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Erklärungen des Auswärtigen Amts in der Regierungs­pressekonferenz vom 21.08.2020

21.08.2020 - Artikel

Fall des russischen Oppositionspolitikers Alexej Nawalny

SEIBERT (BReg): Ich wollte über den Fall des russischen Oppositionspolitikers Alexej Nawalny sprechen, der ja derzeit die Welt und natürlich auch die Bundesregierung beschäftigt.

Die Bundeskanzlerin hat gestern schon in Frankreich Seite an Seite mit dem französischen Präsidenten zum Ausdruck gebracht, wie bestürzt sie darüber ist, dass Herr Nawalny bewusstlos in ein Krankenhaus in Omsk eingeliefert werden musste und wie besorgt sie um seinen Gesundheitszustand ist. Sie hat auch erklärt, dass wir, wenn das gewünscht ist, ihm natürlich in deutschen Krankenhäusern alle denkbare medizinische Hilfe zuteilwerden lassen. Dafür sind entsprechende Vorbereitungen getroffen worden.

Zwei Dinge stehen jetzt absolut im Vordergrund: Die wichtigste Priorität ist natürlich, dass das Leben von Herr Nawalny gerettet werden kann und dass er genesen kann. Wie man den Berichten in den Medien entnimmt, steht jetzt die Frage seiner Transportfähigkeit im Raum. Aus dem Umfeld von Herr Nawalny gibt es den Vorschlag, dass auch Ärzte seines Vertrauens in die Klärung dieser Frage einbezogen werden. Das findet die Bundesregierung nachvollziehbar.

Das andere ist, dass hier ja ganz offensichtlich der schwere Verdacht einer Vergiftung im Raum steht. Für uns als Bundesregierung ist klar ‑ so hat es die Kanzlerin, genau wie der französische Präsident, schon gestern klar gefordert ‑: Die Umstände des Falles müssen vollständig und transparent aufgeklärt werden.

FRAGE: Plant die Bundesregierung, Kontakt mit der russischen Seite aufzunehmen, damit Herr Nawalny nach Deutschland gebracht werden kann?

SEIBERT: Vielleicht kann auch die Kollegin des AA dazu etwas sagen.

ADEBAHR (AA): Wir stehen, wie Herr Seibert schon gesagt hat, mit den russischen Behörden schon jetzt im Kontakt, damit wir zu einer professionellen und transparenten Lösung dieses humanitären Notfalls ‑ und das ist ein humanitärer Notfall ‑ beitragen können. Natürlich ist es in so einer humanitären Lage sicher im Interesse aller Seiten, dass das für die handelnden Personen möglichst reibungslos abläuft. Dazu stehen wir bereits mit der russischen Seite im Kontakt.

FRAGE: Wer entscheidet, ob Herr Nawalny nach Deutschland kommt? Die Angehörigen, die Bundesregierung?

SEIBERT: Wenn ich gesagt habe, dass wir, wenn gewünscht, bereit sind, ihm in deutschen Krankenhäusern die notwendige medizinische Versorgung zukommen zu lassen, dann drückt das aus, dass dieser Wunsch natürlich aus dem Umfeld von Herrn Nawalny kommen muss. Dann wären wir bereit, das zu tun und dafür auch alles Mögliche in die Wege zu leiten.

FRAGE: Wird auch die Kanzlerin direkt ‑ und nicht nur das Auswärtige Amt ‑ Kontakt mit Herrn Putin aufnehmen?

SEIBERT: Ist die Frage, ob sie Kontakt hatte? – Nein, sie hatte diesen Kontakt bisher nicht.

ZUSATZFRAGE: Will sie diesen Kontakt heute, morgen aufnehmen?

SEIBERT: Wie Sie wissen, berichte ich über Kontakte oder Gespräche der Kanzlerin, wenn sie und falls sie stattgefunden haben.

FRAGE: Heute Morgen soll von Nürnberg aus ein offenbar privates Rettungsflugzeug in Richtung Russland aufgebrochen sein. War das in irgendeiner Form mit der Bundesregierung abgesprochen, oder war das quasi eine Privatinitiative?

Falls es eine Privatinitiative war, hat das möglicherweise irgendwelche negativen Folgen, was die Zusammenarbeit mit der russischen Seite angeht?

ADEBAHR: Es ist eine private Initiative.

Zweitens. Ja, davon hatte die Bundesregierung Kenntnis. Ich denke, Sie haben selbst die Äußerungen der Initiative „Cinema for Peace“, die eine private Initiative ist, gesehen. Wir haben davon Kenntnis und stehen, wie gesagt, mit den russischen Behörden über humanitäre Fragen um diese Initiative in Kontakt.

ZUSATZFRAGE: Waren Sie aber nicht im Vorfeld in irgendeiner Art und Weise in die Abstimmung eingebunden, oder haben Sie es sozusagen dann erfahren, als es öffentlich geworden ist?

ADEBAHR: Wir hatten von dieser Initiative Kenntnis.

FRAGE: Herr Maas konnte heute noch nicht beantworten ‑ vielleicht können Sie es, Frau Adebahr oder Herr Seibert ‑, ob es erst das Angebot an die Nawalny-Seite gab, ihn in Deutschland behandeln zu lassen, oder ob es erst eine Anfrage von der Nawalny-Seite gab, ob er hier behandelt werden dürfe. Sie haben gesagt: Ja, klar. – Könnten Sie das kurz erläutern?

ADEBAHR: Ich habe Ihre Frage jetzt, ehrlich gesagt, nicht ganz verstanden. Der Außenminister hat gerade in Bratislava eine Pressekonferenz gegeben. Das, was er dort gesagt hat, steht für sich. Ich kann zu Fragen danach, wer wann wie was gesagt hat, hier nichts ausführen.

ZUSATZFRAGE: Ich habe mich vielleicht unklar ausgedrückt. – Hat die Bundesregierung der Nawalny-Seite angeboten, ihn in Deutschland behandeln zu lassen, oder hat die Nawalny-Seite erst einmal bei der deutschen Bundesregierung angefragt, ob das möglich wäre, und dann hat die die Bereitschaft dazu signalisiert?

Herr Seibert, könnten Sie noch einmal erläutern, welche Bedeutung Herr Nawalny für die Bundesregierung hat? Warum ist er ein so wichtiger Politiker?

SEIBERT: Wir haben hier immer wieder nicht nur über Herrn Nawalny, sondern auch über andere Vertreter der Opposition in Russland, über Vertreter der Zivilgesellschaft oder über Journalisten gesprochen, weil wir als Bundesregierung den Umgang mit solchen Kräften in Russland sehr genau beobachten. Das bisherige Vorgehen gegen die von Herrn Nawalny geführte Nichtregierungsorganisationen ist eben nur ein Beispiel für den sehr problematischen Umgang mit Andersdenkenden in der Russischen Föderation. Deswegen haben wir hier immer wieder über Herrn Nawalny, aber auch über andere gesprochen.

Jetzt liegt er mit schwersten Symptomen in einem sibirischen Krankenhaus, und deswegen gelten unser guten Wünsche jetzt erst einmal seiner Genesung. Dabei steht jetzt nicht im Vordergrund, wie wir einzelne politische Aktionen oder Positionen, die er hat, einschätzen, sondern es geht darum, dass wir wünschen, dass einem wichtigen Oppositionspolitiker, der mit Verdacht auf Vergiftungserscheinungen ‑ was wir von hier aus logischerweise nicht beurteilen können ‑ in ein Krankenhaus eingeliefert wird, jede medizinische Hilfe, die ihn hoffentlich retten kann, auch zukommt.

ZUSATZ: Die Frage war noch offen, Frau Adebahr!

ADEBAHR: Es gab gestern eine private Initiative. Welche Kontakte es darüber zu Herrn Nawalny gegeben hat, müssten Sie, glaube ich, dort erfragen. Ansonsten hat die Kanzlerin für die Bundesregierung das gesagt, was im Moment dazu zu sagen ist.

FRAGE: Ich habe tatsächlich auch noch eine Nachfrage zu den zeitlichen Abläufen: Hat die Kanzlerin, bevor sie ihr Angebot der Behandlung in Deutschland ausgesprochen hat, die russische Seite darüber informiert, oder gab es erst das öffentliche Angebot und dann, quasi darüber, die Erklärung an die russische Regierung?

SEIBERT: Die Bundeskanzlerin befand sich, wie Sie vielleicht mitbekommen haben, gestern in Frankreich während der ganzen zweiten Tageshälfte in Gesprächen mit dem französischen Präsidenten. Das Thema Alexej Nawalny hat auch in diesem Gespräch eine Rolle gespielt. Beide haben dann für ihr Land in der Pressekonferenz kurz nach 18 Uhr klar erstens ihre Besorgnis und zweitens ihre Bereitschaft ausgedrückt, wenn es gewünscht ist, ihm in Deutschland oder in Frankreich die medizinische Hilfe, die er brauchen könnte, zukommen zu lassen. Das ist das, was ich Ihnen über die Abläufe sagen kann.

Genau wie Frau Adebahr kann auch ich Ihnen über die Kontakte, die zwischen der Familie und den Mitarbeitern von Herrn Nawalny und der privaten Nichtregierungsorganisation hier in Deutschland bestehen, nichts sagen. Unsere grundsätzliche Bereitschaft zur medizinischen Behandlung bestand wie auch in anderen Fällen und ist ausgedrückt worden.

ZUSATZFRAGE: Das habe ich verstanden. Ich habe nur tatsächlich die Nachfrage: Gab es, bevor diese öffentliche Bereitschaft zusammen mit Herrn Macron bzw. bei dieser Gelegenheit erklärt wurde, vorher ein Gespräch mit offiziellen russischen Stellen bzw. mit der russischen Regierung, oder hat die russische Regierung durch diese öffentliche Äußerung davon erfahren?

SEIBERT: Die Bundeskanzlerin hat in Frankreich diese Äußerung gemacht, weil wir in solchen Fällen immer versuchen, den humanitären Weg zu gehen. Das wird auch niemanden überrascht haben.

FRAGE: Frau Adebahr, ich möchte noch einmal nach Ihren Kontakten zu dem Team von Nawalny fragen. Das hat heute Morgen gesagt, in seinem Körper sei ein vermutlich tödliches Gift gefunden worden. Die Polizei habe den Ärzten mitgeteilt, dass sie diesen gefährlichen Stoff gefunden habe. Das Gift sei nicht nur gefährlich für den 44-Jährigen, sondern auch für die Umgebung. Das spricht ja dafür, dass das vielleicht das radioaktive Polonium sein könnte. Das weiß man nicht. Haben Sie darüber mittlerweile schon konkretere Erkenntnisse aus dem Umfeld von Nawalny?

ADEBAHR: Sie leiten Ihre Frage mit „unseren Kontakten zu dem Nawalny-Umfeld“ ein. Ich habe von Kontakten mit der russischen Seite gesprochen, um eine private Initiative zu flankieren.

Den medizinischen Zustand von Herrn Nawalny können wir von hier aus nicht beurteilen. Das ist eine rein medizinische Frage. Ich kann Sie auch gerne noch einmal darauf hinweisen, dass der Außenminister gerade gesagt hat, dass wir das von hier aus weder überprüfen noch beurteilen können. Ich will auch nicht spekulieren, um welche Stoffe es sich im Körper von Herrn Nawalny handeln könnte. Das ist eine medizinische Frage, und der Gesundheitszustand sollte auch medizinisch, nämlich humanitär, beurteilt werden.

ZUSATZFRAGE: Mir ging es nicht um eine Spekulation Ihrerseits, sondern um die Frage, ob Sie vielleicht schon Informationen von diesem Team erhalten haben. Werden Sie vielleicht auch von sich aus in diesem Zusammenhang Kontakt zu diesem Team aufnehmen?

ADEBAHR: Ich kann Ihnen hier darüber, dass uns jetzt solche Informationen vorlägen, nichts mitteilen.

ZUSATZFRAGE: Werden Sie vielleicht vom Auswärtigen Amt aus nicht nur zu offiziellen russischen Stellen Kontakt aufnehmen, sondern auch zum Nawalny-Team?

ADEBAHR: Wenn ich über solche Kontakte hier etwas berichten kann, dann werde ich es Sie wissen lassen. Wir haben gerade den jetzigen Stand dargestellt. Natürlich schließt das nicht aus, dass es Kontakte ‑ was für welche auch immer ‑ in der Zukunft geben kann.

FRAGE: Da vorhin gesagt worden ist, dass aus dem Umfeld von Herrn Nawalny angeregt wurde, dass auch deutsche Ärzte bei der Aufklärung und vielleicht auch bei der medizinischen Einschätzung und Versorgung behilflich sind, frage ich: Sind deutsche Ärzte schon auf dem Weg nach Omsk, oder haben Sie Kenntnis davon, dass ein solcher konkreter Wunsch in die Tat umgesetzt wird?

SEIBERT: Was ich gesagt habe, ist, dass Ärzte seines Vertrauens in die Klärung einbezogen werden. Das habe ich gesagt.

ZUSATZFRAGE: Ich hatte das so verstanden, dass damit auch deutsche Ärzte gemeint sind. Das hatten Sie nicht explizit gesagt.

Wenn das der Fall ist ‑ es ja nicht unüblich, dass manchmal auch internationale Ärzteteams zusammenarbeiten, gerade dann, wenn keine Transportfähigkeit gegeben ist ‑, haben Sie dann Kenntnis von einer möglichen Beteiligung deutscher Ärzte in Omsk?

ADEBAHR: Wie sich die private Initiative genau ausgestaltet und wo sie gerade steht, müssten Sie, glaube ich, dort erfragen.

Medienbericht über ein Treffen zwischen dem ägyptischen Präsidenten und dem Chef der Lürssen-Werft

FRAGE: Ich habe eine Frage an das Wirtschaftsministerium. Es gibt ägyptische Medienberichte heute über ein Treffen zwischen dem ägyptischen Präsidenten Al-Sisi und dem Chef der deutschen Werftengruppe Lürssen. Dabei ging es den Berichten zufolge um einen möglichen Know-how-Transfer für Kriegsschiffe. Lassen die deutschen Regelungen für Rüstungsexporte angesichts der aktuellen Spannungen im östlichen Mittelmeer und vor allem auch zwischen Ägypten und der Türkei derzeit einen Transfer von Rüstungs-Know-how oder -gütern von deutschen Firmen nach Ägypten überhaupt zu?

BARON (BMWi): Vielen Dank für die Frage. – Zu den konkreten Berichten kann ich nicht Stellung nehmen, da sie mir nicht bekannt sind. Etwaige Treffen, die dort stattfinden, kann ich also nicht kommentieren. Die muss ich auch nicht kommentieren, weil das dann Sache der Unternehmen wäre, die sich dazu verhalten müssten.

Im Übrigen gilt unser Rüstungsexportregime so, wie es immer gilt. Es gibt im Außenwirtschaftsgesetz und im Kriegswaffenkontrollgesetz ein umfangreiches Portfolio an Regeln, und es gibt auch eine Regelung dafür, wenn erdachte Technologien transferiert werden. Auch das ist genehmigungspflichtig. Das, was in Deutschland produziert und erdacht wird, unterliegt also dem deutschen Exportkontrollregime und ist genehmigungspflichtig.

Ich kann nicht zu Einzelfällen Stellung nehmen. Ob das nun in diesem Einzelfall relevant ist oder nicht relevant ist und ob es sich überhaupt um deutsche Technologie handelt, weiß ich nicht. Das kann ich alles nicht beurteilen. Aber allgemein gilt: Das, was in Deutschland produziert oder was in Deutschland erdacht wird, unterliegt dem deutschen Rüstungsexportkontrollregime.

ZUSATZFRAGE: Um die Wirksamkeit der Richtlinie gerade angesichts dieser aktuellen Spannungen beurteilen zu können, frage ich: Sind Rüstungsexporte und ein Know-how-Transfer in Bezug auf Kriegsschiffe an Konfliktparteien im östlichen Mittelmeerraum mit den geltenden Exportrichtlinien derzeit vereinbar?

BARON: Wie gesagt: Einzelfälle kann ich nicht beurteilen.

Im Allgemeinen gilt, dass jede Rüstungsexportentscheidung im Lichte der aktuellen außenpolitischen Entwicklung getroffen wird. Ob es hier aber überhaupt Anträge gibt oder ob es überhaupt einen konkreten Fall gibt, kann ich nicht beurteilen und kann dazu nicht Stellung nehmen. Aber jede Rüstungsexportgenehmigung ergeht auf Basis des geltenden EU-Rechts, des Gemeinsamen Standpunkts der EU, des Kriegswaffenkontrollgesetzes und des Außenwirtschaftsrechts sowie im Lichte der jeweiligen außenpolitischen Situation und Bewertung.

FRAGE: Herr Seibert, gilt noch der Satz aus dem Koalitionsvertrag, dass keine Rüstungsexporte an Staaten getätigt werden, die unmittelbar am Jemen-Krieg beteiligt sind? Ägypten ist unmittelbar am Jemen-Krieg beteiligt.

SEIBERT (BReg): Die Kollegin hat ja gerade auch von der sehr restriktiven Genehmigungspraxis gesprochen, die immer eine intensive Einzelfallprüfung voraussetzt.

ZUSATZFRAGE: Das ist die Antwort auf was für eine Frage?

SEIBERT: Das ist die Antwort auf Ihre Frage.

ZUSATZFRAGE: Frau Baron, Ägypten ist unmittelbar am Jemen-Krieg beteiligt. Die Bundesregierung hat Exporte an solche Staaten ausgeschlossen. Wie passt das zusammen?

BARON: Ich habe meine Antwort gegeben. Ich kann hier, wie gesagt, keine Einzelfälle beurteilen, weil wir gar nicht wissen, ob es einen Einzelfall gibt oder ob es nur Berichte darüber gibt.

Es gilt das deutsche Rüstungsexportregime, das jeden Einzelfall genau prüft und vor allem die außenpolitische Bewertung des Zwecks vornimmt, zu dem ein Rüstungsgut exportiert werden soll. Das gilt, und das gilt natürlich unverändert.

FRAGE: An das Auswärtige Amt: Wie schätzen Sie denn aktuell die Gefährdungslage im östlichen Mittelmeerraum ein, gerade also auch zwischen der Türkei und Ägypten?

ADEBAHR (AA): Ich glaube, auch dazu hat sich gestern die Kanzlerin geäußert. Natürlich betrachten wir die Situation mit großer Sorge und haben ja in den letzten Tagen auch immer wieder bekräftigt, dass die Eskalation und die Klärung der offenen Fragen auf dem Verhandlungsweg das Gebot der Stunde sind. Darüber befinden wir uns auch in Gesprächen. Es kommt jetzt darauf an, die Situation wirklich zu beruhigen und zu deeskalieren. Das war ja auch Thema beim Außenrat der Außenminister in der letzten Woche. Sie haben vielleicht das Statement von Herrn Michel dazu gesehen. Hinter dem steht natürlich auch Deutschland, und darauf will ich Sie dann auch noch einmal verweisen. Das ist die aktuelle EU-Position dazu.

Menschenrechtslage in Ägypten

FRAGE: Zur Situation in Ägypten: Die Menschenrechtsbeauftragte hat sich, glaube ich, sehr besorgt über die kürzliche Verhaftungswelle in Ägypten geäußert. Ist die Bundesregierung in irgendeiner Weise tätig geworden? Hat sie gegen diese Verhaftungswelle protestiert oder andere Initiativen unternommen?

ADEBAHR (AA): Wir sprechen unsere Besorgnis über Menschenrechtsfälle in Ägypten permanent an, auch immer wieder in Gesprächen, und das sind Gespräche, die auch wieder von der Botschaft geführt werden. Sie sehen ja auch, dass die Menschenrechtsbeauftragte aktiv ist. Uns bereitet die Menschenrechtslage in Ägypten Sorge. Wir appellieren auch nicht nachlassend an die ägyptischen Behörden und Verantwortlichen, die Dinge sauber in einem sauberen Justizverfahren aufzuklären, und erklären unsere Grundposition, dass bürgerliche Rechte und Freiheiten ‑ Meinungsfreiheit, Pressefreiheit und Demonstrationsfreiheit ‑ aus unserer Sicht sehr hohe Güter sind. Auch das mahnen wir immer wieder an. Ja, natürlich gibt es Gespräche darüber.

Waffenembargo gegen Iran

FRAGE: Eine Frage an das Auswärtige Amt: Das Waffenembargo gegen Iran endet ja bekanntlich gemäß des JCPoA am 18. Oktober. Der Bundesaußenminister, Herr Heiko Maas, hat in der Pressekonferenz mit seinem saudi-arabischen Kollegen gesagt, dass er sich bemüht, einen Kompromiss über das Embargo zustande zu bringen. Wird so ein Schritt nicht das Ende des JCPoA, also des Atomabkommens, bedeuten? - Das ist die erste Frage.

ADEBAHR (AA): Vielleicht haben Sie nach der Erklärung des US-Außenministers gestern Abend in New York, den sogenannten „Snapback“-Mechanismus für das JCPoA auslösen zu wollen, die Erklärung der Außenminister aus Frankreich, Großbritannien und Deutschland gesehen. Darin haben Sie gesehen, dass wir, weil aus unserer Sicht die Vereinigten Staaten von Amerika nicht mehr Teil des Abkommens sind, einen solchen Schritt nicht unterstützen können.

Wir haben dort noch einmal darauf hingewiesen, dass wir dafür sind, weiter einen konstruktiven Weg zu finden und daran zu arbeiten, dass das Waffenembargo tatsächlich ‑ das ist auch eine vermittelnde Position in der Frage ‑ weitergelten kann. Daran würden wir jetzt weiterhin arbeiten, auch wenn die Vereinigten Staaten von Amerika diesen Schritt getan haben.

Denn es ist in der Tat so: Wir teilen die Sorge vieler Staaten, dass das ersatzlose Auslaufen des Waffenembargos schwere Folgen für die regionale Sicherheit und Stabilität haben könnte. Deshalb bemühen wir uns um eine vermittelnde Position im Sicherheitsrat.

Nein, aus unserer Sicht wäre das nicht das Ende des JCPoA. Wir stehen zu dem Nuklearabkommen, und wir wollen weiter daran arbeiten, dass es am Leben bleibt und wir uns weiter in dem Rahmen des Abkommens bewegen.

Wir rufen natürlich auch Iran dazu auf, seine Verpflichtungen wieder schnell und vollständig zu erfüllen, die sich aus dem Abkommen ergeben. Aber es ist nicht unser Ziel, dieses Abkommen irgendwie aufzukündigen oder daraus auszusteigen.

ZUSATZFRAGE: In Verbindung mit dieser Frage: Es soll ja der „Snapback“-Mechanismus ausgelöst werden. Die europäischen Partner von JCPoA haben mitgeteilt, dass sie damit nicht einverstanden sind. Heißt das, dass sie sich wirklich an dieses Abkommen halten und die Verpflichtungen eingehen wollen, oder gibt es da eine unterschiedliche Vorgehensweise?

Die Frage lautet also: Wenn sie damit nicht einverstanden sind, dass die US-Regierung den „Snapback“-Mechanismus auslöst, bedeutet das, dass man voll und ganz beim JCPoA bleibt ‑ oder nur teilweise?

ADEBAHR: Wir bleiben voll und ganz beim JCPoA.

Rettungsschiff „Sea-Watch 4“

FRAGE: Eine Frage an das Auswärtige Amt, vielleicht auch an das Bundesinnenministerium. Das Rettungsschiff „Sea-Watch 4“ hat das Einsatzgebiet vor der libyschen Küste erreicht. Hat die Bundesregierung eine Einschätzung, eine Bewertung dieses Einsatzes? Das Schiff wird ja wesentlich aus kirchlichen Spenden finanziert. Begrüßen Sie diese private Initiative?

GRÜNEWÄLDER (BMI): Zum Thema Seenotrettung ist hier ja vielfach ausgeführt worden. Sie wissen, dass wir als Bundesregierung grundsätzlich immer bereit sind, im europäischen Kontext zu helfen und aus Seenot gerettete Migranten aufzunehmen. Insofern sind wir hier durchaus bereit zu helfen. Das betrifft natürlich auch mögliche Migranten, die von dem neuen Schiff gerettet werden.

Mehr kann ich dazu heute nicht sagen. Das Schiff ist jetzt im Mittelmeer angekommen. Jetzt muss man weitersehen, was passiert.

ADEBAHR (AA): Ich glaube, den Grundsatz, dass wir Seenotrettung als humanitäre und auch völkerrechtliche Verpflichtung ansehen, haben wir hier mehrfach dargelegt. Natürlich sind wir bei der Frage der Verteilung in Europa auch immer bereit, aus Seenot Gerettete aufzunehmen. Das hat der Kollege gerade ausgeführt.

ZUSATZFRAGE: Da Sie hier, Herr Grünewälder, betont haben, dass es auch Schwierigkeiten geben könnte, bestehen formelle oder informelle Kontakte seitens der Bundesregierung zur Organisation, die das Schiff betreibt?

GRÜNEWÄLDER: Seitens des BMI nicht. Das ist mir nicht bekannt.

ZUSATZFRAGE JESSEN: Das Auswärtige Amt?

ADEBAHR (AA): Das müsste ich nachreichen.

FRAGE: Herr Seibert, begrüßt die Bundesregierung den Einsatz der „Sea-Watch 4“ in libyschen Gewässern? Die privaten Seenotretter auf der „Sea-Watch“ fordern ja neben sicheren und legalen Fluchtwegen auch eine staatliche Seenotrettung. Gibt es da von deutscher Seite aus etwas Neues?

SEIBERT (BReg): Ich habe dem, was die beiden Kollegen dazu gesagt haben, nichts hinzuzufügen. Das hat die Haltung der Bundesregierung schon ausgedrückt.

ZUSATZFRAGE: Begrüßt die Kanzlerin den Einsatz der „Sea-Watch 4“?

SEIBERT: Ich werde mich nicht zu einzelnen Aktionen äußern. Sie wissen, dass die Rettung von Menschen in Seenot ein edles Ziel ist. Sie wissen auch, dass unsere Grundhaltung ist: Es wäre besser, wenn kriminelle Schlepper erst gar nicht so viele Menschen in Seenot bringen würden. Denn hinter all diesen Menschen stehen kriminelle Schlepper, die ihr Geld damit verdienen, diese Menschen in Lebensgefahr zu bringen. Das heißt, unsere Politik muss natürlich immer auch die Ursachen und die Strukturen des Menschenhandels, der da stattfindet, im Blick haben. Deswegen bemühen wir uns nach Kräften ‑ das ist oft schwierig ‑ um die Stabilisierung von Staaten, um Vereinbarungen mit Staaten. Das ist die Grundhaltung.

Waffenruhe in Libyen

ADEBAHR (AA): Ich habe noch eine Nachlieferung zum Thema Libyen.

Es laufen gerade auch erste Meldungen über die Ticker.

Wir hören aus Libyen, dass sich der Premierminister der Regierung der nationalen Einheit und der Vorsitzende des Houses of Representatives, al-Sarradsch und Haftar, in zentralen Konfliktfragen auf eine Verständigung geeinigt haben ‑ offenbar in Bezug auf Voraussetzungen für einen Waffenstillstand in Sirte und Jufra und auf die dringend notwendige Aufhebung der Ölblockade.

Wir kennen hierzu noch nicht alle Details. Das sind erste Meldungen. Aber nach allem, was wir in diesem Moment hören, könnte das ein wichtiger Schritt hin zu einer Befriedung und zur weiteren Lösung des Libyen-Konflikts sein, auch im Sinne des Berliner Prozesses und der Anstrengung, die die Bundesregierung in den letzten Monaten dort, wie immer, unternommen hat.

Wir hoffen und erwarten, dass sich nun alle Akteure in Libyen weiter einigen und auf diesem möglichst konstruktiven Weg weitergehen können. Das wäre im Sinne der Menschen in Libyen und im Sinne einer Befriedung dort.

Ich will auch noch einmal sagen, dass wir UNSMIL ‑ das ist die Mission der Vereinten Nationen in Libyen ‑ weiter in ihrer Arbeit und in ihren unermüdlichen Bemühungen unterstützen, dort zum Frieden und zur Verständigung zu kommen.

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