung. Deswegen begrüßen wir auch, dass Generaldirektor Grossi heute nach Teheran gereist ist, um in Gesprächen mit der iranischen Führung die Zusammenarbeit zwischen der IAEO und Iran zu stärken. Diesen hochrangigen Austausch begrüßen wir sehr.

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