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Erklärungen des Auswärtigen Amts in der Regierungs­pressekonferenz vom 20.07.2020

20.07.2020 - Artikel

Reise von Bundesaußenminister Maas nach Griechenland und Großbritannien

BURGER (AA): Außenminister Maas wird morgen früh zu einer zweitägigen Reise aufbrechen. Erste Station ist am Dienstag Griechenland; danach geht es weiter zu Gesprächen nach Großbritannien.

In Athen wird sich Außenminister Maas mit seinem Amtskollegen Nikos Dendias treffen. Anschließend werden die beiden gemeinsam, voraussichtlich gegen Mittag deutscher Zeit, vor die Presse treten. Der Außenminister wird, wie auch schon heute in Tallinn, die Schwerpunkte der deutschen EU-Ratspräsidentschaft vorstellen. Natürlich wird auch der Europäische Rat Gegenstand der Gespräche sein. Weitere Themen werden morgen die Beziehungen zur Türkei sowie Fragen zu Flucht und Migration sein.

Außerminister Maas wird in Athen außerdem mit dem griechischen Ministerpräsidenten Kyriakos Mitsotakis sowie der griechischen Staatspräsidentin Katerina Sakellaropoulou zu Gesprächen zusammenkommen. Anschließend wird der Außenminister das Jüdische Museum von Griechenland besuchen.

Nach einer Übernachtung in Athen geht es am Mittwoch weiter nach Großbritannien. Dort wird der britische Außenminister Dominic Raab den deutschen Außenminister auf seinem dienstlichen Landsitz Chevening House in Sevenoaks südöstlich von London empfangen. Nach einem ausführlichen Gespräch ist auch hier im Laufe des Nachmittags eine Pressebegegnung geplant.

Die Pressebegegnungen in Großbritannien und in Griechenland können Sie live auf dem Instagram-Kanal des Auswärtigen Amts verfolgen.

Bei dem Besuch in Großbritannien steht eine ganze Reihe bilateraler und internationaler Fragen auf dem Programm. So wird es sowohl um das Verhältnis zu China und zu Russland als auch um die enge Zusammenarbeit in der Nato und um die transatlantischen Beziehungen gehen. Auch wichtige regionale Fragen zum Thema Iran/JCPOA sowie den Nahost-Friedensprozess werden die beiden Außenminister miteinander besprechen. Ebenso steht die Lage im östlichen Mittelmeer und in Libyen auf dem Programm.

Natürlich wird bei diesem Treffen auch das künftige Verhältnis der EU zu Großbritannien eine Rolle spielen. Dabei ist klar: An unserer Position hat sich nichts geändert. Deutschland unterstützt Michel Barnier und die Europäische Kommission in ihren Verhandlungen für die EU mit Großbritannien nach Kräften. Unser Ziel sind weiterhin möglichst enge Beziehungen zu Großbritannien.

FRAGE: Herr Burger, wird es bei dem Besuch in Griechenland auch um die Abholung der Flüchtlinge aus den Flüchtlingslagern, die Kinder, die nach Deutschland gebracht werden sollen, gehen?

BURGER: Ich habe ja gesagt: Es werden auch Fragen zu Flucht und Migration auf der Agenda sein.

ZUSATZFRAGE: Geht das konkreter?

BURGER: Ich kann natürlich den Gesprächen jetzt nicht darüber hinaus vorgreifen.

FRAGE: Von griechischer Seite wurde ja schon öfter die Forderung nach Reparationszahlungen für das Wüten der Wehrmacht in Griechenland ins Spiel gebracht. Wird dieses Thema auch auf der Agenda stehen?

BURGER: Die Themen, die ich absehen kann, habe ich Ihnen schon genannt. Darüber hinaus habe ich jetzt nichts anzukündigen. Unsere Position zur Reparationsfrage kennen Sie ja.

[…]

FRAGE: Was genau wird Herr Maas in Bezug auf die Türkei mit seinem Amtskollegen in Athen besprechen?

BURGER: Auch hier muss ich, wie üblich, darauf verweisen, dass die Gespräche ja noch bevorstehen und ich ihnen deswegen hier nicht im Detail vorgreifen kann. Über das hinaus, was ich hier gesagt habe, nämlich dass das eines der Themen der Gespräche sein wird, kann ich nichts ausführen.

Wahlkommissionen in Deutschland für die Wahl des Präsidenten Weißrusslands

FRAGE: Herr Burger, stimmt es, dass das Auswärtige Amt die Botschaft von Weißrussland angewiesen hat, die Wahlkommissionen für die Wahl des Präsidenten von Weißrussland, die hier in Deutschland tätig werden, zu verkleinern?

Die Botschaft behauptet, dass die Wahlkommissionen in der Botschaft hier und im Konsulat in München auf Anweisung von deutschen Behörden verkleinert werden sollten.

BURGER (AA): Die Antwort auf diese Frage muss ich Ihnen leider nachreichen. Das habe ich nicht präsent.

Angekündigter US-Truppenabzug aus Deutschland

FRAGE WARWEG: Die Ministerpräsidenten von Baden-Württemberg, Bayern, Hessen und Rheinland-Pfalz haben eine Art Bittbrief an bedeutende US-Senatoren verfasst mit der Bitte, den von Trump angekündigten Truppenabzug aus Deutschland zu verhindern.

Dieser Brief hat ja auch bundespolitische Implikationen. Da würde mich interessieren: War dieser Schritt bzw. dieser Brief denn sowohl mit der Kanzlerin als auch mit dem Auswärtigen Amt abgestimmt? Teilen die Kanzlerin und auch das Auswärtige Amt den Inhalt dieses Briefes?

BURGER (AA): Unsere Position zu diesen amerikanischen Ankündigungen kennen Sie ja; das haben wir hier in der Vergangenheit immer wieder vorgetragen. Den Brief habe ich nicht weiter zu kommentieren. Wir haben Kenntnis von diesem Brief.

DEMMER (BReg): Wir haben Kenntnis von diesem Brief, und kommentieren möchte ich ihn jetzt auch nicht. Aber Sie kennen ja unsere Grundhaltung zu dem Thema, was den Nutzen und den Wert von amerikanischen Soldaten angeht, die in Deutschland seit Jahrzehnten im Rahmen des Bündnisses stationiert sind. Das ist Ihnen ja bekannt; darüber haben wir hier häufig gesprochen. Wir schätzen die enge und jahrzehntelange Zusammenarbeit mit den in Deutschland stationierten US-Soldaten sehr.

ZUSATZFRAGE: In dem Brief wird unter anderem ausgeführt, dass ‑ ich zitiere ‑ „die US-Präsenz Voraussetzung für einen partnerschaftlichen Beitrag zum Frieden in der Welt darstellt“. Da würde mich noch interessieren: Sieht denn die Kanzlerin beispielsweise auch in dem von Ramstein ausgehenden, völkerrechtlich hoch umstrittenen Drohnenkrieg einen Beitrag zum Weltfrieden, wie das in dem Brief formuliert wird?

DEMMER: Wir haben auch dieses Thema hier häufig besprochen. Sie kennen unsere Grundhaltung zu der Stationierung der US-Soldaten hier. Darum kann ich nur noch einmal betonen: Sie leisten einen wichtigen Beitrag für Sicherheit und Stabilität in Europa. Deswegen liegt es im Interesse unserer beiden Länder sowie der transatlantischen Allianz, dass die US-Soldaten in Deutschland stationiert sind.

ZUSATZFRAGE: Das heißt, für die Kanzlerin sind die Drohnenkriege der USA, die zumindest partiell von Ramstein aus koordiniert werden, auch ein Beitrag zu Frieden und Stabilität in Europa?

DEMMER: Ich habe ausdrücklich die Verquickung, die Sie hier versuchen, nicht vorgenommen. Sie kennen zu beiden Themen unsere Haltung.

Ermittlungen gegen die Wirecard AG

FRAGE: Herr Burger, es gibt Berichte, nach denen sich der Ex-Wirecard-Vorstand Marsalek mithilfe des russischen militärischen Geheimdienstes in Russland aufhält. Können Sie irgendetwas dazu sagen?

Die Frage geht auch an Frau Demmer: Haben Sie Kenntnis darüber? Sind Sie informiert worden, möglicherweise von der deutschen Botschaft in Moskau?

BURGER (AA): Die Medienberichterstattung dazu haben wir zur Kenntnis genommen. Aber wir äußern uns grundsätzlich nicht zu laufenden Ermittlungsverfahren und werden uns deswegen auch nicht zu Spekulationen über den Aufenthaltsort von Herrn Marsalek äußern.

DEMMER (BReg): Den Ausführungen von Herrn Burger habe ich an dieser Stelle nichts hinzuzufügen.

FRAGE: Können Sie möglicherweise „unter drei“ etwas dazu sagen?

BURGER: Nein, ich für meinen Teil nicht.

DEMMER: Nein.

FRAGE: Kann vielleicht das Bundesinnenministerium dazu etwas sagen? Hat das Bundesinnenministerium zumindest einmal die Behörden oder Interpol oder wen auch immer angefragt, ob Herr Marsalek sich irgendwo im Osten, also in Weißrussland oder Russland, aufhalten kann?

VICK (BMI): Ich nehme das gerne mit, und wenn ich Ihnen dazu etwas nachreichen kann, dann werde ich das gerne tun.

FRAGE: Das heißt, auch Sie sind nicht auf die russische Regierung oder den Botschafter in Bezug auf Gespräche oder gar eine eventuelle Forderung nach einer Auslieferung zugegangen?

BURGER: Was ich gesagt habe, ist, dass wir uns zu laufenden Ermittlungsverfahren grundsätzlich nicht äußern.

FRAGE: Ganz allgemein gefragt: Wer ist denn innerhalb der Regierung zuständig? Das Innenministerium, das Justizministerium, das Auswärtige Amt, das Kanzleramt?

DEMMER: Das ist ja ein sehr vielschichtiges Thema, und das Bundeskabinett arbeitet hier konstruktiv zusammen. Die Vorkommnisse erfordern natürlich eine umfassende Aufklärung. Der Fall Wirecard ist besorgniserregend, und insofern haben die Kollegen in der vergangenen Woche ja umfassende Aufklärung versprochen und eingefordert. Wir befinden uns derzeit im Aufklärungsprozess.

FRAGE: Frau Demmer, es gibt Berichte, dass die Kanzlerin oder das Kanzleramt sich im Rahmen einer China-Reise auch für Wirecard eingesetzt hat. Was können Sie dazu sagen?

DEMMER: Dazu kann ich ganz grundsätzlich sagen, dass sich die Bundesregierung im Rahmen ihrer bilateralen Kontakte zu anderen Ländern regelmäßig für die wirtschaftlichen Interessen deutscher Unternehmen in diesen Ländern einsetzt. Oftmals werden die Bundeskanzlerin und die Bundesministerinnen und -minister deshalb von hochrangigen Wirtschaftsdelegationen auf ihren Auslandsreisen begleitet.

Im Kern bleibt das jeweils von der Bundesregierung unterstützte Anliegen aber immer eine unternehmerische Entscheidung in alleiniger Verantwortung des Unternehmens. Auch in diesem Fall war das so. Die Bundeskanzlerin hat im Rahmen ihres Gesprächs die Firma angesprochen, wie eben auch andere Firmen, Themen zu anderen Unternehmen.

ZUSATZFRAGE: Hat die Bundeskanzlerin sich im Zuge der geplanten China-Aktivität von Wirecard aktiv für Wirecard eingesetzt?

DEMMER: Das, was ich eben schon gesagt habe, gilt. Die Bundeskanzlerin hat in ihrem Gespräch in China neben anderen Themen andere Unternehmen betreffend auch das Unternehmen Wirecard angesprochen.

FRAGE: Frau Demmer, von dem Finanzminister wissen wir, dass er seit Februar 2019 von Wirecard und dem potenziellen Skandal gewusst hat. Seit wann weiß denn die Kanzlerin von Ungereimtheiten? Wann wurde sie zum ersten Mal informiert?

DEMMER: Die Kanzlerin hat jedenfalls zu diesem Zeitpunkt keine Kenntnis von Unregelmäßigkeiten bei Wirecard gehabt.

ZUSATZFRAGE: Zwischen Februar 2019 und Juli 2020 ist eine lange Zeit. Wann hat sie zum ersten Mal von Ungereimtheiten bei Wirecard gehört?

DEMMER: Wie gesagt ‑ das habe ich ja auch eingangs gesagt ‑: Es ist ein großes, wichtiges Thema, bei dem die Bundesregierung sich um umfassende Aufklärung bemüht. Aber zu diesem Punkt kann ich Ihnen hier und heute jetzt noch keine Auskunft geben.

ZUSATZFRAGE: Können Sie das nachreichen?

DEMMER: Sobald es geht.

FRAGE: Wer führt denn die Ermittlungen im Fall Marsalek? Ist das die Generalstaatsanwaltschaft? Weiß jemand, wer die Ermittlungen führt?

ZIMMERMANN (BMJV): Mir ist nicht bekannt, welche Ermittlungsbehörden im Einzelnen im Moment ermitteln. Nach meiner Erinnerung ist es insbesondere die Staatsanwaltschaft München. Da würde ich Sie bitten, sich an die jeweils zuständige Staatsanwaltschaft, die das Ermittlungsverfahren führt, zu wenden.

FRAGE: Wenn Sie sagen, die Kanzlerin hat das Thema angesprochen: Was heißt das konkret?

DEMMER: Ich kann Ihnen ja aus den vertraulichen Gesprächen jetzt kein Wortlautprotokoll geben. Bei diesen Reisen ‑ deswegen werden ja die Kanzlerin und auch Minister bei diesen Reisen von teilweise relativ großen Wirtschaftsdelegationen begleitet ‑ ist es üblich, Unternehmen anzusprechen. Das ist in diesem Fall passiert.

ZUSATZFRAGE: Sie hat also für das Unternehmen geworben?

DEMMER: Sie hat es angesprochen.

[…]

FRAGE: Die Sondersitzung des Finanzausschusses (zu Wirecard) ist für den 29. Juli terminiert. Herr Scholz und Herr Altmaier sind auch angefragt. Gibt es bereits eine abgestimmte Uhrzeit? Können Sie zusagen, dass Herr Scholz für das Finanzministerium und Herr Altmaier für das Wirtschaftsministerium kommen werden, oder werden sie einen Staatssekretär schicken?

KUHN (BMF): Die Terminplanung nimmt der Bundestag immer selbst vor. Der Minister hat letzte Woche bereits angeboten, in einer Sondersitzung des Bundestags-Finanzausschusses den Sachstand zu erläutern.

WAGNER (BMI): Ich selber kenne die Einladung noch nicht; ich kenne das auch nur aus der Presse. Aber ganz generell gilt natürlich, dass die Bundesregierung, das Bundeswirtschaftsministerium solchen Bitten nachkommt und sicherstellt, dass das Bundeswirtschaftsministerium im Ausschuss entsprechend vertreten ist und Rede und Antwort steht.

ZUSATZFRAGE: Haben Sie schon eine abgestimmte Uhrzeit?

KUHN: Wie gesagt, die Terminplanung nimmt der Ausschuss selbst vor. Er bestimmt ja seine Tagesordnung.

ZUSATZFRAGE: Dort sagt man aber, es sei so schwierig, einen Termin zu finden.

KUHN: Dann werden sicherlich die beiden Häuser und der Bundestag zusammen einen Termin finden.

FRAGE: Wenn Finanzminister Scholz schon im Februar 2019 von den Unregelmäßigkeiten wusste, warum hat er dann die Kanzlerin nicht informiert?

KUHN: Der Minister hat sich ja gestern im Interview schon dazu geäußert, was er wusste. Ich glaube, es ist wichtig, hier noch mal zu betonen: Im Februar war es öffentlich bekannt, dass es Vorwürfe gegen das Unternehmen gibt. Dazu wurde ja auch breit in der Presse berichtet. Die Vorwürfe wurden dann untersucht; dem wurde nachgegangen. Darüber wurde der Minister informiert. Der Informationssachstand ist nicht so viel detaillierter gewesen als das, was ohnehin in den Zeitungen stand.

ZUSATZFRAGE: Die Frage war explizit, warum die Kanzlerin nicht informiert wurde. Warum hat vor diesem Hintergrund Finanzminister Scholz die Kanzlerin dann nicht informiert?

KUHN: Ich betone noch einmal: Die Informationen, über die unser Minister informiert worden ist, waren im Wesentlichen öffentlich bekannt. Das war der Sachstand im Februar 2019, der ja auch der Öffentlichkeit insgesamt bekannt ist.

Europäischer Rat in Brüssel

FRAGE: „Bild“ berichtet über einen Konflikt des Auswärtigen Amtes mit dem Kanzleramt, weil Kanzlerin Merkel in Brüssel bei den Verhandlungen das Thema Rechtsstaatlichkeit nicht als rote Linie verfolge. Vertritt die Kanzlerin noch die abgestimmte Regierungsposition und der EU-Ratspräsidentschaft, wo Rechtsstaatlichkeit eine Priorität ist?

Ist die Kanzlerin bereit, bei Rechtsstaatlichkeit Abstriche zu machen, um ein Ergebnis in Brüssel zu erreichen?

DEMMER (BReg): Zunächst mal ganz grundsätzlich: Haben Sie bitte Verständnis, dass ich jetzt während der laufenden Verhandlungen in Brüssel eigentlich nicht auf Einzelheiten eingehen kann. Aber ganz klar ist doch, dass für die Bundeskanzlerin und die Bundesregierung insgesamt die Rechtsstaatlichkeit besonders wichtig ist. Die Verhandlungen auch diesbezüglich laufen zurzeit noch. Grundlage für die Beratungen sind Vorschläge, die Ratspräsident Michel für den Europäischen Rat vorgelegt hat. Dazu stimmt sich die Bundesregierung fortlaufend eng ab. An der gemeinsamen abgestimmten Position zum Thema hat sich nichts geändert.

BURGER (AA): Dem habe ich nichts hinzuzufügen.

FRAGE: Die sogenannten Sparsamen Vier haben sich ja jetzt zu den „Sparsamen Fünf“ entwickelt; Finnland ist dazugekommen. Das bedeutet, dass eigentlich alle skandinavischen Länder, soweit sie Vollmitglieder der EU sind, zu diesem besonderen Klub gehören.

Herr Burger, erleben wir hier eine Neuaufteilung Europas, bei der sich Skandinavien, also der Norden, kollektiv in eine Sonderrolle begibt?

BURGER: Herr Jessen, ich muss Sie um Verständnis bitten, dass auch ich nicht von hier aus jetzt die in Brüssel laufenden Gespräche kommentieren werde.

ZUSATZFRAGE: Nein, das war ja kein Kommentar zu den in Brüssel laufenden Gesprächen, sondern der Sachverhalt, dass eine Gruppe von Ländern sich in einer sehr eigenen Art zusammenschließt und dass praktisch der gesamte skandinavische Raum mit Ausnahme Norwegens jetzt dazugehört. Das ist ja eine Sache, die unabhängig von den laufenden Verhandlungen zu bewerten wäre.

BURGER: Die Interpretation, die Sie gerade vortragen, bezieht sich ja gerade auf ein von Ihnen so interpretiertes, aktuell laufendes Verhandlungsgeschehen in Brüssel. Insofern werde ich mich dazu jetzt nicht äußern.

Haltung der Bundesregierung zu Guantánamo

FRAGE: Herr Burger, Sie haben es nach drei Wochen geschafft, letzte Woche Ihre Haltung zu Guantánamo nachzureichen, ohne uns die Haltung zu nennen. Sie haben mitgeteilt: „Der US-Regierung und dem US-Kongress ist die Haltung der Bundesregierung zu Guantánamo seit langer Zeit bekannt.“ Nennen Sie uns die doch mal.

BURGER (AA): Auch Ihnen ist unsere Haltung ja bekannt; die haben wir ja hier in der Vergangenheit immer wieder geäußert.

FRAGE: Wie ist die? Mir ist sie nicht bekannt.

BURGER: Die können Sie ganz einfach in den Protokollen der Regierungspressekonferenz von vor einigen Jahren nachlesen. Sie hat sich seither nicht geändert.

ZUSATZFRAGE: Können Sie sie vielleicht auch für unsere Bild- und Ton-Kollegen hier mal vortragen?

BURGER: Auch sie haben ja Zugriff auf die Archive aus der damaligen Zeit. Da ist das in großer Differenziertheit und auch sehr engagiert diskutiert worden. Deswegen, glaube ich, macht es keinen Sinn, dass ich das jetzt hier noch mal wiedergebe.

FRAGE: Dass die Haltung bekannt ist, ist eine Sache. Die Frage ist: Wird eine bekannte Haltung in solchen Gesprächen regelmäßig vorgetragen? Sie kennen den Ausspruch von Cicero am Ende seiner Rede: „Ceterum censeo Carthaginem …“ Wird in Gesprächen regelmäßig vorgetragen, dass die Bundesregierung der Auffassung ist, dass Guantánamo geschlossen werden müsse?

BURGER: Ich mache jetzt hier grundsätzlich keine konkreten Angaben zu vertraulichen Inhalten vertraulicher Gespräche. Was ich Ihnen sagen kann, ist, dass unsere Haltung zu Fragen des Völkerrechts, auch zu Fragen des humanitären Völkerrechts, zur Achtung der Menschenrechte und zur Achtung der Standards des humanitären Völkerrechts natürlich immer wieder auch Gegenstand von Gesprächen mit unseren Partnern, den Vereinigten Staaten ist.

ZUSATZFRAGE: Ist meine Interpretation dann richtig, dass diese Position proaktiv regelmäßig von der Bundesregierung gegenüber den amerikanischen Gesprächspartnern vorgebracht wird, verbunden mit der Forderung, dass Guantánamo geschlossen werden müsse?

BURGER: Ich habe jetzt das gesagt, was ich zu diesem Komplex zu sagen habe.

Wie gesagt, aus unserer Sicht können Herausforderungen durch den Terrorismus nur im Einklang mit dem Völkerrecht, auch dem humanitären Völkerrecht und mit den Menschenrechten dauerhaft gelöst werden. Vor diesem Hintergrund sprechen wir über diese Themen, wenn wir dazu Gelegenheit haben, auch mit den Vereinigten Staaten.

FRAGE: Können Sie ausführen, was Sie daran hindert, hier noch mal explizit diese Haltung zu formulieren? Es kann im Umgang mit der Presse nicht wirklich eine Referenz sein, dass man auf jahrealte Protokolle verweist. Es kostet Sie ja relativ wenig, das jetzt einfach von einem Sprechzettel ein bisschen konkreter vorzulesen.

BURGER: Wie gesagt, mein Verständnis, meine Erinnerung ist, dass es hier vor mehreren Jahren in größerer Ausführlichkeit und größerer Differenziertheit vorgetragen wurde.

Ich will jetzt nicht den Eindruck erwecken, dass ich mich vor dieser Frage drücke. Deswegen sage ich gern noch mal: Aus unserer Sicht stellt das Lager Guantánamo wichtige Prinzipien der Menschlichkeit, des Rechtsstaats und der Menschenrechte infrage. Aber wie gesagt: Zu den ausführlichen Details der völkerrechtlichen und menschenrechtlichen Bewertung würde ich Sie gerne auf die Diskussionen dazu verweisen, die hier in der Vergangenheit ausführlich stattgefunden haben.

FRAGE: Wenn Sie das vielleicht nicht verbal hier äußern wollen, können Sie uns heute explizit nachreichen, wie Ihre Haltung im Juli 2020 zu Guantánamo ist?

BURGER: Wie gesagt, unsere Haltung hat sich gegenüber der Vergangenheit nicht geändert.

Mittelverwendung der Mayday Rescue Foundation

FRAGE: Die niederländische Tageszeitung „de Volkskrant“ hat mit Recherchen belegt, dass die Mayday Rescue Foundation, also die Stiftung hinter den Weißhelmen, Gelder, die eigentlich für die Rettung der Weißhelme im Juli 2018 gedacht waren, missbräuchlich verwendet hat und sie stattdessen als Boni für das Direktorium der Stiftung genutzt hat, nämlich James Le Mesurier und seine Frau.

Des Weiteren wird in den Recherchen aufgeführt, dass die Bundesregierung spätestens im November 2019 davon wusste, aber davon absah, den Bundestag über diese missbräuchliche Verwendung der Gelder und auch über massive Probleme in der Buchhaltung zu informieren. Kann das Auswärtige Amt diese Berichte von „de Volkskrant“ bestätigen?

BURGER (AA): Vielen Dank für die Frage. Das gibt mir Gelegenheit, einiges richtigzustellen, was in der Berichterstattung falsch bzw. zumindest missverständlich dargestellt wurde.

Tatsache ist, dass im April 2020 das Auswärtige Amt Zinsen in Höhe von 49 596,92 Euro von der niederländischen NGO Mayday Rescue Foundation zurückgefordert hat. Diese sind aufgrund von nicht alsbaldiger Mittelverwendung im Rahmen der Verwendungsnachweisprüfung des Projekts „Unterstützung für die syrischen Weißhelme, Batal 11“ im Jahr 2017 angefallen.

Die Mayday Rescue Foundation hat im Juli 2020 die Verwendungsnachweise für die Projektphasen Batal 19 und Batal 23 bei den für die Prüfung zuständigen Behörden Auswärtiges Amt und Bundesverwaltungsamt eingereicht, wo sie zeitnah bearbeitet werden. Das Auswärtige Amt sieht nach der Untersuchung des Prüfungsunternehmens Grant Thornton keinen Hinweis auf Betrug und geht davon aus, dass die Mittel ihrem vorgesehenen Verwendungszweck, der Förderung der Weißhelme, zugegangen sind. Dies legt auch der Abschlussbericht einer Finanzprüfung durch Grant Thornton nahe. Um eine zweckgemäße Verwendung der Mittel abschließend sicherzustellen, laufen derzeit Verwendungsnachweisprüfungen.

Zu dem anderen erwähnten Betrag aus dem Artikel kann ich Ihnen nur sagen: Die vom Auswärtigen Amt erhobene Rückforderung in Höhe von 49 000 Euro ‑ die genaue Summe habe ich gerade genannt ‑ steht nicht im Zusammenhang mit der im Artikel genannten und davon abweichenden Summe. Bei der Rückforderung des Auswärtigen Amts handelt es sich, wie gesagt, um Zinsen, die im Rahmen der Verwendungsnachweisprüfung aufgrund nicht alsbaldiger Mittelverwendung erhoben wurden.

Wie gesagt, aus der Prüfung der bisher dem Auswärtigen Amt vorgelegten Verwendungsnachweise gibt es auch nach der Untersuchung des Prüfungsunternehmens aus unserer Sicht keinen Hinweis auf Betrug.

ZUSATZFRAGE: Jetzt hat die niederländische Seite aufgrund des aufgedeckten Betrugs ‑ das hat ja auch der Gründer kurz vor seinem Tod selbst eingeräumt ‑ die Zusammenarbeit mit den Weißhelmen aufgekündigt. Wie bewertet die Bundesregierung vor dem Hintergrund dieses Betrugs ihre weitere Zusammenarbeit mit den Weißhelmen?

BURGER: Ich habe Ihnen jetzt gesagt, was der Stand der Forderungen und auch der Beziehungen zu der NGO in Bezug auf die von Deutschland geförderten Projekte ist. Dort gibt es, wie gesagt, nach dem bisherigen Stand der Prüfung keine Hinweise auf Betrug. Es gibt eine finanzielle Rückforderung, die sich auf Zinsen aufgrund einer nicht alsbaldigen Mittelverwendung bezieht.

Das ist das, was ich Ihnen für das Auswärtige Amt dazu mitteilen kann.

Status des Vertreters des Interimspräsidenten von Venezuela in Deutschland

FRAGE: Herr Burger, die Pressestelle des selbsternannten Interimspräsidenten von Venezuela, Juan Guaidó, spricht in letzter Zeit wieder vermehrt davon, dass Otto Gebauer, der persönliche Vertreter von ihm hier in Deutschland, deutscher Botschafter in Deutschland sei. Habe ich da was verpasst? Erfolgte bereits eine Akkreditierung oder bleibt die Bundesregierung dabei, dass Herr Gebauer kein Status als Botschafter hat?

BURGER (AA): Nach meinem Informationsstand hat sich an dem Status nichts geändert. Wenn es eine Veränderung geben sollte, würde ich das gerne nachreichen.

ZUSATZFRAGE: Eine generelle Verständnisfrage zu Venezuela. Deutschland mischt sich teilweise recht massiv in die inneren Angelegenheiten Venezuelas ein, auch durch die Anerkennung eines Oppositionspolitikers als Interimspräsidenten. Mich würde auch auf der Basis einer regelbasierten Weltordnung interessieren: Auf welchen Artikel der UN-Charta ‑ diese müssen ja irgendwie UN-gedeckt sein – basieren diese Einmischungen Deutschlands in die inneren Angelegenheiten eines souveränen Staates?

BURGER: Das weise ich natürlich in aller Form zurück. Die Bundesregierung mischt sich natürlich nicht in innere Angelegenheiten anderer Staaten ein, auch nicht in die inneren Angelegenheiten Venezuelas.

Sie erinnern sich sicherlich genauso gut wie ich daran, wie die politische Krise in Venezuela entstanden ist, nämlich dadurch, dass die Amtszeit von Präsident Maduro auslief und dort eine Präsidentenwahl unter Bedingungen stattgefunden hat, die von weiten Teilen der internationalen Gemeinschaft als nicht legitim bewertet wurde und daraufhin nach den Regeln der venezolanischen Verfassung der damalige Präsident der Nationalversammlung die Rolle eines Interimspräsidenten mit der Aufgabe angenommen hat, Präsidentenwahlen zu organisieren.

Das ist nun ein Vorgang, der sich sozusagen aus der politischen Lage in Venezuela selbst und aus der venezolanischen Verfassung ergeben hat. Dass sich dort in der Folge dieser politischen Konstellation ein Widerspruch zwischen der Interpretation der Verfassung des Maduro-Lagers und der von Interimspräsident Guaidó ergibt, ist nun eben eine Folge der innenpolitischen Entwicklung in Venezuela und der venezolanischen Verfassungsordnung und ist von uns von außen nicht aufzulösen.

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